Kitabı oku: «Im März färbte sich der Frühling braun», sayfa 4
- Beim Besuch des Herrenmodehauses Wilfried Wiese kam unter anderem heraus, dass Dominik Baumann ein Gehaltskonto bei der Holsteinischen Bank in Elmshorn unterhielt. Dagegen war das Interview mit seiner ehemaligen Wirtin in Oldenmoor ein Fiasko.
- Punkten konnten wir im Elmshorner Polizeirevier, als wir nach Baumanns Konto fragten, das man dort offensichtlich übersehen hat. Nach der Hauruckaktion (vielen Dank, lieber Waldi, Herr Oberstaatsanwalt Harmsen und Herr Elmshorner Amtsrichter) konnten wir endlich den lahmarschigen Filialleiter Södermann dazu bewegen, uns DBs Kontodaten zu liefern sowie seinen Safe zu öffnen, in dem sich achttausend Euro, ein wenig Schmuck, 5 goldene südafrikanische Randgoldmünzen und eine goldene Taschenuhr befanden. DB hat sich wohl von seinem nicht allzu üppigen Lohn (achtzehnhundertfünfzig Euro monatlich) nebst dem Zubrot als DJ diese Werte eisern zusammengespart. Wir bekamen seine Kontoauszüge vom vorletzten und letzten Jahr mit. Besonders zu untersuchen ist noch seine letzte Kreditkartenabhebung von zweihundert Euro in Büsum am 2. März letzten Jahres. Wir hielten Södermann vor, dass er den Behörden weder Konto noch Safe gemeldet habe, obwohl doch die Elmshorner Presse ausführlich über die Vermisstenmeldung Baumanns berichtet hatte. Dafür habe er sich gegebenenfalls vor Gericht zu verantworten, denn wir benachrichtigten anschließend den Herrn Amtsrichter entsprechend, als er uns in der Bank anrief, um zu erfahren, was unsere Untersuchung ergeben hatte.
- Um die armen Leute nicht unnötigerweise zu beunruhigen, verzichteten wir vorerst auf eine erneute Befragung der Eltern und der Schwester Baumanns, bis wir endgültige Gewissheit über seinen Verbleib haben.
4. Der Neue
»Guten Morgen, Nili.«
»Moin, Margrit. Robert noch nicht da?«
»Er hat angerufen und gesagt, dass er den BMW zur Inspektion bringt, die ist nämlich überfällig.«
Da Waldi und Nili die Nacht in ihrer Wohnung verbracht haben und ihr Cross Polo noch immer vor Onkel Suhls Haus parkt, sind sie heute Morgen nach ihrer halbstündigen Joggingroutine gemeinsam in Waldis Passat zum Dienst gekommen.
Nili fährt ihren PC hoch, um sich die Dienstinfos anzusehen. »Mmm, prima, da kommen ja die ersten Antworten der Kollegen.« Gespannt scrollt sie durch die unterschiedlichen Meldungen, allerdings sind die meisten ergebnislos. Eine – die aus Büsum stammende – erweckt ihre sofortige Aufmerksamkeit. Darin berichtet der Leiter der dortigen Polizei-Zentralstation, was seine Nachforschungen ergeben haben: Einen Auftritt hätte DJ Mario bei einer privaten Geburtstagsfeier am 4. Februar des letzten Jahres im Deichhotel Büsum gehabt. Dem zweiten aber, für den er in der Diskothek Schwarze Möwe für den 15. Februar gebucht worden war, sei er ohne Absage ferngeblieben. Dies habe deren Betreiber in arge Verlegenheit gebracht.
»Mensch, Margrit, da haben wir endlich eine konkrete Spur!«, ruft sie. »Und die deckt sich zeitlich mit Baumanns letzter Kreditkartenabhebung!« Dann erzählt sie kurz von den gestrigen Gesprächsergebnissen, die sie zeitgleich in die Computerakte eingibt. Schließlich blickt sie auf, sieht Margrit an und fragt: »Hat Ihre Umfrage betreffend Handy- und Internetprovider schon etwas ergeben?«
»Sorry, Nili, bisher leider Fehlanzeige, ich bleibe aber weiter dran!«
»Prima, Margrit, danke! – Moin, Robert, wir müssen sofort nach Büsum!«, ruft sie dem gerade hereinkommenden Kollegen entgegen. »Wann ist unser Wagen wieder fahrbereit?«
»Sorry, das wird nichts vor morgen früh!«
In diesem Moment fällt Nilis Blick auf die gerade eintreffende Mitteilung ihres Dezernatsleiters KOR Heidenreich mit den Personaldaten des neuen Kollegen. »Seht mal her, das wird spannend!«, ruft sie Margrit und Robert an den Bildschirm. Das Lichtbild zeigt einen gemütlich aussehenden, schon ein wenig kahlen und leicht untersetzten Endzwanziger, der, in eine etwas zu stramm sitzende österreichische Gendarmerie-Uniform gekleidet, freundlich in die Kamera blickt.
»Das ist also unser neuer IT-Spezialist, Fachinspektor Ferdinand Csmarits, den uns die Eisenstädter Landespolizeiinspektion Burgenland als Austauschpartner – für wen eigentlich? – zum wechselseitigen Kennenlernen und zwecks Transfer von fachlichen Fähigkeiten schickt«, kolportiert Robert und setzt mit ironischem Unterton hinzu: »Vielleicht sogar für den ›Piefke‹ Stefan Jürgens von der Soko Wien?«
»Quatsch, Robert, der spielt doch nur im ZDF-Krimi!« Margrit grinst und schaut mit leicht zusammengekniffenen Augen auf den Bildschirm. »Wie spricht man das aus? ›Schmaritz‹ oder ›Ksmaritz‹?«.
»Das werden wir am besten von ihm selbst hören, sobald er hier ist. Wann kommt er überhaupt?« Nili beantwortet ihre Frage gleich selbst: »Da steht’s: schon morgen! Blöder Termin!«
»Ruhig Blut, Nili!«, sagt Waldi Mohr, der soeben den Raum betritt. »Eure beiden Fälle haben inzwischen monatelang geschlummert, da kommt es doch auf ein weiteres Wochenende nicht mehr an, oder?« Er wartet die Antwort nicht ab und spricht gleich weiter. »Ich wollte gerade mit euch die Abholung unseres Fachinspektors besprechen. Wie ist das mit der Wohnung, Nili?«
»Sie ist bis Freitag reserviert. Wenn der – wie hieß er noch, Csmarits? Was für ein Name! – hier eintrifft, bringen wir ihn am besten gleich zu Frau Johansen, damit er entscheiden kann, ob ihm die Wohnung zusagt. Wo, wie, wann genau trifft er bei uns ein? Müssen wir ihn abholen?«
»Brauchen wir nicht, Nili.« Waldi blickt auf sein Notizbuch. »Gemäß Info aus Eisenstadt wird er seinen Pkw heute auf dem Autozug in Wien verladen und trifft morgen früh gegen neun Uhr in Hamburg-Altona ein. Er kommt dann direkt hierher. So gegen elf, halb zwölf, schätze ich.«
»Nun gut, dann melde ich uns gegen vierzehn Uhr bei Frau Johansen an. Margrit, sind Sie so nett und rufen bei den Büsumer Kollegen an und melden unseren Besuch gleich am Montagmorgen an? Bitten Sie auch um die Namen und Anschriften der Inhaber des Deichhotels Büsum und der Diskothek Schwarze Möwe. Es wäre nett, wenn man uns bei diesen Leuten ebenfalls schon mal anmeldet. Und zu guter Letzt schreiben Sie bitte einen kurzen Dankeschönbrief an alle Dienststellen, von denen wir eine Antwort erhalten haben. Planen Sie bitte ein, dass Sie am Montag möglichst früh mit der Bahn nach Itzehoe kommen. Ich hole Sie am Bahnhof mit meinem Wagen ab und wir fahren direkt nach Büsum. Und Sie, Robert, sind bitte so nett und führen den Kollegen …«
»Csmarits, Nili, Csmarits!«
»Also meinetwegen, den Typen eben, bei uns entsprechend ein.«
»Bekommt er auch eine Dienstwaffe?«, fragt Robert.
Waldi schüttelt den Kopf. »Nein, das gerade nicht. Aber ansonsten alles Weitere wie jeder von unseren Beamten. Also dann, weiterhin Glück auf, oder besser gesagt Waidmannsheil, verehrte Damen und der Herr Kollege!« Mit einem letzten Blick beim Hinausgehen verabschiedet er sich.
»Bleiben wir über Nacht weg, Nili?«, fragt Margrit. »Sie wissen schon, wegen meiner hilfsbedürftigen Mutter, da müsste ich entsprechend für Ersatz sorgen.«
»Ich glaube kaum, aber Sie sollten sich bei Dienstreisen immer mit einem Buko bewaffnen.«
»Was ist denn das?«
»Das kennen Sie nicht?« Nili grinst. »›Buko‹ steht spaßig für ›Beischlaf-Utensilien-Koffer‹, also Pyjama, frischer Slip, Zahnbürste, Kamm, et cetera, et cetera!«
»Und auf keinem Fall die Verhüterli vergessen«, ergänzt Robert mit einem spitzbübischen Lächeln.
Beide Frauen brechen in lautes Gelächter aus.
*
»I bin der Csmarits (klingt wie Gschmaritz), Ferdinand, Gendarmerie-Fachinspektor aus Eisenstadt – zu Diensten. Ir derft mi ruhig Ferdl nennen!« So stellt sich am späten Vormittag des nächsten Tages der bizarre Neuankömmling vor, während er aus seinem Oldtimer aussteigt und den neuen Kollegen mit ausgestreckter Hand und strahlendem Gesicht entgegengeht.
Verwundert bestaunen sie dessen Erscheinung sowie seine perfekt erhaltene BMW 502 Limousine aus dem Jahr 1956, die im damaligen Polizeigrün strahlt.
»Ja, da staunen’s, ha? Dös is a echte eh’malige Münchner Isar-Streife, frogn’s mi aber net, was ’s mi kostet hat, die wieder herz’richtn!«
»Und bitte auch nicht, wie viel Sprit sie wohl schluckt«, flüstert Robert fast unhörbar.
»Herzlich willkommen, Herr Fachinspektor Csmarits«, begrüßt ihn Waldi. Ich hoffe, Sie hatten eine gute Anreise.« Dann stellt er sich selbst und der Reihe nach Nili, Margrit und Robert mit ihren Dienstgraden vor.
Sie gehen gemeinsam in das Amtszimmer von Dezernatsleiter Heidenreich, wo der österreichische Kollege mit einem Gläschen Prosecco nebst Appetithäppchen statusgemäß begrüßt wird und sie auf gute Zusammenarbeit prosten.
Als das Team später in der Kantine zu Mittag isst, setzt sich Staatsanwalt Dr. Uwe Pepperkorn kurz zu ihnen, um Inspektor Csmarits zu begrüßen und ihn willkommen zu heißen. Bei der Gelegenheit beglückwünscht er das Team zu den erzielten Fortschritten in beiden aktuellen Fällen. »Mir lag das Verschwinden der amen Heide Mertens besonders am Herzen, musste ich doch damals mit großem Bedauern den Fall nach sechsmonatiger Suche ohne handfeste Fortschritte zu den Akten legen. Wir waren zu jener Zeit total unterbesetzt und mussten andere ebenfalls dringende Fälle bearbeiten!«, versucht er sich zu rechtfertigen.
»Wissen wir, Herr Staatsanwalt, ist uns bekannt. Gut, zugegeben«, gibt Nili zu bedenken, »wir sind einen vielversprechenden Schritt weitergekommen, aber am Ziel sind wir deshalb noch lange nicht! Der Aufenthaltsort der beiden Vermissten ist uns nach wie vor unbekannt.«
»Jedenfalls bisher sehr gute Arbeit!« Der Staatsanwalt nickt anerkennend. »Und ich hege keinen Zweifel, dass Sie die beiden Fälle aufklären werden, vor allem jetzt mit der Verstärkung durch den Herrn Fachinspektor. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg. Machen Sie’s gut!«, sagt er und eilt schon wieder davon.
Natürlich ist Csmarits neugierig geworden, sodass seine neuen Kollegen ihn kurz ins Bild setzen. Längst hat er seine Portion Gulasch mit Rösti und Rotkohl verdrückt, während die anderen gerade mal einen halben Teller geschafft haben.
»Hat’s da an Nachschlag?«, erkundigt sich Csmarits.
»Wenn Sie wünschen, holen Sie sich gern noch ’ne Portion an der Essensausgabe«, animiert ihn Waldi, und während sich der neue Kollege dorthin aufmacht, steht Waldi auf und signalisiert der Rosi am Tresen mit eindeutiger Handbewegung: »Auffüllen, auffüllen!«
Zufrieden lächelnd kommt Ferdl mit dem neu beladenen Teller zurück an den Tisch.
»Wie viele meiner Burgenländer Landsleute«, gesteht Ferdl zwischen den Bissen, »stammen meine Ahnen aus Kroatien, daher auch mein euch wahrscheinlich fremd klingender Familienname. Gut, dass ir net kroatisch sprecht, denn der hot kei sehr vornehmen Ursprung. Stammt von ›Csmar‹ ab, und das bedeutet ›Wampe‹ – also im übertragenen Sinnbild stell i mir eben drunter eher an Genießer vor. Ir könnt’s ja sehn, dem mach i a volle Ehr!« Als Beweis schlingt er die zweite Portion Gulasch in kurzer Zeit hinunter.
*
Eine Stunde danach fahren Nili und Ferdl in seinem Oldtimer nach Kiel-Felden in den Wuhlsfelder Weg Nummer 7. Tatsächlich führt sie Ferdls im Barockengel fest installiertes Navi fehlerlos und direkt zum Ziel.
»Respekt, Herr Cs…«
»Ah geh! Lassen’s das doch bittschön, Frau Kommissarin! Ferdl, i bin einfach d’Ferdl, nix mehr!«
»Okay, Ferdl, aber dann bin ich für Sie die Nili, abgemacht?«
Sie steigen aus und gehen auf das ältere, doppelstöckige Klinkergebäude mit dem kleinen Vorgarten zu, an dessen Ende eine Doppelgarage steht. Zwei Namenschilder befinden sich am Klingelbrett des Briefkastens neben der Haustür. Auf dem unteren steht »Gerda Johansen«, der obere Rahmen ist leer.
Fachinspektor Csmarits ist auf Anhieb begeistert von Frau Johansen, ihrem Hund Hasso und der frisch renovierten Wohnung. Und dass sie ihm auch noch ihre zweite Garage für weitere fünfzig Euro im Monat überlässt – »dieses Prachtexemplar von Auto kann man doch nicht in der Nacht einfach auf der Straße parken, Frau Kommissarin, jetzt, wo hier so viele Asylanten herumstreunen« –, macht ihn überglücklich. Gemeinsam füllen sie den Mietvertrag aus und Nili nimmt beide Exemplare mit, um sie im LKA unterschreiben zu lassen.
»Am Montag kümmert sich dann KK Robert Zander um Sie, Margrit und ich sind auf Dienstreise. Wir sehen uns also am Dienstag. Wünsche Ihnen alles Gute, Ferdl, in Ihren neuen vier Wänden und auch noch ein schönes Wochenende.«
»Und wia kommen’s z’haus, Nili?«
»Keine Sorge«, Nili winkt ab, »ich werde gleich von unserem Chef, Herrn Mohr, abgeholt. Tschüss, Frau Johansen, und nochmals vielen Dank für die Wohnung!«
*
»Guten Morgen, Kollegen! Wir sind Kriminalhauptkommissarin Nili Masal und Kriminalkommissarin Margrit Förster, beide vom LKA«, stellen sie sich beim Betreten des roten Backsteingebäudes der Polizeistation in der Vereinsallee vor und zeigen ihre Dienstausweise.
»Willkommen in Büsum, meine Damen!«, begrüßt sie der Stationsvorsteher, Polizeihauptmeister Sören Voigt, sehr herzlich. »Kommt ja nicht alle Tage vor, dass uns das LKA mit einem Besuch beehrt!«
»Nett, dass Sie das so freundlich sagen, nicht immer sind wir bei den Kollegen gern gesehen!« Nili lächelt dem Gemütlichkeit ausstrahlenden Endfünfziger entgegen.
»Darf ich vorstellen? Unsere Polizeiobermeisterin Meike Bojens, mit ihr haben Sie am letzten Freitag telefoniert, nicht wahr?«
»Jawohl, Herr Polizeihauptmeister«, bestätigt Margrit. »Und hier kommt auch noch unser Dritter im Bunde, PM Thorben Schmidt!«, ergänzt Voigt.
Der Polizeimeister lächelt. »Moin, moin, Kolleginnen. Nett, dass Sie uns besuchen!«
»Dürfen wir Ihnen etwas anbieten?«, fragt POM Bojens. »Zu einem schönen Becher Kaffee mit Milch sage ich nicht Nein! Und Sie, Margrit?«, fragt Nili.
»Dem schließe ich mich gern an!«
Als sie Platz genommen haben und der Kaffee dampfend vor ihnen steht, sagt Nili: »Zunächst einmal vielen Dank für die wertvollen Informationen, die uns hoffentlich in unseren beiden Fällen weiterhelfen werden!« »Wieso zwei Fälle?«, wundert sich POM Bojens.
Nili und Margrit klären die Büsumer Kollegen entsprechend auf.
»Vor allem möchten wir von beiden Betreibern erfahren, ob ihnen vielleicht das Mädchen Heide Mertens als Begleiterin des DJ Mario aufgefallen ist. Wir vermuten, dass ihr gemeinsames Verschwinden zwischen dem 4. und dem 15. Februar letzten Jahres stattgefunden haben muss.«
»Das könnte bedeuten, dass die beiden Vermissten irgendwo hier in der Gegend verschüttgegangen sind, nicht wahr?«, stellt PM Thorben Schmidt fest.
»Wenn sie sich nicht heimlich davongemacht haben«, relativiert Meike Bojens.
»Das glauben wir eher nicht«, argumentiert Margrit. »Sehen Sie, wir konnten erst kürzlich in Erfahrung bringen, dass Dominik Baumann sein Bankguthaben seit damals nicht mehr in Anspruch genommen hat. Niemand macht sich davon und hinterlässt absichtlich Hab und Gut.«
»Was wohl eher Ihre Vermutung erhärtet, dass er, sie oder sogar beide irgendwo hier in der Umgebung ihr böses Ende gefunden haben könnten«, schließt der Polizeihauptmeister die Argumentationskette.
*
In Begleitung von PM Schmidt erfahren Nili und Margrit wenig später von der Wirtin des Deichhotels, Frau Melanie Steenbruck, dass sie es selbst war, die DJ Mario auf ausdrücklichen Wunsch eines Familienmitgliedes der damaligen Geburtstagsparty gebucht hat. Seine Kontaktdaten hat sie von dessen Homepage entnommen und dann mit ihm über SMS kommuniziert. Ihre Gäste seien mit seinem Auftritt durchaus zufrieden gewesen und hätten ihn auch gleich danach direkt bezahlt. Befragt nach der Vergütung, meinte sie, einen Festbetrag von sechshundertfünfzig Euro für den Abend ausgehandelt zu haben.
Nili schlägt sich an die Stirn.
»Homepage, natürlich! Warum hat niemand von uns je an das Nächstliegende gedacht? Höchste Zeit, dass unser Team endlich durch einen Computerfreak verstärkt wird. Geht wohl heute wirklich nichts mehr ohne!«
Margrit nickt und holt ein Foto hervor. »Noch eine letzte Frage, Frau Steenbruck: War DJ Mario damals allein oder womöglich in Begleitung?«
»Warten Sie, ja! Da war ein junges blondes Mädchen bei ihm. Genau, das war sie!«, bestätigt sie, als sie das Foto betrachtet. »Sie half ihm beim Auf- und Abbau der Anlage und ich sah die beiden beim Wegfahren des rotgelben Transporters, in dem der Diskjockey seine Ausrüstung verstaute.«
*
Als das Trio als nächsten Zeugen den Discobesitzer Damian Zhivkov befragt, entpuppt sich dies als ein schwieriges Unterfangen. Nachdem der Bulgare ihnen die Tür geöffnet hat, blickt er sie aus geröteten Augen wütend an und erweist sich als ein ungemütlicher und schroffer Zeitgenosse, der anfänglich nicht die geringste Bereitwilligkeit zeigt, auf ihre Fragen einzugehen. Er sagt, er hätte der Polizei bereits alle Fragen telefonisch beantwortet.
Nili platzt der Kragen. »Gut, wie Sie wollen! Wir können auch anders! Polizeimeister Schmidt, führen Sie Herrn Zhivkov ab, wir befragen ihn in der Polizeistation. Sollte er sich wehren, legen Sie ihm Handschellen an!« Ihre Stimme klingt barsch und sie wendet sich ab, als ob sie gehen will.
»Moment, warten Sie doch mal, Frau Kommissarin«, ruft Zhivkov ihr hinterher, »ich geben Antworten. Entschuldigen bitte, mein Kopf tut furchtbar weh!«
»Können wir das alles nicht lieber drin als an der Tür besprechen?«, fragt Margrit.
Zhivkov nickt, tritt zur Seite und lässt sie eintreten.
Schließlich erfahren sie, dass DJ Mario bereits einige Male seinen Dienst an den Plattentellern der Schwarzen Möwe durchaus zufriedenstellend verrichtet hat. Er wurde jeweils engagiert, wenn der hauseigene Musikmacher in Urlaub war.
»Ja und dann, am 15. Februar im letzten Jahr, lässt mich Scheißkerl mit vollem Haus ohne Musik sitzen! Mein Barmann Stanko hat gemacht, aber nicht so gut, Publikum gepfiffen und gegangen, viel Geld verloren, weil nächste Wochen wenig Leute gekommen! Fluchter Hund!«
»Auch wir suchen nach DJ Mario. Wie hatten Sie Kontakt mit ihm?«, fragt Nili.
»Hat mich immer angerufen und gefragt. Dann ich ihm gesagt, wann soll kommen.«
»Haben Sie zwischen dem 4. und dem 15. Februar mit ihm gesprochen oder wissen Sie vielleicht sogar, wo er sich in dieser Zeit aufhielt?«
Zhivkov überlegt.
»Mario war noch am 10. Februar hier, fragt, ob er am 14. kommen soll, ja!«
»War zufälligerweise dieses junge blonde Mädchen bei ihm?« Margrit zeigt ihm Heides Foto.
»Jemand mit Mario im VW-Bus, aber wer, ich nicht genau gesehen.«
»Wir danken Ihnen, Herr Zhivkov, auf Wiedersehen. Halten Sie sich zu unserer Verfügung. Wir kommen noch einmal wieder, sollten wir weitere Fragen haben.«
*
Zurück in der Polizeistation berichtet das Trio von den soeben eingeholten Informationen.
PHM Voigt sinniert: »Gehen wir davon aus, dass laut Aussage des Discofuzzis Dominik Baumann zuletzt am 10. Februar – sehr wahrscheinlich in Heide Mertens’ Begleitung – gesehen worden und dagegen am 14. dort nicht wieder erschienen ist, muss ihr wie auch immer verursachtes gemeinsames Verschwinden innerhalb dieses Zeitraums erfolgt sein!«
»Richtig, genau das denken wir auch!«, bestätigt Nili. »Und das bedeutet, liebe Kollegen, dass sich die Vermutung weiter erhärtet, dass es in dieser Gegend passiert sein muss!«, setzt sie hinzu. Da alle sie fragend ansehen, erklärt sie: »Am 4. und am 10. war Baumann hier, das ist uns mit Bestimmtheit gesagt worden, und der DJ sollte wieder am 14. tätig werden. Ich glaube deshalb kaum, dass er sich allzu weit von hier entfernt haben kann!« Sie greift zum Handy und ruft Waldi an.
»Folgendes«, sagt sie, nachdem sie sich gemeldet hat, und berichtet ausführlich. »Ich bitte dich, lass die Itzehoer und Elmshorner Kollegen bei Heides Mutter und Dominiks Eltern einige ihrer Kleidungsstücke abholen. Dann sollen je zwei getrennte Staffeln von Leichenspürhunden die hiesige Gegend absuchen, einmal rund um die Diskothek Schwarze Möwe und einmal auf dem Areal des Deichhotels und des angrenzenden Golfplatzes. Die hiesigen Kollegen wissen Bescheid. Und noch was: Kamerad Ferdl soll sich mal flugs am Computer schlaumachen, ob er eine Homepage von DJ Mario entdeckt. Blöd von mir, nicht schon längst daran gedacht zu haben! Margrit und ich machen uns jetzt auf den Rückweg. Danke und XXXLG, Ende!«
*
Nachdem Robert den neuen Kollegen im ganzen Haus herumgeführt und mit allen bekanntgemacht hat, nehmen sie das Mittagessen in der Kantine ein und kommen danach zurück ins Büro.
»Is ja ois a bisserl größer als bei uns in Eisenstadt!«, scherzt Ferdl. »Und bei eurem KTI könnt ma scho neidisch werden, so wie das ausg’rüstet is! Der Lutz, der scheint a mordsnetter Kerl zu sein! Überhaupt, habt’s ir’s schee hier«, setzt er hinzu.
»Und wie gefällt Ihnen die Wohnung, alles in Ordnung, Kollege Ferdl?«, fragt der gerade hereinkommende Waldi.
»Mai, Herr Mohr, absolute Spitze, soag i eahner! Ois bestens! Fui mi bei Frau Johansen wie z’haus bei der Mama!«
»Sehr schön, freut mich wirklich. Hier ist übrigens der unterschriebene Mietvertrag. Bitte übergeben Sie den Umschlag Ihrer Frau Wirtin mit unseren besten Grüßen. Die erste Miete wird morgen auf ihr Konto überwiesen. – Aber jetzt etwas Wichtiges!« Er berichtet von Nilis Anruf und den neuen Erkenntnissen. »Um die Spürhunde kümmere ich mich. Aber Frau Masal bittet Sie um die Suche nach einer Homepage eines Diskjockeys Mario im Internet, wenn Sie so nett sind. Unsere beiden Damen sind morgen früh wieder hier. Viel Erfolg!«
»Eure Nili is wirklich oane Tüchtige, net woahr? Und a recht schön’s Weiberl obendrauf!«, räsoniert Csmarits, während er sich an seinem PC zu schaffen macht.
»Ja, da haben Sie recht«, stimmt Robert ihm zu, »die hat einen ausgesprochen feinen Spürsinn, wenn’s um das Aufdecken von Untaten und den dazugehörigen Übeltätern geht. Aber Vorsicht, Kamerad, sie ist bereits vergeben! Legen Sie sich lieber nicht mit der Obrigkeit an!«, rät er schmunzelnd.
»Versteht sich, Robert! A so a fesches Madl läuft net unbemannt umanand! Aber jetzt brauchert i das Passwort für diesen Rechner!«
*
Als Nili und Margrit am nächsten Morgen wieder in ihrem Büro erscheinen, werden sie von einem hochkarätigen Empfangskomitee überrascht: Dezernatsleiter Heidenreich und Waldi Mohr haben Oberstaatsanwalt Harmsen, Staatsanwalt Pepperkorn in Begleitung seiner Itzehoer Kollegin Frau Dr. Cornelia Bach nebst Assessor Dr. Kramer sowie Kriminaloberrat Stöver direkt zu ihrem Arbeitsplatz begleitet. Alle möchten aus erster Hand und lückenlos die letzten Ermittlungsresultate erfahren. Als sie Nilis ausführliches Referat über den Stand der Dinge vernommen und nach einer Stunde den Raum mit Befriedigung über die Fortschritte der letzten beiden Wochen wieder verlassen haben, atmet das Viererteam erleichtert auf.
»Mei, warn di aber neigierig!«, amüsiert sich Ferdl.
»Ist doch nur natürlich nach fast dreizehn Monaten Stillstand! I bin aber ah neigierig«, äfft Margrit ihn nach, »ob Sie die Homepage von DJ Mario finden konnten!«
»Aber clarissimo, geschätzte Kollegin! Schaun’s her, hier hammas!« Tatsächlich lächelt Dominik Baumann, bewaffnet mit kolossalen Kopfhörern, vom Bildschirm herab. Gleichzeitig hören sie einen fetzigen Schlager, der aus den Lautsprechern erklingt. Neben einigen ihm wohlgesinnt formulierten Testimonial-Aussagen von ehemaligen Veranstaltern ist ein Kontaktfenster vorhanden, über das man mit ihm in Verbindung treten konnte.
»I hob’s versucht, aber wenn man die Message sendet, erscheint die Meldung: ›Die gewünschte Nachricht konnte nicht erfolgreich versendet werden.‹ I hob ah den Provider ausgmacht, aber um ean wegen den für Mario gespeicherten Daten zu kontaktieren, braucherte i an Beschluss von der Staatsanwaltschaft, von wegen Datenschutz und all dem Kaas!«
»Ich habe unseren EKHK Mohr bereits darum gebeten«, ergänzt Robert.
»Wie konnten Sie überhaupt den Provider ermitteln?«, fragt Nili neugierig.
»Ganz einfach: mit dem ›Whois-Protokoll‹ – kommt vom englischen ›who is?‹, also ›wer ist?‹ –, eine im Datenbanksystem enthaltene Informationsquelle, mit der die Namen der Eigentümer von Internet-Domains und IP-Adressen abgefragt werden können. Wie gsagt, aus Datenschutzgründen komm i nur über ahn besonderen Zulassungscode, genannt ›Captcha‹, zum Ziel. Aba jetzt was anders: I lad euch nach Feierabend zu einer Spritztour in meinem Barockengel ein! I muss ja noch mein Einstand geben! Sagt’s nur, wos hingeh’n soll, dann fahrnwa!«
»Darf ich mich an den Kosten beteiligen, Herr Kamerad?«, sagt Margrit. »Bisher bin ich den Kollegen aus Mangel an Gelegenheit meinen Einstand schuldig geblieben! Wenn’s recht ist, ruf ich auch unseren Chef Waldi Mohr dazu, okay?«
Nili nickt begeistert. »Prima, Kollegen! Wer hätte Lust auf eine deftige indonesische Reistafel? Ich habe kürzlich von meiner Freundin Kitt erfahren, dass man dieses leckere Gericht hier in Kiel in einem angeblich guten asiatischen Restaurant anbietet.«
»Alle einverstandn? Gut! Also dann, aufi geht’s!«, posaunt Ferdl.
*
Wenig später kutschieren sie im ehemaligen Münchner BMW Nobel-Streifenwagen Baujahr 1958 – dem der Volksmund wegen seiner üppigen Kurven den Spitznamen ›Barockengel‹ verpasst hat – durch die Kieler Innenstadt und wecken damit die Aufmerksamkeit anderer Autofahrer, aber auch Passanten. Potent brummt der 3,2 Liter V-achtzylindrige Motor.
»Wie viel Sprit verbraucht Ihr Goldstück?«, will Robert wissen.
»Ja mei, die hundertvierzig PS verlangen häut ihr Futter! San scho’ um die vierzehn Liter, wann i net allz’fest aufs Gas drück. Noch dazuah muss i das teire Super Plus tanken, aba des mocht mir nix aus, i liab häut mei Barockengerl!«
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