Kitabı oku: «Kornblumenblau», sayfa 2
2. Ein Zaun, der für Ärger sorgt
Kate ging mit gemütlichen Schritten auf das Haus zu. Der Wind hatte etwas aufgefrischt und sie zog ihr weißes Hemd etwas enger um ihren Körper. Die Sonne war bereits untergegangen und die ersten Sterne funkelten am Himmel.
Als sie die Hintertür öffnete, schlug ihr schon der wohltuende Duft von krossem Brathähnchen á la Beth entgegen. Ihr absolutes Lieblingsessen. Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, dass sie abwechselnd kochten.
Das Wasser lief ihr schon im Mund zusammen, als sie sich am Küchentisch niederließ. Beth war nicht in der Küche und auch von Nathan fehlte jede Spur, also schnappte sie sich die Tageszeitung und lehnte sich entspannt zurück.
Ihr Herz machte einen Satz, als sie über einen Artikel stolperte, der von einem Football-Star mit Aggressionsproblemen handelte. Unwillkürlich spannte sie sich an und erst, als sie las, dass es dabei um einen gewissen Meyer und nicht ihren Ex ging, entspannte sie sich wieder. Football-Stars waren doch alle gleich - völlig egal ob Spieler oder Manager, schoss es ihr durch den Kopf, als die Tür aufging und Beth gut gelaunt die Küche betrat.
»Du bist ja schon da. Deckst du den Tisch?«
Kate faltete die Zeitung ordentlich zusammen und legte sie auf die kleine Kommode, auf der noch weitere alte Zeitungen und Briefe lagen.
»Kommt Nathan auch zum Essen?« Sie öffnete die altmodische, weiße Vitrine und griff nach den Porzellantellern.
»Nein, wohl eher nicht«, seufzte Beth, während sie das Hähnchen aus dem Ofen holte und vorsichtig tranchierte.
Kate zuckte nur mit den Schultern und deckte den Tisch nur für sie und Beth.
Wie immer schmeckte das Hähnchen einfach köstlich und Kate schlug sich den Bauch anständig voll, auch wenn sie ein schlechtes Gewissen plagte, denn sie wusste, dass das meiste davon auf ihren Hüften landen würde.
Als sie den Tisch wieder abräumte, die Essensreste in den Müll warf und die Teller in die Spülmaschine räumte, fasste sie sich ein Herz und sprach Beth wegen Nathan an. Den ganzen Tag schon brannte ihr die Frage auf der Seele.
»Du Beth? Sag mal, was hat Nathan eigentlich?«
»Was meinst du?«
»Naja ... ist er krank oder so?«
Beth seufzte tief, während sie Wasser aufsetzte und sich dann wieder an den Tisch setzte.
»Nein. Also ... naja, so kann man es nicht sagen.«
Kate drehte sich zu ihr und lehnte sich an die Küchenzeile, während sie Beth misstrauisch musterte. »Und wie kann man es dann sagen?«
»Er ist nicht ernsthaft krank, falls du das denkst. Er hat ein paar Probleme und möchte hier wieder einen klaren Kopf bekommen. Du hast Unterstützung gebraucht und er war mit Kost und Logie einverstanden, deswegen hat sich das angeboten.«
Kate verschränkte ihre Hände vor der Brust. Mit dieser Antwort war sie alles andere als zufrieden. Sie musste sichergehen, dass Nathan wirklich eine Hilfe war und ihr nicht nur auf der Tasche lag. »Aber er sah nicht gerade fit aus. Ich brauche jemanden, der zupacken kann und keinen den ich hier durchfüttere.«
»Das musst du nicht. Gib ihm ein paar Tage, sich an das heiße Klima zu gewöhnen. Das wird schon.«
Damit stand Beth auf, ging zu dem Wasserkessel und goss sich eine Tasse Tee ein. Sie wusste, dass sie nicht mehr aus ihr herausbekommen würde, und entschied sich ihr einfach zu vertrauen. Bisher war jede Entscheidung, die Beth ihr geraten hatte, auch die Richtige gewesen.
»Na gut. Es wird schon werden«, murmelte sie, als sie sich auf den Weg in ihr Schlafzimmer machen wollte.
»Das wird es.« Beth warf ihr einen fröhlichen Blick zu und Kate musste unwillkürlich lächeln. Sie hätte nie gedacht, dass sie in ihr eine so gute Freundin finden würde. Immerhin betrug der Altersunterschied 20 Jahre. Aber wenn sie in Beths warme Augen sah, wusste sie, dass sie ihr niemals schaden würde. Immer wieder betonte ihre Freundin, wie ähnlich Kate ihrer Tante Marla war. Umso mehr traf es sie, dass sie ihre Tante niemals kennenlernen durfte.
Als Kate in ihr kleines Zimmer trat, riss sie das Fenster auf und ließ die frische Luft ein. Der Duft von den aufkommenden Nebelfeldern wehte zu ihr hinauf und sie atmete tief ein. Ihr Blick glitt nach oben in den Himmel, wo die Sterne ein riesiges Meer aus funkelnden Punkten bildete. Ein friedvolles Gefühl breitete sich in ihr aus, das sie in vollen Zügen genoss.
Der riesige Vollmond, der am Horizont tanzte, überzog die Wiesen und Bäume mit einem silbrigen Glanz und alles wirkte so irreal, wie aus einem Märchen entsprungen. Glühwürmchen tanzten in der Nähe einer Hecke und Kate musste schmunzeln.
Das war der Ort, an dem sie alt werden wollte und den konnte ihr niemand nehmen.
*
Es war bereits Dunkel, als sich Nathan wieder auf den Weg zur Ranch machte. Er war froh, kannte er den kurzen Weg noch gut aus seiner Kindheit, sonst hätte er sich wohl in der Dunkelheit verirrt. Auch, wenn der Mond seinen Weg hell erleuchtete, sahen alle Wegkreuzungen gleich aus.
Er war müde, als er endlich am Haus ankam. Leise öffnete er die Tür und schlich sich herein. Für einen Moment war es so dunkel, dass er nicht mal seine eigene Hand vor den Augen sah, bis sie sich langsam an die Dunkelheit gewöhnten.
Vorsichtig tastete er sich in den oberen Stock zu seinem Zimmer vor. Er wollte auf keinen Fall jemanden wecken. Dann müsste er sich nur den Fragen stellen und er war sich alles andere als sicher, was er Kate als Ausrede auftischen wollte.
Als er an ihrem Zimmer vorbei kam, sah er, dass die Tür eine Handbreit offen stand und regelrecht dazu einlud, einen kurzen Blick zu riskieren. Er zögerte noch, denn eigentlich konnte er es gerade wirklich nicht gebrauchen, dass er sich für irgendeine Frau interessierte. Und, dass Kate ihm den Kopf verdrehen könnte, davon war er überzeugt.
Entschlossen schüttelte er jenen und wollte sich gerade wieder umdrehen, da hörte er ein leises Stöhnen.
Wie magisch angezogen, trat er den letzten Schritt vor und spitzte durch den Spalt. Sein Blick fiel sofort auf das breite Bett, auf dem Kate lag. Halbnackt. Er musste schwer schlucken, als er sie genauer betrachtete.
Sie lag auf dem Bauch und das dünne Laken war um ihre wohlgeformten Beine geschlungen, sodass es ihm die Sicht auf ihren Po versperrte. Das Mondlicht warf einen silbernen Schimmer auf ihre makellose Haut, die unter dem seidenen Trägertop heraus lugte. Er folgte der Biegung ihrer Wirbelsäule hinauf bis zu ihrem Gesicht.
Sie schien schlecht zu träumen, denn ihre Stirn war in tiefe Falten gelegt und feine Schweißperlen glitzerten im Mondlicht. Unwillkürlich fuhr er sich durch die Haare und seufzte leicht, als er ein Ziehen in der Leiste spürte. Ihre vollen, zarten Lippen bewegten sich leicht, als würde sie sich mit jemandem unterhalten, während sich ihr Brustkorb unruhig auf und ab bewegte.
Plötzlich öffnete sie die Augen und sah ihn direkt an. Erschrocken wich er einige Schritte zurück und stolperte über etwas. Ein erbostes Fauchen erklang und er sah zwei leuchtende Augen, die ihn vorwurfsvoll musterten.
»Verdammter Mist!«, fluchte er leise und schickte dem Kater böse Blicke. Mit einem leisen Miau machte sich dieser, erhobenen Hauptes, davon.
Hoffentlich hatte sie ihn nicht gesehen oder gehört, denn wie er schlüssig erklären sollte, dass er ihr beim Schlafen zusah, wusste er auch nicht. Er wartete einige Minuten, ob sie gleich wie eine Furie zu ihm kam und ihn zur Schnecke machte, aber es blieb alles still. Vermutlich hatte sie doch noch geschlafen.
Der nächste Morgen kam viel zu früh und Nathan hatte das Gefühl, von einer Dampfwalze überrollt worden zu sein. Er hatte kaum geschlafen, denn immer wieder ging ihm das Bild von Kate, wie sie in ihrem Bett lag, durch den Kopf und trieb ihn schier in den Wahnsinn.
Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und setzte sich auf. Die Sonne schien bereits in voller Pracht in sein Zimmer. Er brauchte dringend dunkle Vorhänge. Mit einem schweren Seufzen rappelte er sich auf und wankte ins Bad. Er hoffte inständig, dass es ihm nach einer Dusche etwas besser gehen würde.
Mit einer alten Shorts und einem noch viel älteren T-Shirt bekleidet, machte er sich schließlich auf den Weg in die Küche. Gähnend fuhr er sich über seinen Dreitagebart, während er die Tür aufzog.
Zwei Augenpaare musterten ihn aufmerksam, als er eintrat.
»Morgen«, nuschelte er leise und steuerte zunächst den Kaffee an. Ohne Koffein war er einfach kein richtiger Mensch. Zu seinem Bedauern musste er feststellen, dass sie hier nicht den Luxus einer vollautomatischen Kaffeemaschine hatten, wie er eine besaß. Er ließ seinen Blick suchend über die dunkel gemaserte Arbeitsplatte schweifen, aber tatsächlich gab es nur eine einfache Keramikkanne, die mit Filterkaffee gefüllt war.
»Guten Morgen«, kam es wie aus einem Mund von Beth und Kate, die an dem runden Küchentisch saßen. Nachdem er sich eine Tasse eingeschenkt hatte, ließ er sich den beiden gegenüber nieder.
Der verführerische Duft von Eiern mit gebratenem Speck stieg ihm in die Nase, als er ihre vollen Teller bemerkte und sein Magen gab ein lautstarkes Knurren von sich.
»Na, da hat wohl jemand Hunger?«, lachte Beth und schob sich eine Gabel in den Mund.
»Hmhm.«
»Eier und Speck sind im Kühlschrank. Und wo der Herd ist, weißt du ja.« Sie lächelte ihm zu und nickte Richtung Küchenzeile, während sie sich eine weitere Gabel voll Rührei einverleibte.
Nathan gab ein düsteres Grummeln von sich, ehe er aufstand und zum Kühlschrank ging.
Seine Laune war schon nach dem Aufstehen nicht die Beste und mit jeder Minute, die verging, sank sie weiter in den Keller. Ihm war klar, dass er hier zum Arbeiten war, aber sie hätten doch wenigstens Frühstück für ihn mitmachen können, wenn sie eh schon dabei waren.
Dass Kate ihn mit Argusaugen beobachtete, machte es auch nicht besser.
Ein Ziehen kehrte in sein Bein zurück und machte ihn nervös. Zwar wusste er, dass ihm körperlich nichts fehlte, aber nichtsdestotrotz machten ihm die ständigen Schmerzen zu schaffen. Er atmete tief durch, ehe er die Eier und den Speck aus dem Kühlschrank holte und zur Anrichte trug.
Er machte sich eine riesige Portion, die er sorgfältig mit ein paar frischen Basilikumblättern verzierte. Das Wasser stand ihm schon regelrecht im Mund, als er sich an den Tisch setzte und sich genüsslich die erste Gabel in den Mund schob.
Er hatte gestern gar nicht gemerkt, dass er solchen Hunger hatte und nun konnte er sich das einfache, aber köstliche Frühstück nicht schnell genug hineinschaufeln.
*
Kate beobachtete fasziniert, wie er sich mit seinem Essen vollstopfte, und konnte nur mit Mühe ein Grinsen unterdrücken.
Um ihn nicht weiter anzustarren, wandte sie sich schließlich Beth zu. »Versorgst du die Tiere heute? Dann kann ich den Zaun an der Koppel reparieren.«
»Natürlich, Chefin. Wenn du Nate mitnimmst, tust du dir bestimmt leichter.« Beth zwinkerte ihr aufmunternd zu. Aber Kate hatte kein gutes Gefühl dabei. Er sah immer noch nicht wirklich besser aus als gestern. Und Zeit sich um ihn zu kümmern, hatte sie auch nicht.
»Ich weiß nicht. Ich krieg das auch ganz gut alleine hin.«
»Gib ihm eine Chance. Nate ist wirklich gut in solchen Dingen.« Beth nickte ihm zu. »Stimmt’s?«
»Hmhm«, antwortete er, während er sich weiter sein Essen hinein schaufelte.
Beths Augen strahlten voller Enthusiasmus und schließlich seufzte Kate. Eine zweite Hand wäre vielleicht gar nicht verkehrt. »Na gut. Dann nehme ich ihn mit.«
»Sehr gut.« Beth klatschte in die Hände. Für einen kurzen Moment fragte sich Kate, warum Beth das so wichtig war, aber dann wurde sie in ihren Gedanken unterbrochen.
»Ich habe heute Nachmittag noch einen Termin in Denver. Ich hoffe das ist kein Problem?« Beth trank den letzten Schluck aus ihrer Tasse und fixierte einen Punkt auf dem Tisch.
»Nein, das ist kein Problem. Was hast du denn für einen Termin?« Kate versuchte es so beiläufig wie möglich klingen zu lassen und beobachtete Beths Miene genau. Das war bereits der dritte Termin in Denver innerhalb kürzester Zeit und immer wenn sie zurückkam, wirkte sie müde und abgespannt. Kate hatte schon mehrmals versucht mit ihr zu reden, aber Beth behauptete stets, dass alles in Ordnung war.
»Nichts weiter Wichtiges.« Mit versteinerter Miene stand sie auf und stellte ihr gebrauchtes Geschirr in die Spüle. »Bis zum Abend bin ich wieder da.«
Sie ging zu Nathan und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Übertreib es nicht wieder Nate, es soll heute wieder heiß werden. Nimm genug zu trinken mit und mach genügend Pausen.«
Besorgt sah Kate ihr nach, als sie durch die Tür verschwand. Dann wandte sie sich an Nathan. »Sag mal, weißt du, was Beth ständig für Termine hat?«
Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu, ehe er mit eiskalter Stimme antwortete. »Ich glaube, das geht dich nichts an.«
»Ich mache mir nur Sorgen, das ist alles.«
»Beth ist eine erwachsene Frau, sie braucht niemanden, der sich um sie sorgt.«
Kate wusste, dass er recht hatte, aber nichtsdestotrotz konnte sie ihre Sorgen nicht einfach abschalten. Sie hatte einfach ein ungutes Bauchgefühl bei dieser Sache.
»Das mag ja sein, aber sie ist nach den Terminen immer so geschafft und gereizt. Das ist untypisch für sie.« Sie spielte nachdenklich mit einem Kuli, der auf dem Tisch lag, während sie Nathan aus dem Augenwinkel beobachtete. Scheinbar hatte sie nun seine volle Aufmerksamkeit, denn er ließ seine Gabel sinken und betrachtete sie mit zusammengezogenen Brauen.
»Das ist wirklich untypisch für sie.«
»Also weißt du nun mehr oder nicht?«
Er schüttelte nur den Kopf, bevor er sich wieder seinem Teller widmete.
Na, der sprühte ja nur so über vor Interesse, dachte sich Kate und stand auf. Sie räumte ihren gebrauchten Teller in die Spüle und schenkte sich noch einen Schluck Kaffee ein, ehe sie sich wieder hinsetzte.
Über ihren Tassenrand hinweg fixierte sie Nathan aufmerksam. »Wir müssen dann so langsam los. Der Schaden am Zaun ist ziemlich groß.«
Mit einem Grollen schob er sich die letzte Gabel seines üppigen Frühstücks in den Mund und spülte ihn mit Kaffee hinunter.
»Ja, ja. Schon gut«, murmelte er vor sich hin und Kate verdrehte ihre Augen. Das konnte ja noch was werden mit dem Sonnenschein hier. Sie fragte sich wirklich, was Nathan für ein Problem hatte.
Mit einem Kopfschütteln leerte sie ihre Tasse, erhob sich und ging nach draußen. »Ich sammle schon mal das Material zusammen«, rief sie ihm noch zu, ehe sie die Tür hinter sich ins Schloss zog.
Kate war gerade dabei, das Werkzeug in der kleinen Scheune zusammenzusuchen, als sie Nathans Schritte auf dem Schotterweg knirschen hörte.
Sie sah kurz auf, als er sich an den Pick-Up lehnte und sie musterte. Erschrocken stellte sie fest, dass er im Sonnenlicht noch viel schlechter aussah, als vorhin in der Küche. Tiefe, dunkle Ringe lagen unter seinen Augen und seine Haut schimmerte blass. Als er sich durchs Haar fuhr, beobachtete sie, wie stark seine Hände zitterten. Da sie nicht davon ausging, dass Nathan über seinen Gesundheitszustand reden würde, sparte sie sich einfach die Frage danach und gab ihm stattdessen gleich etwas zu tun.
Sie deutete mit einem Nicken auf den Stapel von Holzpfählen und Brettern, die neben der Scheune am Boden lagen. »Lädst du die bitte ein?«
Mit einem grimmigen Gesicht nickte er und machte sich an die Arbeit.
Als sie alles auf der Ladefläche verstaut und ordentlich gesichert hatten, ging Kate zum Haus und schloss alle Türen sorgfältig zu. Mit den Autoschlüsseln spielend, ging sie wieder zurück und entdeckte Nathan auf der Fahrerseite an der Tür lehnen und eine Zigarette rauchen.
»Wir müssen jetzt fahren. Also Kippe aus und auf den Beifahrersitz mit dir.« Ihr Ton war etwas schroffer, als sie beabsichtigt hatte, aber die finstere Miene, die er zur Schau stellte, zog sie langsam mit runter.
»Gib mir die Schlüssel«, brummte er, während er seine Zigarette mit den schweren Arbeitsschuhen, die er trug, austrat.
»Wie bitte?« Sie dachte, sie hätte sich verhört. Er hatte doch nicht vor zu fahren, bei dem Zustand?
»Schlüssel her, habe ich gesagt.« Sein Ton ließ keine Zweifel offen, dass er richtig miese Laune hatte, aber an Kate würde er sich die Zähne ausbeißen. Sie ließ sich doch nicht von einem schlecht gelaunten Schönling herumkommandieren. Diese Zeiten waren vorbei.
»Du glaubst allen Ernstes, dass ich dich in dem Zustand fahren lasse?«
»In welchem Zustand denn?«
»Na-« Sie zeigte unwirsch auf ihn und ließ ihren Blick seinen Körper entlang wandern. »Na den eben. Du zitterst und bist total blass. Gestern wärst du fast zusammengebrochen. Glaub mir, ich habe keine Lust auf einen Unfall.«
Er schnaubte wütend, marschierte aber ohne ein Wort um den Pick-Up und stieg ein. Mit einem kräftigen Schwung pfefferte er seine Tür zu und Kate zuckte unwillkürlich zusammen.
»Meine Güte, hat der einen Hang zum Drama ...«, murmelte sie vor sich hin und schwang sich auf den Fahrersitz.
*
Die kurze Fahrt zur Weide verlief schweigend. Er könnte sich selbst für seine miese Laune Ohrfeigen, eigentlich wollte er nicht so unhöflich ihr gegenüber sein, schließlich konnte sie nichts dafür, dass sein Bein schon wieder zickte. Mit einem Seufzen stieg er aus dem Wagen und ließ seinen Blick über die weitläufige Weide schweifen.
An der Südseite war ein kleiner Wald mit hohen Bäumen, deren Äste weit über der Weide hingen und so für ausreichend Schatten sorgten.
Er folgte Kate, die an dem Zaun entlang ging und ihm die beschädigte Stelle zeigte.
»Hier, das Stück müssen wir reparieren.«
»Wie ist denn das passiert?« Fassungslos starrte er auf die Holzstücke, die mit brutaler Gewalt gesplittert überall verteilt lagen. Der Schaden zog sich mindestens zehn Meter entlang. Die Dicken Zaunpfähle waren teilweise abgebrochen, oder ganz aus dem Boden gerissen, die Bretter fehlten komplett.
Kate seufzte während sie einige Stücke Holz hochhob und zur Seite schmiss. »Das wissen wir nicht. Aber wir gehen davon aus, dass es mutwillige Zerstörung war, denn wir haben eine Axt im Gebüsch dort drüben gefunden.« Sie zeigte auf eine kleine Hecke, etwas abseits des Zaunes.
»Habt ihr Anzeige erstattet?«
»Natürlich. Aber es weiß niemand was. Obwohl ich das wirklich stark bezweifle. Weil aber niemand etwas gesehen oder gehört haben will, wird das Verfahren wohl bald wieder eingestellt.«
Nathan musterte betreten den Zaun. Er konnte nicht fassen, dass irgendjemand einfach einen massiven Holzzaun einfach so beschädigte. Jeder hier im Umkreis wusste doch, dass das zu Marlas Ranch gehörte und jeder hatte Marla gemocht. Hatte sich Kate in der kurzen Zeit schon Feinde gemacht? Mit einem Kopfschütteln ging er zurück zum Wagen, um das Material auszuladen. Kate folgte ihm wortlos.
Beide hingen schweigend ihren Gedanken nach, als sie die neuen Holzpfähle und Bretter ausluden und sortierten. Als Nathan nach dem schweren Hammer greifen wollte, zuckte plötzlich ein gleißender Schmerz durch seinen Oberschenkel, der ihm den Atem raubte. Nach Luft ringend, stütze er sich an der Ladefläche des Pick-Ups ab. Sein Herz raste und kalter Schweiß trat auf seine Stirn. In letzter Zeit hatten sich diese Attacken wieder gehäuft und er verfluchte nach wie vor den Spieler, dem er das zu verdanken hatte. Natürlich blieb das von Kate nicht unentdeckt und sie legte ihre warme Hand auf seine Schulter.
»Alles in Ordnung bei dir?«
Er nickte und wischte sich über die Stirn. »Es geht schon«, knurrte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor, während seine Kiefer vor Anstrengung mahlten.
Kates Hand brannte sich schier in seine Schulter und er schüttelte sie genervt ab.
»Ich mach das hier schon. Räum das kaputte Holz weg.« Sein Ton war schroff und hart, aber er wollte nur noch, dass sie einfach wegging und ihn in Ruhe ließ. Der besorgte Ausdruck ihrer Augen machte ihn einfach fertig. Herr Gott nochmal, er war Anfang dreißig, keine neunzig und kurz davor abzunippeln.
Mit einem Kopfschütteln ging Kate einige Schritte zurück und machte sich wortlos daran, das gesplitterte Holz aufzusammeln. Er spürte, wie sie ihn ständig aus den Augenwinkeln beobachtete. Sie wirkte nicht ängstlich, aber er wusste, dass sie ab sofort auf Abstand gehen würde. Zu seinem Leidwesen registrierte er, dass diese Erkenntnis gemischte Gefühle in ihm auslöste.
Mit einem genervten Grummeln schnappte er sich den ersten Pfahl und ging zu der Stelle, wo der Erste fehlte.
Seine ganze Wut legte er in den Hammer und drosch mit voller Wucht den Pfahl in den harten Boden. Das gleiche Spielchen vollführte er mit den restlichen zehn Holzpfählen. Als er am letzten angekommen war, war er völlig außer Atem und stütze sich am Holz ab. Immerhin hatte der Schmerz wieder nachgelassen und seine Laune besserte sich.
Er wischte sich gerade den Schweiß von der Stirn, als Kate ihm eine Wasserflasche unter die Nase hielt.
»Hier. Trink lieber mal was, bevor du wieder umkippst.«
»Ich bin gestern nicht umgekippt. Ich ... hatte nur Kreislaufschwierigkeiten.«
Mit einem leisen Stöhnen verdrehte sie die Augen. »Dann eben bevor du wieder Kreislaufschwierigkeiten bekommst.« Mit großen Schlucken leerte er die Hälfte seiner Flasche und genoss das kühlende Gefühl, welches das Wasser in seiner ausgedörrten Kehle hinterließ.
Ein leichtes Schmunzeln schlich sich auf seine Züge, als er ihre genervte Miene studierte, die sie selbst beim Trinken zur Schau stellte.
Sie zog dabei ihre Nase kraus und hatte ihre Augenbrauen zu waagrechten Strichen gezogen. Alles in allem sah das wirklich süß aus und er hätte sie am liebsten in die Seite geknufft und gelacht. Stattdessen nippte er wieder an seinem Wasser und wandte seinen Blick ab.
Nach einer kurzen Pause machten sie sich wieder an die Arbeit. Nathan holte dicke Zimmermannsnägel aus dem Werkzeugkasten und stopfte sie sich in seine Shorts, während er Kate dabei beobachtete, wie sie die komplette Ladefläche umräumte.
»Was suchst du denn?«
»Meinen Hammer. Ich hatte ihn hier irgendwo hingelegt.« Sie hob eine schwere Decke hoch und zog das Objekt ihrer Begierde triumphierend hervor.
Als Nathan den kleinen Hammer sah, brach er in lautes Gelächter aus. »Damit willst du die Nägel ins Holz schlagen?«
Verwirrt sah sie zwischen Nathan und dem Hammer hin und her. »Mit was denn sonst?«
»Süße, mit dem winzigen Ding bräuchten wir ewig dafür. Ich nehm den hier.« Mit einem Nicken deutete er auf den Vorschlaghammer, der am Pick-Up lehnte.
Kate machte den Mund auf und wieder zu. Völlig verdattert starrte sie ihn an.
»Hast du mich gerade Süße genannt?« Ihre Tonlage lag bei irgendetwas zwischen Zorn und Fassungslosigkeit. Er konnte sich nur schwer ein Losprusten verkneifen. Gott, was war diese Frau anziehend, wenn sie wütend war.
»Ja, du hast schon richtig verstanden. Süße!« Mit einem provozierenden Zwinkern drehte er sich um und machte sich am ersten Pfahl zu schaffen.
Er musste über sich selbst den Kopf schütteln. Verhielt er sich bei ihr doch alles andere als normal.
*
Kate stand immer noch bewegungslos auf der Ladefläche und starrte seinen durchtrainierten Rücken an. Eine Gänsehaut lief ihr vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, während ihr Herz für einen Moment aussetzte. So hatte ihr Ex sie immer genannt. Niemals hatte sie damit gerechnet, dass dieses kleine Wort ein solches Gefühlschaos in ihr auslösen würde.
»Nenn mich nie wieder Süße...«, zischte sie, als sie von der Ladefläche sprang und sich eines der Bretter schnappte.
Im Augenwinkel konnte sie sehen, wie er breit grinste und stöhnte auf. Es war klar, wie er sie ab sofort nennen würde.
»Hey Süße, mach mal ein wenig hin.« Am liebsten hätte sie ihm den spöttischen Ausdruck aus seinem Gesicht gewischt, aber sie entschied sich dafür, ihn nur finster anzustarren. Was würde es schon bringen, ihm das zu erklären? Er würde es doch sowieso nicht verstehen.
Mit einem Kopfschütteln riss sie sich von ihren Gedanken los und hielt stattdessen ein Brett an den Zaunpfahl, damit Nathan es mit den Nägeln fixieren konnte.
»Kannst du das auch gerade halten?« Er kniff ein Auge zu und legte den Kopf leicht schief. Wollte er so etwa beurteilen, ob das Brett gerade war?
Ungläubig sah sie auf das Stück Holz in ihren Händen. »Das ist doch gerade.«
»Nein ist es nicht. Du musst rechts noch etwas höher.«
Statt mit ihm zu diskutieren, tat Kate wie geheißen und hob das Brett ein Stück höher. Schließlich war es ihr egal, ob alles nun akkurat genau war. Hauptsache sie konnte ihre Pferde wieder auf die Koppel lassen.
»Rechts hab ich gesagt, nicht links. Was habt ihr Frauen nur immer mit den Richtungen?«
»Ich habe es Rechts hochgehoben, Nathan.«
Er grinste sie belustigt an. »Ich meinte Rechts von dir aus.«
Schweigend folgte sie seiner Anweisung, nicht ohne ihm noch einen giftigen Blick zuzuwerfen. Das machte er doch extra, schoss es ihr durch den Kopf, als sie ihn beobachtete, wie er einen Nagel mit zwei gezielten Schlägen versenkte.
Sie kam nicht umhin, das beeindruckende Spiel seiner Muskeln zu bewundern, als er die Schläge mit dem schweren Vorschlaghammer setzte. Wenig erfreut stellte sie fest, wie sich ein zartes Kribbeln in ihrer Lendengegend ausbreite, als sie seine starken Oberarme betrachtete. Wie es wohl war, wenn er sie fest in seinen Armen hielt? Sie atmete zischend ein, erschrocken woher dieser Gedanke auf einmal kam.
Krampfhaft versuchte sie nicht weiter darüber nachzudenken, aber ihr Blick fiel wie automatisch immer wieder auf Nathan.
Der Mittag schritt dahin und die Temperaturen stiegen immer weiter an. Es war heiß in der Sonne und als Nathan sich irgendwann das Shirt über den Kopf zog, erreichte ihre Laune den absoluten Nullpunkt. Mit einem schweren Schlucken registrierte sie, dass nicht nur seine Arme gut durchtrainiert waren, sondern auch sein Bauch. Der Sixpack, der sich unter der gebräunten Haut abzeichnete, bescherte ihr weiche Knie und ein flaues Gefühl im Magen.
Sein ständiges Gemecker an ihrer Arbeitsweise trug auch nicht gerade dazu bei, dass sich ihre Laune wieder hob.
Entweder hielt sie das Brett nicht gerade oder suchte das Falsche aus, hielt es an die falsche Stelle oder an die falsche Seite. Als sie endlich am letzten Zaunpfahl ankamen und Nathan den letzten Nagel setzte, war Kate kurz davor zu explodieren.
Kaum saß das Brett fest, fing sie wutschnaubend an, das Werkzeug zusammenzusammeln, während Nathan am Zaun lehnte und sie verständnislos musterte.
»Sag mal, bist du irgendwie sauer?«
Kate hielt mitten in der Bewegung inne und starrte ihn fassungslos an. »Ob ich irgendwie sauer bin?«
»Naja, du grummelst die ganze Zeit vor dich hin und schaust mich böse an.«
Sie blinzelte mehrmals, ehe sie den Kopf schüttelte und das Werkzeug auf die Ladefläche schmiss. »Unglaublich«, murmelte sie vor sich her. Hatte er doch wirklich die Nerven, sie zu fragen, ob sie sauer war.
Sie fegte gerade an ihm vorbei, da packte er sie am Arm und drehte sie zu sich.
»Hey, komm mal wieder runter. Was ist denn los?«
Wutschnaubend riss sie sich von ihm los und fixierte ihn aus dunklen Augen. »Du kommandierst mich hier drei Stunden lang rum, meckerst ohne Unterbrechung und behandelst mich, als wenn ich von nichts eine Ahnung hätte und fragst mich dann, ob ich sauer bin?«
Nun war es an Nathan, die Augen zu verdrehen. »Nun komm schon. So schlimm war das jetzt doch nicht. Du musst schon zugeben, du hast dich ein paar Mal wirklich bescheuert angestellt.«
»Ich hab mich nicht bescheuert angestellt. Du bist nur so verdammt kleinlich. Das ist ein Zaun und kein Kunstwerk.«
Damit drehte sie sich um und stapfte mit geballten Fäusten zum Wagen. Wie hätte sie sich denn auch, bei dem Anblick von Nathan mit entblößtem Oberkörper, konzentrieren sollen? Aber sie würde sich hüten, dass jemals laut vor ihm auszusprechen. Wer weiß, was er sich dann einbilden würde? Mit Sicherheit war er es gewöhnt, dass ihm die Frauen nur so zuflogen. Sie hasste solche eingebildeten Kerle.
Mit bösen Blicken verluden sie das restliche kaputte Holz auf den Pick-Up und machten sich dann auf den Weg zurück.
Es war schon später Nachmittag, als sie endlich wieder auf der Ranch waren. Kate stellte den Wagen auf der Auffahrt ab und ging wortlos ins Haus, um sich den Schweiß vom Körper zu waschen.