Kitabı oku: «Nacht über der Prärie», sayfa 7
»Aha.«
»Nicht, was ihr denkt. Er ist beim Kälberbrennen mit Mary Booth und Doctor Eivie.«
»Wird sich ja zeigen. Und der alte King?«
»Mitten dazwischen … sie sind einfach gekommen und haben den Brandy mitgebracht …«
Der eiserne Ofen flog aus dem Haus. Es ging ein zweiter Schuss los.
»Lass uns warten«, sagte der eine der beiden Polizisten zu seinem Kollegen. »Die machen sich selber fertig, dann nehmen wir sie alle mit.«
Einer der Männer hatte sich auf einen andern geworfen und trommelte ihm mit der Faust in den Nacken. Der Kopf sank herunter. Zwei flohen zu ihren Wagen. Aber da wurden sie von der Polizei geschnappt. Durch einige Polizeigriffe wehrlos gemacht, verschwanden ihre Körper in dem Jeep.
Das Knäuel schien sich aufzulösen. Die Kämpfenden waren erschöpft. Das hätte bei dem Tempo und der Rücksichtslosigkeit der Schlägerei auch Jüngeren geschehen können. Die Polizisten sprangen jetzt hinzu, und es gelang ihnen mit überraschender Schnelligkeit, den beiden letzten Aufsässigen Handschellen anzulegen und die Widerstrebenden ebenfalls zum Jeep zu schaffen. Nur einer war nun noch am Kampfplatz.
Queenie hatte ihn erkannt. Sie stieg ab und ging langsam zu ihm hin. Der alte King lag ausgestreckt im Grase. Sie kniete sich zu ihm nieder. Ein Polizist kam mit einem Eimer Wasser und goss es dem scheinbar Bewusstlosen über den Kopf.
Old King öffnete die Augen mit Mühe, schaute Queenie erstaunt an und schien sie endlich zu erkennen.
»Kind …«, er lallte, aber nicht mehr aus Trunkenheit. »Mit mir … ist es … aus.« Er griff nach der Brust. Queenie erkannte den Einschuss. »Grüß … noch Joe … Inya … Inya …«
Der Sterbende wandte mit einer für ihn beinahe übermenschlichen Anstrengung noch einmal den Kopf zu dem Polizisten hin, der auf der anderen Seite stand. »Und … es ist keiner schuld … keiner … die Büchse … war nicht … richtig gesichert … ein Unfall. Hört ihr … es ist keiner … schuld … wenn der alte … Chief … jetzt stirbt. Komm einmal an mein Grab … Tashina …«
Die Augen des alten Mannes brachen. Queenie drückte ihm die Lider zu.
Der Polizist, der daneben stand, machte sich ein paar Notizen. Es war der kleine, der während des Verhörs die Pistole auf Stonehorn gerichtet hatte.
»Machen Sie sich keine Gedanken, Queenie King«, sagte er jetzt mit seiner etwas hellen Stimme. »Der Alte ist tot, es ist alles protokolliert, und Ihr könnt ihn begraben. Die anderen nehmen wir mit, und von denen wollen wir mal rauskriegen, wer den Brandy auf die Reservation schmuggelt. Ich hoffe, dass Ihr Mann damit nichts zu tun hat.«
»Er trinkt diese Pferdepi … überhaupt nicht«, fuhr es Queenie in ihrer übermäßigen Erregung heraus. »Er wollte auch den Vater immer davon abhalten.«
»So, so, es ist also öfter hier getrunken worden, auch ohne die Gäste.« Der Kleine machte sich noch eine Notiz. »Auf Trinken steht Gefängnis, das wissen Sie!«
Queenie verstummte.
Zwei Tage später saß der Superintendent Peter Hawley in seinem Dienstzimmer, und vor ihm, den Stuhl nahe an den Schreibtisch gerückt, hatte der blinde Richter, Ed Crazy Eagle, Platz genommen.
Runzelmann hatte verstanden, dass er nicht gebraucht wurde, und hatte den Raum verlassen. Die Sekretärin Laura warf einen beobachtenden Blick auf ihn, als er sich ihr gegenüber im Vorzimmer auf einem der Besucherstühle niederließ. Sie schrieb weiter auf der leisen elektrischen Schreibmaschine. Die Polstertür war schalldicht.
»Ja«, sagte der Superintendent zu dem jungen blinden Richter, »was Sie mir bis jetzt berichtet haben, Mr Eagle, war mir im wesentlichen schon bekannt. Es ist wieder einmal der verbotene Brandy hereingeschmuggelt oder auch verbotenerweise auf der Reservation selbst gebrannt worden. Es ist getrunken worden, es hat eine Schlägerei und einen Toten gegeben. Ein paar Männer werden einige Zeit im Gefängnis nüchtern sein. Solche Vorgänge spielen sich leider seit Jahrzehnten und immer wieder ab. Aber da Sie sich selbst zu mir herbemüht haben, scheinen Sie im gegebenen Fall weitere Zusammenhänge zu vermuten, über die Sie mich unterrichten wollen … auch abgesehen davon, dass sich das alles wieder einmal im Hause King abgespielt hat. Diese Familie hat offenbar ein hervorragendes Talent, Schwierigkeiten zu machen. Ich habe das schon den Akten meines Vorgängers entnommen.«
Crazy Eagle konzentrierte seine Gedanken auf den Tonfall des Superintendenten, da er dessen Mienenspiel nicht sehen konnte. »Die Polizei forscht nach, Sir, woher der Brandy in solchen Mengen kam. Es war nicht nur ein einzelnes Trinkgelage; es ist mehrmals im Übermaß getrunken worden, wahrscheinlich eben in diesem Kreise seit Jahren. Das erste hat Queenie King, das zweite hat Joe King zugegeben, der diesmal überraschenderweise die Aussage nicht verweigerte.«
»Worauf deutet das Ihrer Ansicht nach hin?«
»Dass er irgend jemanden bloßstellen will und auch bloßstellen kann.«
»Sogar auf die Gefahr hin, dass er selbst mit in die Grube fällt?«
»Ich glaube, dass Joe King in dieser Sache saubere Hände hat. Es geht um etwas anderes. Es könnte sein, dass er einen Stammesgenossen bloßstellen muss, wenn er etwas aufdecken will, und das ist bei diesen Familien nicht üblich. Es gilt sogar als eine Schande und ein Schwerstverbrechen.«
»Sie gehören nicht zu diesem Stamm hier?«
»Meine Frau gehört dazu, und ich bin als Mitglied aufgenommen und bestätigt worden, als wir heirateten. Es ist ungewöhnlich, dass der Mann die Stammesangehörigkeit der Frau annehmen darf.«
»Aber in diesem Fall ist es ein Glück. Auf welche Weise wollen Sie die Angelegenheit weiter verfolgen?«
»Wir können Miss Laura hereinholen?«
»Sie wollen zu Protokoll geben?«
»Vielleicht wird es nützlich sein.«
Der Superintendent drückte auf den Knopf, und Laura erschien.
»Laura«, sagte der Blinde betont, »es ist soweit … wir haben festgestellt, über welche Verbindungen der Brandy auf die Reservation geschmuggelt wurde. Da Sie selbst für das aufzunehmende Protokoll zu befangen sein dürften, rufen Sie bitte eine Kollegin, am besten Mrs Kate Carson …«
Laura stieß einen unartikulierten Laut aus.
»Sind Sie sich klar über das Verbrechen, bei dem Sie hier mitgewirkt haben!« schrie der Blinde das Mädchen an. Er konnte Laura nicht sehen, aber er hörte den stockenden Atem.
»Rufen Sie Mrs Carson, alles andere später. Sie warten dann im Vorzimmer.«
Laura ging. In ihrer Aufregung trat sie mit dem Pfennigabsatz schief auf, der Hacken brach ab, sie musste den Schuh vom Fuß ziehen und hinkend verschwinden.
Als sie draußen war, sagte der Superintendent: »Leider völlig eindeutig. Aber warten wir ab, was Mrs Carson sagen wird.«
Die blondierte, füllige, nicht unintelligente Vierzigerin war in zwei Minuten zur Stelle.
»Welchen Eindruck hatten sie eben von Laura?« fragte Hawley.
»Desolat. Was hat sie angerichtet?«
»Brandy geschmuggelt.«
»Um des Himmels willen! Aber ich hatte die Göre schon lange im Verdacht. Hätte ich nur früher etwas gesagt. Wo hatte sie nur immer das Geld her! Reiche oder unsolide Männer gibt es hier gar nicht. Und jetzt die Blamage für unsere Agentur! Das geht bis Washington. Es ist nicht auszudenken.«
Hawley sah Ed Crazy Eagle so scharf an, dass dieser die Energieschwingungen bemerkte, obgleich er blind war. »Vollkommen klar jetzt, wen der Besagte hereinlegen wollte … mich! Ich hatte kürzlich eine scharfe Auseinandersetzung mit ihm.«
»Was werden Sie tun, Sir?«
»Mich jedenfalls nicht ausgerechnet von diesem Burschen ruinieren lassen. An meinem Ansehen hängt das Ansehen unserer Verwaltung. Meine Sekretärin … das sind wir alle. Unvermeidlich. Also werden wir diese Sache nicht auf gerichtlichem Wege erledigen, sondern durch Verwaltungsmaßnahmen.«
»Ausgezeichnet«, lobte Kate Carson erleichtert.
»Laura wird auf eine andere Reservation versetzt. Ihre Verbindungen hier reißen damit automatisch ab, und ich benachrichtige meinen Kollegen dort, dass man ihr scharf auf die Finger sehen muss und sie nur in leicht kontrollierbaren, untergeordneten Tätigkeiten beschäftigen kann.«
»Einverstanden«, meinte Crazy Eagle. »Es hat auch keinen Zweck, sie zu bestrafen, denn das Übel wird dadurch nicht ausgerottet. Sicher hat sie nicht allein Schmuggelgeschäfte betrieben.«
Hawley zuckte zusammen, seufzte und lenkte ab. »Wodurch soll man dieses Übel überhaupt ausmerzen? Der Alkoholismus scheint ein im indianischen Nationalcharakter tief verwurzeltes Laster zu sein.« Peter Hawley wurde bei seinen Worten rot, denn er musste an einige seiner Vorfahren denken, die ehrenhafte Männer und Frauen gewesen waren, ebenso wie der Indianer Crazy Eagle, der ihm jetzt gegenübersaß. Aber Crazy Eagle, der nicht wahrnahm, wie die Schamröte dem Superintendenten von den Wangen bis zu den Schläfen stieg, blieb kühl bei der Sache.
»Mir scheint, Sir, es trinken zwei große Gruppen von Menschen im Übermaß, diejenigen, die bequem leben und Zeit verschwenden – seien es auch nur zwei Tage in der Woche –, und diejenigen, die elend leben und hoffnungslos. Zu den letzten gehören unsere indianischen Trinker.«
»Lassen wir die allgemeinen Erwägungen beiseite, Crazy Eagle, und entscheiden wir das, was in unserer Kompetenz liegt. Wie wird das Verfahren in der Sache King weitergehen?«
»Es wird gar nicht weitergehen, Sir. Mit Laura verschwindet es aus der Welt. Niemand wird Joe King einen großen Vorwurf daraus machen können, dass sein Vater getrunken hat … was übrigens unserer Mrs Carson schon seit fünfzehn Jahren und der ganzen Reservation noch viel länger bekannt gewesen ist.«
Rodeo
Es schien Eivie gewesen zu sein, der Stonehorn zur Teilnahme an dem Rodeo, das in einigen Wochen in New City stattfinden sollte, überredet hatte. Queenie war überrascht, dass ihr sonst so selbstsicherer Mann in diesem Falle hundert Bedenken, um nicht zu sagen Minderwertigkeitsgefühle, hegte und in einer Stimmung zu sein schien wie ein Schüler vor dem Abitur.
»Du wirst es aber bestehen«, sagte sie. »Alle glauben das.«
Er zuckte die Achseln. »Die Welt ist ganz anders, als du auch nur ahnen kannst, Queenie. Du bist in einer Schule air-conditioned erzogen …« Und als Queenie fragend auf ihren Mann schaute, ob denn die Erfahrungen, die sie seit kurzem gemacht hatte, nicht doch Gewicht hätten, fügte er hinzu: »Und außerdem auf einer Reservation. In einem Gewächshaus also, in einem üblen Gewächshaus vielleicht, jedenfalls nicht in freier Luft. Du wirst dich noch wundern, was dir alles um die Nase wehen kann.«
Worauf er damit zielte, wusste Queenie nicht, aber ihn zum Sprechen und zu Erklärungen zu bringen, wenn er schweigen wollte, war unmöglich.
Stonehorn und Queenie-Tashina unterhielten sich also nur noch über praktische Einzelheiten. Die Nachricht, dass auch das Bild »Verschleierte Hände« verkauft sei, war gekommen und bald darauf das Geld. Es war eine noch höhere Summe, als der erste Interessent geboten hatte, und Queenie war nicht nur darum froh, sondern auch um das Nicht-Wissen, das um diesen Verkauf lag. Sicher war auch der zweite Interessent kein Mann der Geheimnisse. Aber sie hatte ihn nicht sehen müssen, und so stand ihr frei, sich vorzustellen, was sie wünschte.
Die Summe wurde eingeteilt. Stonehorn kaufte einen Unfallwagen für einen überraschend billigen Preis. Die Karosserie war für Autofriedhof und Schrottpresse reif, aber der Sportmotor war noch nahezu intakt und in einer Werkstatt bald wieder ganz hergestellt. Stonehorn schleppte drei herrenlose Wracks zu seinem Haus und wechselte die Karosserie. Das Herumbauen machte ihm Freude. Er fand auch eine zweite Stute, an der er wenig aussetzen konnte, außer dass sie verhältnismäßig teuer war.
Schließlich blieben die Summe für den Einsatz bei den Rodeo-Wettbewerben und eine Reserve … nein, nicht die ganze Reserve, denn King entschied plötzlich, dass für dieses Geld schon Hafer und Heu für den Winter gekauft werden müsste.
Im Hause herrschte Ruhe. Queenie hielt alles sauber und in Ordnung, und seitdem sie nicht mehr befürchten musste, dass die Möbel kurz und klein geschlagen wurden, gab sie sich noch mehr Mühe, anstelle des völlig zerstörten Inventars eine Einrichtung nach ihrem und ihres Mannes Geschmack zustande zu bringen. Regelmäßig ging sie auf den nahen Friedhof und hielt ihre stillen Zwiegespräche mit dem unglücklichen alten Mann, der nun unter der Erde lag und dem sie versprochen hatte, ihn nicht zu vergessen.
Einmal hatte die Großmutter sie besucht, sich an dem neuen Heim gefreut und angedeutet, dass der Vater nun nicht mehr unversöhnlich gestimmt sei. Übers Jahr werde Queenie wohl wieder seine Tochter sein. Die Großmutter brachte ein Geschenk mit, ein Stirnband für Queenie mit dem Tipi-Muster, Dreiecke in Rot, Blau und Gelb auf weißem Grund, mit Stachelschweinborsten als Fäden mühsam gearbeitet, in alten Erdfarben gefärbt.
Queenie freute sich darüber und wollte es beim Sonnentanzfest des Stammes zum ersten Mal tragen.
Von Harold Booth sprach niemand mehr. Die Eltern hatten sich damit abgefunden, dass er verschwunden war, und sich an den Gedanken gewöhnt, dass er sicherlich eines Tages frisch und mit seiner ganzen verwöhnten Unbefangenheit wieder auftauchen werde. Es war so, als ob ein Sohn auf Reisen sei. Man musste sich eben solange ohne ihn einrichten.
Zu dieser Atmosphäre hatte die nüchterne Haltung Marys am meisten beigetragen. Mutter Booth legte schon Anzugstoff auf Vorrat hin, damit der Junge sich neu einkleiden konnte, wenn er nach Hause kam.
Im Grunde war jedermann froh, dass man Joe King nicht übereilt hingerichtet hatte.
Der Termin für das Rodeo rückte heran. Viele Familien hatten sich entschlossen, an diesem Tage nach New City zu fahren. Der gemeinsame Ehrgeiz, zu erleben, wie ein Stammesgenosse sich einen – oder vielleicht sogar zwei – Preise holte, war geweckt. Joe King wurde zu einer Art Nationalheld, noch ehe jemand wusste, wie er abschneiden würde. Aber man war ja gewohnt, dass mit ihm immer etwas Außergewöhnliches passierte. Und dieses Außergewöhnliche sollte diesmal der Sieg eines Indianers über die weißen Mitbewerber sein. Darauf hoffte die ganze Reservation. Darauf hofften sogar die Beamten der Agentur. Was für ein Triumph für den neuen Superintendenten, wenn das schwarze Schaf in so kurzer Zeit ein glänzendes Ausstellungsstück werden würde. Die Fachdezernenten hatten beschlossen, miteinander zu dem Rodeo zu fahren.
Am längsten währten die einschlägigen Beratungen in der Familie Halkett. Aber endlich konnte auch Vater Halkett nicht der Versuchung widerstehen, den Schwiegersohn als Rodeo-Sieger zu erleben. Immerhin, so hatte er gehört, besaßen Queenie und Joe bereits einen Wagen, drei wertvolle Pferde, und es herrschte Ordnung in dem Haus.
Der Abend, an dem Joe und Queenie, mit ihren Indianernamen Inya-he-yukan und Tashina genannt, hoch oben am Hang saßen, war nicht sanft. Es stürmte, die trockene Prärieerde wurde aufgewirbelt, und der Staub zog in Wolken auch über die betonierte Straße. Die Mähnen der Pferde flatterten, die Wolkenballen am Himmel ließen sich hetzen. Stonehorn hatte eine Zigarette ausgeraucht und spielte mit einem Grashalm. Beide schauten hinunter auf ihr kleines Blockhaus und auf die Wiesen, die zu der Ranch Joe Kings gehörten.
»Nach dem Rodeo wirst du dir vielleicht einen anderen Mann suchen müssen.« Stonehorn sagte es vor sich hin, ohne Queenie anzusehen, und diese horchte auf, wie ein Mensch bei irgendeinem aus der Ferne drohenden Donner aufhorcht, von dem er nicht weiß, woher er kommt, und dessen Unheimlichkeit ihm den Atem verschlägt.
»Du wirst im Herbst und Winter wieder auf die Schule gehen, und wenn ich nicht da bin, ist keiner da, der hier wirtschaftet, es sei denn, du heiratest wieder. Es wäre aber schade, alles aufzugeben, was wir eben angefangen haben.«
Queenie wandte das Gesicht langsam ihrem Mann zu. »Ich verstehe das nicht«, sagte sie mit tonloser Stimme.
»Wie ist es eigentlich mit dir … ich meine …« Stonehorn hatte eine Art von Verlegenheit in seinem Ton, die Queenie sonst nicht an ihm kannte. Sie verstand ihn aber.
»Wir werden ein Kind haben.«
Stonehorn warf den Grashalm weg. »Einen schlechten Pflegevater wirst du ihm nicht aussuchen.«
»Inya-he-yukan …«
»Wir haben keine Verwandten mehr auf unserer Reservation. Wir haben zwar einige, aber sie wollen von den Kings hier, von meinem Vater und mir, nichts mehr wissen. Zu ihnen brauchst du überhaupt nicht hinzugehen, und ich nenne dir auch die Namen nicht. Von meiner Mutter Seite her sollen noch Verwandte in Kanada leben. Sie sprach manchmal davon, aber gesehen haben wir sie nie. Vor neunzig Jahren sind einige hinaufgezogen, die nicht auf dieser Reservation hier leben wollten. Daher stammt auch mein Name … Inya-he-yukan, den meine Mutter mir gegeben hat. Es ist ein Häuptlingsname. Ich habe ihn erhalten, aber noch nicht verdient, und ich werde ihn mir kaum noch verdienen können.«
»Es wird immer so sein, und es wird alles so sein, wie du es haben willst, mein Mann. Aber ich … ich verstehe nicht … und ich weiß nicht …«
»Ich werde dir das erklären, Tashina. Du denkst, und das denken die meisten, Stonehorn ist ein guter Reiter, und er ist ein guter Lassowerfer, und er ist kräftig und schnell, er kann auch einen Stier an den Hörnern packen und niederzwingen. Er wird also einen Preis gewinnen, vielleicht nicht gleich den ersten und vielleicht nicht in allen Wettbewerben, zu denen er sich gemeldet hat. Aber er wird mit Ehren bestehen, zumindest mit guten Punkten. Er wird die Zeiten machen. Es ist nicht das erste Mal, dass er auf einem Rodeo reitet.«
Queenie lehnte sich an Stonehorns Schulter, und er lächelte wieder das gute Lächeln, das sie in der Sturmnacht zum ersten Mal an ihm gesehen hatte.
»Aber das Leben hat viele Seiten, Tashina, und in New City sind wir nicht in einem Gewächshaus, und es gibt dort keine Klimaanlage. Es wird heiß hergehen, sehr heiß – also in einer Art, die auch ein Joe King heiß nennt –, und ich weiß nicht, ob du mich nicht bald neben den Vater dort drüben legen musst, falls du meine Leiche überhaupt findest.«
»Stonehorn! Ich begreife das noch immer nicht. Ich will es auch nicht begreifen.«
»Das ist falsch, das ist air-conditioned, was du jetzt gesagt hast. Das ist Senior-Schülerin der Highschool, das ist nicht Tashina, und das ist nicht Prärie.«
»Vielleicht hast du recht. Ich wollte meine Ohren schon verschließen. Aber ich werde sie offenhalten. Sprich.«
»Du erinnerst dich an unsere erste Nacht …«
»Ja …«
»Ich bin damals fortgeritten, ohne dich mehr zu grüßen, weil ich einen zu verfolgen hatte. Er ist mir aber entkommen, und das war nicht gut. Er hat mich natürlich nicht angezeigt, weil er selbst zuviel auf dem Kerbholz hat und die Polizei scheut wie ein Huhn das Wasser. Er hat sich aber einer anderen Gang angeschlossen. Es ist eine kleine, exklusive Bande, so wie es auch die meine gewesen ist, abhängig natürlich von den großen Syndikaten, die einen ausnutzen. Vielleicht fünf oder sechs Mann, aber jeder soviel wie dreie wert – ich meine soviel wie drei qualifizierte Gangster. Er hasst mich, wie ein Totschläger hassen kann, und ich bin in den Augen dieser Leute schlechter als ein stinkendes Aas … ich bin ein Verräter, ich habe meine eigenen Brüder gekillt. Sie warten nur auf die Gelegenheit, mich abzuschaffen. Wenn das Bandengesetz verletzt ist, halten die Gangs zusammen, um es wieder zur Geltung zu bringen. Ich bin zum Tode verurteilt, nicht von Crazy Eagle und Co., sondern von Leuten, die ihre eigene Gerichtsbarkeit haben und ein Urteil selbst zu vollstrecken pflegen.«
»Bleib hier, Stonehorn. Warum hast du das angenommen, nach New City zu gehen?«
»Ich war schon ein paarmal dort. Das weißt du ja. Um den Wagen zu kaufen und den Hafer und so weiter. Ich muss informiert sein. Sonst ist alles verloren, ehe es überhaupt beginnt. Ich will mein Leben aber teuer verkaufen.«
Queenie schauerte zusammen. Der Wind war kalt.
»Ich habe auch noch Verbindungen, von denen die anderen nichts wissen. Aber alles in allem … wenn ich es nüchtern berechne … werden sie die Stärkeren sein.«
»Gibt es so viele Gangster in New City?« fragte Queenie. »Soviel ist dort doch gar nicht zu holen.«
Stonehorn lachte leise, aber hörbar. »Es ist wirklich nicht viel zu holen in dem Städtchen, außer ein wenig Rauschgift im Zwischenhandel. Aber durch die neue Industrie ist allerhand Volk dahin gezogen, und es ist mit seinen Slums eine Art Arbeitskräftereserve und Vorschule für Banditen geworden, die dann später zu lukrativeren Plätzen gehen. Manchmal sind die Anfänger nicht die Schlechtesten. Sie müssen erst etwas werden, und sie riskieren unbedachter. Sie geben sich auch noch mit verhältnismäßig kleinen Sachen ab. Natürlich sind in New City keine bedeutenden Gangs. Es kann aber sein, und es wird so sein, dass sich zum Rodeo auch Leute von außerhalb einfinden, und an mir wollen sie ein Exempel statuieren, was es bedeutet, abtrünnig zu werden. Ich will nicht lebend in ihre Hände fallen. Dann wäre ich noch lieber an den Marterpfahl meiner Vorfahren gegangen. Das war wenigstens ein zeremonielles Ereignis mit achtungsvollen Zuschauern, und der Nachruhm blieb. Wenn die aber anfangen zu arbeiten, von denen ich jetzt spreche, so bleiben höchstens ein paar Fleischklumpen übrig.«
»Kannst du die Verbrecher nicht der Polizei melden?«
»Liebes Kind! Bevor sie etwas getan haben? Und wenn es erst geschehen ist – nun, Tashina, ein Toter redet nicht mehr.«
»Du darfst da nicht hingehen, Stonehorn.«
»Hör mir auf mit solchen Sentimentalitäten. Das kann ich nicht vertragen. Ich habe mich hier mit dir zusammengesetzt, damit wir vernünftige Pläne schmieden, und nicht, damit wir Schwachheiten flüstern. Es kann also sein, dass du in ein oder zwei Tagen ohne mich auf der Welt stehst. Du weißt, ich habe es mir lange überlegt, ob ich zu diesem Rodeo gehen soll. Ich gehe auch nicht deswegen hin, weil Eivie mich dazu überredet hat. Stonehorn ist nicht der Mann, der sich beschwatzen lässt. Ich gehe hin, weil es einmal ausgetragen werden muss, und bei diesem Rodeo wird mehr los sein und mehr Aufsehen entstehen, und ich kann ihnen mehr zusetzen, als wenn ich irgendwann einmal allein in diesem New City auftauche, um Hafer zu kaufen oder Elk zu besuchen oder mich bei meiner Schwester sehen zu lassen. Da können sie mir auflauern und mich unter der Hand verschwinden lassen. Sie könnten auch auf die Reservation kommen. Ich warte jedenfalls nicht ab, was die anderen planen, sondern ich stelle mich. Ich stelle mich in einer Situation, die ich mir ausgesucht habe und die ich ausnützen werde bis zum letzten Atemzug.«
»Ich heirate aber keinen anderen, Stonehorn. Nie.«
»Du musst wissen, was du willst. Verdienen kannst du allein genug mit deiner Malerei – für dich und für das Kind. Aber ich dachte, du würdest hier auf der Reservation etwas ausrichten … auch für die anderen … damit sie ein Vorbild haben und wieder Mut bekommen. Deshalb musst du entweder die Ranch weiterbetreiben, und dazu brauchst du einen Mann, besonders im Winter, oder du musst dich einem Betrieb anschließen.«
»Du hast mit der Ranch angefangen. Ich will, dass es damit weitergeht.«
»Mit dem Wollen allein ist es nicht getan. Man muss es können. Du wirst ja sehen. Jedenfalls weißt du jetzt, worum es geht. Aber es gibt noch eine Neuigkeit, die du erfahren sollst.«
»Hoffentlich eine bessere.« Queenie wunderte sich selbst, wie sachlich zu sprechen sie imstande war, weil Stonehorn es so wollte.
»Eine spaßhafte jedenfalls. Harold Booth ist wieder da.«
»Harold? Auf der Farm?«
»Noch nicht. Ich habe ihn in New City gesehen.«
»Ein Glück! Nun ist aller Verdacht aus der Welt geschafft.«
»Ehe es mit mir aus sein wird, Tashina, wünsche ich ihn in das Konzert um Gottes Thron, und er kann dort den Bass singen. Wenn er nicht falsch singt. Er sollte nicht der Nachbar von Joe Kings Witwe werden.«
Ehe Tashina auch nur das geringste Zeichen einer Antwort geben konnte, war Stonehorn aufgestanden, und als sie das gleiche tat, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Die beiden schauten zu den weißen Bergen hinüber, die nach Sonnenuntergang in einem Nebelschleier ihre Geheimnisse bargen.
»Hat mein Vater dir gesagt, dass jene Berge das Grabmal unseres größten Häuptlings sind …?«
»Er sagte es.«
»Wir brauchen kein Monument. Wir wissen nicht, wo er begraben liegt. Seine Mutter ruht auf dem Friedhof neben uns. Du kannst dich manchmal auch zu diesem Stück Erde setzen.«
»Ja.«
Langsam gingen die beiden zu ihrem Haus zurück.
Als sie gegessen hatten und beieinander lagen, fragte Tashina: »Stonehorn, was kann ich tun? Ich liebe dich viel mehr als mein Leben.«
»Ich nehme dich beim Wort. Bleib daheim, wenn ich zum Rodeo gehe.«
Tashina erschrak: »Nein. Das nicht. Das darfst du nicht verlangen.«
Er sagte nichts weiter. Es war die letzte Nacht, die sie daheim beisammen waren, denn als Teilnehmer fuhr Stonehorn einen Tag früher zur Rodeo-Stadt als die Zuschauer.
Auch der neue Morgen war wieder stürmisch. Gegen Mittag kam Tashinas Großmutter, zu Pferd. Sie wollte das Opfer bringen, wollte auf das Rodeo verzichten und unterdessen für die Pferde sorgen und das Haus behüten. Sie war eine alte magere Indianerin mit strengen Zügen und dünnem, grauem Haar, das sie in der Mitte gescheitelt trug. Sie war über neunzig Jahre alt und hatte die letzten Freiheitskämpfe und die schwersten Anfangszeiten der Reservation als Kind noch miterlebt. Es gab kaum etwas, was sie erschrecken konnte. Als Tashina diese Frau sah, wurde sie im Innern ruhiger. Wie oft hatten Indianerfrauen es erlebt, dass ihre Männer in den Kampf zogen, und nie hatten sie gewusst, ob sie wiederkehren würden.
Um Mittag saßen Stonehorn und Tashina in ihrem Wagen. Die Großmutter winkte nicht, aber sie schaute den beiden noch nach, als der Wagen schon auf der Talstraße unten angelangt war und seine Geschwindigkeit beschleunigen konnte. Der Wagen hatte als Sportwagen die Karosserie eines Cabriolets. Es war ein Zweisitzer. Stonehorn fuhr ihn offen.
Tashina dachte einen Augenblick, dass man ohne Dach einem Schuss noch mehr ausgesetzt war, und Stonehorn schien ihrem Blick und vielleicht einer Kopf- und Schulterbewegung entnommen zu haben, woran sie dachte, denn er sagte:
»Unsere Vorfahren haben nackt gekämpft. Ich tue das auch gern, wo es möglich ist. Nackt im offenen Gelände. Kleider und Wände behindern nur die Bewegung und die Übersicht. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Mike zum Beispiel will immer etwas um sich haben, und ich kann nicht sagen, dass er darum viel schlechter sei als ich.«
»Wer ist das, Mike?«
»Er ist Gangsterboss, und er ist mein Boss gewesen. Er wird morgen nach New City kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn du schon durchaus mit dabeisein willst, kannst du mir etwas helfen. Ich muss wissen, wo und wann Mike und Jenny auftauchen.«
»Wie sehen sie aus?«
»Mike hat eine Boxernase. Er war Schwergewicht, nicht Weltklasse, aber nahe daran. Ein Nierenschlag hat ihn ausgebootet. Das ist nach wie vor seine schwache Stelle. Er hat eine unverständige Angst davor, dass sich so etwas wiederholen könnte. Aber das geht dich nichts an. Du musst auf das rechte Auge schauen. Das Lid ist zerfetzt. Er wirkt wie ein Bär, nicht wie ein alter Grizzly, sondern wie ein geprügelter, heimtückisch gewordener Zirkusbär. Er hat auch eine Brummstimme. Was er bevorzugt, sind rosa Halstücher mit blauen Streifen. Er lässt sie sich anfertigen. Das ist eine kindische Manie von ihm. – Ich muss also wissen, wo er auftaucht. Er ist viel schneller, als ihm einer zutraut, vor allem mit der Maschinenpistole. Colt hat er schon halb verlernt. Er ist der Eintreiber gegen mich.«
»Warum will er dich vernichten?«
»Er hat mich seinerzeit herangeholt, ich galt als sein Geschöpf, und darum ist er als erster mein Femerichter. Jenny hasste mich von der ersten Begegnung an, wie ich ihn. Jenny hat mir auch meine Gang aus der Hand gewunden und zu einem Haufen Dreck gemacht, während ich in Untersuchungshaft war. Sie hatten mich in einem Mordprozess als Strohmann vorgeschickt, die Indizien nur allzu gut zusammengestellt – nach Jennys Einfällen. Indianer und Mord, das ist für Geschworene auch jederzeit plausibel. Es wäre beinahe schiefgegangen.«
»Stonehorn! Wer ist der wahre Mörder?«
»Sie sind nicht so dumm gewesen, mir das zu sagen. Die Verhöre sind ein wenig anstrengend. Übrigens muss es Jenny gewesen sein.«
»Jenny ist Mikes Frau?«
»Jenny ist ein Mann, Kind, den du aber leicht mit einer Frau verwechseln könntest. Er hat blonde Locken, er hat so unwahrscheinlich blonde Naturlocken, dass du ihn sofort erkennst. Früher hätte das einen schönen Skalp abgegeben. Er ist einer der widerlichsten und gefährlichsten Burschen, die ich je getroffen habe. Er ist zweiter in der Gang, in der jetzt James mitarbeitet, der mir entkommen ist. Jenny hat sich diesen James geholt. – Schaue also nicht nur auf die Pferde und die Kälber und auf deinen Mann, sondern lass deine Augen auch sonst ein wenig in die Runde gehen. Beim Rodeo schießen sie mich natürlich nicht ab, aber ich will wissen, wie sie sich postiert haben und mit wem sie sprechen oder wem sie zupfeifen. Verstanden? Der Kriegstanz geht vielleicht abends bei einem bestimmten Shake los; ich weiß nicht, ob sie schon etwas verabredet haben. Es sind jedenfalls die Newt Beats verpflichtet, eine viel zu teure Gruppe für eine mittlere Stadt; es wird also Tumult geben und hysterisches Gehabe; das ist, was sie brauchen. Wenn sie dabei nicht zum Ziel kommen, dann vielleicht bei der Heimfahrt. – Nach Harold brauchst du übrigens nicht Ausschau zu halten, den beobachte ich selbst.«
»Stonehorn, ich bitte dich, denke an Mary.«
Als Queenie dies gesagt hatte, sah sie ihrem Mann an, dass es besser für sie gewesen wäre zu schweigen.