Kitabı oku: «Das Frühlingsfenster», sayfa 3

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Vor der Treppe zu ihrem Büro stutzte sie. Irgendetwas war da an der Wand zur Cafeteria. Sie ging den Flur entlang, um es sich genauer anzusehen. Mit roter Farbe waren dort die Worte gesprüht: »Das ist unser Zentrum« und »Weg mit denen«.

Wie kam das hier herein? Sie ging in die Cafeteria, auch hier überall Schmierereien an den Wänden, die Plakate und Bilder waren heruntergerissen.

Dann sah sie das Glas der zersplitterten Terrassentür. Ohne zu atmen, starrte sie auf die kaputte Scheibe. Was sollte sie tun? War vielleicht noch jemand hier im Haus? Sie rannte zur Eingangstür zurück und raus auf die Straße, nahm ihr Handy heraus und rief die Polizei.

Kurze Zeit später hörte sie einen Streifenwagen kommen. Sie wies den beiden Polizisten die Richtung, blieb jedoch selbst draußen.

Die Beamten kontrollierten das gesamte Gebäude mit Garten samt Gartenhaus, aber nur in der Cafeteria und im Flur waren Schmierereien zu finden.

»Es ist niemand hier. Machen Sie sich keine Sorgen. Bitte nehmen Sie die Schäden auf und kommen zu uns in die Inspektion, um eine Anzeige aufzugeben.«

Musste sie Angst haben? Die Beamten schienen nicht übermäßig besorgt zu sein. Das war für sie alles neu. Hatte ihre Mutter doch recht gehabt und es war viel zu gefährlich hier in der Stadt?

Lizzy stand eine Weile vor der Tür und rief dann Hartmut an. Sie hatte kalte Füße, aber sie wollte nicht allein im Haus warten.

Gemeinsam machten sie eine Bestandsaufnahme. Zum Glück war nur eine Scheibe aus der Terrassentür geschlagen worden. Hartmut holte ein Brett und nagelte es an die Sprossen.

Lizzy war froh, die Verantwortung an jemanden abgeben zu können. Er schien nicht beunruhigt zu sein, vielleicht war ja alles gar nicht so schlimm.

Er riss sie aus ihren Gedanken:

»Wenn du auf die Wache gehst, sag denen ruhig, dass wir hier öfter randalierende Jugendliche haben. Die wissen dann, wo sie zu suchen haben.«

»Eigentlich glaube ich nicht, dass das Teenager waren. Die Sprüche sind für mich vielmehr rassistisch. ›Deutschland für die Deutschen‹ ist nichts, was Pubertierende sprühen.«

»Glaub mir, Lizzy, ich kenne meine Pappenheimer. Das war sicher dieses arbeitsscheue Gesindel.«

Er erinnerte sie an einen Lehrer, der die richtige Antwort von ihr erwartete. Aber was war die richtige Antwort? Sie drehte ihren Zopf in der Hand.

Lizzy wollte nicht mit ihm streiten. Er wohnte schon länger hier im Viertel, vielleicht hatte er ja recht. Sie hatte nur das Wissen aus ihrem Studium und dort hätte man auf einen rechtsradikalen Hintergrund getippt. Ein Professor, der sich für Antirassismusprojekte einsetzte, hatte ihnen gezeigt, wie Neonazis Ehrenamtliche und Politiker bedrohten. Das Haus hier mit seinem multikulturellen Publikum wäre sicher ein potenzielles Ziel solcher Täter. Sie erinnerte sich, was Frau Berger von ihren Nachbarn erzählt hatte.

Andererseits hatte sie schon oft den Vandalismus von Jugendlichen gesehen, um die auszuschließen.

Wer es auch gewesen war, das durfte nicht noch mal passieren.

Sie spielte die Fotos auf einen USB-Stick, um ihn der Polizei zu geben. Die würden den Täter schon finden.

»Kannst du, bis Elfriede kommt, das Büro besetzen? Dann gehe ich jetzt gleich zur Polizeiwache.«

Hartmut nickte und so zog sie wieder ihre Regenjacke an.

Die Polizeiinspektion war zwei Busstationen entfernt. Sie war noch nie hier gewesen und so dauerte es eine Weile, bis sie den Klingelknopf für die Sprechanlage fand.

»Guten Morgen, ich möchte einen Einbruch melden. Ihre Kollegen waren schon bei uns.«

Die junge Polizistin hinter dem Tresen nahm ihre Daten auf.

»Wir prüfen die Anzeige, aber wenn nichts gestohlen wurde, kann ich Ihnen gleich sagen, dass nicht viel herauskommt. Wir werden die Streifentätigkeit in diesem Bereich etwas erhöhen, soweit wir die Kapazitäten haben, und unseren Kontaktbeamten vorbeischicken. Am besten legen Sie sich eine Alarm- anlage zu.

Die können Sie aufschalten lassen, das heißt, dann kommt im Alarmfall eine Streife vorbei.«

»Können Sie bitte vermerken, dass wir einen rechtsradikalen Hintergrund vermuten, wegen der Sprüche?«

»Das kann ich machen, aber das wird ja sowieso geprüft.«

Lizzy war enttäuscht. Sie hatte sich mehr ver- sprochen. Die Idee mit der Alarmanlage war gut, alle Villen im Umkreis hatten eine. Zumindest musste sie dann keine Angst vor einem weiteren Einbruch haben.

Auf dem Heimweg beruhigte sie sich. Jeder hatte das als Routine abgetan und auch auf der Polizeiwache fühlte sie sich nicht wie in einem Krimi. Das war hier ja wirklich ein sicheres Viertel.

Als sie zurück ins Zentrum kam, war Hartmut wieder gegangen. Auf dem Weg zu ihrem Büro hörte sie Mechthild im Meditationsraum schimpfen.

»Wo ist das Paket mit den Klangschalen? Warum ist es nicht hier im Schrank?«

»Was ist das Problem? Wurde doch etwas gestohlen?«

»Ich habe Elfriede gesagt, wenn die Schalen kommen, soll sie sie in den Schrank im Gruppenraum stellen. Das sind Bestellungen meiner Kursteil- nehmerinnen, die will ich nicht verlieren. Und Elfriede, die dumme Nuss, hat das Paket einfach in die Geschäftsstelle gelegt. Und jetzt mit dem Einbruch … Was denkt sie eigentlich?«

Sie gingen in den Meditationsraum, der über der Cafeteria lag. Nachdem Mechthild die Tür geschlossen hatte, fragte Lizzy:

»Was hat euch Hartmut über den Einbruch erzählt?«

»Ach, Elfriede war wohl total panisch, aber der Chef hat ihr gesagt, sie soll sich nicht so aufregen. Jetzt ist ihr wieder mal alles egal.«

»Und du?«

»Wenn du mich fragst, wir hatten hier im Viertel immer mal wieder Einbrüche. Das sind Jugendliche, die eine Mutprobe machen. Aber trotzdem muss man nicht alles rumliegen lassen.«

»Das ist bei Elfriede fast normal. Schau dir ihre Ablage an, da wird dir schlecht. Warum hält Hartmut an ihr fest, wo sie doch so offensichtlich ungeeignet ist?«

Mechthild lachte bitter: »Ihr Mann hintergeht sie seit Jahren, und Hartmut als sein guter Freund deckt ihn. Wenn Elfriede hier ist, hat ihr Mann sturmfreie Bude. Und Hartmut hat gerne Leute um sich, die ihm etwas schulden.

Männer wissen halt, wie man Macht aufbaut.«

»Das muss man ihr doch sagen!«

»Ach, du braves katholisches Mädchen. Es ist für unser aller Karma besser, wenn wir uns da raushalten. Ich sollte nur wieder etwas für den Schutz des Hauses unternehmen, nachdem der Kräuterstrauß abgefallen ist.«

»Was ist, wenn Elfriede das selbst herausbekommt? Dann wird sie doch sauer auf uns sein.«

»Es ist wichtig, dass wir unsere weiblichen Kräfte einsetzen. Das muss manchmal ganz subtil geschehen. Das Karma erklärt sich nicht immer auf den ersten Blick.

Und du solltest wissen, dass man sich mit Männern wie Hartmut nicht anlegt. Unsere beiden Einkommen hängen an ihm. Selbst wenn du dich woanders bewirbst, brauchst du ein gutes Zeugnis von ihm, besonders weil es deine erste Stelle ist. Und wem willst du denn helfen, wenn du arbeitslos bist?«

Lizzy kam nicht dazu, etwas zu erwidern, da in diesem Moment Elfriede mit dem Paket um die Ecke kam.

»Ich hab es gleich auf die Seite getan, als es geliefert wurde, aber da war auch noch eine Frau zur Anmeldung da und das war recht kompliziert und dann habe ich es vergessen. Es tut mir wirklich leid.«

Sie sah zerknirscht zu den beiden Frauen. Lizzy versuchte, nicht an Elfriedes Mann zu denken, und Mechthild zeigte ihr leeres Meditationsgesicht.

Daraufhin änderte Elfriede ihre Taktik.

»Weißt du, Mechthild, eigentlich ist es auch nicht in Ordnung, dass du dir dein Zeug einfach hierher liefern lässt. Ich bin ja nicht deine Poststelle!«

Lizzy flüchtete in ihr Büro. Sie wollte gar nicht wissen, wie die zwei da weiter diskutierten.

*

Lizzy übernahm am nächsten Morgen die Geschäftsstelle, da Elfriede beim Friseur war. Eine zuverlässigere Bürokraft wäre wirklich etwas Wunderbares.

»Das macht dann fünf Euro Wechselgeld, und hier ist Ihre Anmeldebescheinigung.« Lizzy erklärte der Dame, wo der Malkurs stattfand, zu dem sie sich soeben angemeldet hatte. Als die Frau hinausging, kam ein junger Polizist herein.

»Guten Tag, sind Sie Frau Erdmann? Mein Name ist Gürtner, ich habe gehört, Sie haben ein paar Schmier- ereien.«

Lizzy drehte sich um und schaute in faszinierende, grüne Augen, in einem Gesicht voller Narben und Rötungen.

»Ja, ich bin die Geschäftsführerin.«

Sie war nervös und fühlte sich seltsam unbeholfen. Der Polizist lächelte sie aufmunternd an.

»Kann ich mir die beschmierten Wände ansehen?«

Ihr Hirn lief einen Moment im Leerlauf. Dann begriff sie, was er von ihr wollte und sagte:

»Ich hole nur schnell mein Handy und sperre hier ab. Wir sind nicht so viele Leute hier, da muss ich ein bisschen improvisieren.«

Der Polizist nickte verständnisvoll. Das mit der Personalknappheit kannte er wohl auch.

Sie legte die Geldkassette in die Schublade und sah sich prüfend um. Dann nahm sie Handy, den Schlüsselbund und das Geschirr aus der Cafeteria.

»Kein Weg umsonst, wissen Sie. Wenn ich nach unten gehe, nehme ich immer etwas mit. Sonst muss man ständig hin und her laufen.« Sie unterdrückte ein hysterisches Kichern. Was für einen Quatsch sie da plapperte.

Die beiden gingen nach unten. Lizzy fand, er bewegte sich wie ein Leopard.

»Dieses bunte Fenster ist ja interessant. Wissen Sie, was es darstellen soll?«, fragte der junge Mann zu Lizzys Überraschung.

»Ja, das ist das Frühlingsfenster. Ursprünglich war wohl eine ganze Jahresserie geplant. Ob das nicht realisiert oder im Krieg zerstört wurde, weiß ich nicht.«

Er blieb einen Moment auf dem Absatz stehen und sah sich das Fenster an, bevor er zügig weiter die Treppe hinab lief. Lizzy hatte Mühe, mit ihrem Tablett nachzukommen.

Sie zeigte ihm das Loch. Er ging hinaus auf die Terrasse und sah von dort herein.

Die Sonne schien vom Garten ins Haus und umgab ihn mit einer goldenen Aura. Sie blinzelte und stellte das Tablett auf die Theke in der Cafeteria.

»Ich hätte nie gedacht, dass unser kleines Bürger- zentrum mal so etwas erlebt«, sagte sie, mehr um die Stille zu füllen.

»Sie glauben gar nicht, wie oft wir das hören: ›Ich hätte nie gedacht, dass bei uns eingebrochen wird, darum haben wir ja nicht richtig abgesperrt‹. Was hören Sie denn am meisten?«

»›Wir haben nur kein Geld, weil meine Bank einen Fehler gemacht hat‹ oder ähnliche Ausreden. Niemand, der zu uns kommt und zum Beispiel das kostenlose Mittagessen beantragt, will zugeben, dass er mit dem Rücken zur Wand steht. Ich sage dann immer, dass ich das auch kenne. Ist nicht gelogen, in meinem Studium hatte ich oft kein Geld.«

Sie standen mittlerweile vor einer der beschmierten Wände. Der Polizist ging in die Hocke und inspizierte irgendetwas.

»Geübte Sprayer waren das ja nicht. Vielleicht war das jemand, der sich über irgendwas hier geärgert hat. Oft findet man das nie heraus, weil man das, was der als Ärger versteht, selbst nicht nachvollziehen kann.«

Er sprang mit Leichtigkeit auf und Lizzy war von seiner Art, sich zu bewegen, völlig überwältigt. Mit seinen leuchtenden Augen und seinem wüsten Gesicht hatte er etwas Verwegenes, Selbstbewusstes.

Er riss sie mit einem »So, jetzt können Sie malern lassen. Fotos haben wir ja schon«, aus ihren Gedanken.

Lizzy stotterte ein wenig herum. Er lächelte wieder dieses aufmunternde Lächeln vom Anfang. Als Kontaktbeamter war er die optimale Besetzung.

»Ich bin sehr froh, dass Sie für uns zuständig sind. Sie scheinen viel von den Problemen hier zu verstehen.«

Das war ein ziemlich blödes Kompliment, und der Polizist schien es auch gar nicht als solches aufzufassen. Stattdessen fragte er: »Haben Sie noch Zeit, mir etwas über die Geschichte des Zentrums zu erzählen? Das könnte so manches vielleicht erklären.«

»Die Stifterin hat verfügt, dass das Haus einem Verein gehören soll, als Ort für bürgerschaftliches Engagement. Als es immer größer wurde, ist die Stadt mit eingestiegen, die auch für das Neubauviertel Bedarf gesehen hat.«

»Und wann kamen Sie dazu?«

Lizzy lachte. »Zunächst hat es Herr Balks geleitet. Die Stadt hat eine Geschäftsführung bezahlt. Das war dann ich.«

»Und Herr Orterer? Der hat mich bei meiner ersten Runde hier im Viertel begrüßt.«

»Hartmut. Das war vor zwei Jahren, kurz nachdem wir den Ausbau des Gartenhauses beschlossen hatten. Er ist da gerade in Rente gegangen und hat im wahrsten Sinne den Herrn von Balks beerbt.«

»Dann ist er noch gar nicht so lange da.«

»Nein, aber er tut so, als hätte er das Zentrum gegründet. Die Einzige, die schon immer hier war, ist Mechthild. Elfriede ist mit mir gekommen, wir haben praktisch beide bei null angefangen. Dabei war das meine erste Stelle.«

Lizzy stockte, als sie sich an ihren Anfang hier erinnerte. Sie war jeden Abend heulend in ihr Bett gefallen und hatte nur darauf gewartet, dass sie wieder entlassen wurde.

Der Polizist sah sie mitfühlend an.

»Mittlerweile habe ich mich hier gut eingefunden. Es gefällt mir. Sind Sie gerne Kontaktbeamter?«

Das war jetzt ein bisschen aufdringlich und Lizzy wurde rot. Er schien es nicht zu bemerken, sondern sagte:

»Es ist eine abwechslungsreiche Tätigkeit, aber ich möchte zur Kriminalpolizei wechseln. Ich musste das Gymnasium nach einem Autounfall abbrechen, weil ich so lange im Krankenhaus war, und dann hat es halt nur für den mittleren Dienst gereicht. Jetzt habe ich mich für den Aufstieg beworben und wenn meine nächste Be- urteilung passt, stehen die Chancen sehr gut, dass ich genommen werde. Mit dem Gehalt als Streifenpolizist kann man allein zwar auskommen, aber eine Familie ist da undenkbar.«

Lizzy fragte sich, ob er das mit der Familie schon so konkret plante. Er hatte sicher eine Freundin, so sympathisch wie er war.

»Ja, dann halte ich Ihnen ganz fest die Daumen, dass das klappt.«

Er grinste schelmisch und sie hatte das Gefühl, sie würden sich seit dem Sandkasten kennen.

»Wir sehen uns hier sicher öfter, die Betreuung des Zentrums gehört zu meinen Kernaufgaben.«

Er verabschiedete sich und Lizzy betrachtete die Visitenkarte, die er ihr gegeben hatte: Johannes Gürtner. Sie stellte fest, dass sie gern zu seinen Kernaufgaben gehören wollte.

Dann schalt sie sich selbst. Der war sicher schon ver- geben.

*

Einige Tage später schienen alle im Haus den Einbruch vergessen zu haben. Die Terrassentür war noch am nächsten Tag repariert worden und Achmed wurde beauftragt, eine Alarmanlage herauszusuchen.

Bis jetzt hatte es keinen Artikel in der Zeitung gegeben. Mechthild war darüber froh. Florian hatte jedoch einer Journalistin versprochen, dass sie sich umschauen und Lizzy interviewen dürfe. Daher hatte Lizzy ihr Büro aufgeräumt und wartete.

Sie kannte Interviews nur aus dem Fernsehen und war schrecklich nervös. Am Morgen hatte sie eine gefühlte Ewigkeit vor dem Kleiderschrank gestanden und überlegt, was sie anziehen sollte. Schließlich musste sie das Zentrum repräsentieren und gerade jetzt, mit dem Spendenaufruf, war eine gute Presse entscheidend.

Herein kam eine junge Vietnamesin mit Namen Nguyen.

Lizzy gab ihr einen Überblick über die Verhältnisse im Zentrum. Sie hatte Hartmut gefragt, ob sie die Fotos weitergeben durfte, aber er war strikt dagegen. Ihm war schon zuwider, dass das Haus überhaupt in die Zeitung kam.

Sie gingen über die Haupttreppe hinab ins Souterrain.

»Sie haben erwähnt, dass Sie einen rechtsradikalen Hintergrund vermuten.«

»Nun, was heißt vermuten? Die Inschriften waren halt schon typisch für die Rechten. Natürlich kann das auch gewollte Provokation durch die Jugendlichen gewesen sein.«

»Warum sollten denn Jugendliche so etwas tun?«

»Hartmut vermutet, dass die irgendein Problem mit dem Zentrum haben. Sie dürfen zum Beispiel nur ins Jugendhaus, wenn ein Betreuer da ist. Und da wir nicht so viel Personal haben, sind die Zeiten gerade etwas sparsam.«

»Das ist doch kein Grund einzubrechen.«

»Da fragen Sie mich zu viel. Ich habe ja auch eine andere Theorie, aber ich kann es nicht beweisen.«

»Was ist denn Ihre Theorie?«

»Eine ältere Dame hat mir erzählt, dass es im Viertel einige Nachbarn gibt, die ein Problem mit unserem Publikum haben.

Vielleicht wollen sie uns rausgraulen, damit die Leute aus dem Neubauviertel nicht mehr hier rüber kommen.«

»Das klingt schon plausibel. Heutzutage gibt es ja leider viele überambitionierte Anwohner.«

»Können Sie das nicht recherchieren? Die Polizei sieht kein großes Thema darin, glaube ich, und ich wüsste schon ganz gerne, was hier los ist. Mir macht das nämlich Angst, auch wenn die anderen das dumm finden.«

Die Journalistin seufzte. »Das wäre früher kein Problem gewesen. Durch die ganzen Internetphänomene kann unsere Zeitung so etwas allerdings nicht mehr bezahlen. Ich bin ja auch nicht fest angestellt, sondern freie Mitarbeiterin. Ich werde nach Zeile bezahlt.

Wenn ich also jetzt wochenlang recherchiere und der Artikel wird nicht gedruckt, dann habe ich ein Problem. Ganz abgesehen davon, dass ich keine Spesen bekomme, wenn es kein offizieller Auftrag ist.«

Lizzy war überrascht. Sie hatte sich das mit der Presse ganz anders vorgestellt.

Mittlerweile waren sie im Erdgeschoß. Lizzy zeigte Frau Nguyen die beiden Gruppenräume und die Cafeteria.

Sie fand die Reporterin sympathisch.

»Warum sind Sie dann Journalistin geworden, wenn das so ein prekärer Beruf ist?«

»Meine Liebe, das fragt meine Familie auch ständig. Mein Bruder ist Arzt und meine Cousine hat eine Importfirma, ich bin die Einzige unserer Generation, die keinen Haufen Kohle verdient. Ich habe das Glück gehabt, auf der Journalistenschule genommen zu werden, damit war das für mich klar.

Ja, warum macht man das? Das ist vermutlich der gleiche Grund, warum man in so einem Zentrum arbeitet.

Wir sind halt Weltverbesserer.«

Lizzy lachte.

Nachdem die Journalistin gegangen war, packte Lizzy ihre Sachen. Sie wollte noch ein paar Kuchen backen. Schließlich hatte sie morgen Geburtstag.

*

Lizzy hatte Achmed, Florian und Grace zu einer Feier am Abend zu sich nach Hause eingeladen. Sie hatte nur ein kleines Appartement mit einer Wohnküche und einem winzigen Schlafzimmer, aber sie hatte es sich mit vielen Pflanzen gemütlich eingerichtet. Es gab sogar ein Aquarium, das als Raumteiler zwischen Küchenzeile und dem dicken Teppich mit den Kissen stand.

Sie hatten den Käsekuchen vernichtet und probierten sich durch die arabischen Süßigkeiten, die Achmeds Geschenk waren.

Grace fragte: »Was hast du denn von den anderen bekommen?«

»Sybille hat mir einen Reiseführer für Isfahan geschenkt. Ich dachte nicht, dass sie mich so gut kennt. Und vom Vorstand einen Gutschein für den Safaripark. Ich werde dich und Hope mitnehmen. Die Kleine ist ja umsonst.«

Grace lächelte. »Das kann ich nicht annehmen, das ist ja dein Geschenk.«

»Du musst aber. Wenn ich Hope nicht mitnehme, ist die beleidigt, und damit musst du auch mit.«

Sie erzählte, was sie von ihren Eltern und Freunden bekommen hatte. Florian gab ein paar lustige Anekdoten über verkorkste Basteleien aus seinen Kursen zum Besten.

Irgendwann waren ihm die Geschichten ausgegangen und er sagte:

»Wenn wir nicht so leckeres Zeug hätten, sähe das fast aus wie ein konspiratives Treffen.«

Lizzy fragte: »Von welcher geheimen Gruppe denn? Der Käsekuchenfanatiker?«

»Nein, wirklich. Hier sind jetzt alle versammelt, die gegen Hartmut und seine Kunstvilla sind.«

»Meint er das ernst?«, fragte Achmed. »Was will er denn hier machen? Wenn wir alles wegräumen, dürfen wir maximal fünfzig Leute in die Cafeteria lassen. Und dann haben wir nicht mal eine Bühne. Jede Schulaula ist besser. Und selbst wenn er nur Ausstellungen macht, das Gebäude müsste man komplett umbauen. Wir haben keine Klimaanlage und die Beleuchtung ist alt. Das Geld dafür bekommt er doch nie.«

Lizzy nickte. »Wir sind Luftlinie vier Kilometer vom Kulturpalast entfernt. Das musste ich mir mal von der Stadt anhören, als ich einen Zuschuss für eine Kunstaktion im Jugendhaus wollte. Das Geld habe ich dann nicht für die Kunst bekommen, sondern für die Jugendarbeit. Also weiß ich wirklich nicht, wie Hartmut eine Kunstvilla finanzieren will.

Es sei denn, er verkauft das Haus hier und von dem Erlös kann er dann irgendwo anders bauen. Das ist komplett unrealistisch.«

Florian setzte sich gerade hin und stellte seine Kaffeetasse ab.

»Ihr versteht alle Hartmuts Problem nicht. Er war bis vor seiner Pensionierung ein hohes Tier in einer Firma, die man als Marktführer betrachten kann. Das heißt, überall wo er hingekommen ist, war er wer. Und jetzt ist er ein gelangweilter Rentner, dem seine Frau vorschreibt, wann er zum Essen heimkommen muss.«

Grace fragte: »Hat er denn keine Familie?«

»Einen erwachsenen Sohn. Mit dem hat er sich wohl so zerstritten, dass die nicht mehr miteinander reden.«

Lizzy sagte: »Mich wundert es nicht, dass der Sohn nichts mehr mit ihm zu tun haben will. Er behandelt seine Frau wie sein Dienstmädchen. Die wird ihn nur wegen des Geldes geheiratet haben und kann jetzt nicht weg, weil sie nichts verdient. Irgendwie ist es wie bei Elfriede. Deren Mann betrügt sie und Hartmut deckt das.«

Grace atmete tief ein. Dann kam ihr Wutschnauben, das bei Hope immer sofort wirkte. Aber sie sagte nichts.

Einen Moment herrschte Stille.

Achmed fragte: »Warum eine Kunstvilla? So ist das Zentrum für viele Leute wichtig. Er kann hier viel machen, wenn er Lust hat zu arbeiten.«

Lizzy warf ein: »Wir kennen die Leute hier im Viertel viel zu wenig. Es gibt die wie Frau Berger, die regelmäßig herkommen und das Zentrum lieben. Aber da sind auch andere, die das so wie Hartmut sehen. Ich wurde nach dem Gottesdienst mal angesprochen, als wir das Jugendhaus gebaut haben. Die hatten Angst, dass da jetzt Flüchtlinge einziehen würden. Ich konnte das natürlich richtigstellen, aber ich hatte schon den Eindruck, wenn das eine Kunstvilla wäre, wäre das den Leuten lieber und sie würden das auch unterstützen. Vielleicht hat Hartmut auch eine Clique von Nachbarn, die ihn darauf angesetzt haben.«

»Oder die neue Eigentümerin vom Parkschlösschen möchte jetzt unter ihresgleichen leben.«

Florian nahm sich eine Weintraube. Er sprach von der herrschaftlichen Villa, die auf der anderen Seite vom Park lag. Lizzy meinte, mal gehört zu haben, dass der ganze Jugendstilpark ursprünglich zu diesem Besitz gezählt hatte.

»Warum sollte die dann hier einbrechen? Wenn es ihr hier nicht gefällt, muss sie doch das Haus nicht kaufen.«

Eine Antwort auf diese Frage hatte niemand und so wandten sie sich wieder den Süßigkeiten zu. Achmed gab zu jeder Sorte eine Erklärung ab und sie spielten Verkostung.

Irgendwann sagte Grace: »Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Hartmut die Kunstvilla will. Mirko hat von einem Catering erzählt, bei dem er Hartmut getroffen hat. Das war in dieser Künstlervilla, ich habe den Namen vergessen, ihr wisst schon, die am Fluss. Jedenfalls hat Mirko erzählt, dass Hartmut so beeindruckt von der Atmosphäre und den Gästen und so weiter war. Er träumt davon, dass wichtige Leute in edler Kleidung in seiner Villa stehen und die neuesten Kunstwerke bewundern.«

Lizzy sagte: »Vermutlich hat er über diese Schiene auch Herrn Overbeek kennengelernt.«

»Wer ist Herr Overbeek?«, fragte Grace.

»Hartmut hat ihn mal rumgeführt. Ein alter, sehr reicher Typ, so mit Fliege und rahmengenähten Schuhen. Der hat wohl eine größere Kunstsammlung. Also ich weiß nicht, wie groß, weil er selbst schon gemeint hat, das würde nicht reichen. Jedenfalls will er die wohl stiften oder vererben. Hartmut ist schon ganz wichtig mit ihm rumgelaufen. Er war nur ein wenig verstimmt, weil der Herr Overbeek mich als Geschäftsführerin wollte. Und wie Hartmut über mich denkt, wisst ihr ja.«

Florian sagte: »Ich glaube, er hat gar nicht so ein Problem mit dir, eher damit, dass Mechthild und ich ihn bei deiner Einstellung vor vollendete Tatsachen gestellt haben.«

Achmed meinte: »Das ist ein Kampf zwischen dem alten Löwen und dem jungen Löwen. Er weiß, dass er bald nicht mehr der Herrscher im Rudel ist. Solange er kann, wird er das verteidigen. Mechthild ist nicht wichtig für ihn.«

Grace erwiderte: »Vielleicht ist es ihm deswegen egal, dass bei uns eingebrochen wurde.«

Lizzy sagte: »Ihr seid euch ja auch nicht einig, wer das war.«

Florian sah sie durchdringend an. »Das ist ja wohl klar, wer das war. Das halbe Viertel will uns loswerden. Und dann sollen es immer die Jugendlichen gewesen sein.«

Achmed sah Grace an und Lizzy bemerkte, dass er sich sehr unwohl fühlte. Grace nickte und so sagte er: »Florian, du musst schon zugeben, dass wir auch Probleme mit den Jugendlichen haben. Diese Bande, die vor unserem Haus gedealt hat, was ist denn aus denen geworden?«

Florian schüttelte den Kopf. »Mit so was hast du immer irgendwo Probleme. Und lach nicht, das waren Jungs aus dem Jugendstilpark. Die sind jetzt wahrscheinlich in einem teuren Internat. Jedenfalls habe ich die hier nicht mehr gesehen. Wenn deine Eltern Geld haben, dann ist das alles kein Problem.«

Achmed schien nicht überzeugt zu sein, aber er wollte sich mit Florian nicht streiten. Schon gar nicht auf einer Geburtstagsfeier. Er biss in ein Stück Baklava.

Florian beendete das Schweigen: »Also ich kann mir schon vorstellen, wie Hartmut mit einem Glas Champagner in der Hand durch das Haus spaziert, leise klassische Musik im Hintergrund.«

Achmed lachte. »Ja, so eine kleine Band mit Cello und Geige in der Cafeteria.«

Lizzy sagte: »Das ist ja ein schöner Traum. Aber dazu hätte er halt so viel verdienen müssen, dass er sich eine Kunstvilla leisten kann. Das weiß er doch selbst, dass das nicht realistisch ist.«

»Es sei denn, er hat einen Mäzen.«

Alle sahen Florian an.

War das möglich? Waren es die Nachbarn, die Lizzy vor der Kirche angesprochen hatten? Wie viel Macht und Geld hatten die Leute in den teuren Häusern um das Zentrum herum?

Und was war es ihnen wert, wieder unter sich zu sein?

Lizzy wünschte, sie wüsste es. Sie hatte in ihrem Dorf gesehen, wie jemand fortgegrault wurde, nur weil ihn ein paar Mächtige nicht dort haben wollten.

*

Am nächsten Tag stand Lizzy ein wenig zu früh vor dem Kindergarten. Hope hatte erzählt, dass sie heute wichtigen Besuch bekämen. Lizzy grinste, als sie an Hopes Ankündigung dachte. Das Mädchen war tatsächlich in der Lage, etwas Spannendes anzukündigen und sich dann nicht zu verplappern. Lizzy war neugierig.

Sie genoss die warme Frühlingssonne. Eigentlich könnte sie mit Hope morgen in den Zoo gehen. Jetzt im Frühling bekamen viele Tiere ihre Jungen, da gab es ständig etwas Neues zu sehen.

Sie sah auf die Uhr. Noch zehn Minuten. Sie überlegte, ob sie eine Runde um den Block gehen sollte, als die Tür aufging. Heraus kam der Kontaktbeamte.

Die Uniform unterstrich seine sportliche Figur. Lizzy errötete. Sie versuchte, wegzusehen, aber er hatte sie bereits bemerkt.

»Guten Tag, Frau Erdmann, was machen Sie denn hier? Haben Sie ein Kind?«

Er sah sie mit einer Mischung aus Verwunderung und etwas anderem an, das Lizzy nicht zu deuten wusste.

»Nein, ich hole nur Hope ab, die Tochter unserer Putzfrau. Ihre Mutter muss noch arbeiten.«

Er lächelte. »Ach, dann sind Sie die Tante Lizzy. Die liebe Hope hat recht viel von den Besuchen im Zoo erzählt. Wir hatten zum Thema, was macht ein Kind, wenn es von Fremden angesprochen wird oder verloren geht. Ich muss schon sagen, dass haben Sie beide gut gelöst.«

Lizzy war verlegen. »Ich habe ein Praktikum im Kindergarten gemacht, da lernt man so etwas. Und Hope ist ja pflegeleicht. Jetzt muss ich sie holen, sonst wird sie böse.«

Sie wurde von einer herauskommenden Mutter unterbrochen: »Hope ist schon fertig, die kommt gleich raus.«

Lizzy steckte ihren Kopf durch die Tür. Die Erzieherin grüßte sie vom Ende des Gangs und Hope kam angesaust. Lizzy schaffte es noch, eine stabile Position vor dem Eingang einzunehmen, bevor ihr das Kind mit Schwung auf den Arm sprang.

Hope gab ihr einen dicken Kuss, dann verzog sie das Gesicht. Sie rutschte wieder runter und sah den Beamten streng an: »Jetzt haben Sie die ganze Überraschung kaputtgemacht. Tante Lizzy sollte doch nicht wissen, wer der wichtige Besuch ist.«

Joe, wie Lizzy ihn insgeheim nannte, gab sich schuldbewusst, aber Lizzy sah ein Lächeln in seinen Augen. Diese Augen schienen immer zu lächeln. Sie sagte: »Nein, Herr Gürtner ist ganz unschuldig. Ich habe ihn ausgefragt.«

»Wir haben wohl ein Stück den gleichen Weg, mein Auto steht an der Straße.«

Hope sagte siebengescheit: »Er hat nämlich nicht mehr auf unserem Parkplatz parken können, weil da schon die Polizeifrau war mit den ganzen Kisten.«

Die drei gingen in Richtung Straße. Lizzy konnte den Blick nicht von ihm wenden. Sie versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber er hatte so eine geschmeidige Art zu gehen, wie der Tiger, den sie so mochte. Er hörte Hopes Geschnatter aufmerksam zu und gab die passenden Antworten.

An der Straße ging er in die Hocke und verabschiedete sich von Hope mit Handschlag. Man sah, wie stolz sie auf diese Sonderbehandlung war.

Dann richtete er sich auf und gab auch Lizzy die Hand. Er sah ihr tief in die Augen und Lizzy spürte, dass sie wieder rot wurde. Sie schüttelte eifrig seine Hand und sagte:

»Vielen Dank, dass Sie sich so für die Kinder einsetzen. Es ist wichtig, dass die Vertrauen aufbauen.«

Er lächelte und sagte: »Na, dann wünsche ich den Damen einen schönen Nachmittag.«

Er winkte Hope noch einmal zu und stieg in seinen Streifenwagen. Lizzy merkte, dass ihre Hand ganz schwitzig war. Wie peinlich.

»Der Polizeimann ist total nett. Er macht auch richtig gute Witze, nicht so blöde Babywitze«, plapperte Hope.

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