Kitabı oku: «Liebe Familie – Teil 4», sayfa 2

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Fred hörte mit geschlossenen Augen zu. „An was denkst du dabei?“ platzte sie unwillkürlich heraus. „An die Landschaften Spaniens. Olivenbäume. Oder Orangen- und Zitronenbäume“, murmelte er. Das hörte sich verdächtig nach einem Tagtraum an, doch diese Stimmung schwand, als er sich abrupt aufrichtete und sie wieder ansah.

„Maurische Schlösser wie die Alhambra in Granada, Berge und brennende Sonne, Palmen im Wind“, nickte Rena: „Es ist gute Musik. Sage ich immer: Gute Musik weckt Bilder im Kopf. Ob man da schon war oder nicht. Und dieses hier, das Concierto d’Aranjuez, muss stark sein, wenn es uns von Niedersachsen bis ans Mittelmeer trägt. – Das ist zu märchenhaft beschrieben für dich, aber …“ „Nachdem ich selbst rede wie ein Fantast?“

Er schnaubte spöttisch, wurde dann aber wieder ernst: „Das ist unheimlich. Wie du meine Fantasie mit dieser Musik weckst.“ „Ich hole die CD. Das Original mit Orchester ist viel besser als meine Versuche auf der Gitarre“, sie rannte zur Stereoanlage und suchte in den CDs. Ihre Wangen brannten jäh vor Verlegenheit.

Fred arbeitete weiter den Trainingsplan aus, bis die Musik aufklang. Es klang besser mit einem ganzen Orchester, das hörte er. Doch es war weit weniger verzaubernd, dachte er, über seine Papiere gebeugt. Den wahren Zauber machte Serena aus, nicht nur ihre geliebte Musik. Er hätte ihr gern noch viel mehr Fragen über den Komponisten gestellt, nur um ihrem munteren Geplauder weiter zuhören zu können. Sie schien so glücklich, ihr Wissen mit jemandem teilen zu dürfen. Es war absolut nicht gut für ihn, mit ihr hier allein zu sein.

Was hatte er gesagt? „Das ist unheimlich, wie du meine Fantasie weckst mit dieser Musik.“ Renas Herz schlug heftig bis in den Hals. So etwas Persönliches sagte dieser Mann doch nie. Und was, wenn die letzten Wörter fehlten? Dann war es noch intimer.

Sie schnappte nach Luft, seltsam erschrocken bei diesem Gedanken, und Fred sah sich automatisch nach ihr um: „Serena?“ „Hm? … Äh … Nichts“, sie griff zur Gitarre und verließ das Zimmer hastig, um ihr Instrument nach oben zu bringen.

Jetzt war sie fort – sein ernster Wunsch damit erfüllt. Was mochte sie denken? Die kleine Romantikerin. Waren es die Erinnerungen an jenen anderen Rodrigo, der sie überfallen hatte vor einigen Jahren? Mit fast 19 dürfte sie längst wissen, was der Junge von ihr gewollt hatte, kein Wunder, dass sie blutrot wurde und verlegen im Gedanken an dieses Erlebnis.

Tessa hüpfte herein. „Hallo, Fred. Können wir spielen? Hide and seek?“ „Nein, heute nicht, ich arbeite mit deinem Papa.“ „Wir müssen doch nur noch die Daten abgleichen“, meinte Tom und legte seinen Kalender auf den Tisch. „Du sollst Fred nicht erschrecken, Papa. Er muss mit mir spielen.“ „Heute nicht. Rena geht mit dir“, sagte Tom lachend.

Rena übernahm das gern und zog mit Tessa los. Außerdem tat ihr die Ablenkung gut, eine Ablenkung von im Bauch tanzenden Schmetterlingen. Sie begriff nicht, was diese Nervenanspannung urplötzlich ausgelöst hatte. War es so außergewöhnlich, endlich zu Hause zu sein? Hausfrau zu spielen? Das konnte sie doch. Verwirrt schüttelte sie den Kopf und vergaß die innere Unruhe beim Spielen mit Tessa schnell wieder.

Es regnete auch am 20. Mai, dem Freitag, an dem Rena in den Zug nach Hannover stieg. Sie war zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder in der niedersächsischen Landeshauptstadt und freute sich darüber. Ihr blieb genug Zeit für einen Schaufensterbummel. Welche Mode erwartete sie im Sommer 2005? Danach würde Zini garantiert fragen und auch noch einen Vergleich mit New York fordern, dachte sie heiter.

Mit Felix war sie erst gegen 10 Uhr verabredet. Rena wählte die U-Bahn für die Fahrt nach Stöcken und ging von der Station aus den restlichen Weg schwungvoll entlang, strahlend vor Freude. Hier war noch alles wie vor ihrer New-York-Zeit. Sie erkannte jeden Garten wieder. Überall blühten die Kastanien mit ihren roten und weißen Blütenkerzen. Heute bekam sie ihre Bücher und Noten, die sie zwei Jahre lang gesammelt hatte. An dieser Freude änderte auch der stetig fallende Regen nichts.

„Hei, Kumpel“, sagte sie scherzhaft, imitierte damit ihren Bruder Felix, und klappte den Schirm zusammen, als Fred die Tür öffnete. „Was willst du?“ fragte er unfreundlich. Für einen Moment nahm er an, der Besuch gelte ihm – das war unmöglich, und er wollte jeder Begegnung lieber sofort ein Ende setzen.

Verblüfft trat Rena einen Schritt zurück. „Ich bin mit Felix verabredet“, antwortete sie, und ihrer Stimme war die Überraschung über diese Art Empfang anzuhören. Fred zögerte.

Da er schwieg, sprach sie weiter: „Ich will mit ihm zum Flughafen, meine Sachen abholen. Und …“ „Felix ist gestern mit Freunden nach Berlin gefahren – über das komplette lange Wochenende.“ „Was?“ „Felix ist gestern nach Berlin …“, setzte er erneut an.

„Das habe ich verstanden“, winkte sie ab. „Dieser Blödmann. Unglaublich. Erst verspricht er mir seine Hilfe, labert davon, Geschwister müssten zusammen halten, und dann macht er sich vom Acker. Gott, wie dämlich von mir, ihn gestern nicht noch mal angerufen zu haben. Dämlich und naiv … - Entschuldige. Ich lasse mir was einfallen“, sie seufzte und fuhr fort: „Schönes Wochenende. Tschüss.“ Damit ging sie kurzentschlossen den Gartenweg hinunter und spannte den Schirm wieder auf.

Fred stand wortlos an der Tür. Ihre Geschichte entsprach in allen Punkten der Wahrheit – wieder einmal hatte Felix eine Verabredung einfach vergessen. Während er sich selbst dafür verdammte, rief er sie schon zurück: „Warte bitte, Serena.“

Sie ahnte sicher nicht, was ihn das jetzt kostete, und mit ihrer Dankbarkeit für sein Angebot rechnete er schon gar nicht nach dem unerfreulichen Auftakt.

„Was holst du vom Flughafen?“ Sie blieb stehen und drehte sich zu ihm um: „Das ist doch reine Höflichkeit? – Ich konnte nicht alle meine englischen Bücher und Noten mitnehmen. Deshalb habe ich zwei Postpakete losgeschickt. Die liegen am Zoll. Und warten auf Felix und mich. Auf mich, da er sich verkrümelt hat, diese Schnarchnase. Ich hatte keine Lust, 38 Kilo mit Bus und Bahn zu transportieren. Jetzt muss ich wohl. Wenigstens wird der Regen weniger … Na, zu Hause vom Bahnhof holen mich sicher Mama oder Tom ab. Das wird schon.“ „Du willst 38 Kilogramm tragen?“

Das Mädchen zuckte mit den Schultern: „Ich werd’s schon hinkriegen. Vielleicht mache ich mal eine Anleihe bei Zini – findet sich sicher ein netter Kerl, der mir’s wenigstens in die Bahn wuchtet. Oh Mann, Zini würde diesen Krampf nicht nötig haben. Die würde locker im Handumdrehen einen Chauffeur nach Hause aufreißen, und wenn die Strecke Pattensen-Peine-Paris wäre … Die würde sich sogar ein Wochenende mit dem in München oder Amsterdam gönnen, ohne dass er wüsste, wie ihm geschieht“, kicherte sie. „Zumindest einen Träger zur Bahn sollte ich auch finden …“

Worauf sie hinaus wollte, war unmissverständlich. Sie wollte sich wie ihre Schwester benehmen, einen Fremden ansprechen und dessen Hilfe erbitten, womöglich bei dem ins Auto steigen und stundenlang mit ihm auf einsamen Landstraßen unterwegs sein. Fred hatte die Zeitung gelesen: ein totes Kind in einem Wald in Sachsen-Anhalt am Vortag, eine Vergewaltigung in Hildesheim am selben Tag …

Rena war völlig ungeeignet dazu, mit einem fremden Mann so leicht wie ihre Schwester fertig zu werden, das wusste er. Es gab folglich nur eine einzige Lösung, sie in Sicherheit zu wissen.

„Ich fahre dich.“ „Nein. Danke, nett, aber ich nehme U- und S-Bahn zum Flughafen.“ „Ich hole Schlüssel und Papiere“, sagte er schroff und kehrte ihr den Rücken. Rena blieb auf dem Gartenweg stehen. Sein Befehlston klang nicht gerade nach begeisterter Hilfsbereitschaft. Das gefiel ihr nicht. Andererseits wollte sie die schweren Pakete nicht allein tragen.

Sie schwieg und entschloss sich, kein einziges Wort mehr zu äußern, da das doch nur in einen Streit ausarten würde wegen dieser unglaublichen Art, sie zu bevormunden. Der Regen ließ tatsächlich nach, also klappte sie den Schirm wieder zusammen.

Zu ihrem Erstaunen hielt sie bis zum Flughafen Langenhagen durch, so schwer ihr diese Stille auch fiel. Allerdings vermied sie so einen weiteren Anranzer, der sie nur explodieren ließe. Doch auf dem Weg zum Zoll verdrehte sie schon die Augen, weil sie es allzu schwierig fand, sein Missvergnügen wortlos zu ertragen.

Jeder von ihnen trug eins der Pakete. Fred hatte das größere genommen, so dass Rena nur 14 Kilo tragen musste. Doch der Weg ins Parkhaus war weit. „Können wir mal eine Pause machen“, schnaufte Rena, der die Handtasche auf den Rücken schlug. „Ja.“ Erleichtert stellte sie ihr unhandliches Paket ab und stemmte die Arme in den Seiten. Ihr Gesicht glühte.

„Nimm die Autoschlüssel. Ich trage das für dich. Du kannst den Kofferraum öffnen.“ „Nein, nein, ich nehme …“ „Serena, tu, was ich sage“, befahl er.

Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, sich gegen das Kommando zu wehren, doch Fred war bereits seit ihrem Auftauchen rebellisch. Sie presste sich folglich nur einen kurzen Dank ab, der alles andere als dankbar klang, und übernahm die Schlüssel. Dann ging sie flott voraus.

Fred sah belustigt hinter ihr her und folgte ihr wortlos. Offensichtlich kochte sie vor Wut, weil sie gehorchen musste und keine Wahl hatte. Ohne die Last des Pakets bewegte sie sich mit schwingenden Hüften – wie ihre Mutter. Ab und zu, wenn auch selten, sah er die Ähnlichkeit der beiden. Der Gedanke, was ihre Mutter denken mochte, wenn sie sah, dass er auf das Hinterteil der Tochter schaute, vertrieb seine gute Laune schnell wieder.

Rena öffnete innerlich zähneknirschend den Kofferraum und drehte sich mit einem nahezu eingefrorenen Lächeln zu ihm um: „Danke, Fred.“ „Erspar mir solche falschen Höflichkeiten“, fuhr er sie an. Rena verzog ärgerlich das Gesicht und presste die Lippen aufeinander. Es war noch ein weiter Weg nach Hause, und ihre Augen blitzten vor Zorn. Noch ein Wort, dann würde sie ihm ohne jede Rücksicht ihre Meinung über sein Verhalten sagen, dachte sie erbost.

Aber es war wie immer: Eine winzige Geste versöhnte sie sofort. Der Amerikaner öffnete ihr höflich die Autotür und wartete, bis sie sich setzte. Ihre Wut verrauchte umgehend. Vermutlich hatte er viel zu tun, und sie platzte störend in seinen Arbeitsalltag. Kein Wunder, wenn er sauer reagierte über die Zeitverschwendung. Außerdem hatte Felix ihr helfen sollen – und auch über dessen Versäumnis, das er jetzt ausbaden musste, ärgerte Fred sich völlig berechtigt.

„Autobahn oder Landstraßen, Serena?“ „Bitte über Land. Ich bin hungrig, und da finden wir sicher ein Restaurant“, ihre Stimme klang wieder freundlich und süß. Sie war selbst erstaunt, wie liebenswürdig sie diesen Vorschlag machen konnte.

„Restaurant?“ „Ja. Wenigstens kann ich dich zum Essen einladen, wenn ich dir schon so ’nen Wahnsinnstag zumute. Es ist … tut mir wirklich sehr, sehr leid, und mein Ton auch. Es ist so dumm, aber ich habe wirklich geglaubt, Fix könne etwas vernünftiger sein. Das war garantiert das letzte Mal, dass ich mich blind auf ihn verlassen habe. Ein ärgerlicher Fehlgriff zu viel.“ Sie seufzte leise und schien ihr Verhalten ehrlich zu bereuen, wie er überrascht erkannte.

Zumindest war dieser „Wahnsinnstag“ nicht ihr Fehler, und das sollte sie wissen. „Serena, Fix hat dich versetzt – es ist also nicht deine Schuld.“ Sie schaute ihn von der Seite an. Dies hier war wohl seine Art, sich zu entschuldigen.

„Okay, Fred, akzeptiert.“ „Hm?“ „Es ist besser, sich einig zu sein, als sich anzufeinden. Ich habe mich entschuldigt, du auch – dann ist alles in Ordnung.“ „Denkst du das?“ Zugänglich klang das nicht, und sie stöhnte prompt, kommentierte es aber nicht.

Damit, nach diesem schwierigen Auftakt ein heiteres Mittagessen zu erleben, hatte sie nicht gerechnet. Doch sie bestellten Cola zum Essen, und sie erzählte, wie selten sie das in New York getan hatte, meist hatte sie sich auf Wasser beschränkt.

„Zu viel Zucker in Brause. 47 Stück Würfelzucker pro Liter Cola. Weißt du, Mama hat uns immer gewarnt. Wir sind alles Wasser-Kinder. – Nehmen wir das Tagesgericht?“ „Was sind Pariser Kartoffeln?“ „Gebratene Kartoffeln, aber rund. Mit Gemüse und Frikadellen mit Dipp ist das durchaus essbar“, sie studierte die Karte interessiert.

„Du magst also Hamburger.“ „Nein. Mamas frische Dellen sind besser. Mit grünen Bohnen. Köstlich. Das essen wir an meinem Geburtstag. Ich habe schon mit Mama verhandelt. Sie macht haufenweise Frikadellen, dafür backe ich alle Kuchen. Das ist alte Familientradition. Wenn man was haben will, muss man was dafür im Gegenzug anbieten. Hat mein Vater erfunden. Heißt bei uns: Deal.“ „Deal? Sehr nett. Was für einen Kuchen willst du backen?“

Heiter schaute sie von der Karte hoch und verdeutlichte den „Deal“: „Nicht einen. Alle. Erdbeerkuchen, Sachertorte. Und da du kommst – auf jeden Fall einen Apfelkuchen, weil du den am liebsten magst – genau wie Tom. Für dich kommt Zucker und Zimt drauf, für Tom Rosinen. Ich habe ein neues französisches Rezept gefunden, das probiere ich aus.“ „Ein französisches Rezept?“ „Ja. Ich habe ja sonst nichts zu tun. Ich bin so ans Lernen rund um die Uhr gewöhnt. Das ist total seltsam mit diesen endlosen Ferien jetzt. Das halte ich kein halbes Jahr durch bis zum Studienbeginn. Ich muss mir dringend eine Arbeit suchen. Ich könnte ja bei Mama anfangen, aber etwas mit Musik wäre besser.“

Da sie genau wusste, dass Fred Myers niemals freiwillig etwas erzählen würde, übernahm sie das Reden, erzählte ihm, wie sie sich ihre Zukunft vorstellte als Lehrerin und wie sie vorhatte, dieses Ziel zu erreichen. Die Musik war ihr nächstes Thema.

Fred hörte dem munteren Geplauder lächelnd zu. Manchmal hörte er ihr ihre Jugend an. Sie träumte sich in diesen Beruf hinein und ahnte noch nichts von den Schwierigkeiten, die ihr spätestens im Klassenzimmer begegnen konnten. Sie glaubte noch an das Gute in jedem Menschen und zeigte sich als Idealistin. Mit einem nachsichtigen Lächeln quittierte er diesen Glauben.

Als das Essen kam, betrachtete sie ihren vollen Teller genau und kommentierte leise, was sie dachte. Schließlich war sie in einem Hotel aufgewachsen und konnte die Qualität aus jahrelanger Erfahrung gut beurteilen. Fred amüsierte sich über ihr harsches Urteil. Selbst ihm, der nicht so verwöhnt aufgewachsen war wie das Mädchen, kamen die Teller lieblos angerichtet vor.

„Willst du deine Kritik gleich äußern?“ „Der Typ ist ja gleich wieder verschwunden. Na gut, essen wir das eben. Ich kann ja hinterher noch sagen, was ich denke.“

Sie probierte vorsichtig und seufzte: „Haben die noch nie was von Gewürz gehört? Und können sie den kalten Dipp nicht auf einem Extra-Teller servieren? Müssen die das über das sowieso lauwarme Bratmettteil kippen? Was denkst du?“ „Ich stimme dir zu“, doch er lächelte noch immer, weil ihre Klage für ihn lustig klang. Er hätte sich diese Gedanken über ein schlechtes Essen nicht gemacht. Rena dagegen differenzierte und bezog klar Stellung.

Der Kellner tauchte erst mit der Rechnung wieder auf. Das Mädchen saß aufrecht da und brachte in aller Ruhe ihre Kritik vor.

„Da Sie nicht einmal zwischendurch vorbei gekommen sind, konnte ich Sie nicht bitten, das hier auszutauschen. Aber Sie sollten die Küche über meinen Tadel informieren“, schloss sie liebenswürdig. Keiner konnte ihr ernsthaft böse sein, da sie sehr sanft sprach. „Ich weiß nicht, was Sie wollen“, brummte der Kellner dennoch maulig.

„Die Dame hat auf offensichtliche Fehler hingewiesen. Vielleicht entschuldigen Sie sich einfach und versprechen Besserung“, auch Fred blieb höflich, doch er sprach mit Nachdruck. „Ja doch … ähm … ich helf‘ hier nur aus. Ich sag’s der Küche“, missmutig stapfte er los.

Als „Dame“ hatte sie noch niemand bezeichnet. Rena strahlte voller Stolz über dieses Wort. „Was ist denn?“ Fred registrierte erstaunt, wie ihre Augen plötzlich aufleuchteten. „Nichts. Nur … ich dachte nur …“

Sie beugte sich über den Tisch und wisperte: „Bei Mama würde der nie überleben.“ „Ja, aber deine Mama würde einen solchen Kellner nie einstellen“, Fred grinste: „Leo würde …“ „Sich schon beim Vorstellungsgespräch auf ihn werfen und ihm das Wort zum Sonntag predigen“, ergänzte Rena vergnügt: „Dann mal wieder los. Du sollst ja nicht dein ganzes Wochenende vergeuden und mit dieser Fahrerei verplempern.“

Auf dem Weg zum Auto räusperte sie sich: „Übrigens, du musst dir Felix nicht vorknöpfen. Das mache ich.“ „Du?“ „Ja, klar. Ich kann das. Ich bin sehr, sehr böse auf Fix“, nickte sie ernst. Jetzt funkelte der Trotz aus ihren klaren Augen, doch sie war so süß dabei, dass Fred sie am liebsten umarmt hätte und laut gelacht.

Allein die Vorstellung, wie die kleine „Madame Balance“ ihren großen Bruder auf alle seine Fehler aufmerksam machte, brachte ihn zum Schmunzeln. Ausgerechnet dieses nette Kind, das betont charmant gegen Probleme vorging, die kleine Frau mit den freundlichen Worten …Wie wollte sie ihren Bruder zur Ordnung rufen? Das hätte er gern gehört.

Der Rest ihrer gemeinsamen Fahrt verlief friedlich. Rena lehnte in ihrem Sitz und träumte vor sich hin.

„Müde?“ „Nein. Überhaupt nicht. Es ist nur … so schön. Mai. Grüner Wald. Ein bisschen Sonne – endlich. 18 Grad. Ich bin endlich zu Hause. Und im Moment ist die ganze Welt ein einziger Traum“, erwiderte sie offen: „Das habe ich zwei Jahre lang so vermisst.“

Fred nickte schweigend. Er hatte ihren Jubel gesehen, als ihre Familie sie abholte. Nun sah er auch, wie sie das brauchte, was die Deutschen „Heimat“ nannten. Sie hatte eine Heimat, einen Platz, an den sie gehörte, eine liebevolle Familie, den Frühling daheim. Er gönnte ihr diese Freude von ganzem Herzen. Kein Wunder, dass sie lieber in der Nähe ihrer Familie studieren wollte. Sie war keine New Yorkerin geworden, das Heimweh hatte ihr die ganze Zeit zugesetzt, auch wenn sie dort bei den Freunden des Stiefvaters gut und auch sehr gern gelebt hatte. Das hörte er jedem Wort über diese zwei Jahre an.

„Vermisst du Kalifornien? Ich meine … Unser deutscher Mai ist manchmal … maikühl. Und Los Angeles subtropisch.“ „Nein.“ „Nicht die anderen Dinge dort? Blumen, Vögel, andere Bäume? Nichts von da?“ „Nein. Nichts von da“, antwortete er knapp und warf ihr einen lächelnden Blick zu, bevor er wieder auf die Straße schaute. Heimweh, wie sie es in New York empfunden hatte, kannte er nicht.

Sein freundliches Lächeln verlieh Rena den nötigen Mut, weiter über ihre Gedanken zu sprechen: „Der Flieder ist fast weg jetzt. Aber es war neulich irgendwie … richtig schön, zu Pfingsten mit Maiglöckchen an Papas Grab zu gehen. In der Ecke, wo sein Grab ist, sind ganz viele Fliederbüsche, weißt du. Alles leuchtet in Rosa und Lila, in Weiß und Heliotrop. Es hat zwar geschüttet, aber es war richtig gut, meinem Vater … also an sein Grab mit Blumen zu gehen. Tom war mit. Er ist so gütig und lieb. Es sind jetzt fast acht Jahre, aber ich musste hin. Zu meinem Papa. Denkst du nicht, du müsstest auch an das Grab von deiner … Entschuldige, es geht mich nichts an, ich weiß schon“, sie geriet ins Stocken und schaute auf ihre Hände.

„Nein, es geht dich nichts an“, doch er sprach ruhig. Ihr schien erstmals, als habe er nichts gegen ihr Interesse. Rena atmete etwas zittrig.

„Janes Eltern haben ihr Grab verlegen lassen. Keine Ahnung, wo es jetzt ist. Aber nachdem sie mich von der Trauerfeier ausgeschlossen haben, musste ich ja damit rechnen.“ „Die haben deine Jane einfach … verlegt? Ohne mit dir zu sprechen? Das geht nicht. Ihr ward doch verheiratet. Warum nur?“ „Geld. Sie haben Geld. Ich nur Schulden.“ „Aber das ist ungerecht“, rief Rena ehrlich empört. „Ungerecht … Du bist so ein nettes Kind, Serena“, er musste fast lachen über ihre Aufregung.

„Also, wenn du mich fragst: Diese Leute sind voll ätzend. Sollte ich die je treffen, dann können die sich mal was anhören. Und das werden sie nicht einfach schlucken können“, entgegnete sie energisch und unumwunden. „Aber es geht dich ja nichts an.“

Der schlichte Satz genügte. Sie verstummte, obwohl sie ihrem unfreiwilligen Chauffeur gern gesagt hätte, wie sicher sie sich an seiner Seite fühlte – gegen den Rest der Welt, wenn nötig. Doch das wagte sie nicht. Es war besser, gar nichts mehr zu diesem Thema zu äußern – daran hielt sie sich nun.

Kurz bevor Fred auf das Grundstück einbog, sagte sie schließlich ruhig: „Du hörst es bestimmt nicht gern, aber ich bin dir wirklich ganz ehrlich dankbar. Was über das etwas komisch verunglückte Mittagessen hinaus kann ich tun?“ „Du hast mir doch schon Apfelkuchen versprochen.“ „Das genügt bei weitem nicht. Du, ich habe mit Mama Marmelade nach einem australischen Rezept von Michelle Blanasi gekocht. Magst du Ingwer und Mandeln zusammen mit Aprikosen?“ „Getrocknete Ohren? Okay, wenn du meinst ...“ Er erinnerte sich an ihren familiären Ausdruck für dieses Obst und schmunzelte.

Nur Tessa und Samantha waren zu Hause. Rena begrüßte beide mit Küssen. Fred trug ihre schweren Pakete hinter ihr her und dachte kurz daran, wie gern auch er diese Sorte Lohn bekommen hätte. Sein Lächeln erstarb sofort, als er sich bei diesem abwegigen Gedanken ertappte.

„Du – hier?“ Samantha musterte den Bodyguard kritisch. Ihr missfiel seit langem, wie viele Aufgaben er in der Familie übernahm. Sie war noch immer fest davon überzeugt, vieles davon könne ihr Markus weitaus besser erledigen. Rena übernahm die Antwort.

„Ja. Stell dir vor: Fix hat mich einfach vergessen und treibt sich in Berlin rum, der Dämlack. Bringst du die Pakete bitte ins Wohnzimmer, Fred? Danke. Ich hole dir die Marmelade.“

„Und wir spielen. Ich habe Bilder, die musst du sehen“, quietschte Tessa und hüpfte wie ein Gummibällchen neben ihrem großen Freund auf und ab: „Und du erzählst eine grausame Gruselgeschichte, ja?“ „Nicht jetzt, meine kleine Maus. Aber du kannst mir die Tür öffnen, wenn du willst. Machst du das bitte?“ „Ja“, Tessa gehorchte und half gern. Auch Rena wandte automatisch ihre Schritte Richtung Wohnzimmer statt zum Keller.

Mit großen Augen sah Samantha auf diese Bewegung und hieb sofort zu: „Bist du etwa seine kleine Maus, Rena? Sicher nicht.“ „Wie bist du denn drauf?“ fragte die Jüngere überrascht. Sam legte ironisch den Kopf zurück: „Und ob Fred die Erlaubnis hat, unsere kleine Schwester Maus zu nennen, weiß ich auch nicht.“ „So lange Tessas Eltern nichts dagegen haben. – Komm, Maus, du wolltest mir doch Bilder zeigen.“ „Ja. Aber nur dir. Nicht Sam. Sam ist böse.“

Das war eine passende Retourkutsche für Samantha, die Tessa sehr liebte. Rena verbiss sich das Lächeln. Sie bevorzugte diese Art der Strafe für die Unverschämtheiten, zumal sie sich raushalten konnte: „Ich koch‘ dir mal noch ‘n Kaffee, Fred. Damit du Tessas Kunstwerke leichter erträgst“, sie kehrte um zur Küche. „Danke“, sagte Fred knapp. „Und dann hole ich gleich die Marmelade“, versprach Rena.

Als sie aus dem Keller kam, traf sie erneut auf Samantha. „Was hast du da?“ „Australische Ingwer-Marmelade. Und Weingelee. Für Fred. Weil er so nett war, meinen Chauffeur und Lastesel zu spielen.“ „Ich denke, Benzingeld wäre eher angebracht.“

Rena musste einmal tief durchatmen. Jäh packte sie die Wut wegen der Ungerechtigkeit. Sie hätte es albern gefunden, Fred Geld anzubieten – und er hätte es für eine Demütigung gehalten, wie sie genau wusste. Die Tür zum Wohnzimmer war nur angelehnt, doch das fiel ihr nicht auf.

„Es reicht, Sam“, rief sie erzürnt. „Was?“ „Ich hasse es, wie du immer gegen Fred herum maulst. Ich hasse es, wenn du einen Freund auf seinen Job als Toms Bodyguard reduzierst. Er ist immer nett und hilfsbereit, ein richtig guter Freund. Also hack gefälligst nicht auf ihm rum!“ „Freund? Der Eisklotz? Ha!“

„Er war sicher nicht begeistert darüber, für Felix einspringen zu müssen. Aber er ist eingesprungen, und darauf kommt’s an. Und wir hatten es echt richtig nett miteinander.“ „Papa bezahlt ihn reichlich.“ Samantha hatte zufällig eine von Freds Abrechnungen gesehen und sich überlegt, wie lange sie für dieses Geld hätte kellnern müssen.

„Kannst du nicht begreifen, dass das heute kein Job war? Außerdem hat Papa mehr Geld als nötig. Bei dem kommt’s auf ein paar Euro mehr oder weniger doch gar nicht an. Ich habe keine Ahnung, was Tom verdient, aber er war in New York und bei seinen Anwälten und den Ärzten, die dieses Dorf in dem Tsunami-Gebiet aufbauen. Das kostet viel mehr als eine Sportstunde …“ „Was redest du da?“

„Ich habe es in New York erlebt. Wir haben dort zusammen gesungen. Ich war auch mit zur Bank. Ich wünschte, du wärst auch nur eine Minute so hochstehend gütig wie Tom, nur eine einzige Minute – oder wie Fred.“ „Fred und gütig? Mr Eisklotz? Bist du völlig meschugge? Oder verknallt?“ „Sam, ich erlaube dir nicht, Fred noch länger Mr Eisklotz zu nennen. Wenn du nicht höflich sein kannst, geh. Sofort. Geh jetzt. Ich habe echt Lust, dir eine zu pfeffern.“

Samantha starrte die Stiefschwester an. Rena war noch nie dermaßen explodiert in reiner Wut. „Du wagst es nicht, mich anzurühren. Und ich sage dir, der ist ein Eisklotz. Du hast das zuerst erfunden.“ „Kannst du nicht denken?“ „Denken? Was denken?“

Die Jüngere ballte die Fäuste und zwang sich, darauf halbwegs ruhig zu antworten: „Als Fred in deinem Alter war, ist seine Frau gestorben. An Leukämie. Weißt du, was das bedeutet? Weißt du, was für eine furchtbare Krankheit das ist? Und er hat keine liebe Familie um sich. Okay, du hast deine Eltern verloren, und ich meinen Vater. Aber wir sitzen dennoch in reinem Glück hier. Wir haben Mama. Wir haben Tom. Wir haben Freunde. Ich will mir nicht ausmalen, wie es ist, völlig allein zu sein nach so einem Verlust. Und dann auch noch in einem fremden Land. – Und du bist verdammt mies zu ihm, total ungerecht und immer feindselig.“

Darauf fiel Samantha nichts ein als: „Er könnte ja mal was drüber sagen …“ „Zum Glück hat er wenigstens seinen Stolz. Zu viel Stolz, um einem dummen Menschen wie dir so was zu sagen. Du bist ein herzloses Weibsstück ohne Verstand und Verständnis für andere. Dabei solltest gerade du es besser wissen“, sie holte keuchend Luft: „Und jetzt mach einen Spaziergang und denk nach, du Idiotin. Da – nimm den Schirm mit.“

Samantha guckte fassungslos: „Du schickst mich weg?“ „Ich reiße dir den Kopf ab, wenn du nicht wenigstens für eine Stunde verschwindest“, schrie Rena sie völlig außer sich an: „Wenn du Krieg haben willst, kriegst du den. Ich kann dich niederbrüllen, verdammt! Ich bin besser bei Stimme als du. Und ich könnte dir Wahrheiten über dich und deinen Markus sagen und alles das, was du in den letzten 10 Jahren angestellt hast, da kannst du dich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen, kapiert?“

„Okay. Eine Stunde. Und werde ihn los, sonst brülle ich zurück. Ist echt besser, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Wenn du den lieber hast als deine eigene Schwester.“

Auf diesen Angriff hin biss Rena wortlos die Zähne aufeinander. Sie starrte die Schwester nur erbittert an. Es war schwer, die aufgestaute Wut zu bremsen. Ungerechtigkeit brachte sie regelmäßig auf. Doch Samantha nahm tatsächlich Regenschirm und Jacke und verließ das Haus.

Rena musste mehrfach durchschnaufen, bis sich ihre Aufregung etwas legte. Sie hasste Streit und lautstarke Auseinandersetzungen. Sie führte sich nun mal nicht gern wie eine durchgedrehte Wilde auf, dachte sie – und sah die offene Wohnzimmertür. Entsetzt presste sie eine Hand auf den Mund und zögerte. Doch sie konnte nicht ewig hier stehen.

Das Wohnzimmer war leer. Die Gardinen wehten sanft im Wind von der Terrassentür. Rena stellte die beiden Marmeladengläser auf den Tisch und ging hinaus.

Fred stand am Rand der Terrasse und schaute Tessa zu, die gerade ein Gänseblümchen pflückte und sich sofort der Schwester näherte: „Rena, guck, ist das offen?“ „Ja. Wozu brauchst du das?“ „Fred soll zählen.“ „Zählen? Ein Gänseblümchen. Eins.“ Rena guckte ratlos.

„Nein, nicht die Blume. Die Blätter“, betonte der Mann und sah mit ernster Miene auf ihr blasses Gesicht. Anscheinend ging es ihr aber schon wieder besser, dachte er. Ob sie sich darüber im Klaren war, wie laut sie sich angebrüllt hatten? Er fragte nicht.

„Ihr wollt Blütenblätter zählen?“ „Zählen wir jetzt. Tessa möchte eine Blumenwiese mit allen Blumenblütenblättern malen“, der Akzent war deutlicher als sonst, das schwere, lange Wort kam langsamer als gewohnt. Anscheinend musste er sich sehr konzentrieren, um das auf Deutsch hinzukriegen.

„Ihr beide habt sicher bis eben gerade wieder nur Englisch gesprochen“, vermutete Rena: „Und was machst du mit deinem Freund, Maus? Sagt ihr Blumenblütenblätter und Gänseblümchen?“ „Daisy“, kicherte die Kleine: „Fred weiß doch nicht, was das auf Deutsch ist.“ „Weiß er nicht? – Daisy ist Gänseblümchen“, erklärte Rena sofort. „Ich rede sehr selten über Botanik und deutsche Blumen“, antwortete er gelassen.

„Ach herrje. Und ich habe dich den ganzen Weg über mit Flieder und Maiglöckchen zugetextet.“ „Ich weiß, was das ist.“ „Sollen wir eine Runde durch den Garten machen? Wir könnten dir die deutschen Namen für Blumen beibringen. Tessa kann sie auf Deutsch und Englisch.“ „Nein. Danke. Ich muss jetzt dringend wieder los.“

„Erst zählen. Hier“, Tessa reichte ihm einige Blumen. „Ja, ich zähle. Und wenn ich es nicht schaffe, springt deine Schwester ein.“ „Kann Rena zählen?“ „Hör mal, du misstrauische Göre, ich hab’s Abi. Und mein Vater hat mir den Umgang mit Zahlen beigebracht, da war ich gerade mal in deinem Alter. Und zwar alle Multiplikationstabellen vorwärts und rückwärts. Freches Ding, du.“

„Serena, zählst du bitte für Tessa? Ich muss wirklich fahren. Es wird sonst zu spät.“ „Ja, klar. Danke noch mal. Und denk an die Marmelade. Im Wohnzimmer auf dem Tisch.“ „Ja. Danke“, er verabschiedete sich schnell. Der Kaffee war vergessen.

Den ganzen Weg zurück nach Hannover, den ganzen langen, einsamen Abend über hörte er wieder und wieder ihre großartige Verteidigungsrede – gegen ihre eigene Schwester. Sie wusste so viel, und sie verstand noch viel mehr. Serena würde stets durch dick und dünn für alle gehen, die sie mochte. Er zweifelte nicht daran, dass sie die Geste des heutigen Tages wertschätzte – sie war von Grund auf ehrlich und hatte ihm noch nie etwas vorgemacht, sondern stets die Wahrheit gesagt.

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