Kitabı oku: «Two in Isolation», sayfa 2

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Wenn der Vollkornbrei ungesund ist und Vitamine schädlich

Fragt mich nach dem Kaliumgehalt von einem beliebigen Lebensmittel. Egal welches. Das meine ich ernst. Ich kann Euch die Frage sofort beantworten. Denn ich kenne sie alle. Auswendig. Auf jeden Fall den Kaliumgehalt jener Lebensmittel, die auch Babies zu sich nehmen dürfen.

Ich kenne sie so gut, dass ich gestern entrüstet eine Zeitschrift in die Ecke gedonnert habe. Die wollten mir doch tatsächlich weismachen, dass Zucchini so gesund sei, weil sie unter anderem besonders viel Kalium enthalte. Seitdem zweifel ich an dem Wahrheitsgehalt sämtlicher Artikel in dieser Zeitschrift. Wenn sie es nicht mal schaffen, den Kaliumgehalt einer simplen Zucchini zu recherchieren, kann ich wohl davon ausgehen, dass auch alle weiteren Informationen in dieser Zeitschrift nur geraten sind.

Woher ich das so genau weiß? Nun, ich bin der Kaliumprofi, und ich koche drei Mal pro Woche Zucchini für the Kid, weil sie eben verhältnismäßig wenig Kalium enthält. Sie gehört zu den wenigen Gemüsesorten, die ich nicht über Nacht wässern und dann stundenlang in der zehnfachen Menge Wasser kochen muss, bis sämtliche wasserlöslichen Vitamine und Mineralstoffe mit dem Kochwasser weggeschüttet werden können. Denn fast alles, was gesund ist, enthält Kalium, und Kalium ist Gift für the Kid.

Seit der Transplantation und der entsprechenden Medikamenteneinstellung hat the Kid erhöhte Kaliumwerte. Akut bedeutet das, dass ein zu hoher Kaliumwert einen Atem- und Herzstillstand auslösen kann. Auf lange Sicht deutet es darauf hin, dass the Kid durch die Medikamente einen Nierenschaden bekommt. Dann muss ich jetzt wohl auch meine Niere schonen, ich hab ja noch ein Organ vorrätig…

Es ist zum wahnsinnig werden, wenn man genau darüber nachdenkt. Aber das kann ich mir nicht erlauben. Denn zur Zeit kann ich nichts an der Situation ändern. Ich kann mich nur damit ablenken, Gemüse klein zu schnippeln. Und damit, kaliumreduziertes Milchpulver und Reisflocken abzuwiegen. Aber bitte nicht zu viele Vollreisflocken. Die sind zu gesund, enthalten einfach zu viele Mineralstoffe.

Zum Glück gibt es diese babygerechten Reiswaffeln. Die sind der Hit und bei the Kid als Sättigungsbeilage sehr beliebt. Wenn nur nicht diese Krümel wären. Die finden die kleinste Ritze unter der Spielmatte und im Parkettfußboden. Super, wenn alles keimfrei sein soll.

In der Schwangerschaft hatte ich die besten Vorsätze. Ich war überzeugt davon, dass ich meinen Sohn von Anfang an, an die gesunde Ernährungsweise heranführen würde. Viel Gemüse, kein Zucker, kein Weißmehl. Alles wird probiert und bei „Nichtgefallen“ beim nächsten Mal anders zubereitet und nochmal probiert. Nun darf the Kid Karotten, Zucchini, Sellerie, Pastinake, Apfelbrei, Polenta und Reis probieren. Seit Wochen, jeden Tag aufs Neue. Das sind die natürlicherweise verhältnismäßig kaliumarmen und dennoch gesunden Lebensmittel. Da gäbe es zwar noch Zwiebeln und diverse Kohlarten, aber die will ich meinem Baby verständlicherweise noch nicht antun.

Aber Kartoffeln beispielsweise, die Babybreigrundlage schlechthin, sind absolut tabu. Das sind regelrechte „Kaliumbomben“. Genauso wie Tomaten. Dabei sind gekochte Tomaten doch so gesund und waren bis vor kurzem ein fester Bestandteil in meiner Küche. Oh, und meine geliebten Ofenkartoffeln in Olivenöl mit Rosmarin! Was, wenn the Kid sie später verschmäht und stattdessen täglich nach seinem Zucchinirisotto mit Apfelpolenta verlangt? Geschmack wird doch angeblich in den ersten Lebensjahren geprägt.Andererseits, je länger ich darüber nachdenke, ist das vielleicht gar nicht so schlecht. Er wird dann wenigstens nicht jeden Tag Pommes mit Ketchup essen wollen. Und während andere Kinder sich in der Pubertät fast ausschließlich von fettigen und übersalzenen Chips ernähren, wird mein Sohn stattdessen nach seinen heißgeliebten Reiswaffeln verlangen. An die Krümel werde ich mich bis dahin bestimmt gewöhnt haben.

Elternabende

Ich kann nicht mit normalen Eltern. Bitte nicht persönlich nehmen. Ich würde viel darum geben, zu normalen Eltern zu gehören. Und bevor jetzt alle auf die Barrikaden gehen, lasst mich eine kleine Geschichte erzählen.

Vor kurzem hatte ich beschlossen, mich zu einem Kurs anzumelden. Einmal die Woche für eine Stunde etwas anderes machen, unter Menschen kommen, die Isolation unterbrechen. Also habe ich mir das neueste Volkshochschulprogramm vorgenommen. Die Auswahl schien ja gar nicht so klein zu sein. Vielleicht irgendetwas mit Musik. Kinderlieder auf der Gitarre begleiten. Das klang doch ganz gut. Dann käme ich unter Menschen und würde trotzdem etwas machen, wovon auch the Kid profitiert. Außerdem habe ich früher schon Gitarre gespielt, das war zwar eher Indie, aber ich bin ja offen für Neues. Gleich am nächsten Tag wollte ich mich anmelden.

Am selben Abend wurde ich spontan auf den Geburtstag eines alten Freundes eingeladen. Der Kindsvater hatte Zeit, auf the Kid aufzupassen, und ich war seit Monaten nicht mehr aus. Die Gelegenheit konnte ich mir also nicht entgehen lassen. Endlich mal wieder einen normalen Abend mit anderen Menschen verbringen.

Und dann war ich auf dieser Party und habe es gemerkt: Ich kann nicht mit normalen Eltern. Ich hatte die Jungs und Mädels schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen. Es war spannend zu erfahren, wie sie sich verändert hatten. Aus Menschen, die während des Studiums keine Party ausließen, waren vernunftbegabte Eltern geworden. Ich wollte nicht, dass unsere Situation zum Thema des Abends wird. Also erzählte ich, dass auch ich einen Sohn habe und zeigte, wie die anderen, süße Fotos von meinem kleinen Fratz auf dem Handy herum. Und dann begannen die üblichen Elterngespräche. Wie toll, ich gehörte dazu, und konnte mich mit den anderen austauschen. Ein ganz neues Lebensgefühl. Mia, deren Sohn genau so alt ist wie the Kid, fragte mich, was ich tue, wenn der Kleine sich an Möbeln hochzieht. „Janni fällt ständig auf seinen Kopf. Deshalb verbiete ich ihm das jetzt. Wie machst Du das?“ Was sollte ich antworten? Mein Sohn hat durchtrennte Bauchmuskeln und ich bin froh, dass er gerade gelernt hat, sich auf den Bauch zu drehen? Stattdessen sagte ich: „Ich glaube, das ist normal. Das gehört wohl dazu.“ Zum Glück drehte sich in dem Augenblick Andreas zu uns um, früher bekannt für seine stets glänzende Single-Wohnung und nun Vater eines zehn Monate alten Sohnes und begann, mich in ein Gespräch zu verwickeln: „Ich weiß ja nicht, ob Du schon einmal in dieser Situation warst, Marie, aber bei uns läuft es momentan sehr schlecht. Unser Sohn Justus, hat seinen ersten Schnupfen. Und stell Dir vor, es geht ihm so schlecht. Wir leiden furchtbar mit.“

Ich: „Oh, das tut mir leid. So ein Babyschnupfen ist nicht schön, aber das gehört ja eigentlich schon dazu. Ich lasse meinen Kleinen dann immer inhalieren.“

Andreas: „Echt? Das ist doch ganz schrecklich für das Kind. Also Justus würde das nicht mit sich machen lassen. Ach, da hast Du es echt gut! Du weißt ja gar nicht wie schlimm das ist.“

Ich: „Doch. Ich kann mir das schon vorstellen.“

Andreas: „Nein, das glaub ich nicht. Bei uns ist das besonders schlimm. Gestern zum Beispiel, da hat er drei Stunden nicht schlafen können und heute …“

Das würde nicht gut gehen. Langsam schnürte sich mir die Kehle zu. Mein erster freier Abend seit Monaten und ich sollte ihn damit verbringen, mir die Sorgen anderer Eltern anzuhören, die mir nur vor Augen hielten, wie gut es ihnen ging. Und dann auch noch Mitleid vortäuschen? Vielleicht würde es ihnen doch gut tun zu erfahren, dass es Schlimmeres gibt?

Also habe ich doch unsere Geschichte erzählt. Eine Kurzfassung zwar nur und eine möglichst harmlose Variante, aber der Effekt war doch unerwartet. Andreas war zutiefst schockiert. Er war so aus dem Gleichgewicht gebracht worden, dass ich von mehreren Seiten darauf angesprochen wurde, wie unsensibel ich doch sei, den armen Andreas so zu traumatisieren. Das sei doch kein Thema für so einen Abend, manche Menschen würden solche Geschichten nicht verkraften. Sorry, Andreas, auch das ist die Realität. Ich kann leider keine Rücksicht auf Menschen nehmen, die es nicht verkraften, solche Geschichten zu hören. Denn ich habe sie sogar erleben müssen.

Um solche Situationen also in Zukunft zu vermeiden, habe ich folgendes beschlossen: In den zwei Stunden, die ich pro Woche frei habe, werde ich etwas tun, das absolut nichts mit Kindern zu tun hat. Ich blättere durch den Volkshochschulkatalog. „Hacken für Nerds“ klingt doch ganz gut. Da geht es garantiert nicht um Babies.

Wenn Du Dein Kind nicht mehr impfen darfst

Ich habe neulich eine Freundin verloren. Das ist jetzt nicht so dramatisch, wie es im ersten Augenblick klingen mag. Sie lebt mit ihrer Familie glücklich in einem Vorort und veranstaltet gerade vermutlich eine Masernparty. Aber so genau weiß ich das nicht, denn wir haben keinen Kontakt mehr. Seit einem Streit, in dem es um Prioritäten ging.

Alles fing damit an, dass sie mich anrief und mir mitteilte, dass sie mich und the Kid endlich besuchen und ihre beiden jüngeren Kinder mitbringen wolle. Die beiden sind sechs beziehungsweise zehn Jahre alt und – was der springende Punkt ist – ungeimpft. Und genau hier beginnt das Problem. Ich habe nichts gegen Impfgegner. Ich bin als Säugling selbst im Krankenhaus gelandet, weil ich eine allergische Reaktion auf die 5-fach-Impfung hatte. Ich verstehe deshalb die Ängste der Impfgegner zu einem gewissen Grad. Das Problem ist nur, dass Kinderkrankheiten für meinen Sohn und alle anderen Kinder mit einem schwachen Immunsystem lebensbedrohlich sind. Nicht umsonst darf ich mit the Kid keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen oder in einen vollen Supermarkt gehen. Ein Kinderarzt beschrieb es mir mal knapp und hart: „Betrachten Sie es mal so. Kinderkrankheiten sind für immunsupprimierte Kinder ungefähr so gefährlich, wie Ebola für unsereins.“

Windpocken haben es mir besonders angetan. Als Kind habe ich nämlich eine Superinfektion bekommen und lag tagelang im Delirium. Obwohl ich immunkompetent, also ein ganz normal gesundes Kind war. Die Narben sind heute noch zu sehen, obwohl ich damals gar nicht in der Lage war, zu kratzen. Diese furchtbare Krankheit, die viele zu den harmlosen Kinderkrankheiten zählen, ist so heimtückisch, dass sie, wenn der Wind falsch steht, über viele Meter übertragen werden kann. Ich breche jedes Mal in Schweiß aus, wenn ich mit the Kid an einem Schulhof vorbei muss und gerade Pause ist. Und das schlimmste an der Sache ist, dass ich meinen Sohn eigentlich nicht impfen darf. Ärzte und Experten sind sich einig: Immunsupprimierte Kinder sollten keinen Lebendimpfstoffen ausgesetzt werden. Denn diese enthalten das lebende Virus, wenn auch in abgeschwächter Form. Windpocken, Masern, Mumps und Röteln gibt es aber leider nur als Lebendimpfstoff.

Ich habe meiner Freundin, nennen wir sie Bertha, also erklärt, dass das mit dem Besuch keine so gute Idee sei. Denn sollte in ihrer Schule eine Kinderkrankheit ausbrechen, wären ihre Kinder definitiv Überträger. Und da eine Inkubationszeit, in der man noch nichts von den Symptomen sieht, die Kleinen aber schon ansteckend sein können, mehrere Tage bis Wochen dauern kann, wäre mir so ein Besuch definitiv zu gefährlich für the Kid. Ich würde sie und ihre Kinder zwar gerne mal wiedersehen, aber nicht bei mir und nicht in Anwesenheit von the Kid. Bertha war entrüstet. Sie meinte, man könne es auch übertreiben. Ich solle nicht so hysterisch sein und Prioritäten setzen.

Bertha fühlte sich in ihrer Entscheidung als Impfgegnerin angegriffen. Ich bin auch gegen Impfzwang, trotz unserer Situation. (Obwohl ich gerade ernsthaft in Erwägung ziehe, in ein Land mit strikten Impfgesetzen zu ziehen, um meinem Sohn normale Sozialkontakte zu ermöglichen). Aber ich bin auch verwundert, mit welcher Leichtfertigkeit manche Mütter auf ihre individuelle Freiheit pochen. Bertha führte an, dass andere Mütter von ihr verlangt hätten, ihren Ältesten zu Hause zu behalten, als er die Windpocken hatten: „Stell Dir vor, die haben doch tatsächlich von mir verlangt, dass ich meinen Sohn wie einen Gefangenen im Haus halte. Und das ganze zwei Wochen!“ Das erinnerte mich an eine andere Mutter, die meinte: „Sollen doch die Immunschwachen zu Hause bleiben.“ Ja, das machen wir. Wie Gefangene. Nicht nur für zwei Wochen. Und genau das ist für mich der Punkt. Ist es denn zu viel verlangt, sein Kind, solange es eine ansteckende Krankheit hat, zu Hause zu behalten? Was sind denn, verdammt nochmal, zwei Wochen Rücksichtnahme, wenn man einem anderen Kind dadurch das Leben retten kann? Die Inkubationszeit ist schon heimtückisch genug, wenn man noch nichts von der Erkrankung weiß, aber schon ansteckend ist. Da möchte ich auch niemandem einen Vorwurf machen. Aber ich muss auch kein Risiko eingehen und halte meinen Sohn deshalb von ungeimpften Kindern fern.

Vielleicht hat Bertha ja recht und ich übertreibe. Gestern bin ich innerlich wieder in Panik ausgebrochen, als ich mit the Kid an einem Mädchen mit Pickeln im Gesicht vorbei lief. In meiner Phantasie waren das eindeutig Windpocken. Aber wenn es danach ginge, müsste ein Drittel aller Kinder, denen wir nach unserer Klinikentlassung auf der Straße begegnet sind, die Windpocken gehabt haben. Wohl doch eher unwahrscheinlich. Trotzdem habe ich schon unzählige Male die Straßenseite gewechselt oder auf dem Absatz kehrt gemacht, weil uns ein gepunktetes Kind entgegen kam. Ich mag hysterisch sein und übertreiben, aber ich setze Prioritäten. Und, ja liebe Bertha, ich weiß genau, wo meine Prioritäten liegen. Heute rief mich eine andere Freundin an, die ich in der Klinik kennengelernt habe. Ihr Sohn ist so alt wie the Kid und auch lebertransplantiert. Er hat sich mit einer harmlosen Erkältung angesteckt. Seit gestern liegt er deswegen im Krankenhaus. Noch Fragen?

Keime, Viren und der Postbote

Normalerweise bestelle ich keine Produkte über das Internet. Weder Bücher, noch Babypflege oder Kleidung. Ich finde es politisch nicht korrekt, große Konzerne zu unterstützen, während immer mehr kleine Läden pleite gehen. Aber unsere Isolation hat dazu geführt, dass ich gegen meine Prinzipien verstoße. Beim Einkaufen in vollen Läden könnten uns einfach zu viele Keime begegnen. Nun ja, das Gemüse kaufe ich noch nicht im Internet. Das besorge ich am Dienstagmorgen, wenn kaum jemand einkaufen geht, im Bioladen, gut vorbereitet mit Desinfektionsspray in der Jackentasche und the Kid sicher im Tragesack verpackt, sein Näschen in meiner Jacke versteckt.

Eigentlich ein Wunder, dass mich bisher noch niemand schräg angesprochen hat, wenn ich mir, nachdem ich am Kühlregal war, meine Hände desinfiziere, um meinem Sohn sein Mützchen zurecht zu rücken. Seltsame Blicke habe ich aber schon eine Menge kassiert. Wie damals, als ich mit Erkältung und the Kid im Tragetuch spazieren ging. Natürlich mit Mundschutz, um meinen Kleinen nicht anzustecken. Für solche Zwecke habe ich ein besonders schickes Modell mit Blümchen. Trotzdem blieben die Kinder mit offenem Mund am Straßenrand stehen, bevor ihre Mütter sie schnell zur Seite zogen. Offensichtlich haben auch andere Mütter Angst vor ansteckenden Krankheiten. The Kid stört sich aber zum Glück nicht an meiner seltsamen Aufmachung. Er ist diese seltsamen Masken noch aus dem Krankenhaus gewohnt, wo erkältete Ärzte und Schwestern sie regelmäßig trugen.

Nur in seinem eigenen Gesicht sind sie ihm fremd. Neulich hatten wir einen Termin in der chirurgischen Abteilung. Da gerade die Grippe umging, entschied ich spontan, mal wieder einen Versuch zu starten, the Kid an einen eigenen Mundschutz zu gewöhnen. Das würde einiges vereinfachen. Ich wurde zwar vorgewarnt, dass Kinder in dem Alter noch keinen Mundschutz akzeptieren. Aber mir fiel plötzlich ein, dass die kleine Mai-Lin, die einen Monat nach the Kid transplantiert wurde, schon im Alter von 10 Monaten einen Mundschutz ohne Probleme trug. Also dachte ich: Ein Versuch kann nicht schaden.

Ich habe ihm zunächst den kleinen Kindermundschutz mit schickem Mickey-Mouse-Aufdruck zum Spielen angeboten. Dann schob ich ihm die Maske langsam vor die Nase, um ihm schließlich vorsichtig die Schlaufen hinter seinen Ohren zu befestigen. Ein befreundeter Arzt, der uns zur Untersuchung begleitete, und ich zogen uns aus Solidarität auch einen Mundschutz über. Schließlich machen die Kleinen einem doch sonst auch so gerne alles nach. Aber da hatten wir uns gewaltig getäuscht. Zuerst begann the Kid sich zu winden. Sein Hals wurde immer länger bei dem Versuch, ihn zu überstrecken, um diese lästige Nasenmaske loszuwerden. Als das nicht gelang, schien ihm plötzlich einzufallen, dass er es ja auch mit den Händchen versuchen könnte. Und just in dem Augenblick, in dem wir mitten in der Grippezeit das überfüllte Wartezimmer der Chirurgie betraten, zog er mit einem Ruck die Maske von seinem Gesicht, um sofort genüsslich die abgestandene Luft einzusaugen. Und weil es gerade so schön war und er nun wusste, wie es geht, riss er mir meinen Mundschutz auch gleich herunter. Das kann ja heiter werden, wenn ich das nächste Mal erkältet bin. Mensch, bei Mai-Lin hatte das so einfach ausgesehen… Aber ich hatte vergessen, dass sie aus China kommt. In Asien wird einem das Mundschutztragen ja praktisch in die Wiege gelegt.

Nun, weil das also alles so kompliziert ist und überall in den Läden und Einkaufspassagen Keime lauern, kommt seit unserer Heimkehr aus der Klinik regelmäßig der Paketbote zu uns, um uns mit den neuesten Produkten aus der Außenwelt zu versorgen. Er kennt mich schon und bekommt vor Feiertagen auch hin und wieder ein Trinkgeld, aus Dankbarkeit, dass er manchmal mit mir ein paar Worte über das Wetter wechselt und ich mir dann nicht ganz so isoliert vorkomme. Es tut gut, ab und zu ein vertrautes Gesicht zu sehen, das gibt mir irgendwie das Gefühl, wir seien „normal“. Doch eines Tages konnte er plötzlich nicht schnell genug wieder weg. Mit schreckgeweiteten Augen rannte er zu seinem Lieferwagen. Ich war irritiert, sieht man mir die Isolation mittlerweile schon so sehr an, dass man fürchten muss, sich anzustecken? Als ich auf dem Rückweg zum Wohnzimmer am Flurspiegel vorbeikam, dämmerte es mir plötzlich. Ich war erkältet, trug meinen blauen Hausanzug und hatte in der Eile vergessen, meinen Mundschutz abzunehmen, bevor ich die Tür öffnete. Und das zu einer Zeit, in der die Nachrichten täglich von neuen Ebola-Fällen berichteten. Am nächsten Tag stand ein neuer Paketbote vor der Tür, in gebührendem Abstand und stumm. Seither wechseln die Paketzusteller regelmäßig und halten sich möglichst fern von unserer Tür. Schade, doch kein Smalltalk mehr. Nun ja, dann spare ich mir wenigstens das Trinkgeld. Davon kann ich dann wenigstens jede Menge neue Mundschutze kaufen. Aber ich lasse sie mir auf jeden Fall liefern.

Schnupfen und Döner

Nun ist es Sdoch passiert. The Kid hat sich, trotz aller Vorsicht, ein Virus eingefangen. Zum Glück ist es nur ein Schnupfen-Virus. Aber was bringt die größte Vorsicht und die strengste Isolation, wenn einem dann doch ein Virus frei Haus geliefert wird? The Kids Dad kam mit dem Zug nach München. Und ich war voller Vorfreude auf ein paar Tage Entlastung. Vielleicht mal Schwimmen gehen, mal wieder richtig Shoppen gehen, einen vegetarischen Döner essen. Und endlich einmal wieder ausschlafen.

Hätte ich bloß nicht so viele Pläne gemacht. The Kids Dad fuhr mit dem ICE und eigentlich hätte ich es mir schon denken können. Denn er kam schon eher liegend als stehend an. Da er aber zunächst nur schlapp wirkte, haben wir uns anfangs eben doch nichts dabei gedacht. Reisen kann nun einmal anstrengend sein. Und so sprach nach einer gründlichen Desinfektion nichts gegen ausgiebiges Begrüßungsknuddeln.

Am nächsten Morgen hatte Dad einen dicken Schnupfen. Und da war es dann auch schon zu spät, the Kid hatte sich angesteckt. Natürlich können wir uns trotzdem glücklich schätzen, dass es nur ein Rhino-Virus ist. Ein Tag Fieber, Besuch beim Kinderarzt, Fließschnupfen. Die tollen Nasentropfen, die uns der Kinderarzt verschrieben hat, dürfen nur fünf Tage verabreicht werden. Nachdem mir the Kid am zweiten Tag ins Gesicht genießt hatte, lag dann auch ich einen Tag flach. Nun ja, sagen wir mal so: Es wäre schön gewesen, mal einen Tag im Bett zu verbringen. Aber Müttern ist das nun mal nicht vergönnt. Mit Mundschutz und peinlichst desinfizierten Händen habe ich natürlich, wie jeden Tag, seine Medikamente vorbereitet, ihm seine Milch angerührt und war auch sonst da, wie immer.

Mit Mundschutz zu schlafen ist ekelhaft. Irgendwie habe ich am nächsten Morgen immer das Gefühl, noch kränker zu sein, weil ich die ganzen Viren, kaum ausgeatmet, wieder inhaliere. Aber ich wollte vermeiden, the Kid zurück anzustecken oder einen weiteren Keim auf seine ohnehin schon geschwächte Nasenschleimhaut zu setzen.

Mittlerweile bin ich wieder gesund. Aber the Kids Nase produziert noch immer fleißig Nasensekret, das überall kleben bleibt. Ich komme mit dem Näschenwischen schon gar nicht mehr nach. Gestern früh bekam ich kurz einen Schreck. Wie kommt hier eine Weinbergschnecke rein? Und übertragen Weinbergschnecken Krankheiten? Aber warum hat sie ihre Spuren nur auf den Kuscheltieren hinterlassen? Nein, auf dem Schlafsack war auch eine Spur… Als ich the Kid fragend anschaute, löste sich das Rätsel schnell. Er hat einen Weg gefunden, seine Nase selber zu „putzen“. Sie wird an allem was weich ist, wie Kuscheltieren, Kissen oder eben dem Schlafsack, einmal kurz gerieben, bis sie wieder für kurze Zeit frei ist und alles andere mit feinen Schneckenspuren überzogen ist.

Der Kleine tut mir so leid, wie er mich mit offenem Mündchen anschaut und ganz unglücklich seine Ärmchen nach mir ausstreckt. Wie soll ich ihm bloß helfen? Und da ist sie wieder, die Frage, die immer im Raum steht und mir in solchen Augenblicken die Absurdität unserer Situation ganz brutal vor Augen führt. Wie soll ich the Kid helfen? Ich würde so gerne seine Selbstheilungskräfte aktivieren, sein Immunsystem stabilisieren. Aber genau das ist bei organtransplantierten Menschen ja unerwünscht.

Mir ist dann zum Glück das Rezept für ein altes Hausmittel eingefallen. Eine Zwiebel klein schneiden, in einer Schüssel verteilen und nachts im Schlafzimmer auf das Fensterbrett stellen. Das stimuliert nicht das Immunsystem, aber die ätherischen Öle sollen die Nasenschleimhaut abschwellen lassen und Keime neutralisieren. Ich muss zugeben: Es stinkt erbärmlich, aber – oh Wunder – die Nase blieb in dieser Nacht fast frei. Seitdem habe ich jede Nacht die Zwiebelschale aufgestellt.

Gestern brachte mir meine Nachbarin ein Päckchen vorbei. Sie schnupperte kurz. „Oh. lecker. Döner!“ sagte sie dann. Der Zwiebelgeruch. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt, dass ich ihn gar nicht mehr wahrnahm. Na also, ich war zwar nicht shoppen und auch nicht schwimmen. Aber ich hatte immerhin meinen Döner. Naja, zumindest glaubt das meine Nachbarin.

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