Kitabı oku: «A Demon's F***ing Heart», sayfa 2

Yazı tipi:

Kapitel 2

„Ein menschliches „Souvenir“: Ravanna“

„Verflucht noch mal, kommst du jetzt endlich mit, du vermaledeiter, ungezogener, müffelnder und alles voll haarender Dämon von einem Hund … Hund von einem Dämon … Dämonenhund … oder wie auch immer Ash deinesgleichen getauft hat … oder willst du vielleicht, dass ich dich bei deinem schwachsinnigen Namen nenne?“

Ravanna zog verzweifelt an dem langen Fell des tiefschwarzen Hundedämons und versuchte auf diese Weise, die Kreatur zum Aufstehen zu bewegen. Doch der große, dunkeläugige Dämon in Hundegestalt war von den Anstrengungen der Hexe alles andere als beeindruckt. Er saß schwerfällig auf dem Waldboden, vor sich ein übergroßer Homunkulus Knochen, den er seit einigen Tagen sein eigen nannte und dementsprechend aufmerksam hütete. Jedes Mal, wenn Ravanna versuchte, ihm den Knochen wegzunehmen, legte er ohne jede Hast eine seiner großen, schweren Tatzen darauf und blickte die zierliche Hexe aus fast schon treu wirkenden Augen an. Doch das täuschte. Sobald sie versuchte, den vermeintlichen Leckerbissen flugs wegzuziehen, gab er Ravanna einen leichtfüßigen Schubs und sie fiel immer wieder hintenüber. Auch wenn Ravanna als eine mehr oder minder angesehene Hexe über die ein oder andere Zauberkraft verfügen mochte, eine gewisse körperliche Stärke dem Hundedämon gegenüber fehlte ihr dann leider doch. Dabei war sie alles andere als ein hilfloses Geschöpf in den Wäldern ihrer ursprünglichen Heimat, dem Sukkura Forest. Im Gegenteil. Es hatte Zeiten gegeben, da war sie fast so gefürchtet gewesen wie … wie … ja, wie eine Hexe eben gefürchtet sein konnte, die über alle wichtigen Attribute dieser dunklen Spezies verfügte. Basta.

Auf jeden Fall war sie eine dieser Hexen, die in der Blüte ihrer, natürlich erst kürzlich verlorenen, „Jugend“ so ungefähr alles ausprobiert und mitgenommen hatte, was die Unterwelt herzugeben vermochte. Und die letztendlich für sich resümiert hatte, dass wahlloses Töten, ständiges Unheil stiften und für Angst und Schrecken zu sorgen nicht zu ihrer dauerhaften Lebensgestaltung gehören sollten. Nicht, dass sie ein Unschuldsengel geworden wäre. Sicher nicht. Doch als gebürtige Halbhexe wohnte ihr auch eine gewisse Menschlichkeit inne, die sich auf Dauer nicht unterdrücken lassen wollte.

„Dir ist hoffentlich schon klar, dass das da absoluter Müll ist, den du zwischen deinen Pranken wie einen heiligen Schatz bewachst, oder?“

Sie versuchte noch einmal mit aller Kraft, dem Hundedämon den Knochen zwischen den Tatzen wegzuziehen, doch alles Bemühen in diese Richtung blieb erfolglos und so gab sie letztendlich entnervt auf und sank, ein wenig von der Anstrengung außer Atem, neben ihrem Begleiter und Gefährten in Gestalt eines übergroßen Hundes auf dem weichen Waldboden nieder.

Dann versuchte sie es mit Diplomatie.

„Wenn du dieses ekelhafte Ding endlich loslässt und dich dazu entschließt, mit mir den Rückweg anzutreten“, säuselte sie zunächst noch zuckersüß, „sind wir umso schneller wieder bei den anderen und du siehst auch deine geliebte Freundin wieder. Nicht, dass sie sich in der Zwischenzeit einen anderen aus dem Rudel gesucht hat. Das wäre doch wirklich zu schade.“

Sie sah den schwarzen Hundedämon an und lächelte. Doch seine Antwort war ein seliges Nagen und Schlecken an dem großen Knochen, während er sie dabei kaum noch beachtete.

Ravanna schwoll nun innerlich vollends der Kamm, doch sie sprach immer noch mit gedämpfter Stimme, während sie ihren Ärger unterdrückte. Eine gewisse Portion an Ironie konnte sie sich allerdings dann doch nicht verkneifen:

„Tja, na gut. Du musst es ja wissen. Deine Entscheidung.“

Dann änderte sich Ravannas Tonfall gänzlich und sie spähte verächtlich auf den schwarzhaarigen Vierbeiner.

„Ein hässlicher Kerl wie du wird zwar vermutlich nie wieder eine Gefährtin finden, die sich seiner annimmt. Vor allem nicht, wenn er sich zu allem Übel auch noch von einem ordinären Homunkulus Knochen täuschen lässt und diesen behandelt, als wäre er der Heilige Gral höchstpersönlich … aber das ist ja auch allein deine Sache, alter Freund.“

Dann tat sie so, als würde sie sich ihre Schlafstelle für die Nacht zurechtmachen wollen, während die dunkelbraunen Augen des Hundedämons einen kurzen Moment glutrot aufleuchteten. Ravanna presste ihre Lippen aufeinander, innerlich befriedigt, und nickte ihm dann zu.

„Ja, mein Freund, du hast ganz recht gehört. Ein Ho-mun-ku-lus Knochen!“

Betonte sie süffisant ihre beiden letzten Worte und drehte sich dann, ohne ein hämisches Lächeln zu verbergen, zur Seite.

„Ich wünsche dir aber weiterhin guten Appetit damit, mein Lieber!“

Dann tat sie so, als wolle sie sich tatsächlich schlafen legen, als sie im nächsten Augenblick auch schon die würgenden und ächzenden Laute ihres dämonischen Gefährten vernahm. Ruhig und voll heimlicher Schadenfreude, wartete sie nun nur noch geduldig auf das altbekannte Signal des Hundedämons zum allabendlichen Aufbruch. Er stieß sie mit seiner harten Schnauze an und Ravanna tat so, als blickte sie wie erstaunt in seine Richtung. Dann grinste sie in sein enttäuschtes Antlitz und strich ihm fast schon mitfühlend über die Flanke:

„Nun mach nicht so ein Gesicht, alter Freund! Wir finden schon einen richtigen Leckerbissen für dich, versprochen! Aber wir dürfen dabei nicht außer Acht lassen, warum wir überhaupt unterwegs sind. Und das ist sicher nicht deshalb, weil wir dir einen verfluchten Knochen suchen! Hast du verstanden?“

Die zierliche Hexe mit den langen, schwarzen Haaren und den dunkelblauen Augen starrte das große, haarige Wesen fast schon ein wenig zu triumphierend an und ging dann hastig voraus, um ihren dämonischen Helfer und Aufpasser nicht unnötig noch länger zu provozieren. Denn das gewaltige, schwarz-magische Wesen, das sich eigentlich Bo schimpfte, war zwar auf ihren Schutz abgerichtet worden, doch allzu viel ihrer Gehässigkeit wollte Ravanna ihn lieber nicht aussetzen. Man konnte ja schließlich nie wissen. Nicht, dass sie den Worten ihres Herrn und Meisters, der ihr diese Kreatur zur Seite gestellt hatte, jemals misstraut hätte. Aber so ein durch dunkle Zauberkraft erschaffener Hundedämon war in der Lage, ein gewisses gefühlsmäßiges Eigenleben zu entwickeln. Und da sie nicht seine ursprüngliche „Schöpferin“ war, wollte sie kein allzu großes Risiko eingehen und ihn lieber nicht zu sehr verärgern. Obwohl ihr dies sichtlich schwerfiel.

„Du weißt schließlich, was ich vorhabe. Kein leichtes Unterfangen in dieser Gegend. Und darum bist du ja auch an meiner Seite. Aber eines verspreche ich dir jetzt schon, mein alter, miefender, von Flöhen besiedelter Bo! Sobald ich gefunden habe, wonach ich suche, werden wir uns völlig auf deine unsinnige Knochensuche konzentrieren. Wie findest du das, hm?“

Ravanna marschierte mit federnden Schritten voran, während der Hundedämon ihr auf dem Fuße folgte. Er war auf allen vieren noch immer so groß wie ein Bär und eine der gefürchtetsten Kreaturen in dieser Gegend. Dementsprechend sicher fühlte sich die eigenwillige Hexe an seiner Seite. Noch gefürchteter als ein solcher tierischer Dämon war nur sein Schöpfer selbst, in diesem Falle der Halbdämon Ash Phalidos, dessen Befehlen auch Ravanna unterstand. Wobei man es nicht unbedingt Befehle nennen konnte, was Ash und Ravanna tatsächlich verband. Sicherlich war sie ihm in vielerlei Dingen noch weit unterlegen und ihre magischen Kräfte mochten nicht annähernd an seine heranreichen. Dennoch war es eher eine Freundschaft zwischen ihnen, als ein reines Verhältnis zwischen Herrscher und Lakai. Vor allem war Ash ihr ein guter Lehrer in allen möglichen okkulten Fragen, da er um einiges erfahrener war als sie selbst. Gepaart mit ihrer beider Vergangenheit, die sich stark ähnelte, gaben sie genau deshalb seit einer geraumen Zeit ein verblüffend gutes Zweiergespann ab, das einander bereicherte. Und das war auch der Grund, warum Ravanna sich auf den für sie so nervigen Weg durch den Sukkura Forest bis nach Innubà, der „Stadt der Dämonen“ gemacht hatte. Aus reiner Freundschaft zu Ash. Nun ja, eigentlich waren es sogar gleich mehrere Gründe, warum sie diese von seltsamen Kreaturen und Gefahren wimmelnde Gegend freiwillig durchquerte. Einerseits war da ihr großer Streit mit Ash vor ein paar Tagen. Sie stritten lustigerweise sehr oft und gerne. Was sicher auch an ihren unterschiedlichen Temperamenten lag. Doch dieser eine Streit war ein echter Streit gewesen und Ravanna hatte seitdem ein überaus schlechtes Gewissen. Vor allem, weil der Auslöser der besagten Diskussion ein wunder Punkt in Ashs Leben war, den er eigentlich weder sehr gerne ansprach noch gar darüber stritt. Zum anderen fand sie es, ihren Zank mal völlig außen vor, langsam sowieso an der Zeit, dass Ash genau deshalb ein wenig Ablenkung von seinen Problemen bekam, deren Ursprünge in eben genau dieser sehr bewegten Vergangenheit zu finden waren. Und um die es in ihrem Krach gegangen war – im Übrigen auch der Grund für Ashs momentan regelrecht asketische Lebensweise. Und das als ein Halbdämon, in der wohl besten Zeit seines Lebens. Im absoluten Hoch seiner Kräfte, mitten im Lebenssaft stehend. Und das konnte Ravanna nicht länger mit ansehen! Sie wollte, dass ihr Freund und Lehrmeister wieder etwas Freude in sein ansonsten zurzeit recht einsames Dasein ließ. So war ihr der Gedanke gekommen, ihn mit einem ganz besonderen Geschenk zu überraschen. Vielleicht würde ihm das ein kleines Lächeln auf die sinnlichen Lippen zaubern, wenn sie ihm dieses präsentierte. Und vielleicht ließ ihn das so ganz nebenbei den bösen Streit mit ihr vergessen. Tja, und was wäre da eine bessere Idee, als ihm den Einsatz eines Liebesdieners zu spendieren? Denn sie selbst, als ein durch und durch weibliches Wesen, vermochte derartige Freuden bei ihm zu ihrem eigenen Bedauern leider nicht auszulösen.

Es gab nur ein Problem. Ravanna war in den letzten Tagen ihrer Suche nach einem passenden Gespielen für Ash bereits in allen ihr bekannten, gängigen „Etablissements“ dieser Art in und um Innubà gewesen, ohne fündig geworden zu sein. Es schien momentan tatsächlich kaum männliche Dunkelwesen zu geben, die sich zum einen prostituierten und die dann zum anderen für Ash auch tatsächlich infrage gekommen wären. Sicher, sie hätte einen dieser höllisch teuren Dunkelelfen bei Elethras anheuern können. Doch sie hatte Ash schon so oft über die spitzen Ohren und dünnen Arme und Beine dieser Gesellen lästern gehört, dass sie davon abgesehen hatte. Immerhin wollte sie, dass ihr Lehrmeister ihr verzieh und den Streit vergaß. Und nicht, dass ein neuer vom Zaun gebrochen wurde. Weibliche Wesen waren, wie erwähnt, nicht seine bevorzugten Liebespartner – immerhin hätte sie seine körperlichen Gelüste ansonsten auch liebend gerne selbst befriedigt. Wozu also eine andere dafür entlohnen? Das wäre ihr ja geradezu abstrus vorgekommen. Tja, und wenn sie diesen kleinwüchsigen Gnom aus Donikius Freudenhaus mitgebracht hätte, der angeblich alles machte und das mit wirklich jedem, wäre Ash ihr vermutlich in einem Lachanfall vor die Füße gestolpert. Nein. Es schienen gerade keine besonders guten Zeiten zu sein für Ashs Vorliebe für attraktive, männliche Liebesdiener. Vermutlich wäre Ravanna so mit leeren Händen zu Ash zurückgekehrt, wenn sie nicht noch diesen gefährlichen Umweg durch die wohl unangenehmste Gegend des Sukkura Forest gemacht hätte. Der Ort, den sie betrat, um sich nach einem männlichen, einigermaßen ansehnlichen „Lustsklaven“ umzusehen, war immerhin selbst unter ihresgleichen verpönt. Und doch stand sie, zu ihrem eigenen Glück unter dem Schutz von Bo, welcher sie nicht aus den Augen ließ, an jenem Abend vor der wohl schmutzigsten Auktion der Unterwelt.

„Eine schmutzige Auktion“

Christopher zitterte am ganzen Körper, als man ihn auf den hölzernen Bretterverschlag zerrte, welcher auf einer Anhöhe mitten im Wald als Tribüne diente.

Es hätte nicht erniedrigender sein können. Nackt. Nur mit einer schweren Eisenkette um den Hals, deren Ende an einem Holzpfahl zu seinen Füßen festgemacht war.

Als ob er ohne diese Eisenfessel ganz einfach und ungehindert davonspaziert wäre.

Er war nicht der Einzige, den man vor das Getümmel ihm unbekannter, gaffender und grölender Kreaturen und Wesen des hiesigen Dunkelwaldes dirigierte. Zusammen mit einem Dutzend anderer, unglückseliger Geschöpfe bot man ihn hier seinem ungewissen Schicksal feil.

Christopher wagte es fast nicht, seinen Blick zu heben und nach vorne zu richten, da manche der in der Menge stehenden Kreaturen so schauderhaft aussahen, dass er sich wirklich nicht ausmalen wollte, was solche Monster mit jemandem wie ihm wohl anfangen konnten. Natürlich war er sehr wohl in der Lage, sich in seiner Fantasie zusammenzureimen, wofür er im schlimmsten Falle alles dienlich sein könnte. Als profanes Abendessen zum Beispiel. Oder als Folteropfer oder wer weiß, was sonst noch alles. Doch was brachte es ihm, weiter darüber nachzusinnen, außer, dass es ihn zutiefst entmutigte? Er versuchte stattdessen, die laute, ihn einschüchternde Geräuschkulisse der johlenden Menge vor sich auszublenden und sich in seine tiefsten Gedanken zurückzuziehen. Dies war eine Fähigkeit, die er bereits seit seiner Kindheit beherrschte und die ihm nun sehr dienlich war. Und das schien ihm angesichts seiner verzweifelten und hoffnungslosen Lage auch das einzig Richtige zu sein. Sich an einen besseren Ort zu denken und die grausame Welt um sich herum auszublenden. Er würde mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso sterben. So viel war Christopher bereits klar geworden. Wann genau und auf welche Weise, diese Überlegungen gedachte er sich allerdings nicht weiter anzutun. Es würde mit Sicherheit geschehen und er konnte wohl auch nichts daran ändern. Aber seine letzten Momente wollte er trotzdem nicht damit verbringen, über die mannigfaltigen, grausamen Möglichkeiten seines Ablebens nachzugrübeln. Er flüchtete sich lieber in Erinnerungen seines bisherigen Lebens. Gedachte seiner Kindheit und seiner Eltern, der Großeltern und der vielen Tiere auf ihrem kleinen Hof, die er so gerne versorgt und gepflegt hatte. An sein geliebtes Pferd. Endlos lange Tage mit dem Vieh auf der Wiese am Bach. Regentropfen auf seiner Haut nach einem warmen Sommerregen. Das Lachen seines besten Freundes Taran nach einem wilden Wettrennen, während sie erschöpft nebeneinanderlagen. Der Geruch süßer Walderdbeeren. Seine Hand in Tarans Hand. Christopher wurde schwer ums Herz. Es gab noch so vieles, was er gerne erlebt hätte. So vieles, was er sehen wollte und Sehnsüchte, denen er nie würde nachgehen können, wenn man ihn jetzt seines Lebens beraubte. Doch was konnte er schon tun? Hier, an diesem Ort mit diesen Kreaturen, von denen er sein Leben lang geglaubt hatte, sie würden nur in den Erzählungen und Legenden der Ältesten existieren? Ihm waren die Hände im wahrsten Sinne des Wortes, gebunden. Dabei war er alles andere als ein ängstlicher Typ. In seiner Welt, der einzigen Welt, die er bis jetzt gekannt hatte, war er kein Schwächling oder Angsthase gewesen. Im Gegenteil. Doch nun, hier unter diesen monströsen Wesen, lehrte man ihn wahrhaftig zum ersten Mal das Fürchten.

Wenn er zu seiner rechten oder linken Seite blickte, so sah er neben sich ebenfalls vermeintliche Gefangene, die hier als „Ware“ einen Käufer finden sollten. Im Gegensatz zu ihm waren sie allesamt jedoch keine Menschen, sondern Geschöpfe der Unterwelt. Neben ihm stand zum Beispiel ein schmächtiger und sehr abgemagerter Dunkelelf mit spitzen Ohren und einem ebenso spitzen Kinn, der aus traurigen Augen ins Leere blickte. Sein nackter Oberkörper war von unzähligen Narben übersät. Er trug auch, anders als Christopher, keine Fesseln, mit denen man ihn an Ort und Stelle halten musste. Ebenso wie dessen untersetzte Nachbarin. Eine kleine, dicke Gestalt, die Christopher höchstens bis zu den Knien reichte und mit üppigen, weiblichen Attributen ausgestattet war. Sie schien in ihrem Gemüt das genaue Gegenteil zum jämmerlich wirkenden Elf neben ihr zu sein. Denn sie gab ständig schmutzige Kommentare von sich und zog ihren lumpigen Rock so weit zur Seite, dass die unten stehende, potenzielle Käuferschaft genauestens im Bilde war, was sie zu bieten hatte. Christopher atmete tief ein und versuchte, beim Ausatmen erneut in seinen Gedanken zu versinken, um dieser furchtbaren Situation geistig zu entkommen, als jemand unvermittelt an der Kette um seinen Hals zog. Erschreckt und wie von Sinnen, kam Christopher wieder in der harten Realität an und stolperte beinahe auf die betreffende Person zu, die ihn sozusagen „an der Leine“ hielt. Es war die bucklige Hexe Mera, deren unangenehme Bekanntschaft er bereits in dem stinkenden Erd-Kerker gemacht hatte und die sich nun neben ihn auf die Tribüne gesellt hatte. Ihre schrille Stimme hallte durch die Menge und das Grölen und Johlen stoppte für einige Augenblicke, während sie Christopher voller Inbrunst feilbot. Dieser hörte ihre Worte, doch dann hörte er sie auch wieder nicht. Vielleicht, weil sie ihm zu unwirklich erschienen. Oder, weil er sie einfach nicht wahrhaben wollte. Hätte er die Möglichkeit gehabt, sich die Ohren zuzuhalten, so hätte er es getan. Doch seine Hände waren noch immer hinter seinem Rücken gefesselt. Und so war er regelrecht gezwungen, ihr lautes Anpreisen seiner eigenen Person mitanzuhören. Er fühlte sich einer Ohnmacht nahe. Ausgerechnet er, der immer stark gewesen war. Und nun war er schwach und seine Beine schienen jeden Moment unter ihm nachzugeben. Fühlten sich an, als wären sie mit Honig gefüllt und nicht von Muskeln und Sehnen umgeben. Irgendwann schien die Ansprache der Hexe beendet zu sein, denn Christopher vernahm alsbald wieder das laute Getöse der immer unruhiger werdenden Menge vor sich. Seine blauen Augen suchten verwirrt und von Schwindel erfasst irgendeinen Punkt in dieser Masse unansehnlicher Kreaturen vor ihm, der ihm irgendeine Form von Halt hätte geben können. Doch all die ungewohnt aussehenden, größtenteils schaurigen Geschöpfe vermischten sich vor seinen entsetzten Augen zu einem bunten Wirrwarr aus breiten Mäulern, widerwärtigen Leibern, Hörnern und entblößten, raubtierhaften Zähnen.

„Das höchste Gebot erhält den Zuschlag! Die Auktion ist hiermit eröffnet, meine grausamen Freunde der Dunkelheit!“

Die alte Hexe ließ die schwere Eisenkette wieder zu Boden gleiten und Christopher hatte alle Mühe damit, dass es ihn nicht erneut von den Füßen riss. Im nächsten Moment hörte er, wie die Zurufe unterschiedlichster Angebote begannen. Er wusste nicht, ob es sich bei den Zahlen, die man in die Runde warf, um eine fremde Währung handelte oder um Gold in irgendeiner ihm unbekannten Handelsform. Und er meinte auch, so etwas wie Tauschanfragen herauszuhören, die ihm jedoch nichts weiter sagten, da er weder die Begriffe noch deren Bedeutung kannte. Am Ende all dieser wild durcheinander gebrüllten Vorschläge, was er nach Meinung dieser Unholde vor ihm denn wert sei, versank Christopher jedoch in schiere Verzweiflung. Denn ausgerechnet zwei besonders furchterregend wirkende Gestalten waren es, die übrig geblieben waren und nun wild gestikulierend miteinander um ihn feilschten. Zuvor hatte er dummerweise noch die klitzekleine, heimliche, wenn auch verschwindend geringe Hoffnung gehegt, dass vielleicht eines der nicht ganz so erschreckend aussehenden Geschöpfe ihn ersteigern würde. Immerhin gab es unter ihnen den einen oder anderen, gegen den er es sich zugetraut hätte, zu kämpfen, hätte sich eine solche Gelegenheit ergeben. Doch bei den beiden Exemplaren da vor ihm schwand diese Aussicht direkt wieder dahin. Auch konnte Christopher sich nicht entscheiden, welchen der beiden er unheimlicher fand. Den großen, kräftigen Hünen, der, abgesehen von unnatürlich stark ausgeprägten Muskeln, von den Füßen bis zum Haupt noch halbwegs „normal“ wirkte. Zumindest, wenn man das stark vernarbte Gesicht nicht allzu genau inspizierte. Und sich zudem die Armbrust auf seinem Rücken und den Morgenstern in seinem Gürtelschaft wegdachte. Oder doch eher der nicht minder muskelbepackte, glatzköpfige Unhold mit der Doppelaxt in den Händen, deren Griff offensichtlich aus nichts Geringerem bestand als echtem Knochen, soweit Christopher das zu beurteilen vermochte. Die Haut des Glatzköpfigen wirkte darüber hinaus auch alles andere als menschlich und wies neben einer recht grauen Farbe eine reptilienartige Struktur auf, beinahe wie die Haut einer Schildkröte. Doch das Schlimmste an ihm waren seine Augen. Zwei echsenartige, schmale Schlitze, durch die er Christopher anstarrte, als wäre er ein Stück saftiges Fleisch. Vermutlich war er das für dieses Monster auch. Sollte dieser Zeitgenosse den Zuschlag bekommen, würde Christopher, oder besser gesagt, Christophers Überreste an Knochen, dann genau so enden? Als Griffe irgendwelcher Waffen? Es war eigentlich fast schon egal. Er konnte sich so oder so nicht aussuchen, welches Schicksal ihn treffen würde. Er stand hier, nackt, schutzlos, von allen guten Mächten und seinem eigenen Gott verlassen, und musste sich dem fügen, was auch immer man mit ihm vorhatte.

Klirrend rasselten urplötzlich und für Christopher völlig unerwartet die Waffen jener beiden unter der Tribüne stehenden Bieter aneinander. Zwei Äxte, deren Klingen sich in der Mitte nur knapp vor den Köpfen ihrer Besitzer trafen und dabei ein brachiales Geräusch von sich gaben. Erschreckt beobachtete Christopher, wie die zwei Kontrahenten ihre Muskeln spielen ließen und wahrhaftig zu kämpfen begannen! Er glaubte zunächst, sich verguckt zu haben. Doch schon wenige Sekunden später rückte die übrige, wartende Menge unterschiedlicher Kreaturen hastig von den beiden Kämpfenden ab, um nicht in deren Reichweite zu geraten. Christopher konnte es nicht glauben. Diese Kerle da kämpften jetzt doch tatsächlich um ihn! Was bei allen heiligen Mächten passierte hier? Was war für sie so derart Besonderes an ihm, dass diese Dunkelwesen sich sogar um ihn stritten? Und das machte ihn noch unsicherer und vor allem furchtsamer. Bevor er es selbst begriffen hatte, wurde ihm gewahr, dass die beiden sich auf Leben und Tod duellierten. Das erkannte er spätestens in dem Augenblick, als der mit Narben übersäte Hüne dem Reptilienmann mit seinem Morgenstern die Hälfte von dessen Gesicht wegriss. Christopher hörte das dumpfe Geräusch und spürte, wie sein nackter Körper von feinsten Blutspritzern getroffen wurde. Erschreckt wich er zurück. Übelkeit kroch beim Anblick des in Fetzen hängenden Gesichts in Christopher hoch und er schloss hastig die Lider. Doch der Kampf war offenbar noch nicht zu Ende. Während Christopher versuchte, nicht die Fassung zu verlieren und die Geräusche jener Klingen und das Ächzen und Stöhnen der Kämpfer auszublenden, vernahm er auch noch neben sich Stimmen. Seine angeblichen „Leidensgenossen“ befeuerten das Duell mit ihren Zurufen, ebenso wie die übrige Bieterschaft zu ihren Füßen. Sie alle grölten und jubelten den sich gegenseitig zu Tode prügelnden Kreaturen zu. Selbst jener schwächlich wirkende dürre Dunkelelf war nun zu neuem Leben erwacht und grinste hämisch über das Geschehen.

„Du kannst dir was darauf einbilden, Menschensohn. Die töten sich sogar gegenseitig, um an dein süßes, unschuldiges Fleisch zu kommen.“ Die spitzohrige Gestalt ihn fast schon neidvoll an, „aber tauschen möchte ich dennoch nicht mit dir!“

Dann bedachte der Elf Christopher mit einem Blick, der diesem deutlich zu verstehen gab, wie es um ihn bestellt war. Offenbar gab es in dieser Welt weder Mitgefühl noch Mitleid oder irgendeine andere Art von gefühlsmäßiger Regung, wenn man von all dem Hass und der Gier, die hier deutlich spürbar waren, einmal absah.

Ja, mag sein, du verbittertes Etwas von einem Elf – dachte Christopher bei sich, aber vielleicht habe ich auch Glück, und diese beiden Unholde metzeln sich jetzt einfach gegenseitig ab und ich komme zu einem dieser kleinwüchsigen, hässlichen Gnome da unten. Dann werde ich mich schon irgendwie aus deren Gewalt befreien und überleben! Also grinse nicht mehr so gehässig und kümmere dich um deine eigenen Probleme.

Am liebsten hätte er es laut ausgesprochen, doch er riss sich zusammen. Diese Kreatur war es gar nicht wert, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Als Christopher es nun wagte und vorsichtig durch seine halbgeöffneten Lider blinzelte, konnte er schemenhaft erkennen, wie sich der narbengesichtige Hüne über dem auf dem Boden liegenden Reptilienmann emporstreckte, eine Axt in beiden Händen. Er holte aus und … Christopher schloss wieder die Augen. Er konnte die Geräusche hören, doch er musste nicht auch noch die Bilder dazu sehen. Immer wieder schien dieser riesige Kerl zuzuschlagen. Dabei musste sein Gegner längst tot sein. Es war bestialisch und unerträglich.

Christopher dachte wieder an Zuhause. An seine Hühner und Kaninchen, die Schafe und Schweine. Sein geliebtes Pferd. Sie alle waren bei dem Massaker vor ein paar Tagen ebenfalls völlig unnötig getötet worden. Er selbst jedoch hatte noch keinem lebendigen Wesen das Leben genommen. Das hatte er nie fertiggebracht. Einem von ihnen ein Haar zu krümmen, wäre ihm grundlos nie und nimmer in den Sinn gekommen. Im Gegenteil. Er war unfähig gewesen, seinen tierischen Freunden die Kehlen durchzuschneiden, nur damit er und seine Familie etwas auf den Tisch bekamen. Diese Aufgabe hatte, wenn überhaupt, stets sein Vater oder sein Großvater übernommen. Zu Christophers Leidwesen, der bereits seit seinem sechsten Lebensjahr kein Fleisch mehr anrührte, so sehr seine Eltern das auch missbilligten. Er wusste zwar nicht, ob dies auch so gewesen wäre, hätten er und seine Familie unter irgendwelchen Hungersnöten gelitten, und wären deshalb auf das Jagen von Wild angewiesen gewesen. Doch dazu war es glücklicherweise nie gekommen. Sie lebten zum einen zwar sehr abgeschottet und isoliert von der Außenwelt, abseits der ländlichen Dörfer und lebhafteren Städte, oder besser gesagt, hatten gelebt. Dafür aber an einem äußerst fruchtbaren und schönen Ort nahe diesen Wäldern eben, in deren Untiefen er vor Kurzem verschleppt wurde. Vermutlich war dies ja überhaupt erst der Grund, warum so wenige sich an jenen für Christopher so paradiesischen Ort niedergelassen hatten. Weil die Warnungen auf tatsächlichen Legenden beruhten und nicht auf „gotteslästernden“ Märchen, wie seine Eltern und Großeltern ihm immer hatten eintrichtern wollen. Immerhin war das ihr Glaube. Ihre Religion. Die Religion der Sanctinier eben, einer kleinen, von der übrigen Bevölkerung oft belächelten Minderheit Pranandos, die die Existenz der Dunkelwesen leugnete. Wie oft waren verirrte Wanderer bei ihnen eingekehrt und zutiefst darüber verwundert gewesen, einen Hof so nahe des äußersten Randes des umstrittenen Dunkelwaldes vorzufinden, den die Menschen für gewöhnlich größtenteils mieden. Im Nachhinein war Christopher nun klar, dass man seine Eltern für geisteskrank gehalten haben musste. Wie hatten sie sich nur jemals so sicher sein können, dass ihr Glaube tatsächlich der einzig Richtige war? Und dass ihre damit einhergehenden Ansichten und Behauptungen über diese Welt derart unfehlbar seien, dass alles andere nicht galt? Obwohl sie sich damit in der absoluten Minderheit befanden! Hatten sie also tatsächlich keine Ahnung gehabt? Nie gezweifelt? Oder aber hatten sie sich und ihren Sohn vielleicht sogar fahrlässig einer Gefahr ausgesetzt, die jederzeit über ihnen allen hätte hereinbrechen können, nur, um auch ja auf ihrer Religion bestehen zu können? War ihnen ihr Glaube demnach wichtiger gewesen als ihre eigene Unversehrtheit und die ihrer Lieben? Und hatten sie sich allesamt aus diesem Grund dem Risiko ausgesetzt, jederzeit auf Dunkelwesen zu treffen und von ihnen angegriffen zu werden? Nein. Christopher hatte eine andere Erklärung für ihr Verhalten. Und die hieß blindes Gottvertauen. Nur so konnte er sich ihr naives Handeln erklären. Doch ihr unumstößlicher Glaube hatte seine Familie an jenem Tag leider nicht retten können. Im Gegenteil. Sie starben alle einen grässlichen Tod. Dabei waren sie doch so gute, anständige Menschen gewesen. Soviel stand fest. Nie hätten sie absichtlich etwas Böses getan noch etwas Böses gewollt. Sie hatten vermutlich einfach einen riesengroßen Fehler gemacht, in dem sie sich in ihrem strengen Glauben verrannt und die eindringlichen und warnenden Worte der „ungläubigen“ Menschen nicht ernst genommen hatten. Sie mussten sich von der ertragreichen Erde und den glitzernden Bächen haben überzeugen lassen, dort wäre ein guter Ort, um in Frieden zu leben. Hatten die Gefahr unterschätzt. Nun waren sie tot, regelrecht dahingemetzelt und außer ihm war nichts und niemand mehr übrig, der von ihrer aller Existenz zeugen konnte. Welch eine Ironie zudem, dass ausgerechnet Christopher das Blutbad als einziger überlebt hatte, obwohl er noch nicht einmal der leibliche Sohn seiner Eltern gewesen war und somit nicht der sanctinischen Blutlinie entstammte. Und doch war er allein es, der noch da war. Wenn er genauer darüber nachdachte, erschien diese Tatsache ihm wie eine zusätzliche Verhöhnung seiner ermordeten, gläubigen Familie. Ja, es war ein hoher Preis, den sie für ihren frommen Glauben gezahlt hatten.

Christopher wurde durch einen langen, barbarisch klingenden Schrei erneut seinen Gedanken entrissen. Rabiat holte der unmenschlich klingende Laut ihn zurück in die Realität und ein eisiger Schauer rieselte ihm den Rücken herunter. Es hörte sich an wie der Urschrei eines wilden Tieres. Er öffnete seine Augen wieder vollends und spähte angstvoll auf die Szenerie vor sich, als er auch schon den Hünen mit der blutigen Axt in der Hand erblickte. Dieser stand schwer atmend da und hielt seine andere Hand triumphierend gen Himmel. An seinem ausgestreckten Arm lief Blut herunter, dessen Ursprung von dem kam, was er da so siegesfreudig in die Höhe hielt. Überhaupt war er von Blut nur so überströmt. Das meiste davon musste das Blut des Reptilienmannes sein, wie Christopher jene Überreste der Kreatur, die dieser einmal gewesen war, noch immer in seinen Gedanken nannte, da er es nun einmal nicht besser wusste. Die unruhige Menge unter ihm jubelte jetzt ebenfalls wieder lautstark und Christopher starrte entsetzt auf den vernarbten Kerl, der sich für seinen grausigen Triumph über den Nebenbuhler ausgiebig feiern ließ. Christopher wagte es nicht, allzu genau auf die blutigen Überreste von dessen besiegtem Kontrahenten zu schauen, da er sonst vermutlich zusammengebrochen wäre. Wenn man zu dem da, zu dieser undefinierbaren Masse, werden konnte … dann hoffte Christopher, dass er selbst zumindest nach dem ersten oder zweiten Axthieb bereits so mausetot war, dass er von dem weiteren Gräuel nichts mehr mitbekommen würde, den man ihm antat.

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
280 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783960894650
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок