Kitabı oku: «Das Internationale Militärtribunal von Nürnberg 1945/46», sayfa 7

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Der gesetzlose Weg zur Macht.

Zunächst wünsche ich den gesetzlosen Weg zu beschreiben, den diese Männer einschlugen, um die Gewalt in ihre Hände zu bekommen, die sie später so benützten.

Plan und Handlung waren begründet und verwachsen in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, in der sogenannten Nazi-Partei. Einige der Angeklagten gehörten ihr seit der Gründung an, andere traten ihr erst bei, als der Erfolg sie vor dem Gesetz bestätigt oder die Macht sie vor dem Zugriff des Gesetzes geschützt hatte. Im Jahre 1921 wurde Adolf Hitler ihr oberster Leiter oder „Führer“.

Am 24. Februar 1920 hatte die Partei in München öffentlich ihr Programm verkündet (1708-PS).

Einige ihrer Ziele würden wohl vielen guten Staatsbürgern einleuchten, etwa die Forderung einer „Gewinnbeteiligung an Großbetrieben“, eines „großzügigen Ausbaus der Altersversorgung“, der „Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seiner Erhaltung“, einer „unseren nationalen Bedürfnissen angepaßten Bodenreform“, und einer „Hebung der Volksgesundheit“. Sie beschwor auch eindringlich jene Art von Nationalismus, die jeder bei sich selbst als Vaterlandsliebe, beim Gegner als Chauvinismus empfindet. Sie forderte „die Gleichberechtigung des deutschen Volkes gegenüber den anderen Nationen, Aufhebung der Friedensverträge von Versailles und Saint Germain“. Sie forderte den „Zusammenschluß aller Deutschen auf Grund des Selbstbestimmungsrechts der Völker zu einem Großdeutschland“. Sie forderte „Land und Boden (Kolonien) zur Ernährung unseres Volkes und Ansiedlung unseres Bevölkerungsüberschusses“. Natürlich waren das alles Ziele, die rechtlich unantastbar waren, solange sie ohne einen Angriffskrieg erreicht werden sollten.

Die Nazi-Partei sann jedoch von allem Anfang an auf Krieg. In ihrer Münchener Deklaration von 1920 forderte sie „die Abschaffung der Söldnertruppe und die Bildung eines Volksheeres“. Sie verkündete:

„Im Hinblick auf die ungeheuren Opfer an Gut und Blut, die jeder Krieg vom Volke fordert, muß die persönliche Bereicherung durch den Krieg als Verbrechen am Volke bezeichnet werden. Wir fordern daher restlose Einziehung aller Kriegsgewinne.“

Ich kritisiere diese Politik nicht, ich wünschte, sie wäre allgemein anerkannt. Ich möchte nur feststellen, daß in Friedenszeiten, im Jahre 1920, die Partei sich hauptsächlich mit dem Krieg beschäftigte und damit begann, der Masse des Volkes den Gedanken an einen Krieg als weniger arg oder anstößig erscheinen zu lassen. Gleichzeitig befürwortete sie die körperliche Ertüchtigung und Förderung des Sports unter der Jugend, aber es wird sich zeigen, daß sich dahinter ein geheimer Plan militärischer Ausbildung verbarg.

Das Programm der Nazi-Partei verpflichtete die Mitglieder auch zu judenfeindlichen Forderungen. Es erklärte, ein Jude oder eine Person nichtdeutschen Blutes könne nicht Volksgenosse sein. Solchen Personen solle das Staatsbürgerrecht aberkannt werden, sie sollten kein öffentliches Amt bekleiden dürfen, sollten unter Fremdengesetzgebung stehen und ein Anrecht auf eine Erwerbs- und Lebensmöglichkeit erst nach den Staatsbürgern haben. Alle, die nach dem 2. August 1914 nach Deutschland eingewandert seien, sollten sofort zum Verlassen des Reiches gezwungen werden, und jede weitere Einwanderung Nichtdeutscher solle verboten werden.

Die Partei bekannte sich schon damals zu dem Grundgedanken eines autoritären und totalitären Programms für Deutschland. Sie verlangte die Schaffung einer starken Zentralgewalt mit unbedingter Autorität, die Verstaatlichung aller bereits „amalgamierten“ Betriebe und einen „Ausbau“ des gesamten Volksbildungswesens, wobei „das Erfassen des Staatsgedankens bereits mit Beginn des Verständnisses durch die Schule (Staatsbürgerkunde) erzielt werden muß“. Sie verkündete ihre feindselige Mißachtung staatsbürgerlicher Freiheiten und der Pressefreiheit ausdrücklich mit folgenden Worten:

„Zeitungen, die gegen das Gemeinwohl verstoßen, sind zu verbieten. Wir fordern den gesetzlichen Kampf gegen eine Kunst- und Literaturrichtung, die einen zersetzenden Einfluß auf unser nationales Leben ausübt, und die Schließung von Veranstaltungen, die gegen vorstehende Forderungen verstoßen.“

Die Ankündigung religiöser Verfolgung war in die Sprache religiöser Freiheit gekleidet. Das Nazi-Programm erklärte:

„Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat“, aber es folgte die Einschränkung: „soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germanischen Rasse verstoßen.“

Das Parteiprogramm warf auch die Schatten künftigen Schreckens voraus. Es verkündete:

„Wir fordern den rücksichtslosen Kampf gegen diejenigen, die durch ihre Tätigkeit das Gemeininteresse schädigen“, und verlangte, daß darauf die Todesstrafe gesetzt werde.

Es ist bezeichnend, daß die Führer der Partei dieses Programm als eine Kampfansage betrachteten, die bestimmt einen Zusammenstoß beschleunigen werde. Seine Schlußformel lautete: „Die Führer versprechen, wenn nötig unter Einsatz ihres eigenen Lebens, für die Durchführung der vorstehenden Punkte rücksichtslos einzutreten.“ Dieses Führerkorps der Partei- nicht ihre sämtlichen Mitglieder- steht als eine verbrecherische Organisation unter Anklage.

Wie haben nun die Führer der Partei ihr Versprechen eingelöst, rücksichtslos für ihr Programm einzutreten?

Die Ziele ihrer Außenpolitik, internationale Verträge aufzukündigen und fremde Gebietsteile unter ihre Hoheit zu bringen, waren wie die meisten Punkte ihres innerpolitischen Programms offensichtlich nur zu verwirklichen, wenn sie über die deutsche Staatsgewalt verfügen konnten. Sie versuchten daher zunächst, die Weimarer Republik durch eine Revolution gewaltsam zu stürzen. Ein Putsch in München im Jahre 1923 mißglückte und brachte viele von ihnen ins Gefängnis. In der Zeit des Nachgrübelns, die darauf folgte, entstand das Buch „Mein Kampf“, aus dem nun fortan die Anhänger der Partei ihren Glauben und der Führer der Partei beträchtliche Einnahmen schöpften. Der ursprüngliche Plan der Nazis, die schwache Republik mit Gewalt zu beseitigen, wandelte sich; sie sollte jetzt von innen erobert werden.

Es wäre ein grober Irrtum, sich unter der Nazi-Partei eine jener Vereinigungen freien Zusammenschlusses vorzustellen, die wir in den westlichen Demokratien „politische Parteien“ nennen. Nach ihrer Disziplin, ihrer Struktur und ihrer Methode war die Nazi-Partei nicht für den demokratischen Prozeß der Überredung geeignet. Sie war ein Instrument der Verschwörung und des Zwanges. Sie wurde nicht gebildet, um die Unterstützung der Mehrheit des deutschen Volkes zu erringen und darauf die Macht im Deutschen Reiche zu übernehmen. Sie wurde gebildet, um die Macht gegen den Willen des Volkes an sich zu reißen.

Die Nazi-Partei wurde durch das „Führerprinzip“ in eiserner Disziplin zusammengehalten. Sie glich einer Pyramide, deren Spitze Adolf Hitler war, eine Spitze, die sich in zahlreiche Führerkorps verbreitete, zusammengesetzt aus Führern einer sehr ausgebreiteten Parteimitgliedschaft als Basis. Dabei waren durchaus nicht alle, die in einer oder der anderen Form die Bewegung unterstützt haben mögen, tatsächlich Mitglieder der Partei. Die Mitgliedschaft erforderte den Parteieid, einen Treueschwur, der einem Verzicht auf eigenes Denken oder das Gefühl moralischer Verantwortlichkeit gleichkam. Er lautet: „Ich gelobe meinem Führer Adolf Hitler Treue. Ich verspreche, ihm und den Führern, die er mir bestimmt, jederzeit Achtung und Gehorsam entgegenzubringen.“ In ihrem täglichen Leben trieben die Anhänger mit ihren Führern einen Götzendienst und folgten ihnen mit einer Selbstaufgabe, wie sie eher orientalisch als abendländisch anmutet.

Über die inneren Triebkräfte oder das Ziel der Nazi-Partei sind wir nicht auf Mutmaßungen angewiesen. Zunächst wollte sie die Weimarer Republik untergraben. Der Befehl an alle Parteimitglieder, darauf hinzuarbeiten, wurde in einem Brief Hitlers an den Angeklagten Rosenberg vom 24. August 1931 gegeben; wir wollen ihn im Original vorlegen. Hitler schrieb:

„Ich lese gerade im Völkischen Beobachter, Ausgabe 235/236 auf Seite 1 einen Artikel, der die Überschrift trägt ‚Will Wirth überlaufen?‘ Die Tendenz des Artikels geht dahin, zu unserem Teil einen Zerfall der gegenwärtigen Regierung zu verhüten. Ich selbst reise in ganz Deutschland herum, um genau das Gegenteil zu erzielen. Deshalb möchte ich bitten, daß meine eigene Zeitung mir nicht mit einem taktisch unklugen Artikel einen Dolchstoß in den Rücken versetzt...“ (047-PS).

In einem erbeuteten Filmstreifen wird Ihnen der Angeklagte Alfred Rosenberg von der Leinwand her die Geschichte selbst erzählen. Die SA störte gewaltsam den Wahlkampf, und in Berichten des SD, die uns vorliegen, wird im einzelnen geschildert, wie später die Angehörigen des Sicherheitsdienstes das Wahlgeheimnis verletzten, um die Gegner aufzuspüren. Einer der Berichte enthält die folgende Erklärung:

„... Die Kontrolle wurde derart durchgeführt, daß einige Personen des Wahlausschusses vorher sämtliche Stimmzettel mit Nummern versehen haben. Bei der Wahl selbst wurde dann eine Liste geführt. Da die Scheine den Nummern folgend ausgegeben wurden, war es nachher an Hand der geführten Liste möglich, die Personen herauszufinden, die eine ungültige oder Nein-Stimme abgegeben hatten. Ein Exemplar dieser gezeichneten Scheine ist beigefügt. Die Kenntlichmachung erfolgte mit Hilfe entrahmter Milch auf der Rückseite....“

Das Auftreten der Partei kam allmählich, neben den allgemein üblichen Erscheinungsformen politischer Auseinandersetzung, einer Probe für den Kriegsfall gleich. Benutzt wurde dazu eine Gliederung der Partei, die „Sturmabteilungen“, gewöhnlich SA genannt. Dies war eine freiwillige Organisation jugendlicher und fanatischer Nazis, die in der Gewaltanwendung unter einer halbmilitärischen Disziplin ausgebildet wurden. Ihre Mitglieder waren ursprünglich zum persönlichen Schutz der Nazi-Führer bestimmt, entwickelten sich aber sehr bald von einem Verteidigungs- zu einem Angriffstrupp. Sie sprengten als ein geübter Haufen von Raufbolden Versammlungen der anderen Parteien und terrorisierten ihre Gegner.

Sie brüsteten sich damit, daß es ihre Aufgabe sei, die Nazi-Partei zum „Herrn der Straße“ zu machen.

Aus der SA ging eine Reihe anderer Organisationen hervor. Dazu gehören die „Schutzstaffeln“, gewöhnlich SS genannt, die im Jahre 1925 aufgestellt wurden und sich durch die Bedenkenlosigkeit und Grausamkeit ihrer Mitglieder auszeichneten; ferner der „Sicherheitsdienst“, gewöhnlich SD genannt, und die „Geheime Staatspolizei“, die berüchtigte Gestapo, die im Jahre 1934 nach dem Aufstieg der Nazis zur Macht gegründet wurde.

Ein Blick auf eine Karte der Nazi-Organisation genügt, um zu zeigen, wie vollkommen sie sich von politischen Parteien unterschied, wie wir sie kennen. Ihr Gesetzgeber war der Führer mit seinen Unterführern. Sie hatte eigene Gerichte und eine eigene Polizei. Die Verschwörer errichteten in der Partei ihre eigene Hoheit und konnten so – außerhalb des Gesetzes – Anordnungen erlassen oder Strafen verhängen, wie sonst nur der rechtmäßige Staat, und in vielen Fällen nicht einmal er. Die Befehlsgewalt in der Partei war militärisch aufgebaut. Ihre Gliederungen waren soldatisch nach Namen und Aufgabe; so die Stürme, in denen Waffenausbildung getrieben wurde, das Kraftfahrkorps, das Fliegerkorps und die berüchtigten „Totenkopf verbände“, die ihren Namen nicht zu unrecht trugen.

Die Partei hatte eine eigene Geheimpolizei, eigene Schutzabteilungen, hatte einen Nachrichtendienst und einen Abwehrdienst, hatte ihre Rollkommandos und ihre Jugendgliederungen. Sie errichtete einen sorgfältig ausgearbeiteten Verwaltungsapparat, um Spione und Spitzel ausfindig zu machen und zu beseitigen, Konzentrationslager einzurichten, Todeswagen arbeiten zu lassen, oder Gelder für die Bewegung aufzubringen. Durch dieses planmäßig ausgelegte Netz hat die Nazi-Partei, wie sich ihre Führer später rühmten, allmählich mit ihrer Aufsicht jede Einzelheit und jeden Winkel des deutschen Lebens beherrscht. Vorangegangen aber war ein bitterer innerer Kampf, gekennzeichnet durch Brutalität und Verbrechen, die wir hier anklagen. Um ihn vorzubereiten, hatte sich die Partei eine eigene Polizeiorganisation geschaffen. Sie wurde das Muster und das Werkzeug des Polizeistaates, der das erste Ziel in dem Gesamtplan war.

Die Gliederungen der Partei, unter ihnen das Korps der Politischen Leiter, der SD, die SS, die SA und die berüchtigte Gestapo, – sie alle werden vor Ihnen, meine Herren Richter, als verbrecherische Organisationen angeklagt. In ihnen hatten sich, wie wir aus ihren eigenen Dokumenten beweisen werden, nur bedenkenlos ergebene Nazis zusammengefunden, die aus Überzeugung und Veranlagung zu den größten Gewalttaten bereit waren, um das gemeinsame Programm zu fördern. Sie knüttelten jeden demokratischen Widerstand nieder und brachten ihre Gegner zum Schweigen. Am Ende glückte ihnen dann das Bündnis mit Opportunisten, Militaristen, Industriellen, Monarchisten und politischen Reaktionären.

Am 30. Januar 1933 wurde Adolf Hitler zum Kanzler der deutschen Republik ernannt. Einer schlimmen Brüderschaft – ihre hervorragendsten Glieder, soweit sie am Leben sind, sitzen hier auf der Anklagebank – war es gelungen, sich des Staates zu bemächtigen. Hinter dem Schutz des neuen Hauses, in das sie eingezogen waren, gingen sie nun daran, den Eroberungskrieg, den sie sich heimlich schon seit langer Zeit in ihren Plänen zurechtgelegt hatten, in Szene zu setzen.

Der zweite Abschnitt der Verschwörung hatte begonnen.

Die Befestigung der Nazi-Macht.

Wir wollen nun untersuchen, wie die Verschwörer, Schritt für Schritt und unter scheußlichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit ihre Macht im Staate ausbauten; um Deutschland für den Angriffskrieg bereit zu machen, der nicht zu umgehen war, wollten sie ihre Ziele erreichen.

Die Deutschen der zwanziger Jahre waren ein durch Niederlage und Zerfall ihrer überlieferten politischen Anschauungen enttäuschtes und verwirrtes Volk. Die demokratischen Teile dieses Volkes, die an der Entwicklung des neuerrichteten und schwächlichen Staatsgebildes der Weimarer Republik arbeiteten, wurden von den demokratischen Kräften der übrigen Welt, einschließlich meines eigenen Landes, nur unzureichend unterstützt. Man kann nicht leugnen, daß Deutschland, als eine allgemeine Krise in der Welt seine Schwierigkeiten noch vermehrte, sich in seinem wirtschaftlichen und politischen Leben einem so starken und verworrenen Druck ausgesetzt sah, daß kühne Maßnahmen notwendig waren.

Nun ist es gewiß jedem Volk freigestellt, seine inneren Fragen nach eigenem Ermessen zu lösen. Das Programm der Nazis war aber sofort als ein Verzweiflungsruf zu erkennen, bestimmt für ein Volk, das noch unter den Wirkungen eines verlorenen Krieges litt. Die Ziele der von den Nazis verkündeten Politik waren offensichtlich in Europa nur erreichbar, wenn der Krieg von neuem ausbrach und erfolgreicher endete. Denn die Antwort der Verschwörer auf die deutschen Fragen war der Plan, die im ersten Weltkrieg verlorenen Gebiete zurückzugewinnen und andere fruchtbare Landstriche Mitteleuropas durch Enteignung oder Ausrottung ihrer Einwohner zu erwerben. Sie erwogen auch, alle anderen Nachbarvölker zu vernichten oder dauernd zu schwächen, um die eigentliche Herrschaft über Europa und wahrscheinlich die Welt zu erlangen. Die genauen Grenzen ihres Ehrgeizes brauchen wir nicht zu umschreiben, denn ein Angriffskrieg war und ist gegen Vertrag und Gesetz; gleichgültig ob es um einen großen oder einen kleinen Einsatz geht.

Es gab nun damals zwei Regierungen in Deutschland, – die wirkliche und die scheinbare. Die Formen der deutschen Republik wurden eine Zeitlang aufrechterhalten; sie war die nach außen sichtbare Regierung. Aber die wirkliche Macht im Staate war außer und über dem Gesetz, sie ruhte im Führerkorps der Nazi-Partei.

Am 27. Februar 1933, kaum einen Monat nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, wurde das Reichstagsgebäude in Brand gesetzt. Daß dieses Symbol einer freien parlamentarischen Regierung in Flammen stand, kam den Nazis sehr gelegen, so daß man glaubte, sie hätten das Feuer selbst gelegt. Wenn wir die Liste ihrer Verbrechen, die bekannt geworden sind, überdenken, können wir gewiß nicht annehmen, daß sie vor einfacher Brandstiftung zurückschrecken würden. Es ist jedoch nicht notwendig, die Streitfrage zu entscheiden, wer das Feuer angelegt habe. Wichtig ist allein, wer Nutzen aus dem Brande gezogen und welche Wirkung dieser Brand in der öffentlichen Meinung hervorgerufen hat. Die Nazis beschuldigten sofort die Kommunistische Partei, das Verbrechen angestiftet und ausgeführt zu haben, und waren sehr eifrig darauf bedacht, diese vereinzelte Brandstiftung als den Beginn einer kommunistischen Revolution auszugeben. Sie nutzten die entfachte Bestürzung aus und begegneten der angeblichen Revolution mit einer wirklichen. Das Reichsgericht hat zwar in dem darauf folgenden Dezember mit Mut und Unabhängigkeit, wie anerkannt werden muß, die angeklagten Kommunisten freigesprochen, aber die verhängnisvolle Entwicklung der Dinge, die die Nazi-Verschwörer so stürmisch vorangetrieben hatte, ließ sich nicht mehr ändern.

Am Morgen nach dem Reichstagsbrand erhielt Hitler von dem alten und kränkelnden Reichspräsidenten von Hindenburg die Unterschrift zu einer Verordnung, die weitgehende Rechte persönlicher Freiheit, wie sie in der Weimarer Verfassung enthalten waren, außer Kraft setzte.

Die Verordnung sah vor: die Artikel 114, 115, 117, 118, 123, 124 und 153 der Verfassung des Deutschen Reiches werden bis auf weiteres außer Kraft gesetzt. Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts, Eingriffe in das Brief–, Post–, Telegrafen- und Fernsprechgeheimnis, Anordnungen von Haussuchungen und von Beschlagnahmen, sowie Beschränkungen des Eigentums, auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen Grenzen zulässig (1390-PS).

Das Ausmaß der Beschränkung der persönlichen Freiheit nach der Verordnung vom 28. Februar 1933 kann man am besten verstehen, wenn man sich die Rechte nach der Weimarer Verfassung, die aufgehoben worden waren, vergegenwärtigt:

„Artikel 114. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit durch die öffentliche Gewalt ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

Personen, denen die Freiheit entzogen wird, sind spätestens am darauffolgenden Tage in Kenntnis zu setzen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Entziehung der Freiheit angeordnet worden ist; unverzüglich soll ihnen Gelegenheit gegeben werden, Einwendungen gegen ihre Freiheitsentziehung vorzubringen.

Artikel 115. Die Wohnung jedes Deutschen ist für ihn eine Freistätte und unverletzlich. Ausnahmen sind nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

Artikel 117. Das Briefgeheimnis sowie das Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich. Ausnahmen können nur durch Reichsgesetz zugelassen werden. Artikel 118. Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern. An diesem Rechte darf ihn kein Arbeits- oder Anstellungsverhältnis hindern, und niemand darf ihn benachteiligen, wenn er von diesem Rechte Gebrauch macht.

Artikel 123. Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder besondere Erlaubnis friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Versammlungen unter freiem Himmel können durch Reichsgesetz anmeldepflichtig gemacht und bei unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden.

Artikel 124. Alle Deutschen haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden. Dies Recht kann nicht durch Vorbeugungsmaßregeln beschränkt werden. Für religiöse Vereine und Gesellschaften gelten dieselben Bestimmungen. Der Erwerb der Rechtsfähigkeit steht jedem Verein gemäß den Vorschriften des bürgerlichen Rechts frei. Er darf einem Verein nicht aus dem Grunde versagt werden, daß er einen politischen, sozialpolitischen oder religiösen Zweck verfolgt.

Artikel 153. Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.

Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Reichsgesetz etwas anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfalle der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offenzuhalten, soweit Reichsgesetze nichts anderes bestimmen. Enteignung durch das Reich gegenüber Ländern, Gemeinden und gemeinnützigen Verbänden kann nur gegen Entschädigung erfolgen.

Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste.“ (2050-PS).

Man muß allerdings aus Billigkeit gegenüber Hindenburg hinzufügen, daß die Verfassung selbst ihn ermächtigte, diese Grundrechte vorübergehend außer Kraft zu setzen, „wenn im Deutschen Reiche die öffentliche Sicherheit und Ordnung erheblich gestört oder gefährdet wird“. Es muß auch zugegeben werden, daß Reichspräsident Ebert bereits früher dieses Recht ausgeübt hatte.

Der nationalsozialistische Staatsstreich wurde aber dadurch möglich, daß sich die Bestimmungen der von Hitler und Hindenburg erlassenen Verordnung von allen früheren Verordnungen ähnlicher Art unterschieden. Wenn Ebert die Bestimmungen der Verfassung über die Rechte des Einzelnen außer Kraft gesetzt hatte, war in seiner Verordnung ausdrücklich ein Schutzhaftgesetz, das der Reichstag während des vorigen Krieges im Jahre 1916 angenommen hatte, wieder für gültig erklärt worden. Dieses Gesetz bestimmte Vorführung vor den Richter innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach der Verhaftung, gab das Recht auf einen Verteidiger und auf Einsicht in die Akten, gestand die Berufung zu und sah bei ungerechtfertigter Verhaftung einen Entschädigungsanspruch aus der Staatskasse vor.

Die von Hitler und Hindenburg erlassene Verordnung vom 28. Februar 1933 enthielt solche Sicherungen nicht. Daß sie fortgelassen waren, mag Hindenburg nicht bemerkt haben; bestimmt hat er die Folgen nicht vorausgesehen. Die Nazi-Polizei und die Parteigliederungen, die ja bereits unter Hitler bestanden und gearbeitet hatten, waren nun nach der Herausgabe dieser Verordnung völlig ungehemmt und nicht gebunden an irgendwelche Verantwortlichkeit. Jemanden im geheimen verhaften und auf unbestimmte Zeit festhalten zu können, ohne Anklage, ohne Beweismaterial, ohne Verhör und ohne Rechtsbeistand, hieß, jeden einer unmenschlichen Bestrafung auszusetzen, der der Nazi-Polizei verdächtig oder mißliebig war. Kein Gericht konnte dagegen Einspruch erheben oder die Entlassung aus der Haft verfügen oder Einsicht in die Akten zur Nachprüfung verlangen. Das deutsche Volk war in den Händen der Polizei, die Polizei in den Händen der Nazi-Partei und die Partei in den Händen einer Gruppe von Übeltätern, als deren überlebende und maßgebende Führer die Angeklagten hier vor Ihnen sind.

Die Nazi-Verschwörung wollte, wie wir zeigen werden, nicht nur den Widerstand ihrer Gegner überwinden; sie war vielmehr stets darauf aus, die Kräfte zu vernichten, die mit ihrer Staatslehre nicht versöhnt werden konnten. Sie wollte nicht nur die sogenannte „Neue Ordnung“ errichten, sondern auch ihre Macht, wie Hitler voraussagte, „auf tausend Jahre“ sichern.

Die Nazis waren sich nun niemals im Zweifel oder uneinig darüber, wer diese Widerstrebenden seien. Einer der ihren, Generaloberst von Fritsch, umschrieb sie am 11. Dezember 1938 in knapper Zusammenfassung mit folgenden Worten – und ich hebe sie nachdrücklich hervor, weil sie den Vernichtungsplan des Nazi-Programms so deutlich identifizieren–:

„Kurz nach dem Weltkrieg kam ich zu dem Schluß, daß wir in drei Schlachten siegen müßten, wenn Deutschland wieder mächtig werden sollte: erstens im Kampf gegen die Arbeiterschaft – Hitler hat diesen Kampf gewonnen, zweitens gegen die katholische Kirche, vielleicht besser gesagt: gegen den Ultramontanismus, und drittens gegen die Juden“ (1947-PS).

Der Kampf gegen diese Gruppen wurde nie unterbrochen. Er wurde aber im Innern nur als ein Übungsgefecht geführt zur Vorbereitung des Feldzuges gegen die gleichen Kräfte in der ganzen Welt. Wohl lassen sich geographisch und zeitlich die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zusammenfassen und unterscheiden: einmal innerhalb Deutschlands vor und im Kriege, und zum anderen in den besetzten Gebieten während des Krieges. In den Plänen der Nazis aber waren sie nicht voneinander getrennt. Sie gehören zu dem einheitlichen und fortlaufend betriebenen Plan, Völker und Einrichtungen auszurotten, von denen einmal der Sturz ihrer „neuen Weltordnung“ ausgehen könnte.

Wir betrachten daher in unseren Darlegungen diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit als Ausdruck eines einheitlichen Planes der Nazis und halten uns bei ihrer Untersuchung im einzelnen an die Einteilung des Generalobersten v. Fritsch:

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