Kitabı oku: «Blutige Maiglöckchen zum Hochzeitstag», sayfa 2
Der gewaltige Schock traf die Gemeinschaft zutiefst. Mit einem Schlag hatte der Mörder fast zwei Drittel der Kibutz-Nachkommenschaft vernichtet oder schwer verletzt. Untröstlich die Eltern der Getöteten, schwer traumatisiert jene der Verletzten. Verständliche Rachegefühle wurden geweckt, und während eines nächtlichen bewaffneten Überfalls auf ein unweit gelegenes syrisches Dorf auf dem Golan, in dem sich auch ein PLO-Stützpunkt versteckte, gelang es, fünf weitere dieser Terroristen unschädlich zu machen. Aber auch dies konnte das junge verblutete Leben nicht zurückbringen. Lilith musste drei Monate in einem Nervensanatorium verbringen, um über ihre schwere Depression hinwegzukommen. Als begleitende Therapie begann sie wieder die Flöte zu spielen, was ihr schon als Kind in Bolivien und danach während ihrer Hamburger Gymnasialzeit so viel Freude bereitet hatte. Das vom längst verstorbenen Familienfreund Onkel Suhl stammende Instrument hatte sie während ihrer Auswanderung nach Israel begleitet, ohne dass sie bisher hier dazu gekommen war, ihr vormals so geschätztes Hobby weiter zu betreiben.
Mit der Zeit schwand allmählich der tiefe Elternschmerz über den grausamen Verlust und es stellte sich mit dem Lauf der Jahre wieder ein gewissermaßen normaler Alltag ein. Als dann 1972 Lilith schon fast achtunddreißig Jahre alt war, schenkte sie Rubén eine Tochter, die sie Nili nannten. Bald danach schlug abermals das grausame Schicksal zu: Israel war nach den vergangenen für sie erfolgreich beendeten Kriegen fatalerweise gegenüber den unterlegenen Feinden zu hochmütig geworden und wog sich in einer unheilvollen, falschen Sicherheit. Während des Jom-Kippur-Krieges im Herbst 1973, der den Staat für einen Moment an den Rand des Untergangs brachte, fiel Rubén bei einem schweren Artillerieangriff der Syrer, die danach trachteten, ihre im Sechstagekrieg von 1967 eingebüßten Golanhöhen zurückzuerobern. Der simultan ausgeführte ägyptischsyrische Überfall, der gerade am heiligsten jüdischen Feiertag begann, wurde nach tagelangen Kämpfen im Sinai und am Golan mit äußerst hohem und bitterem Blutzoll zurückgeschlagen und endete abermals mit der militärischen Niederlage der heimtückischen Angreifer. Der Kibutz Halonim wurde dabei schwer getroffen, Liliths langjähriges Aufbauwerk, ihre Hühnerstallungen im Lul, wurden Opfer der feindlichen Granateneinschläge. Oliver holte kurz danach seine abermals traumatisierte und nun verwitwete Schwester samt der gerade einjährigen Nili zu sich nach Oldenmoor, wo sie von da an verblieben.
*
Das Bremsen des Taxis unterbricht abrupt Waldis Gedankenfluss. Nachdem er bezahlt hat, steigen er und Nili aus und gehen ins Haus. Es ist eher selten, dass das Paar ein Wochenende hier verbringt, denn wann immer es ihnen möglich ist, genießen sie ihre Freizeit im Onkel Suhls Haus – Nilis Familiensitz – in der Elbmarschenkleinstadt Oldenmoor. Es ist nach jenem lieben Familienfreund benannt, der es ihren Großeltern zur Hochzeit vererbte und in dem nun Nilis Omi, Abuelita Clarissa, und ihre Mutter, Ima Lissy, wohnen.
Das Marineviertel in Kiel-Ravensberg ist ein Wohngebiet, das in den Zwanziger- und Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts vor allem für Angehörige der Reichsmarine und ihre Familien entstand. Es besteht aus einigen Reihen sehr ansehnlicher und mit schönen Ornamenten verzierter, offensichtlich immer noch mit Liebe erhaltener Häuser. Waldis Großvater, Leutnant zur See Rudolf Mohr, zog dort mit seiner frischgebackenen Ehefrau Waltraut kurz vor der NS-Machtergreifung ein. Er verstarb im Dezember 1939 auf dem Panzerkreuzer Graf Spee bei der Seeschlacht am Rio de la Plata vor der Küste Montevideos durch einen Kanonentreffer des britischen Gegners. In diesem Hause wurden Walters Vater sowie dessen beide Schwestern geboren, die nach ihrer Heirat wegzogen. Waldi, einziger Sohn des Ehepaars Reiner und Irmi Mohr, wuchs hier auf und besuchte sowohl die Grundschule als auch das Gymnasium bis zum Abitur. Nach dem Studium erwarb er seinen Doktortitel in Politikwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, bevor er beim Landeskriminalamt in den gehobenen Polizeidienst eintrat. Er verdiente sich die ersten Sporen bei der Drogenfahndung und avancierte zu deren Leiter.
Der meist in einen edlen Anzug aus Harris-Tweed gekleidete, gut aussehende und gerade zweiundvierzig Jahre alt gewordene stattliche Herr mit seiner leicht grau melierten lockigen Haarmähne, der altmodisch wirkenden vernickelten Brille und seinem gepflegtes Kinnbärtchen, mutet wohl eher wie ein Gelehrter als wie ein gehobener Beamter des Landeskriminalamtes an. Wegen nachgewiesener guter Führungseigenschaften wurde Waldi Ende des vorigen Jahres zum Ersten Kriminalhauptkommissar befördert, amtiert zudem als stellvertretender Leiter und ist somit Nilis direkter Vorgesetzter im Dezernat SG212 – Organisierte und Rauschgiftkriminalität –, in dem sie ihr Team von drei Mitarbeitern für besondere Sonderermittlungen befehligt.
Nachdem sein Vater und nur wenig später vor vier Jahren seine Mutter gestorben war, wurde das geräumige Elternhaus zweigeteilt. Für sich selbst beansprucht Waldi das Erdgeschoss, in dem es neben dem gemütlichen, noch aus Opas Zeiten eingerichteten Salon mit Kamin und dem Schlafzimmer nur noch einen weiteren Raum gibt, in dem er sein Arbeitszimmer eingerichtet hat. Die altehrwürdige Küche sowie das Badezimmer stammen räumlich noch aus der ursprünglichen Bauzeit und wurden anlässlich des stattgefundenen Umbaus zeitgemäß umgestaltet. Das neu entstandene Apartment im Obergeschoss ist – nach entsprechendem Um- und Einbau von Küche und Badezimmer – an den Kollegen Lutz Krause vermietet, seit Kurzem zum Ersten Kriminaltechniker im jüngst gegründeten Kriminaltechnischen Institut im LKA avanciert, der es mit seiner Frau Marion und den Teenagern Jan und Tim bewohnt.
Nili, ehemalige Oberkommissarin von der Polizeidienststelle in Oldenmoor, und Waldi, der damalige Leiter der Drogenfahndung, lernten sich anlässlich eines brisanten Falles kennen, bei dem sie dank ihrer fließenden englischen, spanischen und Iwrith-Sprachkenntnisse von Oberstaatsanwalt und LKA um Unterstützung bei der Befragung der festgenommenen Täter gebeten worden war. An einigen weiteren Ermittlungsfällen arbeiteten die beiden gelegentlich sehr gut zusammen und kamen sich dabei allmählich nahe; vor einigen Monaten gingen sie eine innige und äußerst harmonische Beziehung ein. Von einem gemeinsamen Heim oder gar von Heirat war bis heute allerdings noch nicht die Rede, wohl weil sie neben der täglichen Zusammenarbeit stets ihre Freizeit gemeinsam gestalten, sobald sich hierfür eine Gelegenheit bietet.
Nach einer eiligen Dusche vereinigt sich das Paar im zärtlichen Liebesspiel, das sie bald bis zur wonnigen Sinnesekstase bringt. Völlig ermattet sinkt Nili danach in die Arme des Geliebten und sie fallen in enger Umarmung bald danach in tiefen Schlaf.
Tot aufgefunden
»Weibliche Leiche, Körpergröße einhundertachtundsechzig Zentimeter, geschätztes lebendes Körpergewicht etwa achtundsechzig Kilo, vermutliches Alter zwischen dreißig und fünfunddreißig Jahre, dunkelblondes Haar, blaue Augen. Zahngebiss bis auf zwei fehlende Weisheitszähne vollständig; massive prämortale Hämatome im Gesicht sowie an Oberkörper und Extremitäten. Sie muss des Öfteren heftig geschlagen worden sein. Auch das Nasenbein scheint gebrochen. Außerdem zeigen die Hämatome an den Handgelenken, dass sie gefesselt gewesen sein muss. Daran ist sie aber nicht gestorben. Nach einem massiven Schädel-Hirn-Trauma, das entweder von einem stumpfen Gegenstand am Hinterkopf oder vielleicht von einem heftigen Sturz herrührt, verstarb sie an der anschließenden epiduralen Blutung – so bezeichnet man medizinisch eine innere Verblutung im Hirn – etwa ein bis zwei Stunden nachdem man ihr diese Verletzung zugefügt hat. Die Frau wurde schätzungsweise ungefähr sechs Stunden nach dem Todeseintritt an diesen Ort gebracht und unbekleidet in einer Mulde im Waldboden abgelegt, dann notdürftig mit etwas Erde, Laub und Reisig abgedeckt, sodass der Leichnam sehr rasch von den herumstöbernden Wildschweinen aufgespürt und vier Finger von dessen rechter Hand fast vollständig abgebissen wurden. Auch der Unterarm wurde teilweise angefressen.«
Der jüngere Arzt, der von den Polizeibeamten zur Leichenschau angefordert wurde und den Bericht diktiert, richtet sich auf: »Ich darf mich vorstellen: Assistenzarzt Finn Engelmann, zurzeit Doktorand bei Professor Christoff Klamm, Leiter des Gerichtsmedizinischen Instituts an der Kieler Universitätsklinik, der mich an seiner Stelle zu diesem Leichenfundort beordert hat.«
»Vielen Dank, Herr Engelmann, das war recht umfangreich und reicht uns für den Augenblick.« Kriminalrat Harald Sierck, Leiter der Mordkommissionen von der Kieler Bezirkskriminalinspektion Blumenstraße, nickt anerkennend angesichts der umfassenden Angaben.
»Was meinen Sie, Breiholz, noch Fragen an den Herrn Doktor?«, erkundigt er sich bei seinem Begleiter.
»Nett gemeint, aber bitte keine vorzeitige Promotionsverleihung, Herr Kriminalrat«, interveniert der Assistenzarzt. »Die Doktorsporen muss ich mir erst noch erarbeiten, und ich befürchte, das wird noch ein Weilchen dauern«, scherzt er.
Kriminaloberkommissar Sascha Breiholz grinst. »Nur keine falsche Bescheidenheit, Doc. Das, was wir soeben von Ihnen zu hören bekamen, hätte Ihr verehrter Herr Professor auch nicht besser vortragen können. Aber eine Frage hätte ich noch: Können Sie schon jetzt abschätzen, wie lange die Leiche hier liegt?«
»Die letzte Nacht war sehr kalt und die Leiche unbekleidet. Beides macht es mir nicht unbedingt leicht, Ihre Frage genau zu beantworten. Dennoch, da die Totenstarre vollständig ausgeprägt ist, trat der Exitus schätzungsweise vor etwa vierundzwanzig bis dreißig Stunden ein. Wie gesagt, die livores mortis – also die Leichenflecken«, ergänzt er beflissen auf den plötzlichen stirnrunzelnden Ausdruck des Fragenden, »deuten auf etwa sechs Stunden danach, da die Leiche offensichtlich für den Hertransport vollkommen umgelagert wurde. Demnach schätze ich grob, circa achtzehn bis vierundzwanzig Stunden. Einen genaueren Todeszeitpunkt erfahren Sie dann im Obduktionsbericht.«
Steffi Hink, die gerade hinzugekommene Kollegin der Moko, rechnet zurück.
»Das würde bedeuten, dass die Tat in der Nacht vom letzten Mittwoch zum Donnerstag begangen und die Leiche gestern am sehr frühen Morgen hier deponiert worden sein muss.«
Der Leiter der Mordkommission nickt zustimmend.
»Danke, Herr Engelmann, das hilft uns erst einmal. Grüßen Sie den Herrn Professor von uns.«
»Ich darf mich dann verabschieden, wünsche Ihnen noch einen schönen Tag«, murmelt der Arzt im Gehen.
Harald Sierck ruft hinüber zu den Kollegen der SpuSi: »Wie weit seid ihr vom KTI? Kann die Leiche in die Gerichtsmedizin?« Er deutet auf die beiden Männer in grauen Anzügen, die in der Nähe mit ihrem geöffneten Metallsarg in Wartestellung sind.
»Kann sie abtransportiert werden?« Der angesprochene erste Kriminaltechniker Lutz Krause wendet sich ihnen zu und zeigt mit dem Daumen nach unten. Er ruft etwas Unverständliches zu einer weiteren, in einen weißen Schutzanzug gekleideten schlanken Figur, die sich daraufhin in ihre Richtung in Bewegung setzt.
»Guten Morgen, Herr Kriminalrat, Kollegen! Annegret Prinz. Ich bin die Fallanalytikerin vom KTI. Wir müssen noch ein wenig den Boden um die Leiche herum untersuchen, bevor wir sie abheben. Überlassen Sie bitte alles Weitere uns, wir geben dann den Leuten für die Überführung in die Gerichtsmedizin Bescheid, wenn es so weit ist!«
Die drei Kripobeamten beäugen ein wenig verwundert den nahezu asketischen Gesichtsausdruck der erst kürzlich ins Team gekommenen Spezialistin der Spurensicherung.
»In Ordnung, Frau Prinz, dann machen wir uns hier vom Acker. Kommt, Leute, es gibt Arbeit!«, fordert der Kriminalrat seine beiden Kriminaloberkommissare auf, die der Kriminologin, die neuerdings als zuständige Teamkoordinatorin für Operative Fallanalyse am Kriminaltechnischen Institut amtiert, kurz zunicken, um sogleich ihrem Chef zum Dienstwagen zu folgen.
*
Sein mehrfaches Klingeln bringt keinen wahrnehmbaren Erfolg, deshalb trommelt Lutz Krause so laut er kann an Waldis massiver Wohnungstür. Dann versucht er es abermals mit wiederholten, kurz unterbrochenen Klingelzeichen. Endlich scheint sich in der Wohnung etwas zu bewegen. Ein verschlafenes weibliches Gesicht erscheint an der nur einen Spaltbreit geöffneten Eichentür. Lutz kann sich ein breites Lächeln nicht verkneifen.
»Wohl spät geworden gestern, ihr Schlafmützen?«
»Ist ja unmenschlich, Leute so ungestüm mitten in der Nacht zu wecken, du Unhold!«, vermag ihm Nili mit einem Gähnen entgegenzuhalten.
»Was heißt hier Mitternacht? Es ist bereits halb elf am Vormittag und dazu noch ein Scheißwetter draußen, aber ihr sollt trotzdem zu uns zum Brunch heraufkommen! Marion wartet schon sehnsüchtig auf dich, Nili, sie hat bereits alle Zutaten für die Katiuschka parat – oder wie das Zeug heißt, für das sie dein Rezept bekommen hat. Die soll gleich ausprobiert und zusammen mit dir gebrutzelt werden. Also, was ist? Schafft ihr es heute noch aus den Federn?«
»Lieb von euch! Klar, Lutz, wir kommen gern. Aber eine schnelle Dusche müsst ihr uns noch zubilligen. Das Gericht heißt übrigens Shakshouka und ist sehr lecker, wirst schon sehen! Gib uns bitte zwanzig Minuten, ja?« »Okay, aber keine Minute länger, damit das klar ist – ich sterbe nämlich vor Hunger!«
Etwa eine halbe Stunde danach stehen die beiden Frauen am Herd. Nachdem das Tomaten- und Paprikagemüse, vermischt mit Chilischoten, Zwiebel- und Knoblauchscheiben, die halbierten Oliven und Kabanossiwürfel in den beiden Pfannen in heißem Olivenöl gut durchgeschmort sind, macht Nili darin die Mulden für die sechs Setzeier frei, und nachdem diese darin vorsichtig deponiert wurden, erhält jede Pfanne einen Deckel und die Herdplatten werden ausgeschaltet.
»Nun sollen die Eier etwa fünf Minuten lang poschieren, dann ist die Shakshouka5 fertig!«, verkündet Marion verheißungsvoll.
»Wird auch wirklich Zeit, Mama, mein Magen knurrt schon ziemlich laut!«, raunt Tim, der jüngste Sohn der Krauses, scherzend. Tims Bruder Jan, ihr Vater Lutz und Waldi sitzen ebenso ungeduldig harrend am Tisch in der Wohnküche.
Lutz greift nach dem Korb mit den Brötchen und reicht ihn herum. »Du könntest uns schon mal den Kaffee einschenken, junger Mann!«
Tim, der nach seinem Fachabitur vor einigen Monaten eine Lehre als Mechatroniker bei den Lübecker Drägerwerken angetreten hat und bisweilen nur das Wochenende ›bei Muttern‹ genießt, steht grienend auf und folgt der Aufforderung. »Bist ja ebenso schlimm wie mein Meister, Vadder! Für den muss ich auch dauernd was holen!«, beklagt er.
»Mach dir nicht ins Hemd, Kleiner!«, witzelt Jan. »Jammern gilt nicht! Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre, das is ’ne alte Weisheit, nicht wahr, Vater?«
»Und du mach dich nicht so wichtig, mein Großer«, ermahnt ihn die Mutter. »Noch bist du kein Herr Professor!« Grinsend droht sie ihm mit dem Pfannenheber. »Holt man schon die Teller heran, damit wir Nilis leckerere Kreation auf den Tisch bringen können!«
Jan macht eine duale Ausbildung: Weil er in die Fußstapfen des Vaters treten möchte, belegt er neben seiner bereits fast abgeschlossenen Lehre als chemischer Labortechniker in Kiel ein Fernstudium am Institut für Kriminologie an einer privaten Hochschule in Berlin. Sein Ziel ist der Bachelor-Abschluss.
»Wie auch immer, Nili, das Warten hat sich wirklich gelohnt, deine Katiuschka schmeckt wirklich hervorragend!«, lobt Lars und schmatzt bewusst laut.
Alle lachen und stimmen ihm zu.
»Ich will mich ja nicht mit fremden Federn zieren«, klärt Nili auf, »aber das Rezept für die Shakshouka habe ich von unserer Habiba bekommen und sie hat uns damit schon des Öfteren verwöhnt.«
»Hat keinen Sinn, Lars zu korrigieren«, stellt Waldi grinsend fest. »Du musst dich damit abfinden, Nili, dass dein famoses Gericht soeben unwiderruflich umgetauft wurde!«
Als sie sich alle satt gegessen und ausreichend Kaffee dazu getrunken haben, der Tisch abgeräumt und Geschirr samt Besteck in die Reinigungsobhut der Spülmaschine übergeben wurden, gehen die Erwachsenen hinüber ins Wohnzimmer, um ein gemütliches Plauderstündchen als Ausklang zu genießen. Die beiden jungen Leute ziehen sich in ihre Zimmer zurück, der Ältere, um zu lernen, sein Bruder, um am PC zu spielen.
Nachdem Waldi und Nili abwechselnd von der gestrigen Feier berichtet haben, bemerkt Lutz: »Wir hatten’s nicht so behaglich wie ihr beiden!«, und erzählt von dem Leichenfund im Forst. »Das war ganz schön hübsch hässlich, würde unser seliger Father Brown alias Heinz Rühmann bei einem solch grausigen Anblick bemerkt haben. Mit der düsteren Erscheinung von durch Gewaltverbrechen Getöteten musste ich mich ja inzwischen wohl oder übel abfinden, aber diese da, die hat mich total schockiert. Nicht nur, weil sie schon von Wildschweinen angefressen war, sondern vielmehr weil Gesicht und Oberkörper des Opfers total verunstaltet waren. Wer auch immer der armen Frau all das angetan hat, muss eine bestialische Wut in sich gehabt haben. Unglaublich!« Offensichtlich wirkt der furchtbare Eindruck noch nach, denn der sonst kühl und nüchtern daherkommende Kriminaltechniker scheint zutiefst bestürzt.
Nach einer Pause meldet sich Nili zu Wort: »Ich kann dir das absolut nachfühlen, lieber Lutz! Jedes Mal, wenn ich einen Tat- oder Fundort betreten muss, befällt mich tiefe Beklemmung, und wenn ich mit einer so tristen Aufgabe konfrontiert werde, ergreift mich große Trauer. Nie werde ich mich ganz daran gewöhnen können. Auch wird es mir kaum gelingen, die gebotene mentale Distanz zum Opfer zu halten, die unsere psychologischen Betreuer uns abverlangen. Es passiert mir immer wieder, an jedem Ort eines Gewaltverbrechens, dagegen kann ich nichts tun.«
Waldi nimmt sie in den Arm. »Lass es gut sein, Nili, ich halte es für durchaus normal, dass sich bei derart erschütternden Anlässen derart starke Gefühle melden.«
Um das Thema zu wechseln, fragt Nili plötzlich: »Habt ihr irgendwelche Spuren gefunden, die auf die Identität der Frau hinweisen?«
»Siehste, Waldi, da erwacht die sprichwörtliche Witterungslust in unserer lieben Frau Kriminalhauptkommissarin! Gut, dass du fragst, Nili, denn da war in der Tat etwas, was ich beinahe vergessen hätte!« Rasch schwingt sich Lutz aus dem Sessel und eilt hinaus in den Flur. Kurz danach kommt er mit einem Plastikbeutelchen in der Hand zurück. »Ich will euch keineswegs den Verdauungsplaisier der soeben genossenen ›Katiuschka‹ vermiesen – die hat übrigens tatsächlich wunderbar geschmeckt, ehrlich! –, aber da Nili so direkt fragt, kriegt sie auch ’ne direkte Antwort.« Er legt das Tütchen auf den Couchtisch.
Waldi und Nili schauen ihn fragend an.
»Na ja, ihr wundert euch vielleicht, dass dieses Beweisstück noch in meinem Besitz ist. Lasst es euch erklären: Ich hatte eigentlich gestern einen freien Tag, um Überstunden abzubummeln, aber Kollege Andresen rief mich im Auftrag unserer Fallanalytikerin Frau Prinz an. Die bat mich, zum Tatort zu kommen. Ich fand dies zufällig, nachdem man längst die Spurensuche beendet hatte und die Kollegen bereits abgefahren waren. Als ich mich gerade meiner Schutzkleidung entledigte, fiel mir der Kuli aus der Tasche, und während ich ihn aufhob, bemerkte ich einen Blutfleck und in dessen Mitte lag das da.« Er zeigte auf das Tütchen. »Die Bache, die dem armen Opfer die Finger abgebissen hat, muss ihn wieder ausgespuckt haben! War wohl nicht ganz ihr Geschmack!«
Nili greift nach dem Tütchen. »Sieh mal, Waldi, ein Ehering!« Sie blickt auf die Innenseite: »In ewiger Liebe – Berti und 07.05.2009 sind da eingraviert«, liest sie vor.
»Nicht gerade erleuchtend, um die Frau anhand dessen zu identifizieren, nicht wahr?«, meint Lutz trocken. »Und bevor ihr die Frage stellt: Ja, die Liste der eingegangenen Vermisstenanzeigen wird bereits geprüft.«
Nili reicht das Beweisstück an Waldi weiter, dann meint sie: »In der Tat kein großer, aber immerhin ein Ansatz. Wenn man im Institut nichts dagegen hat, könnte ich meinen bewährten Kollegen Ferdl daran setzen, bei den Standesämtern im Kieler Umkreis die Liste der Ehen anzufordern, die an diesem Datum geschlossen wurden. Wenn wir Glück haben, finden wir vielleicht den besagten Berti und seine Angetraute.«
»Das ist eine gute Idee, Nili!«, räsoniert Waldi und gibt das Tütchen an Lutz zurück. »Am besten, du informierst eure Fallanalytikerin Frau Prinz, damit sie im Bilde ist.«
Lutz schüttelt den Kopf. »Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du das für mich übernehmen würdest, Waldi. Unsere ›Eiserne Jungfrau Annegret‹ ist nämlich sehr zimperlich, wenn es um die Einhaltung der vorschriftsmäßigen Richtlinien für die fallanalytische Arbeitsweise geht. Sie nimmt das mit ihrer Aufgabe penibel ernst und kann ’ne wirklich ungemütliche Kratzbürste sein, wenn man ihr in ihrem Metier zu nahetritt. Wahrscheinlich ist sie sowieso sauer, wenn sie erfährt, dass ich hierüber mit euch schon gesprochen habe, ehe sie davon erfährt.«
»Ruhig Blut, Kumpel, lass das mal meine Sorge sein. Ich konnte die Dame bereits bei der Arbeit beobachten und sie schien mir trotz ihrer Pingeligkeit durchaus kompetent. Liegt aber in der Natur der Aufgabe, dass systematische Genauigkeit nun mal eine Grundlage für den Erfolg der Fallanalyse ist, mein Lieber! Das weiß doch niemand besser als du, denn im Grunde bist auch du nicht sehr viel anders: stets besonnen und methodisch, dabei auch mal grantig, wenn’s dir gegen den Strich geht.«
»Mein Lutz ist eben ein kleiner Chauvi, wenn es um Damen im Beruf geht!«, ulkt Marion und streicht ihrem Mann liebevoll über die Haare.
Nili schmunzelt. »Hoffe doch sehr, dass ich davon ausgenommen bin.«
»Ist doch gar nicht wahr!«, protestiert Lutz heftig. »Auf diese äußerst unfaire Beschuldigung brauche ich einen ordentlichen Schluck Verteiler. Noch jemand? Ouzo, Korn, Sankt Margarethener?«
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Behaglich sitzen Nili und Waldi im Wohnzimmer vor dem wohlige Wärme spendenden Kamin und hören klassische Musik; sanft erklingt gerade das Adagio aus Mozarts einundzwanzigstem Klavierkonzert, das der virtuose Wladimir Ashkenazy mit den Berliner Philharmonikern meisterhaft interpretiert. Waldi labt sich währenddessen beim Rauchen seiner Pfeife, ein Genuss, den er sich nur noch seltener gönnen darf, ist doch fast überall das Rauchen – und zudem jenes einer Pfeife –, wenn schon nicht gar verboten, doch zumindest arg verpönt. Nili sitzt neben ihm auf dem Sofa und schnuppert den aromatischen Geruch des gesottenen Latakia-Shags. Sie tippt auf der Tastatur ihres Laptops und gibt ihrem sachkundigen IT-Fachinspektor Ferdinand Csmarits – dem jüngstens dem Sonder-Ermittlungsteam zugeordneten österreichischen Austauschkollegen aus Eisenstadt – die kargen Daten per E-Mail durch, die sie vom Ehering der aufgefundenen toten Frau entnommen hat.
»Ist ziemlich dürftig, geschätzter Ferdl, aber seien Sie bitte so nett und sehen Sie zu, ob Sie etwas daraus machen können. Noch ein schönes Wochenende wünschen Ihnen Dr. Mohr und Nili«,schreibt sie als Letztes und klickt auf ›Senden‹.
»Der Ferdl ist wirklich ein Glückstreffer für uns, Waldi. Bis jetzt war er mit seiner gewieften Sucherei im Netz immer erfolgreich!«
Seit dem grauen Morgen hat es den ganzen Tag über heftig geregnet und sie haben sich deshalb nach dem üppigen Brunch bei Krauses in Waldis vier Wände zurückgezogen. Gerade als sie gegen Abend am Küchentisch sitzen und ein karges Mal aus Schwarzbrot mit Wilstermarschkäse und ein paar Scheiben von einem bereits ziemlich trocken gewordenen Salamizipfel zu sich nehmen, macht sich Nilis Laptop mit einem Piep bemerkbar. Rasch geht sie ins Wohnzimmer hinüber und kehrt, freudig auf das Display ihres Laptops zeigend, zurück: »Siehste, ich hab’s doch gewusst: Auf uns Ferdl ist Verlass!«
*
Das launige Aprilwetter setzt sich – wie stets seit Anfang Mai – zunächst fast ununterbrochen fort. Gelegentlich weicht das sonnige und schon lauwarme Wetter unverhofft einem kräftigen Schauer, der dann auch von heftigen Windböen begleitet wird. Wenige Augenblicke später scheint wieder die Sonne ganz unschuldig zwischen den vom Westwind abgetriebenen Wolken herab, als ob nichts geschehen wäre. Nur die um etliche Grade abgefallene Temperatur erinnert dann noch an die jähe Unterbrechung. So auch an diesem Sonntagmorgen, als Nili und Waldi trotz des unsanften Wolkenbruchs, der unverhofft auf sie niederprallt, tapfer ihr morgendliches Joggingpensum absolvieren. Völlig durchnässt und bibbernd vor Kälte, obwohl vom Schweiß gebadet, landen sie wieder in Waldis Zuhause, ziehen sich rasch die nassen Sachen aus und eilen gemeinsam unter die Dusche. Hier, unter dem wiederbelebenden heißen Wassererguss, erwacht in beiden ein heftiges Verlangen, das in einem leidenschaftlichen Liebesspiel gipfelt. Völlig ermattet kriechen sie wieder unter die Federdecke und sind im Nu in enger Umarmung eingeschlafen.
Es ist schon fast fünf Uhr nachmittags, als Nili sich aus der Umklammerung des Liebsten löst und auf den Wecker schaut. Sie setzt einen zarten Kuss auf Waldis Stirn, der nur mit einem leichten Grunzen quittiert wird. Grinsend dreht sie sich um und will gerade aus dem Bett steigen, als ein fester Griff an ihrem Handgelenk sie daran hindert. Mit einem kräftigen Ruck landet sie wieder an Waldis Brust.
»Die Flucht vor dem Feind ist arge Feigheit und wird auf der Stelle strengstens bestraft«, ertönt es von unterhalb der Bettdecke, unter die sie nun gezogen wird.
»Ich bekenne mich schuldig und sehne mich nach deiner Bestrafung«, flüstert Nili, indem sie Waldi auf den Mund küsst und sich anschließend auf ihn legt. »Was gibt’s hier heute Leckeres zum Abendbrot?«, fragt sie spitzbübisch, weiß sie doch ziemlich genau, dass Waldi fast nie etwas Nennenswertes, weder in seinem Kühlschrank noch in der Speisekammer, vorrätig hält.
»Was für dich der ›Grieche um die Ecke‹, deine Taverna Syrtaki mit dem liebenswerten Georgios und seiner Marita ist, ist bei mir mein ›grande amico‹ Massimo in der Feldstraße«, antwortet Waldi mit einem breiten Lächeln. »Nachdem uns Lutz und Marion bereits einige Male bei sich zum Essen hatten, habe ich die beiden für heute Abend eingeladen und einen Tisch bestellt, denn erfahrungsgemäß ist dort am Sonntag immer ›full house‹!«
»Ja, ich weiß, Waldi«, sagt Nili, küsst ihren Liebsten ein weiteres Mal und steigt aus dem Bett. »Wir waren ja schon einmal bei ihm. Aber für mich heißt es heute definitiv: nur eine Insalata Caprese zum Dinner. Sieh mal, ich kriege die Hose kaum noch zu!«
»Deine gute Absicht in Ehren, meine Liebe. Aber warte mal ab, bis du einen Blick auf Massimos Menükarte geworfen hast. Ich möchte nicht mit dir wetten, ob du dann noch bei deinem heroischen Entschluss bleibst!«
»Du mieser Schuft!«, schimpft Nili laut lachend und zieht sich an. »Aber ich möchte bitte keine Klagen hören, wenn du deswegen bald eine fette und hässliche Polizistin umarmen must!«
Ein wenig später sitzen beide Paare im Ristorante da Massimo an einem Tisch am Fenster, durch das man auf die Straßenterrasse mit Glasdach und -fensterwände blickt, für die es allerdings zurzeit in den frühen Abendstunden noch etwas zu kühl ist. Massimo, bei dem Waldi schon seit vielen Jahren Stammgast ist, heißt sie mit einem breiten »Benvenuti, carissimo dottore ed amici!« herzlich willkommen. »Wunderbar, Sie gerade ’eute zu mir da sind fur meine Spezial Osso buco! ’abe extra gemackt fur buoni amici mit Kalbs’axe kommt von Bio’of Kuhl in Krumbeck; due Kalbe hat er esclusivi fur meine Ristorante geschlachtet!«
»Dann muss ich mich eben wohl oder übel meinem Schicksal ergeben!«, seufzt Nili resigniert, nachdem keiner ihrer Einwände Massimos begeisterndem Redeschwall gewachsen war.
Waldi grinst. »Habe ich dir doch prophezeit, oder?« Er lauscht in Richtung eines der Nachbartische, wo Massimo gerade seinen Block gezückt hat, um die Bestellung aufzunehmen.
»Qui bei Massimo nix Pizza! Hier eccellente Ristorante! Wenn du Pizza wollen, dann geh’ Bahnhof!«, dröhnt die empörte Stimme des ›Padrone‹. Vergnügt beobachtet die Viererrunde den aufgebrachten Ein-Stern-Gastronomen, der sogleich die Banausen, die es gewagt haben, bei ihm eine Pizza zu bestellen, zur Tür hinauskomplimentiert.
»Salve, dottore Walter, buona sera, signori«, begrüßt wenig später eine adrette Frau mittleren Alters die Runde und stellt eine dunkle Flasche Olio di oliva extravergine dal Vall’Prino der Marke Frantoio Banzini, Dolcedo sowie eine Schale mit kleinen schwarzen Taggiasca-Oliven und einen Korb mit selbst gebackenem Brot auf den Tisch. »Come sempre, dottore! Wünsche wie immer buon appetito mit dem ›Primuruggiu‹ meines Zio Alberto.« Sie lächelt ihnen freundlich zu und entschwindet genauso lautlos, wie sie an den Tisch gekommen ist.
»Mille grazie, carissima Laura!«, ruft Waldi ihr hinterher. »Massimos Tochter«, erläutert er. »Dieses Primuruggiu ist ein wahres Juwel unter den nativen Olivenölen aus Ligurien. Ich lernte es vor fünf Jahren kennen und schätzen, als Massimo mir anbot, in seinem kleinen Häuschen Urlaub zu machen. Es liegt in dem malerischen Bergdorf Canneto Soprano inmitten von Olivenbäumen an einem Südhang oberhalb von Imperia. Das Dorf zählt vielleicht gerade mal zwanzig Häuser, von denen etwa die Hälfte noch von einheimischen Olivenbauern bewohnt ist. Die restlichen Häuser gehören heute Deutschen, Schweizern und Franzosen, die dort nur gelegentlich einige Urlaubswochen verbringen. Ich lernte im Ort sehr liebe Nachbarn kennen, denn dank meiner dafür gerade noch ausreichenden italienischen Sprachkenntnisse gelang es mir, rasch mit ihnen Kontakt aufzunehmen. Besonders freundete ich mich mit dem Olivenbauernehepaar Maria und Angioletto an. Eines Tages nahm mich Angioletto mit in das Nachbardorf Dolcedo zum sogenannten Frantoio – das ist eine Ölmühle. Dorthin brachte er seine am Vortag so mühsam an den terrassenförmigen und sehr steilen Hängen von Hand geernteten kleinen Taggiasca-Oliven zur Pressung. Es war früh im Februar und die in diesem Monat geernteten Früchte sind bei der Familie Banzini – ein Schwager unseres Massimo – ziemlich begehrt, weil Lauras Onkel Alberto daraus diesen besonderen ›Nektar der Götter‹ – wie er ihn bezeichnet – herstellt. Zu Saisonbeginn und wenn sofort verarbeitet, haben nämlich Oliven einen markant hohen Anteil an ungesättigten Ölsäuren, was sie, von Diätetikern empfohlen und von Kennern besonders begehrt, sehr wertvoll und teuer macht. Diese Taggiasca-Oliven – nach der kleinen Ortschaft Taggia in der Nähe von San Remo benannt –, die nur an den Hängen der ligurischen Täler gedeihen, sind zwar klein, haben aber einen sehr aromatischen und charakteristischen Geschmack, wie ihr hier selbst feststellen könnt.« Waldi pickt demonstrativ ein paar Oliven mit einem ZahnstocTitleher und probiert sie. Nachdem er die abgenagten Kerne auf dem kleineren Teller abgelegt hat, führt er fort: »Stimmt doch, oder? Also, obwohl heute die Oliven nach dem Aussortierern und Waschen üblicherweise von modernen Trommel-Mahlwerken samt ihren Kernen zu Brei gemahlen werden, bedient sich Alberto für dieses spezielle Öl noch immer eines althergebrachten ›Mulino a pietra‹, des traditionellen Naturmühlensteins, der auf dem ebenfalls steinernen Mühlenbett langsam kreisend die Olivenkerne behutsam zerquetscht und zum Brei maischt. Die Maische wird anschließend in aus Naturfasern selbst geflochtene korbähnliche Biete überführt und diese in der handbetriebenen Holzpresse gestapelt. Nun wird der Pressstempel heruntergefahren und nur ganz leicht auf das Maischepaket gelegt, sodass das fast klare Öl aufgrund des Eigengewichts von selbst langsam aus den Körben herabtröpfelt und sich in der Abflussrinne der Presse ansammelt. Von dort wird es in den Vorratstank oberhalb der Flaschenfüllanlage gepumpt und sofort abgefüllt. Das ist der berühmte Primuruggiu, ein Ausdruck im ligurischen Dialekt, den man sinngemäß mit ›erstem Erguss‹ übersetzen kann: das pure, reine Öl, die Seele der Olive, wie mir Angioletto verklärt vermittelte.«