Kitabı oku: «Die Ratte kommt», sayfa 2
Marlene schleicht an der Gartenpforte vorbei, huscht hinter den nächsten Busch, kämpft sich unterm Fenster vorbei und schmeißt sich in den Dreck, um ihre Tasche zu bekommen.
Ela jammert: „Marlene, mach schnell, dahinten kommen Leute!“
Marlene robbt auf dem Bauch dem Ausgang entgegen und kommt auf allen vieren aus der Tür herausgekrochen. „Wo sind denn die Leute?“, fragt sie.
„Die sind zum Glück da hinten abgebogen. Aber im Haus war jemand. Der schaute immer so komisch her. Jetzt ist er wieder verschwunden“, meint Eleonora.
Ela hilft Marlene hoch und sie rennen lachend davon.
Oder ein anderes Beispiel: Anne, Ela und Marlene kommen von der Kirche nach Hause. Marlene stiftet sie dazu an, im Gleichschritt zu laufen. „Los, rechts fangen wir an!“, befiehlt sie. „Rechts, links und rechts, links!“ Die Mädchen sind so mit ihrem Gleichschritt beschäftigt, dass sie gar nicht mehr auf die Straße achten. „Und rechts und links“, müssen sie sich immer wieder sagen, um nicht aus dem Tritt zu kommen. Sie geraten dabei etwas auf die rechte Seite der Straße. Ehe sie sich versehen, knallen sie heftig gegen die Hinterseite eines stehenden Autos. Ein Mann, der sie dabei beobachtet, schüttelt vor Verwunderung den Kopf. „So viel Blödheit geht ja auf keine Kuhhaut“, sagt er und wendet sich achselzuckend ab.
SONJA
Marlene geht auch zur Musikschule, sie lernt bei Herrn Deckert Geige spielen. Dort hat sie Sonja kennen gelernt. Sonja ist im Sommer bei uns.
Ich sitze gerade auf unserem Kirschbaum und lasse die Beine baumeln. Ein Ast des Baumes ist so gewachsen, dass man gut drauf sitzen, aber auch „Schweinebaumeln“ daran machen kann. Sonja gesellt sich zu mir und fängt an, mit mir zu quatschen. Dabei steckt sie sich eine Kirsche nach der anderen in den Mund. Sie isst die Kirschen mit so viel Genuss, dass es eine Freude ist, ihr dabei zuzuschauen. Ich weiß aber, dass die Kirschen dieses Jahr voller Maden sind und teile es Sonja mit. Die sagt nur: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, und futtert genüsslich weiter. Habe ich mich vielleicht getäuscht und es sind gar keine Maden in den Kirschen? Ich esse genau so gerne Kirschen wie Sonja und es wäre toll, diese Früchte verspeisen zu können. Von außen sehen sie ja sehr lecker aus. Doch halt, ich werde mal nachschauen, wie es in der Frucht aussieht. Ich teile die Kirsche in zwei Hälften. Igitt, vier Maden tummeln sich darin. Ich habe es doch gewusst, dass man die Früchte nicht essen kann, denke ich verächtlich. Jetzt ist mir der Appetit auf Kirschen gänzlich vergangen. Wie Sonja die Maden runterschlucken kann, ist mir ein Rätsel!
DIE KINDER IN UNSERER STRASSE
In unserer Straße gibt es eine ganze Menge Kinder für meine Schwestern zum Spielen. Da sind die zwei Mädchen, die am Anfang der Straße wohnen, Bolle und Kläuschen, Herolds Kinder, Iris Sander und die vielen Kinder von Kopinskies. Iris beschäftigt sich gerne mit unseren Mädels, obwohl sie schon etwas älter ist und in einer ganz anderen Liga mitspielen könnte.
Mutti sagt immer: „Du bist doch schon viel zu alt für meine Kinder, die passen doch gar nicht zu dir.“
„Mir macht es aber solchen Spaß, mit ihnen zu spielen“, verteidigt sich Iris.
Was soll meine Mutter dazu noch sagen?
Iris hat immer lustige Ideen. Da ist sie bei meinen Schwestern an der richtigen Adresse. Iris schnappt sich Marlene, verfrachtet sie in unseren alten Kinderwagen und legt ein, zwei Decken über sie. Obendrauf thront unser Kater Peter. So sieht es aus, als würden sie mit Peter spazieren gehen.
Anne und Ela geben drinnen Bescheid: „Mutti, Marlene ist weg, wir müssen sie unbedingt suchen.“
Iris rennt mit dem Kinderwagen voraus und meine beiden Schwestern hinterher. Draußen freuen sie sich diebisch über die gelungene Täuschung und spazieren noch eine ganze Weile die Straßen hoch und runter.
Kläuschen ist ein gutmütiger Kerl. Er hilft meinen Schwestern, wo er nur kann. Meine Schwestern dürfen nur raus, wenn sie bestimmte Arbeiten erledigt haben. Davon gibt es viele, zum Beispiel Unkraut jäten oder Gras holen. Oder, wie in jenem Sommer, Holz sägen. Denn eines Tages hält bei uns ein Eisenbahnwaggon mitten auf der Strecke und es werden Berge von Holz abgeladen. So ziemlich jeder aus unserer Straße kommt mit Schubkarren, Handwagen oder Eimer, um sich seine Portion vom dicken Kuchen zu holen. Gutes, trockenes Holz zum Verfeuern. Anne schuftet wie eine Alte, sodass Mutti schon wieder Angst um sie hat. Ich darf auch mit. Wir wühlen tagelang in dem Holz herum und holen raus, was nur rauszuholen ist. Es geht alles gut. Bis zu der Spanplatte, die zweimal größer ist als ich und voller Nägel steckt.
„Vati, ich kann sie nicht mehr halten!“, schreie ich. Dann rutscht sie mir aus der Hand und ich spüre einen Schmerz im Oberarm. Dabei merke ich, wie ich im wahrsten Sinne des Wortes an der Spanplatte festgenagelt bin.
Mein Vater kommt angerannt und befreit mich von der Last und zieht mir dabei den Nagel aus dem Arm. „Mädel, die ist doch viel zu groß für dich!“ Erst dann sieht er die Bescherung. Ela kommt herbeigeeilt und zieht mir den Pullover aus. Sie stellt fest, dass ich ganz schön blute. Dann nimmt sie meinen Oberarm in den Mund und saugt daran. Angeekelt spuckt sie das Blut wieder aus. Sie saugt noch und noch einmal, als hinge ihr Leben davon ab. „So kannst du wenigstens keine Blutvergiftung bekommen“, erklärt sie mir. „Das habe ich in einem Film gesehen.“ Zum Schluss wickelt sie mir ein dreckiges Taschentuch um die Wunde.
„Na, das ist aber nicht gerade blütenweiß“, sage ich. „Ich meine nur, wegen der Blutvergiftung …“
Doch Ela findet das ganz in Ordnung so. In ihrem Film haben die das wahrscheinlich auch so gemacht. Für heute bin ich außer Gefecht gesetzt. Doch meinen Schwestern steht noch das Beste bevor.
Nun dürfen sie so lange nicht mehr baden gehen, bis das Holz gesägt und im Stall verschwunden ist. Abwechselnd stehen Bolle und Kläuschen vor unserer Tür, um unsere Mädels zum Baden abzuholen. Mein Vater sagt: „Wenn ihr mit den dreien baden gehen wollt, dann müsst ihr erst einmal kräftig mithelfen.“ Das ist Vatis Taktik: Nimm immer, was du kriegen kannst. Bolle ist gleich verschwunden. Kläuschen lässt sich auf den Deal ein. Sie sägen und sägen und die Schweißtropfen rennen schon von ihren Gesichtern.
Als Erster ist mein Vater verschwunden. Dann machen sich meine Schwestern wegen irgendeines läppischen Vorwandes aus dem Staub. So steht Kläuschen zum Schluss alleine da und sägt, was das Zeug hält. Wenn ich mich nicht täusche, sind die Mädels schon lange mit Bolle zum Baden verschwunden!
Mit Bolle sind meine Schwestern am liebsten zusammen. Er hat immer so tolle Ideen und es ist nie langweilig mit ihm. Jetzt ist er schon im ersten Lehrjahr. Zu seiner Brigadefeier will er natürlich auch eine Begleiterin mitbringen. So geht er zu meinem Vater und bettelt: „Ach, Herr Wedding, geben Sie mir doch eine Ihrer Töchter zum Fest mit. Nur eine, Eleonora oder Marlene.“
Mein Vater antwortet: „Nein, die sind zu jung, die kriegst du nicht!“
Bolle lässt nicht locker: „Ach, Herr Wedding, geben Sie Ihrem Herzen doch einen Ruck. Am liebsten wäre mir Marlene.“ „Nein, die ist doch erst recht zu jung“, sagt mein Vater empört. „Dann Eleonora“, bettelt Bolle weiter. Nach langem Hin und Her sagt mein Vater: „Na gut, Annedore kannst du haben.“ Aber die will Bolle nicht!
DAS NESTHÄKCHEN
Ich bin das Nesthäkchen unserer Familie und zehn Jahre jünger als meine älteste Schwester. Als es mit meiner Geburt losgeht, steht meine Mutter gerade am Waschtrog und wäscht unsere Wäsche. Dabei platzt ihr die Fruchtblase. „Marlene, Eleonora, Annedore, kommt schnell her! Ihr müsst sofort zum Stahlwerk laufen und euren Vater holen!“
Tapfer rennen sie über die Stahlwerkbrücke und erzählen dem Pförtner, was passiert ist. „Wir sollen auch noch sagen, dass Vati gleich den Krankenwagen bestellen muss“, fügen sie aufgeregt hinzu.
In den ersten Jahren bin ich ziemlich oft krank. Als ich das erste Mal ins Krankenhaus muss, habe ich massiven Durchfall. Zuvor wurde meine Mutter vom Arzt ausgeschimpft, weil sie seiner Meinung nach viel zu spät in seine Praxis kam. „Mit Wasserverlust bei einem Kleinkind ist nicht zu spaßen, Frau Wedding“, sagt er streng.
Das zweite Mal komme ich ins Krankenhaus, weil meine Mandeln raus sollen. Ich habe andauernd Fieber und Atembeschwerden. Dabei ziehe ich die Luft geräuschvoll wie ein Asthmakranker ein und stoße sie ebenso laut wieder aus. Meine Schwestern machen mir in dem Fall ein Dampfbad und schieben meinen Kopf erbarmungslos über eine Schüssel mit heißem Wasser. Dann wird noch ein dickes Handtuch über Kopf und Schüssel gelegt, und ich habe das Gefühl zu ersticken. Der Dampf beißt mir in Nase und Augen. Doch meine Schwestern halten mich mit eiserner Hand fest. Nach einer Weile wird es erträglicher und meine Atemwege werden frei. „So, weil du so schön brav gewesen bist, bekommst du eine ganze Schüssel Pudding für dich alleine“, sagen sie.
Der Löffel liegt griffbereit in der Schüssel. Ich brauche nur noch zuzugreifen. Voller Erwartung stecke ich ihn mit dem Pudding in den Mund. Statt des wunderbaren Puddinggeschmacks schmecke ich aber etwas widerlich Bitteres und fange an zu würgen.
„Runterschlucken!", befehlen mir meine Schwestern.
Wie konnte ich nur denken, sie würden mir ohne Hintergedanken Pudding schenken? Und dann noch eine ganze Schüssel für mich alleine. Diese wundervolle Süßspeise mit Medikamenten zu versauen, ist ja wohl das Letzte.
Ich muss mich des Öfteren mit solchen Infekten rumplagen. Deshalb beschließt der Arzt: „Die Mandeln müssen raus!“
Nun sitze ich mutterseelenallein in einem sterilen Krankenhauszimmer. Neben mir liegt ein etwas älterer Junge, der mir ständig die roten Schuhe meiner Puppe klaut und sie dann auch noch zu seinem Schniedelwutz in den Schlüpfer steckt. Wie eklig! Außerdem übernimmt er das Regiment über uns beide. Was ihm in den Sinn kommt, das muss gemacht werden. Wenn ich nicht willig bin, schnappt er mich und trägt mich einfach in der ganzen Kinderabteilung umher.
Meine Schwestern finden das natürlich niedlich: „Ramona hat einen kleinen Freund und der trägt sie sogar auf Händen.“
„Hahaha!“, sage ich da nur.
Die Operation ist auch nicht witzig. Eine grobe Schwester nimmt mich auf den Schoß. Ich sehe fast gar nichts, weil es erst dunkel ist und mich dann ein furchtbar grelles Licht blendet. Die Schwester klemmt ihr rechtes Bein um meine Beine, und meinen Oberkörper hat sie ebenfalls fest im Griff. Ich soll den Mund weit öffnen. Ein Mann im weißen Kittel, von dem das grelle Licht kommt, sitzt mir gegenüber. Er greift mir zweimal mit einer Art Zange in den Mund und reißt mir ratzfatz die Mandeln aus der Kehle. Ich spucke ziemlich viel Blut.
Nach der Operation geht es zurück ins Zimmer. Der blöde Kerl aus dem Nachbarbett ist immer noch da und grinst mich besitzergreifend an. Wenigstens gibt es am nächsten Tag leckeres Eis in Hülle und Fülle.
MEINE AUSFLÜGE
Bis vor kurzem durfte ich mich nur im Garten und im Haus bewegen. Alleine das Grundstück verlassen war immer tabu. Doch das ist okay, der Garten ist groß genug. Im hinteren Haus wohnt eine junge Frau mit ihrer Mutter und zwei kleinen Kindern. Mit dem älteren Jungen freunde ich mich an. Im Zaun zum Nachbargarten gibt es ein Loch, durch das ich durchkriechen kann. Mit Rausgehen meinten meine Leute sicher die Gartentür und nicht diese Öffnung im Zaun. So krabbeln wir durch das Loch und besuchen uns gegenseitig. Er besitzt eine tolle Schaukel, auf der man bis zum Mond und zurück fliegen kann. Seine Oma findet mich niedlich mit dem Spielhöschen und den blonden Locken auf dem Kopf. Sie freut sich jedes Mal, wenn ich sie besuchen komme und mit ihrem Enkel spiele.
FAMILIE KAUFMANN
Manchmal darf ich auch zu Kaufmanns gehen. Sie wohnen neben uns. Bei ihnen im Stall steht ein Schaf, das guckt ziemlich blöde. In der Stube gibt es eine Klappe, die führt zu einem dunklen, unterirdischen Raum. Ich habe selbst gesehen, wie Frau Kaufmann den Wohnzimmertisch und den Teppich zur Seite räumt und die Luke nach unten öffnet. Meine Schwestern würden mir sicher wieder irgendein Ammenmärchen bezüglich dieses Loches erzählen. Doch Frau Kaufmann kommt mit eingewecktem Obst an die Oberfläche zurück. Also kann das da unten nur ihr Keller sein.
Herr Kaufmann hat nur wenige Haare auf dem Kopf und trägt Brillengläser so dick wie Aschenbecher. Der Arbeitskollege von Herrn Kaufmann geht jeden Tag an unserem Haus vorbei. Meistens ist Frau Kaufmann zu der Zeit ebenfalls im Vorgarten. Sie begrüßt den Bekannten überschwänglich und sieht dabei sehr glücklich aus.
Heute gehe ich ganz stolz mit zwei Schokoladenlollis zu Kaufmanns rüber. Den einen möchte ich Gabi schenken, sie ist Kaufmanns Tochter und etwas älter als ich. Den anderen will ich selber essen, denn ich liebe Schokoladenlollis.
Die andere Tochter von Kaufmanns ist so alt wie meine Geschwister und deshalb nicht so interessant für mich. Eleonora und Marlene spielen oft mit Karin. Anne und Karin sind nicht so gern zusammen. „Die beiden können sich wahrscheinlich nicht riechen, weil ihre Charaktere sich so sehr ähneln“, meinen Eleonora und Marlene.
Beim Spielen kommt Karin auf die Idee, Eleonora und Marlene den Pony zu schneiden. Sie schnippelt an Marlenes Haaren herum, und je mehr sie schneidet, umso schiefer wird die ganze Sache. „Mann, das muss doch gehen“, denkt Karin sich. Verzweifelt schneidet sie ein letztes Mal. Jetzt ist es nicht nur schief und krumm, sondern auch noch viel zu kurz. Na, Prost Mahlzeit! Das hält sie aber nicht davon ab, den Pony meiner anderen Schwester auch noch zu verschandeln. Zum Glück kommt Karin nicht auf die Idee, den beiden gleich die ganzen Locken abzuschneiden. Da würde Anne aber auf die Barrikaden gehen. Trotzdem ärgert sich meine Schwester sehr darüber und der Streit zwischen Anne und Karin ist schon wieder vorprogrammiert.
In der Veranda treffe ich auf Herrn Kaufmann. Er steht vor mir wie eine Wand und schaut mich mit seinen großen Augen an, die durch die Brille noch viel größer wirken. Weder die Worte, die er zu mir spricht, noch seinen Gesichtsausdruck kann ich deuten, deshalb starre ich ihn ebenfalls nur an. Ich komme mir vor, wie das dumm glotzende Schaf im Stall. Eigentlich will ich ja gar nicht unhöflich sein, aber wenn er so schlecht spricht, kann ich ihn nicht verstehen und ihm demzufolge auch nicht antworten. Nur so dastehen, ohne etwas zu sagen, finde ich auch blöde, und deshalb renne ich einfach an ihm vorbei in die Wohnstube. Dort treffe ich auf Frau Kaufmann, die immer sehr freundlich zu mir ist. Meistens kann sie sich vor Freude nicht mehr halten, zum Beispiel, wenn ich pünktlich zum Mittagsschlaf behaupte: „Ich muss jetzt nach Hause; schlafen. Du weißt schon, wegen meiner Nerven.“
IN DER WOHNUNG
Wenn es draußen regnet, muss ich drinnen bleiben. Dabei spiele ich viel lieber an der frischen Luft. Drinnen habe ich durch meine Kletterkünste, zum Leidwesen meiner Mutter, schon so manchen Blumentopf zerbrochen. Die von mir zerbrochenen Gefäße sahen aber auch wirklich schick aus. Weißes Porzellan mit wunderschönen Blumen drauf, dazu ein Goldrand und Goldfüßchen. Da muss ich meiner Mutter schon recht geben, wenn sie schimpft: „Wie kann man so etwas Schönes nur kaputt machen!“ Verflixt, warum stehen die mir beim Klettern aber auch immer im Weg?
Jetzt befinde ich mich im Wohnzimmer. Meine Mutter klappert mit dem Geschirr in der Küche und singt alle Lieder hoch und runter, die sie aus der Jugendzeit kennt. Mir ist auch nicht langweilig. Ich springe mit viel Schwung auf dem Sofa hin und her. Das macht großen Spaß! Dabei schaue ich mir ganz genau unser Wohnzimmerbild an, als hätte ich es noch nie im Leben gesehen. Ziemlich blasse Farben, finde ich. Außer der Rock der Frau, der sieht besonders interessant aus - dunkelrot. Man kann sogar die Falten im Stoff sehen. Die Frau steht mitten im Bild an eine Heugabel gelehnt. Wo sie nur hinschaut? Leider kann ich ihr Gesicht nicht sehen, nur die zusammengebundenen Haare von hinten. Man könnte sich aber vorstellen, dass sie sehnsüchtig auf jemanden wartet.
Meine Mutter reißt mich aus meinen Gedanken: „Ramona, hier hast du was zu essen.“ Was kann es Schöneres geben, als eine Stulle mit Bierschinken? Mutti bringt ihre Nähsachen mit und setzt sich zu mir an den Tisch. Unterm Tisch steht jetzt der offene Nähkasten. Sie ist ganz vertieft in ihre Arbeit. Ich rutsche geschickt vom Sofa und knie mich vor das Objekt meiner Begierde. Da sind Garnrollen in vielen Farben und die unterschiedlichsten Knöpfe zu bewundern und sogar eine Rasierklinge.
Schnell schaue ich mich nach Mutti um, ob die Luft rein ist und dann nehme ich das Ding aus den Kasten. Vielleicht ist die Rasierklinge scharf, denke ich noch und habe mir schon in den Finger geschnitten. Mir wird ganz übel. Mist, das war doch keine so gute Idee!
„Was machst du denn da unten?“, fragt mich meine Mutter da plötzlich. „Immer wenn du so still bist, muss ich aufpassen, dass du keine Dummheiten machst! Hab ich es mir doch gedacht!“ Und bei den Worten: „Da muss ich dir wohl ein Pflaster holen“, fängt sie fürchterlich an zu lachen. Sie kann sich gar nicht mehr einkriegen vor Lachen. Ich frage mich nur, was daran so witzig ist, wenn ich hier halb verblute?
FAMILIE LUCKE
Zu Luckes durfte ich auch schon mal mit. Sie wohnen eine Straße weiter. Frau Lucke ist eine recht resolute Frau.
Mein Cousin will Marlene von Luckes abholen. Aber als er vor ihrer Tür steht, bekommt er von Frau Lucke rechts und links eine geballert. „Bist du etwa einer von denen, die hier klauen wollen?“, schreit sie.
„Nee, ich will nur Marlene abholen“, sagt Erwin kleinlaut.
„Na, dann geh rein zu Marlene und hol sie raus!“
Erwin ist die Lust darauf zwar vergangen, doch jetzt muss er. Er schwört sich aber, wenn er dort drinnen gewesen ist, nie wieder einen Fuß auf dieses Grundstück zu setzen. „Die Bewohner sind ja lebensgefährlich! Was bildet die Alte sich ein, mir einfach so eine zu ballern? Ich habe ihr doch gar nichts getan“, denkt er und hält sich seine schmerzenden Wangen.
Luckes haben einen Untermieter. Der heißt Herr Ebersdorf. Er ist ein ziemlich alter Mann mit weißen Haaren. Martina, die beste Freundin meiner Schwester Marlene, meint, wir könnten ihn ja mal besuchen. Der Untermieter bittet uns herein. Er bietet uns sogar Kekse und Milch an, wie bei einem richtigen Besuch. Er selber trinkt Kaffee. Der alte Mann ist zwar nett, aber ziemlich langweilig. Der weiß sicher mit uns Mädels nichts anzufangen. Marlene und Martina schlagen mir vor, Handstand an der Wand zu machen. Ebersdorf ist auch gleich begeistert. Beim Handstand rutscht natürlich mein Kleid bis zum Kinn und alles, was ich drunter trage wird entblößt. Meinen Schlüpfer kann man in voller Schönheit sehen. Die Mädels fangen an zu lachen und Ebersdorf wird ganz rot und grinst doof in sich hinein. Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Warum lachen die denn so blöde? Ist mein Schlüpfer etwa kaputt und hat obendrein noch Bremsspuren? Das ist ja mal wieder typisch für Marlene und Martina. Mann, ist mir das peinlich! Das passiert mir aber auch nicht noch einmal.
EIN MISSVERSTÄNDNIS
Manchmal ist Martina auch die Dumme, wenn sie mit Marlene zusammen ist. Martina muss Marlene zur Musikschule begleiten, weil Marlene ihren Geigenlehrer etwas unheimlich findet. Heute sitzt sie im großen Saal vorm Theorieraum. Draußen regnet es und ihr ist langweilig. Als sie sich so im Raum umschaut, entdeckt sie an der schönen Täfelung etwas, das aussieht wie ins Holz gekratzt. Sie stellt sich hin, um die Worte besser lesen zu können, und tippt jedes Wort mit ihrem Regenschirm an. Doch sie wird nicht schlau aus dem Text.
Auf einmal öffnet sich die Tür vom Sekretariat und der Direktor rennt mit großen Schritten auf sie zu. Er packt sie am Schlafittchen und schleift sie in sein Zimmer. „Was hast du da gemacht? Warst du der Schmierfink, der das da eingeritzt hat?“, schreit er.
Martina weiß gar nicht, wie ihr geschieht. „Ich habe das auch erst eben entdeckt“, verteidigt sie sich. „Ich warte doch nur auf meine Freundin Marlene, die im Theorieunterricht ist.“
Marlene wird aus dem Theorieunterricht geholt und ebenfalls verhört. Sie müssen sich ganz schön anstrengen, damit der Direktor ihnen Glauben schenkt und kommen gerade noch so mit einem blauen Auge davon. Martina schämt sich natürlich sehr und würde am liebsten nicht mehr mit Marlene in die Musikschule fahren. Aber da Marlene sie braucht, lässt sie sich dann doch wieder erweichen.