Kitabı oku: «Salafismus», sayfa 3

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1.5 Ziele des Buches

Angesichts einer oft wenig sachorientierten und pauschalen öffentlichen Debatte über die ‚Gefahren des Islam‘ will dieses Buch zur sachorientierten, wissenschaftlich fundierten Klärung der tatsächlich vorhandenen Probleme eines muslimischen Extremismus beitragen. Es verdeutlicht, wie die ideologischen Salafisten im Gegensatz zur großen Mehrheit von Musliminnen und Muslimen Passagen aus den heiligen Texten des Islam (Koran und Sunna) missbrauchen, um so ihre Ideologie zu festigen und sie mit religiöser Legitimität zu versehen. Sie wählen aus den religiösen Texten das aus, was ihnen passend erscheint, um Muslimen vorzutäuschen, ideologische Salafisten würden den wahren Islam verkörpern, dem alle Muslime folgen müssten. Die muslimischen Extremisten, so erklärt beispielsweise der Wissenschaftler Mouhanad Khorchide (2016: 26), argumentieren selektiv. Sie picken sich aus den [27]religiösen Texten das heraus, was ihre ideologischen Positionen rechtfertigt. Ohne die islamisch-religiöse Basis würde die extremistische salafistische Ideologie in sich zusammenbrechen.

Wer die Grundlagen der salafistischen Ideologie und ihrer Narrative aufdecken will, muss deren Inhalte wiedergeben. Das vorliegende Buch soll in diesem Sinne darüber aufklären, inwiefern die ideologischen Salafisten ihre Narrative in einen ideologischen Rahmen einpassen, mit dem Ziel, diesen Narrativen auf ideeller und religiöser Ebene entgegenzutreten, indem Gegennarrative aufgebaut werden. Das Verständnis der Narrative, die den Extremismus befeuern, muss als eine wichtige Voraussetzung für die Eindämmung und Konfrontation des gewalttätigen Extremismus betrachtet werden. Denn die ideologischen salafistischen Narrative rechtfertigen Gewalt und rufen direkt oder zumindest indirekt dazu auf. Diesen extremistischen Ideologien ist nicht allein mit Sicherheitsmaßnahmen beizukommen, sondern sie müssen parallel auch analysiert und verstanden werden.

Dabei obliegt die Verantwortung, Strategien gegen die Narrative der ideologischen Salafisten zu entwickeln, vor allem den Musliminnen und Muslimen selbst, den Moscheen, den Imamen, den Gelehrten, islamischen Institutionen und der muslimischen Zivilgesellschaft (für einen internen Kritiker des Salafismus unter Muslimen siehe Fouad 2019). Die Problematik ist eine innerislamische, welche die Eröffnung von Diskursen und die Neuinterpretation der islamischen Texte betrifft, sodass diese mit der deutschen und westlichen Realität in Einklang stehen, anstatt ihr zu widersprechen.

1.6 Argumentation und Methoden

Dieses Buch argumentiert, dass das ideologische salafistische Metanarrativ Inhalte hat, die möglicherweise eine wichtige Ursache für die Isolation eines Teils der Muslime von der deutschen Gesellschaft und für das Einnehmen einer feindseligen Haltung ihr gegenüber darstellen und somit einen elementaren Beitrag zum Prozess der Radikalisierung leisten. Um diese Hypothese in all ihren Aspekten zu untersuchen und zu verstehen, machte ich mich daran, die Narrative der ideologischen Salafisten in ihren Freitagspredigten und im Alltagsleben in Deutschland zu analysieren. Dabei zeigte sich, dass die ideologischen Salafisten dort Narrative verbreiten, die zu einem großen Teil denjenigen von dschihadistischen Organisationen wie dem IS, der Nusra-Front und Al-Qaida entsprechen. Sie begrüßen die Verbreitung dieser extremistischen Narrative unter Muslimen, weisen jedoch einen markanten Unterschied zu [28]den genannten militanten dschihadistischen Organisationen auf: Sie rufen nicht direkt und öffentlich zum Dschihad auf. Was jedoch den Kern der ideologischen salafistischen Narrative in Deutschland, ihre Sprache, ihre religiösen Quellen und die historischen Ereignisse, auf die sie sich beziehen, betrifft, so stimmen sie letztlich doch größtenteils mit denen der militanten dschihadistischen Bewegungen überein.

Um die ideologischen salafistische Metanarrative von innen heraus zu verstehen, entschied ich mich für einen anthropologischen Ansatz, der zum Großteil auf der Methode der teilnehmenden Beobachtung und der Teilnahme am Alltag (je nach Möglichkeit) der zu untersuchenden Gruppe beruht. Die teilnehmende Beobachtung wird in einer Reihe von Disziplinen – besonders in der Ethnologie und den Sozialwissenschaften – als grundlegendes Instrument für das Sammeln von Informationen über Menschen, Kulturen und Gesellschaften im Rahmen qualitativer Forschung angewandt. Dabei wird der Forscher selbst zum Teilnehmer der Kultur oder desjenigen Kontexts, dessen Beobachtung er in seiner Studie beabsichtigt, sodass er die Zielgruppe in diesem Kontext analysieren und entsprechende Informationen und Feldnotizen sammeln kann. Die teilnehmende Beobachtung erfordert meist einen intensiven Feldforschungsaufenthalt von mehreren Monaten oder Jahren, da der Forscher als natürlicher Teil der Kultur oder des in der Studie untersuchten Kontexts akzeptiert werden muss. Dies ist auch nötig, um sich vergewissern zu können, dass die von ihm beobachteten Phänomene charakteristisch sind und dass seine Anwesenheit das Verhalten der Akteure nicht beeinflusst (siehe z. B. O’Reilly 2012).

Aufgrund dessen erstreckte sich die Feldforschung zu dieser Studie über zwei komplette Jahre (von November 2015 bis November 2017), um das Sammeln von Informationen und das Verständnis des Phänomens des ideologischen Salafismus in seinem lokalen Kontext zu vertiefen. Die Feldforschung umfasste die bayerischen Städte München, Nürnberg, Erlangen, Regensburg, Schwandorf, Bayreuth und Weiden. Dabei wurden drei Methoden für das Sammeln von Informationen angewandt.

1.) Teilnehmende Beobachtung: Das Ziel der teilnehmenden Beobachtung war es, sich mit dem Umgang der Salafisten untereinander vertraut zu machen und Vertrauen aufzubauen, damit ich zu einem tieferen Verständnis des salafistischen Gedankenguts gelangen konnte. Dazu nahm ich an zahlreichen Aktivitäten der Salafisten wie den täglichen Gebeten in den Moscheen, Freitagspredigten, Vorträgen und sozialen Anlässen teil.

2.) Interviews: Indem ich auf die Methode des snowball sampling (‚Schneeballauswahl‘) zurückgriff, konnte ich mehr als 70 Interviews [29]und Gespräche mit Salafisten, Experten, Aktivisten aus der Zivilgesellschaft und Regierungsangestellten durchführen. Die meisten dieser Interviews (mehr als 40) wurden mit Salafisten geführt und erfolgten face to face. Sie erstreckten sich jeweils über eine Dauer von 30 Minuten bis hin zu mehr als vier Stunden in manchen Fällen. Viele der Personen wurden mehrmals interviewt. Während der meisten Interviews machte ich mir Notizen, nur in wenigen Fällen konnte ich das Interview aufzeichnen und anschließend transkribieren. Unter den Personen, die ich interviewt habe, befinden sich keine, die als führende Persönlichkeiten der salafistischen Bewegung in Deutschland betrachtet werden können oder die in der Szene durch Social Media bekannt sind. Solche Führungsfiguren gibt es in Bayern nicht. Die Leute, die ich getroffen habe, sind lokale Prediger und Imame, Personen, die sich zum Salafismus bekennen, und Aktivisten in muslimischen Gemeinden und Moscheen. Den Fokus auf diese Gruppe zu legen erlaubt es uns, sich den Salafisten von innen her und im Rahmen ihrer lokalen Interaktionen anzunähern und so ihre tatsächlichen Beziehungen und Interaktionen mit den muslimischen Gemeinden und der deutschen Gesellschaft zu beobachten. Denn die bekannten Führungspersönlichkeiten (wie Pierre Vogel, Ahmad Armih (genannt Ahmed Abu al-Baraa), Hasan Dabbagh etc.) haben bereits eine fortgeschrittene Stufe in der Erfahrung mit der Öffentlichkeitsarbeit erreicht, was sie in die Lage versetzt, Details durch Ablenkungsmanöver oder geschickte Formulierungen zu verbergen, wenn sie das möchten, entweder um interne Spaltungen der salafistischen Bewegung oder Gefahren durch die Sicherheits- oder Strafverfolgungsbehörden zu vermeiden (für eine Studie zu den bekannten Salafisten in Deutschland siehe Wiedl und Becker 2014). Leider befinden sich trotz der Bedeutung dieser Thematik und der Notwendigkeit, auch die weibliche Perspektive zu beleuchten und damit ihre Rolle in dem Geschehen zu erfassen, keine Frauen unter den Salafisten, die ich getroffen habe. Wegen der strikten Trennung zwischen Männern und Frauen, die die Salafisten praktizieren, und der Schwierigkeit, zu diesen Frauen durchzudringen, gab es keine Möglichkeit, mich mit einer salafistischen Aktivistin zu treffen. Dieser Bereich bedarf also nach wie vor vertiefter und intensiver Feldforschung, um die Rolle von Frauen in der salafistischen Bewegung zu verstehen (Studien zu der Rolle von Frauen in salafistischen Bewegungen sind sehr selten, siehe Inge 2017).

3.) Freitagspredigten: Parallel zu der Durchführung von Interviews besuchte ich zwischen April 2016 und April 2017 Freitagspredigten in einer salafistischen Moschee in Bayern und hielt meine Beobachtungen fest. Um das Informationsgeheimnis und die Identität der Moschee zu [30]wahren, werde ich sie in diesem Buch in Anlehnung an das arabische Wort für Monotheismus mit dem Decknamen ‚Tauḥīd-Moschee‘ bezeichnen. Im Laufe eines ganzen Jahres, welches ich damit verbrachte, mir salafistische Freitagspredigten anzuhören, trug ich insgesamt 30 Predigten zusammen und untersuchte sie. Dies bildet die Basis der Analyse und des Verständnisses der ideologischen salafistischen Narrative in diesem Buch.

Die 30 Freitagspredigten lassen sich grob in zwei Kategorien einteilen. Die erste Kategorie umfasst politisch orientierte Predigten. Diese stehen im Fokus der Analyse dieses Buches, da ich auf dieser Grundlage nachzuvollziehen versuche, welche politischen Botschaften durch die Predigten vermittelt werden. Insgesamt habe ich 15 Predigten zusammengetragen, die sich dieser Kategorie zuordnen lassen. Auch wenn sie generell hauptsächlich religiöse Themen behandeln, weisen sie doch jeweils zumindest politische Tendenzen auf oder propagieren politische Ziele, sei es auf direkte oder indirekte Art und Weise. In diesen Predigten wurden zahlreiche Themen behandelt, die vor allem mit der gegenwärtigen Lage und den Kriegen in der islamischen Welt zu tun haben. Verantwortlich gemacht werden dafür sowohl äußere Feinde (die christlichen Kreuzfahrer) als auch innere Feinde (Sufisten, Säkulare, ‚Heuchler‘, Schiiten). Die zweite Kategorie von Predigten, in der ich ebenfalls 15 Stück zusammengetragen habe, behandelt eher soziale und pädagogische Themen, wie Familie und Erziehung, Geschlechterrollen, Verschleierung oder Integration. Der Inhalt dieser Predigten wird im Rahmen dieses Buches nicht vertieft analysiert. Dieses Material bedarf noch einer getrennten Abhandlung, um zu verstehen, welche Art der Erziehung die Salafisten Muslimen ans Herz legen und was für eine Gesellschaft sie damit anstreben. Die übergreifenden Themengebiete und Einzelaspekte, die in den Predigten behandelt wurden, sind im ersten Anhang im Detail aufgeführt.

Die Auswahl der Tauḥīd-Moschee für das Sammeln der Freitagspredigten erfolgte aus einer Reihe von Gründen.

Erstens bekennt sich die Tauḥīd-Moschee selbst in ihren internen Dokumenten, die nur auf Arabisch verfügbar sind und von denen ich einige kopieren konnte, als ich sie einsehen durfte, zu dem Ziel, mithilfe der Anhänger „der Methode der Leute der Sunna und der Gemeinschaft, der Methode der frommen Altvorderen“ die „Botschaft des Monotheismus“ zu verbreiten. Wie ich anschließend in dieser Studie noch erläutern werde, gelten der Fokus auf den at-tauḥīd und die ‚salafistische Methode‘ (al-manhaǧ as-salafī) als Priorität ihrer Mission (ad-daʿwa) und [31]als die zwei essenziellen Merkmale, durch die sich die Strömung des Salafismus und ihr Diskurs auszeichnet.

Zweitens wird die Moschee von einigen Gruppen frequentiert und verwaltet, die sich zum Salafismus – oder wie sie es nennen: zur ‚Methode der Leute der Sunna und der Gemeinschaft‘ (manhaǧ ahl assunna wa-l-ǧamāʿa) – bekennen, wie sich mir in den Interviews offenbarte, die ich mit ihnen durchführte.

Drittens ist die Tauḥīd-Moschee in Hinblick auf die Fläche und die Anzahl der Besucher des Freitagsgebets eine der größten salafistischen Moscheen in Bayern. Meinen persönlichen Notizen und Schätzungen zufolge wird die Moschee an Freitagen von etwa 350 bis 500 Personen besucht, um die Freitagspredigt zu hören und das Gebet zu verrichten, wobei die große Mehrheit davon Männer sind. Mit Ausnahme der Freitagspredigten geht die Zahl der Besucher während der Gebete nicht über 50 Personen hinaus. Es ist in diesem Zusammenhang wichtig, darauf hinzuweisen, dass sich nicht alle Besucher dieser Moschee zum ideologischen Salafismus bekennen. Unter ihnen befinden sich auch zahlreiche gewöhnliche Muslime und Flüchtlinge, die in ideologischer Hinsicht nicht der ideologischen salafistischen Doktrin folgen. Dennoch können die salafistischen Prediger Einfluss auf ihre Überzeugungen und ihr Verhalten nehmen.

Viertens wird die Tauḥīd-Moschee von einer Reihe von bekannten Predigern und Führungspersönlichkeiten der salafistischen Bewegung in Deutschland besucht und genutzt. Einer der hervorstechendsten davon ist Hasan Dabbagh, eingebürgerter salafistischer Prediger mit syrischen Wurzeln und Imam der Ar-Rahman-Moschee in Leipzig, der als Symbolfigur der salafistischen Strömung in Deutschland gilt und dem vom sächsischen Verfassungsschutz vorgeworfen wird, dass seine Predigten zur Radikalisierung muslimischer Jugendlicher beitragen. Außerdem wird die Moschee von dem berühmten salafistischen Prediger Ahmad Armih (genannt Ahmed Abu al-Baraa) aus Berlin besucht, der von den deutschen Medien als „Hassprediger“ bezeichnet wurde (Wehner 2020).

Fünftens propagiert die Moschee das salafistische Gedankengut durch den Verkauf von Büchern und religiösen Publikationen, die von salafistischen Institutionen in Ägypten oder in Saudi-Arabien produziert werden. So wird z. B. das Buch Monotheismus von Muhammad Ibn Abd al-Wahhab, dem Gründer der in Saudi-Arabien verbreiteten islamischen Strömung des Wahhabismus (siehe z. B. DeLong-Bas 2004, Gharaibeh 2014 und Mouline 2014, Kapitel 2), in Umlauf gebracht, der von den meisten Salafisten als eine maßgebliche religiöse Autorität betrachtet [32]wird. Das Buch erläutert die Ursprünge der salafistischen Doktrin in der Auseinandersetzung mit den anderen islamischen Gruppierungen und Bekenntnissen, die Handlungen und Aussprüche erlauben, welche Ibn Abd al-Wahhab als Widerspruch zum Monotheismus auffasst (zur Beziehung des Salafismus zu Saudi-Arabien siehe Lohlker 2017).

Sechstens beschrieben mir viele Muslime, die ich in der Stadt getroffen habe, in der sich die Moschee befindet, diese als salafistisch.

1.7 Warum Freitagspredigten?

Der Freitag ist für die Muslime der wichtigste Tag der Woche, weil sie glauben, dass es Gottes bevorzugter Tag ist. Es gibt einen Hadith über den Propheten Muhammad, welcher die besondere Güte des Freitags hervorhebt: „Der beste Tag, an dem die Sonne aufgegangen ist, ist der Freitag. An ihm wurde Adam erschaffen, an ihm wurde er ins Paradies hineingeführt, an ihm wurde er aus ihm vertrieben, und die Stunde (der Auferstehung) wird nur an einem Freitag stattfinden“ (Khoury 2008, 2: 121). An diesem Tag hören sich die Muslime direkt vor dem Gebet eine besondere Predigt an, die ihnen Wissen über die islamische Religion und den Glauben vermitteln soll, daneben aber auch sozial und politisch aktuelle oder brisante Themen behandelt – die sogenannte Freitagspredigt. Das Freitagsgebet (obligatorisch für Männer) stellt im Islam eine der wichtigsten religiösen Pflichten dar. Im Koran (Sure 62, Vers 9) steht: „ Ihr Gläubigen! Wenn am Tag der Versammlung zum Gebet gerufen wird, so macht euch auf, um Gottes zu gedenken, und lasst den Handel ruhen. Das ist für euch das Beste, sofern ihr Wissen habt“ (alle Koranzitate stammen aus der Übersetzung von Bobzin 2015).

Es gibt viele Hadithe, die es verbieten zu sprechen, während der Iman predigt, und vorschreiben, der Predigt aufmerksam zuzuhören. Die Lehre des traditionellen Islam schreibt vor, das Freitagsgebet nicht wegen der Arbeit, dem Studium oder sonstigen weltlichen Angelegenheiten zu vernachlässigen. Es sollte die Priorität der Gläubigen sein, das Gebet zu besuchen, denn wenn sie es dreimal hintereinander ohne stichhaltigen Grund verpassen, weichen sie damit vom rechtschaffenen Weg ab.

Die Freitagspredigten haben viele Aspekte. So sollen sie etwa den Glauben stärken und bewahren und den Muslimen Erinnerung und Warnung sein, nicht der Sünde zu verfallen. Sie dienen außerdem der religiösen Bildung, indem der Koran oder Hadithe erklärt und interpretiert oder Lehren anhand von Beispielen und Erzählungen aus der islamischen Geschichte vermittelt werden. In diesem Sinne stellen Frei-[33]tagspredigten umfassende Lehrstunden dar und beeinflussen das Verständnis der Muslime von religiösen Konzepten und Doktrinen, besonders da ihnen durch den Vortrag von der Kanzel aus religiöse Autorität innewohnt. In vielen islamischen Ländern gilt der Freitag als offizieller Feiertag, da sich die Muslime dann für das Freitagsgebet versammeln. In westlichen Ländern versuchen viele Muslime, ihre Mittagspause in der Zeit des Gebets zu nehmen, normalerweise nachmittags. Nach der letzten Welle von Flüchtlingen (2015–2016) begannen zahlreiche Moscheen wegen des regen Zulaufs zu den Freitagsgebeten unter Überfüllung zu leiden, was manche Moscheen dazu veranlasste, zwei Predigten an einem Tag zu halten, um so der zunehmenden Nachfrage gerecht werden zu können.

1.8 Inhalt des Buches

Das Buch enthält eine Einleitung, fünf Kapitel und eine Schlussfolgerung sowie ein Glossar. Das zweite Kapitel behandelt die historische Entwicklung des Begriffs des Salafismus, d. h. die wichtigsten historischen Stationen, Vordenker und Problemstellungen, die im Zusammenhang mit seiner Definition von Interesse sind. Im dritten Kapitel diskutiere ich die innere Struktur, den Prozess der Etablierung und die Aktivitäten der Salafisten in Bayern. Im vierten Kapitel setze ich mich damit auseinander, wie die ideologischen Salafisten durch die Freitagspredigten ihre Autorität über die muslimischen Gemeinden aufzubauen versuchen, indem sie religiöse Narrative verbreiten, die kritisches Denken zugunsten des Gehorsams gegenüber den salafistischen Predigern zurückdrängen sollen. Dieses Kapitel beleuchtet auch die Art und Weise, wie die Salafisten daran arbeiten, ihre Narrative unter den Muslimen zu verankern, um so ihre öffentliche Unterstützung und den beständigen Zulauf neuer Anhänger, besonders unter konservativen und mit ihnen sympathisierenden Muslimen, sicherzustellen. Im fünften Kapitel untersuche ich, wie sich die ideologischen Salafisten Feindbilder innerhalb des Islam schaffen. Sie konzentrieren sich dabei hauptsächlich auf den Angriff auf vier Gruppen von Muslimen: Schiiten, Säkulare, Sufis und die ‚Heuchler‘. Im sechsten Kapitel analysiere ich von den ideologischen Salafisten verbreitete, radikale religiöse Narrative, die sich auf enge und teilweise falsche Interpretationen und Auslegungen der religiösen Texte (des Koran und der Sunna) stützen und in denen Anhänger anderer Religionen angegriffen werden, vor allem Christen und Juden.[34]

[35]

Kapitel 2

Salafismus: Geschichte, Definition und Charakteristika
2.1 Einleitung

Die Narrative des modernen, rückwärtsgewandten Salafismus (Salafīya)7 sind keine Neuerfindung des postkolonialistischen Zeitalters, welche die arabischen und die islamischen Gesellschaften im Allgemeinen gewissermaßen aus dem Nichts infiltriert hat, sondern sie wurzeln in einer historischen, sunnitisch-islamischen Denktradition. Davon zeugt eine Fülle von Schriften, fatwās (Fatwas)8 und religiösen Diskursen, die sich über viele Jahrhunderte kontinuierlich angesammelt hat und einen eigenständigen ideologischen, normativen und dogmatischen Ansatz widerspiegelt. Die Bewegung des Neo-Salafismus ist hingegen ein typisches Kind der Moderne. Ihre Triebe sprießen aus den Sehnsüchten der arabischen Bevölkerung und haben tiefgreifende politische, soziale und kulturelle Konsequenzen zur Folge (Abu Rumman 2014: 27).

[36]Im vorliegenden Kapitel werde ich zunächst einen groben Abriss zur Begriffsgeschichte des Terminus Salafismus geben und demonstrieren, warum dieser Schritt für unser Vorhaben relevant ist. Daran anschließend werde ich die Schwierigkeiten aufzeigen, welche mit der Definition dieses Begriffs einhergehen. Im dritten Schritt werde ich mich darauf fokussieren, wie sich Salafisten in Deutschland selbst definieren. Auf der Basis dieser Begriffsannäherung werde ich dafür argumentieren, dass die in Forschungskreisen weit verbreitete dreiteilige Klassifizierung des Salafismus nach ihrer vorrangig entweder missionarischen, dschihadistischen oder politischen Ausrichtung im Kontext westlicher Lebensrealitäten (in diesem Fall in Deutschland) wenig hilfreich erscheint. Stattdessen schlage ich eine alternative Einteilung vor, welche die mentalen Konzepte des Salafismus im westlichen Kontext realistischer abbildet.

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