Kitabı oku: «Anne LebensLiebe», sayfa 4

Yazı tipi:

10 – 12 Uhr Krankenhaus. Gruppen-ERGO.

Um 15:15 Uhr Gespräch bei Dr. K.

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11.10.2017

Ach, herrje! Ich habe ja lange nichts eingetragen – hab´s vergessen! So was kommt vor! Mein Gehirn – na ja!

Ich werde mir Mühe geben, es nicht wieder zu vergessen.

Übrigens singe ich wieder jeden Dienstag. Es sind zwar nicht viel Sänger, aber trotzdem singen wir dabei, aber trotzdem singen wir alle – leider ohne Klavierspieler! Schade!

Jetzt sitze ich wieder am Strickzeug, es ist meine Lieblingstätigkeit. Wolle ist genug da.

Malte ist dabei sehr großzügig!!

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14.10.2017

Fahren wir ins Maxim-Gorki-Theater! Ich freue mich! …

Spät nach Hause – dunkel! Uns hat die Aufführung sehr gut gefallen! Es passiert ja selten im Jahr!

Gleich als wir zu Hause ankamen,

holte ich mein Strickzeug hervor.

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26.10.2017

Der Dienst in der Tagespflege fällt aus!

Ich finde das prima!!

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30.10.2017

Heute hab‘ ich ERGO! Malte fährt mich wieder hin.

Obwohl ich nicht gerne dorthin fahre! Wenn ich dann aber am Tisch sitze mit den Männern, die uns alle immer zum Lachen bringen, ist es lustig!

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01.11.2017

Heute ist ALLERHEILIGER. Kirchgang ist von mir nicht mehr!

Aber es ist ein Tag ohne Arbeit! Mich betrifft das nicht und auch nicht meinen liebsten Malte. Er sitzt am Computer und arbeitet. Ich lass ihn in Ruhe. Dann kann er besser denken.

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11.11.2017

Ich brauche wieder Wolle! = gelb, weiß, schwarz, rot!

Nachmittags kam Holger, und wir sitzen bis zum Abend und reden – und lachen viel über die lustigen Reden, über dies und das.

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30.11.2017

Im Bad ist Malte der volle Wassereimer umgekippt.

Jetzt wischt er auf dem Boden das Wasser auf!

Er tut mir sehr leid!!

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21.12.2017

Wir haben bei einem Weihnachtslied ein fehlendes Wort gefunden. = „Guten Abend, schön Abend“! Jetzt stricke ich weiter!

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01.02.2018

Aufstehen! – Frühstücken! Ich habe gestrickt.

10:30 Uhr kam N. Wir unterhielten uns mit ihm.

Dann hat er saubergemacht. Ich bin dann mit ihm spazieren gegangen an den Kanal. Danach Mittagessen: Kartoffeln, Weißkäse. Danach kleiner Mittagsschlaf.

Danach Spazierrunde, da die Sonne schien. Dann haben wir Matthias in seiner Buchhandlung besucht. Kleiner Einkauf bei EDEKA. Dann nach Hause gegangen. Tee getrunken.

Malte Zeitung lesen, ich hab gestrickt. Dann Abendbrot.

Malte hat noch eine Stunde gearbeitet. Heute Abend sehen wir uns im Fernsehen den „Bergdoktor“25 an. Ich stricke ein breites Stück für den Flur, dann ist die Wandseite komplett!

Am 23.02. habe ich Geburtstag.

Am 23.02. habe ich Geburtstag.

Das ist der letzte Satz, den meine Liebste in ihr Tagebuch geschrieben hatte. Nie wieder griff sie zum Stift oder Kugelschreiber, um etwas aufzuschreiben. In der uns verbleibenden Zeit hat sie kein Wort mehr geschrieben. Wie viele ihrer Worte mögen da verborgen geblieben sein? Nicht einen einzigen Satz hat sie mehr geschrieben! Wie lebens-gern und noch mehr Tagebuchnotizen hätte ich von lesen wollen! Aufgeschrieben von ihr in einer Schrift, die mir so vertraut geworden war! In einer Schrift, die für mich bis in ihr Alter hinein immer etwas Mädchenhaftes aussandte.

Trotzdem war und ist das Nachlesen ihrer Tagebuchnotizen sehr schmerzhaft für mich. Jede Situation, die sie beschreibt, wird mir gegenwärtig! Wie hat sie doch unter den immer stärker zunehmenden Einschränkungen gelitten!

Fünf Wochen vor ihrem Ableben saßen wir mit ihr zusammen und gratulierten ihr das letzte Mal zum Geburtstag. Ich wusste, dass es so war!

Es war der 23. Februar 2020.

Und es war ihr 80. Geburtstag.

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Nun endlich hatte ich die Tagebuchnotizen meiner Liebsten über ihre wohl schwerste Lebenszeit gelesen. Nur wenige ihrer Aufzeichnungen habe ich ausgewählt und hier in diesen Bericht über unsere letzte gemeinsame Wanderung eingefügt. Was sie über ihr Erlebtes und ihre Gefühle während der Krankheit aufschrieb, wollte ich nicht aus meiner Sicht kommentieren. Ich konnte es wohl auch nicht! Zumal uns beiden nach ihrem letzten Tagebucheintrag noch einige Monate bevorstanden, die überboten, was wir bis dahin erlebt hatten. Uns standen noch Prüfungen, Schmer-zen, Ängste und Belastungen bevor, die die Grenzen des Ertragbaren erreichten … überschritten?

In einem der kleinen Tagebücher von Anne fand ich einen Eintrag von ihr: ohne Datum, auf einer letzten Seite, für sich alleinstehend, ohne einen weiteren Kommentar. Sie hatte dort notiert: „Unser Friedhof ist in Alt-Stralau!“

Unser Friedhof ist in Alt-Stralau …

Letzte Wanderung
Tagebuch Malte
Mittwoch, 1. Januar 2020

Ein neues Jahr – auch für Anne und für mich.

Neues Jahr – neues Glück? Für uns wohl kaum!

Zum Weihnachtsfest hin, während der Feiertage und dann auf den Jahreswechsel zu verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Anne. Psychisch und körperlich. Alles wurde erkennbar kritischer. Meine kleine so lebenstapfere Frau ermüdete immer schneller und wurde zunehmend hilfsbedürftiger. Immer neue Beschwerden quälten sie.

Zugleich wurde sie aggressiver.

Unsere Not wurde größer, war immer schwerer zu tragen.

Ertragen mussten wir sie beide …

Was uns das neue Jahr bringen würde?

Ich ahnte es.

Und ich befürchtete es.

Dienstag, 07. – Sonnabend, 18. Januar 2020

Dienstagabend musste ich Anne ins Vivantes-Krankenhaus Friedrichshain26 bringen. Wieder mit einem der Rettungswagen, die nervenaufreibend ihre Sirene erklingen lassen, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ihr Blaulicht zeigt Gefahr und Not für Leib und Seele an!

Wieder einmal in die Notaufnahme! Dies nun schon zum dritten Mal während unseres bisherigen Betreuten Wohnens in den Matthiasgärten27. Erneut stundenlanges und quälen-des Warten. Anne befand sich in den Diagnoseräumen, ich musste im Wartebereich ausharren. Wusste nicht, was vor sich ging. Nach heftigem Drängen erfuhr ich schließlich um 22:30 Uhr, dass man sie „auf Station“ gebracht hätte. Wohin und auf welche Station konnte ich nicht mehr erfragen, da der Aufnahmeschalter der Notaufnahme geschlossen wor-den war. Voller Sorgen machte ich mich auf den Heimweg.

Am folgenden frühen Vormittag suchte ich Anne in dem großen verwinkelten Krankenhauskomplex mit den langen Gängen und den vielen Fahrstühlen. Schließlich fand ich die Station, fand sie in einem Zwei-Bett-Kranken-Zimmer. Sehr einsam, sehr hilflos lag sie in einem der beiden Betten. Schaute sie mich vorwurfsvoll an? Nach mehreren Ver-suchen gelang es mir, die Diagnose zu erfahren: stark ausgeprägte beidseitige Lungenembolie.

Zwölf Tage Krankenhausaufenthalt sollten folgen.

Mein Versuch, mit dem Pflegepersonal zusammenzuarbeiten, begann sofort. Ich traf auf durchweg überarbeitete Pflegerinnen und Pfleger, die bis auf eine Ausnahme alle einen irgendwie gereizten Eindruck machten, wenn man sie ansprach. Ich geriet schon beim ersten Besuch in Kollusion mit einer sehr borstigen Schwester. Wie ich beobachtete, war man auch nicht bereit oder nicht in der Lage, den Besonderheiten demenzkranker Patienten Rechnung zu tragen. Das betraf nicht nur Anne.

Die Belastung für mich erhöhte sich auch dadurch, dass die Stationsärztin eine sehr eigenartige und wenig einfühlsame Art zeigte, mit den Angehörigen der Kranken umzugehen. Zu einem ersten Gespräch mit ihr kam ich erst nach einigen Versuchen. Etwa zehn Minuten standen wir, die Ärztin und ich, auf dem Gang herum und bewegten uns mühsam in einem Frage-Antwort-Spiel hin-und-her. Immer wieder gestört durch den regen Arbeitsbetrieb, der herrschte. Meine Bitte, einen ruhigen Ort mit Sitzmöglichkeiten aufzusuchen, wurde tatsächlich abgelehnt. Es sei dafür zurzeit kein Raum vorhanden. Ich war so ziemlich am Ende meiner nervlichen und körperlichen Kräfte. Bemühte mich aber sehr, nicht „auszurasten“.

Nachfolgend besuchte ich Anne Tag um Tag. Von der Mittagszeit bis zum Abendbrot war ich bei ihr im Krankenzimmer und an ihrem Bett. Meist mit der kleinen Gitarre, um ihr etwas vorzusingen und vorzuspielen. Unsere alten uns so vertrauten Lieder. Anne nahm sie noch auf …

Manchmal nickte ich in den langen Stunden auf dem unbequemen Krankenhaussitzmöbel ein. Die Schwestern gewöhnten sich an meine Anwesenheit. Mehrmals baten mich Patientinnen aus den beiden Nebenzimmern, unsere Zimmertür geöffnet zu lassen. Sie wollten doch auch etwas von unseren Liedern hören. Wo ich konnte, half ich Anne und auch ihrer Zimmernachbarin.

Der schlechte Akutzustand Annes beruhigt sich. Sie kam mit den Tagen wieder in einen besseren Takt, vor allem was die Lungenfunktion anbetraf. Schließlich informierte mich die Stationsärztin, dass Anne entlassen werden könne. Zu einem aufklärenden und gar motivierenden Abschlussgespräch fand sie dann keine Zeit und Gelegenheit mehr.

Anne wurde entlassen. Nach meinem Gefühl in einem sehr desolaten Gesamtzustand. Am Körper sah sie teilweise „geschunden“ aus, blaue große Hämatome an mehreren Stellen. Sie war auch psychisch noch instabiler, was ja kein Wunder war. Mein Anne tat mir vom Herzen leid. Ich bekam ihre Krankenunterlagen zur Übergabe für die Haus-ärztin. Als ich den ARZTBRIEF las und versuchte, ihn zu verstehen, kamen mir die Tränen. Große Hilflosigkeit!

Vivantes

Klinikum im Friedrichshain

xx.xx.2020

Arztbrief

(Auszug)

Frau Anneliese Kerber,

die sich von xx.xx.2020 bis xx.xx.2020

in unserer stationären Behandlung befand.

Diagnose/n:

Akute Lungenembolie bds.

- Segmentebene

-Beginn einer OAK

Ambulant erworbene Pneumonie

-DD infarktbedingt

-TI II mit schwergradiger pulmonaler Hypertonie

Akutes funktionelles, a.e. kardiorenales Nierenversagen

AKIN I

Arterielle Hypertonie

Demenz

Depression

………..

Anamnese eingeschränkt bei Demenz …

………….

(Unterschrift)

Sonntag, 19. Januar

Nach zehn Krankenhaustagen hatte ich Anne wieder bei mir, hatten wir uns wieder beieinander. In unserem kleinen „Appartement“, das mehr einer Studentenbude gleicht als einem Alterssitz.

Anne würde sich nicht mehr grundsätzlich von diesem „Ereignis“ erholen. Das war mir klargeworden. Die Traurigkeit wurde größer. Immer wieder hatte ich den weiten Blick in unsere ungewisse Zukunft vermieden. Doch unsere Zukunft drängte sich immer mehr in unsere Gegenwart.

Notiz

für behandelnde Hausärztin

Frau Dipl.-Med. K. M.

Entlassung aus dem Krankenhaus nicht wie angekündigt am Montag, dem 20.01.20, sondern am Sonnabend, dem 18.01.20.

Einschätzung

Entlassung aus Krankenhaus und Transport gut bewältigt.

Zu Hause neues Krankenbett = günstigere Lagerung, Versorgung, Pflege.

Aktueller Zustand: Nur noch ganz selten trockener

Reizhusten. Die Symptome, die vor dem Krankenhausaufenthalt auftraten, sind nicht mehr zu beobachten: Schweiß, Kurzatmigkeit usw.

Seit der Entlassung fast durchgehend Schlaf, auch am Tag. Ruhiger Nachtschlaf.

Große Mattigkeit. Keinerlei Bewegungsantrieb. Kraft zum Stehen und Bewegen gegen Null. Gehen auch mit Hilfe nicht möglich. Ausschließlich liegende Stellung. Stuhlgang und Urinieren in Toilettenstellung nicht möglich.

Essen in sitzender Stellung am Tisch nicht mehr möglich.

Wenig Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme.

Gesamtverhalten ruhig. Nach wie vor Abwehr von anfordernden Handlungen beim Waschen und bei der Körperhygiene u.a.

Gebe meine Frau nicht mehr in die Tagespflege oder in die Demenz-WG! Trotz anderer Auffassung der Leitung des Hauses.

Mit freundlichem Gruß

M. Kerber

Ehemann

Montag, 20. Januar – Mittwoch, 29. Januar

Gemeinsam mit einem uns freundschaftlich verbundenen Pfleger versuchte ich, Anne zu motivieren, sie wieder etwas „aufzubauen“, sie zu aktivieren. Das gestaltete sich immer schwieriger. Sie zog sich zurück, wurde gleichzeitig verbal und auch körperlich aggressiver. Schimpfworte mir gegenüber hatte ich in den langen Jahren unseres Zusammenseins noch nie von ihr gehört. Jetzt war ich für sie manchmal ein „A………“. Ich konnte ihr nicht böse sein! Das war die von ihr empfundene Hilflosigkeit in ihrer Situation.

Wie schwer können doch normale Dinge des alltäglichen Lebens werden: das Zähneputzen, der Toilettengang, das An-und Auskleiden, das Einnehmen des Essens, Treppen-steigen … All das erforderte von uns beiden zunehmend Kräfte und Geduld. Kraft auch im wortwörtlichen Sinne. Manches bis dahin Normale war nicht mehr möglich.

So geriet ich bei einer abendlichen Körperpflege in sehr große Schwierigkeiten. Ich war mit Anne im Bad. Sie verweigerte konsequent das Zähneputzen. Ich redete ihr mehrmals gut zu. Da ließ sie sich einfach zu Boden fallen. Mit Mühe verhinderte ich einen schweren Sturz. Mir gelang es aber nicht mehr, sie aufzurichten und ins Bett zu bringen. Ich musste Hilfe holen. Zum Glück fand ich sie schnell. Dazu musste ich aber kurzzeitig das Bad und die Wohnung verlassen. Eine risikovolle Situation!

Zwei, drei Pflegerinnen und Pfleger versuchten, uns nach besten Kräften und über das Maß ihrer Aufgaben hinaus zu helfen. Sie gerieten aber durch ihre straffen Arbeitsablaufpläne schnell in Zeitnot. Je intensiver die Pflegeanforderungen werden, desto weniger gehören die damit wachsenden Aufgaben zu den Pflichten des Pflegepersonals im Betreuten Wohnen. So erlebte ich das in meinem und Annes konkreten Fall. Da kann man als Hilfebedürftiger sehr allein sein!

„Betreutes Wohnen ist kein pflegendes Wohnen! Wir sind kein Pflegeheim!“ So wurde mir das einige Male mehr oder weniger direkt bedeutet. Und: „Da müssen Sie eben die Feuerwehr rufen!“ Ob dies notwendig und zweckmäßig sei, das kann der Betroffene oder der ihn pflegende Angehörige meist nicht einschätzen.

Zum Glück für Anne und mich trafen wir bei einigen Pflegekräften auf ein Denken und Handeln, das im Notfall auf ein sofortiges und zweckmäßiges Helfen ausgerichtet war. Da wurde nicht gefragt, ob eine Hilfeleistung im Pflegeplan vorgesehen war und abgerechnet werden könne. Aber die Pflegerinnen und Pfleger stehen unter einem strengem Zeitregime im Minutentakt. Im herzlosem Minutentakt!

Ich versuchte, allem gerecht zu werden! Ausgangspunkt: Hilfe und Erleichterung für meine LebensLiebste. Fing auch an zu managen. Führte zum Beispiel ein Verlaufsprotokoll. Musste doch bei den sich dramatisch verändernden Situationen auskunftsfähig sein! „Nicht den Kopf verlieren!“ schärfte ich mir immer wieder ein. „Überblick behalten! Sachlich und ruhig bleiben!“ Letzteres war bei zugespitzten Umständen wichtig. Aber auch besonders schwierig.

Verlaufsprotokoll

geführt von Malte Kerber (Ehemann)

Auszug: 20. – 29. Januar

20.01.

Abstimmung mit Hausärztin Frau Dipl.-Med. K. M.

über weiteres Vorgehen.

Abstimmung mit Pflegeteamleiter S. dito.

21.01.

Versuch Tagespflege. Unter den gegebenen schlechten Ausgangsbedingungen nimmt sie die dortige Betreuung und Beschäftigung schlecht an. Nach der Tagespflege ist sie sehr erschöpft und müde. Deshalb nachmittags bis abends Schlaf. Ich breche die Tagespflege bis auf weiteres ab.

22.01.

Versuch der Aktivierung und des eigenständigen Handelns: beim Essen, bei der Körperpflege u.a. Teilweise starker Widerstand, manchmal handgreiflich, häufig verbal.

Schimpfworte.

24.01.

Heute mein 84. Geburtstag. Nicht wichtig. Keine Beachtung! Von Annes Kinder kommen keine Gratulationen oder Nachfragen. Ausfahrt im Rollstuhl. Großer Aufwand.

Krafteinsatz für mich grenzwertig.

25.01.

Anne hat Schwierigkeiten beim Essen. Ausspucken fester Nahrung: Brotrinde, Apfelstücke, Wurst usw.

Schluckbeschwerden. Tabletteneinnahme nur noch nach Zerkleinerung der Tabletten und deren „Verflüssigung“.

27.01.

Notwendigkeit der Urinuntersuchung nach Blasenkatheterisierung im Krankenhaus. Abstimmung mit der behandelnden Urologin über weiteres Vorgehen. Frau Dr. H. sehr, sehr freundlich und hilfsbereit.

28.01.

Anne zeigt ausgeprägte Widerständigkeit bei allen Beanspruchungen: Essen, Körperpflege, Bewegung,

An- und Ausziehen. Verstärkung der verbalen Attacken.

Nachmittags: Beginn Physiotherapie. Versuch der körperlichen Aktivierung. Der Physiotherapeut kommt in unsere Wohnung. Erste Übungseinheit. Anne leistet starken Widerstand. Der Therapeut gibt schnell auf. Versuch nicht gelungen.

29.01.

Mit Anne zur Visite bei Hausärztin Frau Dipl.-Med. K. M. Abstimmung über das weitere Vorgehen. Die Hausärztin sehr konzentriert, strahlt Ruhe aus. Anne merkt das.

Donnerstag, 30. Januar – Sonnabend, 22. Februar

Ein Tag wie der andere. Eine Woche wie die andere. Nein! Jeder Tag anders! Jede Woche anderes! Zugleich nahm die Gleichförmigkeit zu. Eine gewisse Routine stellte sich ein. Doch die Schwierigkeiten wurden sprunghaft größer.

Immer wieder neue Überraschungen! Meine Müdigkeit nahm zu! Erschöpfung! Bei uns beiden, bei Anne und auch bei mir. Hilfe von „draußen“ kam kaum. Annes Kinder? Sie kümmerten sich nach wie vor nicht. Nur seltene Kurzbesuche. Sporadisch und nicht abgestimmt. So dass sie keine Hilfe waren. Eher zu zusätzlichen Belastungen führten.

Ich versuchte immer wieder, mit Anne an die frische Luft zu kommen. Die Rollstuhlspaziergänge im februargrauen Park Friedrichshain brachten keine Positivschübe. Bei uns beiden nicht. Die Rückkehr in die Matthiasgärten über die lärmerfüllte und autodurchtoste Landsberger Allee für uns beide deprimierend.

In der Wohnung ruhte Anne nur noch im Krankenbett. In ihrem bequemen Sessel wollte sie nicht mehr Platz nehmen. Die einzige Abwechslung für sie: Ich spielte immer wieder CD-gespeicherte Volksmusik ab. Wir verfügen über eine stattliche Anzahl dieser Folkmusik-Scheiben und auch gute Wiedergabegeräte. Ich hatte noch einen zusätzlichen Player gekauft und im Schlafzimmer angeschlossen.

Was mich anbetraf: Ich kam nicht mehr zum Fernsehen, noch nicht einmal mit den abendlichen Nachrichten-sendungen klappte es. Auch das Lesen (Zeitungen, Bücher) musste ich einstellen. Nicht nur aus Zeitgründen. Meine Sehkraft nahm zusehends ab. Der Aufwand für die Körperpflege von Anne, für die Wäsche, für die Hygieneabsicherung, die Tablettierung und die Tabletteneinnahme sowie anderes Unumgängliches wurde immer größer.

Der Tag begann für mich um 05:00 Uhr. Um 21:00 Uhr nahm ich in meinem Bett zu Füßen Annes die ersehnte Schlaflage ein. Hoffte immer auf einen ruhigen ungestörten Schlaf. Vergebens! Im Verlaufe der Nacht lauerten fünf oder sechs Unterbrechungen. Anne musste zum Beispiel regelmäßig umgelagert werden, damit es durch das lange Liegen nicht zu Hautschädigungen kommen würde.

Sonntag, 23. Februar

Anne hatte Geburtstag. 80 Jahre wurde sie alt. Fast nicht zu begreifen für mich! Mein kleines Annchen! Mein kleines Annchen! Vor vier Jahren waren wir noch über das Rothaargebirge und den Westerwald gewandert!

Es konnte aus diesem schönen Anlass keine große Geburtstagsfeier stattfinden. Anne und ich, wir wären damit überfordert gewesen. Enkelin Theresa, ihre Familie sowie ich, wir bemühten uns um ein kleines liebevolles Feiern.

THERESA also: Am Anfang des dritten Lebensjahrzehnts. Eine lebensgeprüfte junge Frau. Zwei Kinder. Mädchen:

Ieke-Hedda: zehn Jahre alt,
Irma: letztes Kindergartenjahr.

Eine zukunftsträchtige Ehegemeinschaft mit dem Partner Dennis war über Jahre gewachsen. Beruf: Tischlergesellin. Tätigkeiten: vorwiegend im sozialen Bereich, noch auf der Suche nach einer langfristigen Lösung.

Theresa hatte im Leben von Anne und mir immer eine besondere Rolle gespielt. Wir spielten in ihrem Leben ebenfalls immer eine besondere Rolle. Wir drei spielten in unseren Lebens-Stücken unsere Rollen auf Höhen und in Tiefen. Aber die Liebe zueinander und die auch die Hilfe füreinander ist uns nie verlorengegangen. So wären wir, Anne und ich, in den zurückliegenden Jahren ohne Theresas Hilfe kaum oder noch schwerer durch die Prüfungen gekommen, die uns diese (verdammte!) Krankheit in den Lebensweg stellte. Es war oft berührend, wie selbstverständlich und liebevoll auch ihr Dennis und die beiden Mädchen sich auf die Oma einstellten. So auch bei dieser Geburtstagsprüfung.

Die junge Familie bereitete sich sehr liebevoll auf die Gratulation für ihre kleine Oma vor. Theresa buk mit den Mädchen einen richtigen schönen und vor allen Dingen einen großen Butterstreusel-Kuchen auf dem viereckigen Kuchenblech. Ein Geburtstagslied wurde einstudiert. Nicht das ein wenig langweilige „Happy birthday to you“, sondern ein besonders schönes Lied mit mehreren Strophen. Auch der nicht sehr stimmfreudige große Papa Dennis musste sich mit der Melodie und dem Text auseinandersetzen. Und Ieke-Hedda, die Zehnjährige, dichtete ein Gedicht speziell für die Oma und zu ihrem 80. Geburtstag.

Drei der Kinder von Anne erschienen am späten Vormittag zum Geburtstagsbesuch. „Auf eine Tasse Kaffee und einige Selfies“, wie sie sich angekündigt hatten. Sie saßen bei ihrer Mutter und versuchten sich an einer Unterhaltung mit ihr. Dann betraten die Heinzelmänner mit ihrem großen Kuchen und mit Blumen die Szene, stimmten das Geburtstagslied an. Ieke sagte fein und artig ihr Gedicht auf.

Ich bin ja der festen Überzeugung, dass Ieke ein Talent ist. Sie hat ein poetisches Gespür! Da schlummert etwas und lässt sich schon manchmal blicken. In ihrem kleinen Oma-Gedicht kann man es erkennen. Und sie hat auch Freude daran, etwas vorzuführen. Hoffentlich kann ich es noch lange miterleben!

Auf diese liebe Art hatten sich die Heinzelmänner auf den Geburtstag vorbereitet. Ich versuchte am Morgen und frühen Vormittag, Anne auf ihren Ehrentag einzustimmen. Sie war wohl auch ein wenig frohgestimmt und gespannt.

Gedicht für Oma

Oma ist ´ne Oma, die man nicht,

nicht lieben kann!

Sie will einem durchkuscheln

und am liebsten die Haare noch verwuscheln,

denn sie ist nicht wie andere Omas.

Oma, das versichere ich dir,

ist anders als die anderen.

Sie ist nett, verkuschelt und liebt es zu singen,

wenn du das hörst,

dann werden dir die Ohren klingen.

Heute hat sie ihren

80. Geburtstag

und ich wünsche ihr alles Gute!

Ieke-Hedda

Die Heinzelmänner umarmten und drückten ihre liebe Oma.

Die Großen von Anne beobachteten das kleine Treiben – angenehm oder nicht angenehm berührt? Sie verabschiedeten sich bald, überstürzt wie mir schien. Für die beiden kleinen Mädchen gab es kein freundliches Wort. Für deren Eltern nur ein Kopfnicken.

Zur Freude von Anne hatte es ihr Jüngster Steffen geschafft, sich von seinem Dorf bei Bremen mit dem Auto nach Berlin durchzuschlagen.

Nachmittags waren Anne und ich wieder allein. Sie schlief bis in den Abend hinein …

24. Februar – 29. Februar

Während der folgenden Tage verschlechterte sich der Zustand meiner Liebsten weiter. Der Aufenthalt in der Tagespflege brachte keine positiven Ergebnisse mehr. Eine junge Pflegerin dort bemühte sich besonders liebevoll um Anne. Auch die „Jungs“ von der Tagespflege. Einer von ihnen spielte Anne regelmäßig einen Tanzbären vor, so dass sie lachen musste. Wenn ich es beobachtete, war mir immer zum Weinen zumute.

Sonntag, 01.März

Vorbereitung auf den komplizierten morgigen Tag. Für mich war schon lange eine ambulante Augenoperation geplant worden: Linsenauswechslung. Grüne Stare hatten sich auf meine beiden Augen gesetzt. Das kann mit der Zeit zu ernsthaften Einschränkungen des Sehvermögens führen, wie mir von meiner Augenärztin bedeutet worden war. Sogar Blindheit drohe, las ich im Schlaumeier Wikipedia. Und weiter: Durch den medizinischen Fortschritt könne man heute sehr erfolgreich gegen diese Gefahr vorgehen, sie sogar bannen. Linsenauswechslung das Zauberwort. Weiter war zu lesen: Dauer der Operation etwas zwanzig Minuten, Heilungsdauer drei bis sieben Tage. Komplikationsrisiken insgesamt sehr gering.

Bekannte und Freunde, die über diesbezügliche praktische Erfahrungen verfügten, versicherten mir darüber hinaus, dass alles nur ein Spaziergang sei. Positive Ergebnisse garantiert! Folglich hatte ich der OP zugestimmt und mich durch Aufklärungsgespräche und Voruntersuchungen darauf vorbereitet.

Die Operation des linken Auges sei nun angesagt, teilte mir meine Augenhelferin Frau Dipl.-Med. S. mit. Der Termin stände fest, und die Augenklinik sei bereit für den Eingriff. Die Sache musste also angegangen werden, obwohl mir das alles und das Drumherum im Zusammenhang mit meinen Betreuungsaufgaben für Anne gar nicht passte.

Mit Hilfe der guten Freundin Gisela W., einer Mitbewohnerin im Betreuten Wohnhaus Matthiasgärten, konnte für die Stunden meiner Abwesenheit die Betreuung und Versorgung von Anne abgesichert werden. Enkelin Theresa würde mich mit ihrem Auto in die Klinik und wieder zurück in die Landsberger Allee fahren.

Montag, 02. März

„Herr Kerber, Herr Kerber, wachen Sie auf! Die OP ist schon vorbei!“ Eine Schwester rüttelte sanft, aber eindeutig auffordernd an meiner Schulter. Sie half mir beim Aufstehen von der Liege und brachte mich zum Augenärztin, die mich operiert hatte. Diese teilte mir zu meiner Überraschung mit: „Herr Kerber, Sie sind jetzt ein Risikopatient!“ Ich erfuhr weiter, dass die OP misslungen sei. Dieses Wort verwendete die Operateurin allerdings nicht. Sie beschrieb das negative Ergebnis ihres Tuns, ich verstand nicht viel von ihren Worten. Wegen fehlender Sachkenntnis und weil ich von der Narkose noch etwas vernebelt war.

Trotzdem erfasste ich den Ernst der Situation, da ich auf dem linken operierten Auge nichts mehr sah. Absolute Funk- bzw. Sehstille herrschte dort! Einen bedauernden oder mitfühlenden Ton hörte ich bei den Ausführungen der Kollegin von der Augenreparatur nicht heraus.

Weiter erfuhr ich, dass man mit einiger Mühe für mich in einer renommierten Augenklinik einen Sofortplatz besorgt hätte. Allerdings könne ich erst am folgenden Tag dort einziehen, da die Aufnahmekapazitäten für heute erschöpft seien. Ich solle also in Begleitung nach Hause fahren und mich am folgenden Tag sofort und ohne Umwege in die genannte Klinik begeben. Eine weitere Operation mit anschließendem Krankenhausaufenthalt sei einzuplanen.

Ich versuchte, keine Panik aufkommen zu lassen. Theresa brachte mich zurück in die Matthiasgärten. Den Rest des Tages konnte ich nicht, wie mir angeraten worden war, in Ruhe verbringen. Wir mussten die Betreuung von Anne für meiner Abwesenheit organisieren. Theresa, der leitende Pfleger S. und die Freundin Gisela W. halfen, einen Notfallplan aufzustellen.

Gut war, dass sich Steffen, der jüngste Sohn Annes aus erster Ehe, bereit und in der Lage sah, sofort aus dem Hohen Norden Deutschlands herbeizueilen, um bei seiner Mutter zu sein. Diese freute sich sehr, ihren Jüngsten bei sich zu haben.

Dienstag, 02. März – Sontag, 08. März

Urplötzlich war ich Notfallpatient geworden und musste die nächsten acht Tage in einer Augenklinik verbringen. Dort am Anfang eine zweite Große Operation. Das Ergebnis: Nach einer Woche setzte der Heilungsprozess ein. Allerdings sehr zögerlich. Unmittelbar nach der Großen OP sah ich mit dem linken Auge nur schwarz, dann dunkelrot. Nach einigen Tagen erkannte ich wenigstens, dass mir der Oberarzt mit seiner Hand vor dem Gesicht herumwedelte. Aber mein linkes operiertes Auge tat mir fast keine Seh-Dienste mehr. Da das rechte Auge ebenfalls zunehmend altersschwach geworden war …

Die Folgen: starke Einschränkungen des Sehens, Handlungsunsicherheiten, Orientierungsprobleme. Dem Lesen war ich also durch die Operationen nicht nähergekommen. Genauer: Ich konnte nicht mehr lesen! Ich konnte nicht mehr lesen!

Die Betreuung von Anne während meines Krankenhausaufenthaltes hatten Enkelin Theresa und vor allem Sohn Steffen übernommen. Dieser hatte sich in unserem süßen Apartment einquartiert. War also Tag und Nacht direkt bei seiner Mutter. Er umsorgte sie mit Liebe und Sachkenntnis. Es zahlte sich aus, dass er über umfangreiche berufliche Erfahrungen im pflegerischen und versorgenden Bereich verfügt. Seine Mutter genoss es sichtbar, ihren Jüngsten bei sich zu haben. Auch die älteren Damen des Hauses waren von dem jungen etwa fünfzigjährigen Mann begeistert, wie sie mir im Nachhinein erzählten. Ich war Steffen sehr dankbar, was ich mehrfach eindringlich zum Ausdruck brachte. Nun also konnte ich nach zehn Tagen aus der Augenklinik entlassen werden. An einem Sonntag! Ach ja, einen Arztbrief bekam ich auch mit.

St. Georgen-Krankenhaus

Augenheilkunde

xx.xx.2020

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Litres'teki yayın tarihi:
23 aralık 2023
Hacim:
225 s. 9 illüstrasyon
ISBN:
9783969405369
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