Kitabı oku: «POLARLICHTER», sayfa 2

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K A P I T E L 4

Erst seit zwei Wochen war KKzA Röhling autorisiert, Auslandsanfragen zu Personalangelegenheiten des BKA entgegen zu nehmen und die damit verbundenen Entscheidungen vorzubereiten. Jede Anfrage, die nicht auf dem vorgesehenen diplomatischen Weg, nämlich über das Innen- oder Außenministerium erfolgte, war unverzüglich dem Leiter der Auslandsabteilung vorzulegen.

Dementsprechend hatte Röhling die direkte Onlineanfrage der Polizei aus dem norwegischen Olden mit einem Vermerk versehen, beide Schriftstücke ausgedruckt und in einen Ordner mit dem Aufdruck „informelle Anfragen“ eingelegt. Anschließend hatte er das Vorzimmer des Leiters SO angerufen, kurz die Dringlichkeit geschildert und um einen nahen Termin gebeten. Zu seinem Erstaunen sollte er in fünfzehn Minuten erscheinen.

Röhlings Puls ging etwas schneller als üblich. Zwar war er bei der Aufnahme in die Dienststelle auch dem Leiter SO vorgestellt worden. Dieser hatte ihn beim Handschlag kurz fixiert und sich gleich anschließend entfernt. Seither hatte er nur mit seinem Ausbilder und den Kollegen dieser Ebene Kontakt gehabt. Er nahm den Ordner und ging den Flur entlang zum Waschraum. Nachdem er sich erleichtert und Hände und Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen beziehungsweise gekühlt hatte, atmete er tief durch und begab sich anschließend zum Fahrstuhl.

Die Tür zum Vorzimmer des Leiters SO stand offen. Frau Peters musterte den Besucher nur kurz. Dennoch fühlte sich Röhling unter ihrem Blick, als könnte sie in sein Innerstes sehen.

„Gehen Sie gleich rein“, sagte sie mit einer weichen Stimme, aber betont energisch. Röhling klopfte kurz an und öffnete die Tür, ohne eine Reaktion abzuwarten.

EKHK Wolfgang Singer erhob sich von seinem Chefsessel und begrüßte Röhling mit einem leichten Kopfnicken.

„Nehmen Sie Platz. Was haben wir?“

Röhling reichte den Ordner rüber, wartete, bis Singer, der dem Ordner zunächst keine Beachtung schenkte, Platz genommen hatte und setzte sich sodann auf den vor dem Schreibtisch stehenden Stuhl.

„Eine informelle Anfrage eines Kollegen aus dem norwegischen Olden zur Identität einer dort aufgefundenen weiblichen Leiche.“

„Informell, so so. Und was haben wir damit zu tun?“

„Wenn die Übersetzung stimmt, so hatte die Frau in einem Ohrstecker einen unserer Aufzeichnungschips. Die IT-Abteilung der Kollegen dort ist bis zur letzten Barriere vorgedrungen und hat das Logo unseres Hauses und eine Nummer gefunden. Weiter kamen sie nicht.“

„Haben uns also gehackt. Aber immerhin sind sie ehrlich. Haben Sie schon geprüft, was es mit der Nummer auf sich hat?“

„Dazu habe ich noch nicht die Befugnis.“

„Ach so, ja, Sie sind ja erst etwa zwei Wochen bei uns, nicht wahr? Dann lassen Sie mal sehen.“

Singer schlug den Ordner auf und las den Wortlaut der Anfrage. Die vierstellige Nummer las er zweimal. „Verdammt“, entfuhr es ihm. „Stimmt die Nummer, kein Übertragungsfehler möglich, Zahlendreher oder so?“

„Nein“, antwortete Röhling. „Wenn Sie das Blatt wenden, sehen Sie einen Ausdruck der Onlineseite des Aufzeichnungsgeräts. Die 7301 ist deutlich zu erkennen.“

Singer stand auf und ging hinüber zu der kleinen Sitzgruppe. Er nahm sich von dem daneben stehenden Tablett ein Glas und goss sich aus einer Glaskaraffe eine gelbliche Flüssigkeit ein.

„Möchten Sie auch einen kleinen Whisky?“, fragte er. Röhling verneinte, bat jedoch um ein Glas Wasser. Singer gab es ihm und ging zum Fenster. Gedankenverloren sah er hinaus.

„Wieso berührt es uns viel mehr, wenn e i n Mensch stirbt, den man kannte, als das Sterben Hunderttausender in Kriegen, Hungersnöten oder Pandemien? Immer ist der Tod dasselbe finale Ereignis, und doch wird der Tod e i n e s Menschen als schlimmer empfunden.“

Röhling hatte nicht den Eindruck, dass sein Chef von ihm darauf eine Antwort erwartete. Es war wohl mehr ein Selbstgespräch. So nahm er schweigend einen Schluck. Singer trank ebenfalls aus seinem Glas, drehte sich um und stellte es mit einem Ruck auf seinen Schreibtisch. Nachdem er Platz genommen hatte, fixierte er sein Gegenüber, atmete tief ein und begann zu sprechen:

„Sie sind sicherlich verwundert über meine unprofessionell emotionale Reaktion.“

Röhling setzte zu einer Erwiderung an, aber ein Handzeichen stoppte ihn. „Als ich noch im Außendienst war, habe ich oft mit Agentin 7301 zusammen gearbeitet. In unseren gemeinsamen Einsätzen habe ich sie und ihre hundertprozentige Zuverlässigkeit und Professionalität zu schätzen gelernt.“

Er machte ein Pause und leerte das Glas.

„Sollte es sich bei der aufgefundenen Frauenleiche tatsächlich um unsere Kollegin handeln, so ist eine Sache, in der sie im Norden eingesetzt war, offenbar größer als wir angenommen haben. Haben die norwegischen Kollegen denn ein Foto mitgeschickt?“

„Nein, Sir. Ich hätte es selbstverständlich mit in die Akte gelegt. Wir haben nur die Beschreibung 'Etwa 50 Jahre alt gewordene weibliche Leiche, etwa 163 cm groß und 65 Kilo schwer' und die Beschreibung ihrer Kleidung.“

Singer, der sich etwas erstaunt über die von Röhling gebrauchte Anrede zeigte, meinte: „Wenn die sich hinsichtlich ihrer Größe nicht verschätzt oder vermessen haben, ist es nicht Agentin 7301. Sie ist fast einen Meter fünfundsiebzig groß.“

„Aber wieso sollte die Frau die Wanze der Agentin haben?“

„Es hat keinen Zweck zu spekulieren. Wir werden auf die Anfrage zunächst dahingehend reagieren, dass wir um ein Foto der Frau bitten und uns weitere Auskünfte vorbehalten.“

„Soll das Ministerium unterrichtet werden?“, fragte Röhling.

Singer war einerseits leicht amüsiert über das Engagement und den Ehrgeiz des jungen Kollegen, andererseits musste ihm natürlich sein noch untergeordneter Bereich innerhalb der Aufgabenverteilung klargemacht werden. Mit strengem Blick sagte er daher: „Das werde ich mit Ihrem direkten Dienstvorgesetzten erörtern. Derartige Fragen und Entscheidungen liegen nicht in ihrem Aufgabenbereich. Und im Übrigen glaube ich nicht, dass wir hier anglistische Anreden einführen sollten, schon gar nicht in Anbetracht des Ausstiegs der Briten aus der Europäischen Gemeinschaft.“

Das war deutlich. Röhling schluckte kurz, murmelte etwas von „Das sei wohl seinen Auslandssemestern in Cambridge geschuldet“ und wusste nicht so recht, was er jetzt machen sollte.

„Das wäre im Augenblick alles“, beendete Singer die Unterredung, woraufhin Röhling aufstand, sich kurz verneigte und das Zimmer verließ.

„Na, Sie sind ja noch im ganzen Stück rausgekommen“, hörte er die Vorzimmerdame sagen. „Offenbar kann er Sie gut leiden. Dann werden wir uns sicher bald wiedersehen.“

Röhling schaute sie erst ungläubig an, sah dann aber ein offenes warmherziges Lächeln, lächelte etwas steif zurück und verließ den Raum.

Im Flur angelangt atmete er tief durch und begab sich zurück in 'den mir zustehenden Bereich', wie er bitter dachte.

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K A P I T E L 5

Lunde schüttelte den Kopf. „Die wollen ein Foto von der Toten.“ Er war es nicht gewohnt, dass auf eine einfache Frage gewissermaßen mit einer Gegenfrage reagiert wurde.

„Und? Wo ist das Problem?“, ließ sich Mathisen vernehmen. „Welches meiner Starfotos wollen wir schicken?“

Wie kriege ich den Kollegen bloß in den Griff“, dachte Lunde. Das nach außen gezeigte übertriebene Selbstbewusstsein seines Mitarbeiters sollte – das wusste er von der Kriminalpsychologin aus Oslo – verdecken, welche unsichere Persönlichkeit unter der äußeren Schale steckte. Jeder und jede Anwärter/in auf den höheren Polizeidienst durchlief den „Psycho-Check“ in Oslo. Stellte man dabei sogenannte „besondere“ Persönlichkeitsmerkmale fest, gelangten diese in einen „Zusatz nur für die Personalstelle“. Und in diesen Zusatz hatte der jeweilige Leiter der Aus- oder Fortbildungsstelle Einsicht.

Dass aus Mathisen kein Drogenjunkie oder Schlimmeres geworden war, zeigte beispielhaft, dass eine verkorkste Kindheit und Jugend mit einem gewalttätigen Vater und einer schwachen alkoholsüchtigen Mutter nicht zwangsläufig zu einem weiteren verkorksten Leben führen musste.

„Man muss viel Geduld mit ihm aufbringen und seine Extratouren so weit wie möglich tolerieren und sie langsam in die richtigen Bahnen lenken“, hatte die Psychologin resümiert.

Leicht gesagt, schwer getan“, dachte Lunde. Er war weder ein sehr geduldiger Mann noch legte er besonderen Wert auf pädagogische Übungen. Doch langsam gewöhnte er sich daran, nicht jede nervige Handlung oder Äußerung des Kollegen zu kommentieren.

„Wir werden nichts dergleichen tun. Geben Sie mir mal bitte das Tablet, liegt dort auf dem Tisch vor dem Fenster. Und geben Sie mir noch ein ausgedrucktes Foto, egal welches. Hauptsache, sie ist darauf gut zu erkennen. Danke.“

Lunde öffnete seinen account rief sein Skype-Programm auf und murmelte „Die sind ja hoffentlich nicht auf dem Stand von Fax und Festnetztelefon stehen geblieben.“

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„Ja, Frau Peters?“ Singer schaute auf. Nach anfänglichem Fremdeln hatte er sich daran gewöhnt, dass seine 'Vorzimmerdame' sich jederzeit auch unangekündigt Eintritt verschaffte. Sie war schon persönliche Assistentin seines Vor-Vorgängers gewesen und besaß daher 'ältere Rechte'.

„Ein Kriminalhauptkommissar Lunde aus Olden hat telefonisch angekündigt, in einer halben Stunde per Skype oder Zoom mit Ihnen konferieren zu wollen. Es ginge um eine weibliche Leiche.“

„Warum haben Sie ihn nicht durchgestellt? Was bildet sich der Kollege denn ein? Dass wir hier sofort springen?“

„Genau wegen dieser erwarteten Reaktion habe ich ihn nicht zu Ihnen durchgestellt.“

Singer war einen Augenblick sprachlos. Frau Peters nutzte dies, um gleich fortzufahren. „Es ist nach meiner Erfahrung nie gut, in diesem sensiblen Bereich einem Gesprächspartner spontan seine Meinung zu sagen. Dies könnte die vielleicht erforderliche Zusammenarbeit von vornherein belasten. In meiner langen Zeit ...“

Singer stoppte seine (wie er sie heimlich nannte) Lehrmeisterin, indem er aufsprang und „Ist ja gut, Frau Peters, Sie haben ja recht!“ ausrief. „Rufen Sie bitte zurück und sagen Sie dem Kollegen, dass ich über Skype in etwa zwei Stunden zur Verfügung stehe. Bis dahin habe ich noch Einiges zu recherchieren.“

Frau Peters nickte stumm, machte auf dem Absatz kehrt und eilte an ihr Telefon.

Als sie draußen war, rief Singer auf seinem Rechner den dreifach gesicherten, nur ihm und der Präsidialabteilung zugänglichen Operations-Account der Abteilung SO auf. Die Suchfunktion gliederte sich nach Operationsgebieten, Auftragsdefinition und nach mit der Sache befassten Mitarbeitern und -innen.

Singer gab die Nummer 7301 ein. Es erschien das Ausweisfoto seiner Außendienstmitarbeiterin Anna Leutlov. Er scrollte weiter und fand unter „Aktuelles“ den Auftrag „NW Methyl“, in dem sie zur Zeit in Norwegen eingesetzt war.

Er erinnerte sich undeutlich an eine länger zurückliegende Abteilungsbesprechung, in der unter anderem von „Industriespionage“, „norwegischen Forschern“, „Methan“ und „CO2-Reduktion“ die Rede gewesen war. Offenbar diente das Stichwort „NW Methyl“ gleichzeitig der Assoziation wie auch der Verschleierung des eigentlichen Operationsziels.

Wenn Anna in Schwierigkeiten geraten und nicht (wovon er ausging) die Leiche sein sollte, dann gäbe es für die Wanze im Ohrstecker der Toten zwei Erklärungen: Entweder konnte Anna sich nicht melden und es war eine Botschaft an seine Abteilung, letztlich an ihn. Oder Anna wollte als tot erscheinen, um freie Bahn für weitere Nachforschungen beziehungsweise Aktionen zu haben. Ein nicht unübliches Vorgehen in der „Höhle des Löwen“.

Am Wahrscheinlichsten war eine Kombination aus beiden Alternativen.

Es ergaben sich zwei Schlussfolgerungen: Erstens musste die Identität der Toten geklärt, gegenüber den norwegischen Kollegen aber verschleiert werden. „Zweitens brauche ich die Wanze“, sagte er sich selbst.

Es würde nicht einfach sein, den Kollegen auf der einen Seite hinzuhalten, andererseits aber Wanze und Leiche zu bekommen.

Nachdem er sich eine Gesprächstaktik zurechtgelegt hatte, rief er mehrere Seiten mit Informationen über das System der norwegischen Polizei sowie des Rechtssystems auf.

Nach einer Stunde intensiven Studiums sah er dem Gespräch mit Optimismus entgegen.

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K A P I T E L 6

Immer, wenn er den endlos scheinenden Gang betrat, ergriff ihn dieses Schaudern und Frösteln. Daran würde er sich wohl nie gewöhnen.

Seit mehr als einem Jahr trat er zweimal wöchentlich seinen Kontrollgang im „Globalt Sikkerhetshvelv for frø på Svalbard“ (Weltweiter Saatgut-Tresor auf Svalbard) an. Und es war trotz der auf Spitzbergen herrschenden niedrigen Temperaturen immer wieder ein kleiner Schock, in das auf minus achtzehn Grad heruntergekühlte Gebäude zu kommen.

Doch sein Frösteln rührte nicht etwa von dem Kälteschock her. Seine Dienstkleidung hielt die Kälte komplett ab. Es war wie immer die indifferente Angst, in dieser von Menschenhand geschaffenen unterirdischen Anlage gefangen zu sein.

Und natürlich auch die Angst vor Entdeckung.

Worauf hatte er sich da nur eingelassen? Er, honoriger promovierter Master Of Science mit den Fachgebieten 'Advanced Materials', 'Biological Recognition', Molecular Sciences' und 'Medicinal and Industrial Pharmaceutical Sciences' hatte nie etwas anderes gewollt, als wissenschaftlich zum Nutzen der Menschheit zu forschen. Er wollte mithelfen, die trotz Nahrungsüberfluss vorhandene ungleiche Verteilung und die damit verbundenen Hungerkatastrophen zu beseitigen.

Ein hehrer Ansatz.

Master Sc. Sven Johansson schüttelte den Kopf, nahm kurz die Fellmütze ab und fuhr sich mit der behandschuhten Hand durch sein schütteres Haar. Was war hingegen aus ihm geworden? Ein Verräter an der Sache, ein Krimineller! Und an allem war sie schuld! Sie!

Schon immer war er ein Außenseiter gewesen. Zu seiner von Mitschülern und Mitschülerinnen und später auch von Kommilitonen und -innen verspotteten intensiven Neigung zu den Naturwissenschaften der Biologie und Chemie kam noch sein völlig nichtssagendes Äußeres hinzu. Er war immer Jahrgangskleinster gewesen, auch heute maß er nicht mehr als ein Meter fünfundsechzig. Seine fahle Hautfarbe war immer noch mit Sommersprossen übersäht und das linke Bein war etwa eineinhalb Zentimeter kürzer als das rechte.

„Haltande spöke“ hatten sie ihm wegen seines leichten Hinkens und seiner gespensterartigen Blässe hinterher gerufen. Sogar seine Eltern hatten diese Worte ab und zu gewählt, wenn sie sich über ihn geärgert hatten.

Vor diesem Hintergrund ohne Freunde, ja ohne jegliche soziale Kontakte, zog er sich ganz auf sich und seine Studien der Natur zurück. Nach dem Abitur studierte er mit hundertprozentigem Einsatz und wurde auf seinem Gebiet zu einem international angesehenen Spezialisten. So versuchten die unterschiedlichsten Organisationen, sich seiner Mitarbeit zu versichern. Doch er wollte eigentlich in Schweden, in seinem geliebten Uppsala bleiben.

Leider sah sich die Universität der Stadt außer Stande, ihm ein angemessenes Salär zu bezahlen. So war er dem Ruf der Universität von Oslo gefolgt, obwohl das die Trennung von der einzigen Frau, die ihm bis dahin etwas bedeutete, mit sich brachte. Nicht etwa, dass er es gewagt hätte, an eine Liebesbeziehung mit der scheuen Åsa Krusenstiern zu denken. Aber sie stimmten in vielen Dingen überein und sie war in seinem Single-Dasein der einzige Bezugspunkt gewesen. Immerhin waren sie über E-Mails und Postkarten sowie gelegentliche Telefonate in Kontakt geblieben.

Das hatte sich geändert. Zunächst nahmen an dem Forschungsauftrag zur Frage der globalen Ernährungssicherung noch drei Kollegen mit ihren jeweiligen Fachrichtungen neben seiner eigenen teil.

Einer der Kollegen brachte eines Tages eine Assistentin mit. Eine wunderschöne, attraktive Frau, die dem Leiter des Projekts Sorgenfalten auf die Stirn trieb, da er um die Konzentration der rein männlichen Mitglieder des Forschungsteams auf ihre Aufgaben fürchtete. Zu recht, wie sich herausstellte. Es begann ein regelrechter Hahnenkampf um die Gunst der Dame, an dem er sich, obwohl auch ihm ihre Reize durchaus bewusst waren, nicht beteiligte. Doch er ertappte sich hin und wieder dabei, dass er sie verstohlen beobachtete und dabei die Arbeit vernachlässigte. Und es geschah zunehmend, dass sie immer öfter zurückblickte und dabei – wie es ihm schien – aufmunternd zulächelte.

Das konnte so nicht weitergehen. Er wollte sich durch nichts von seinem Forschungsvorhaben ablenken lassen. Wie ein Wink des Schicksals geriet ihm eine Stellenausschreibung in die Finger. Für die wissenschaftliche Begleitung, Untersuchung, Zusammenstellung, Fortentwicklung und Katalogisierung der Saatgüter im Saatgut-Tresor auf Spitzbergen wurde ein Fachmann gesucht. „So eine Art Kurator wie im Museum“ hatte eines der Gremiumsmitglieder sehr unwissenschaftlich gemeint.

Zwar wurde dort keine Grundlagenforschung betrieben und er hatte sich sein Leben anders, als in einer kalten Einöde zu leben und zu arbeiten vorgestellt. Jedoch war es eine seiner Ausbildung adäquate und viel besser als an der Uni Oslo vergütete Stellung – und er kam von der ihn seelisch ziemlich aus der Bahn werfenden Nähe zu Gisa Malmström weg.

Nach seinem Umzug und ein paar Wochen der Einarbeitung musste er feststellen, dass er zum überwiegenden Teil Büroarbeit zu leisten hatte.

Das lag ihm überhaupt nicht. Und sie hielt ihn von dem ab, was er sich nach dem Inhalt der Stellenausschreibung vorgestellt hatte: Vom Forschen und Weiterentwickeln der Saatgüter.

Entgegen seiner Befürchtung wurde seinem Wunsch, ihm einen Sekretär oder eine Sekretärin für die Büroarbeit zur Verfügung zu stellen, widerspruchslos stattgegeben. Nach vier Wochen Ausschreibung hatte man eine geeignete Kollegin gefunden.

Und als er eines Morgens das Gebäude, in dem sein Büro lag, betrat, saß im Vorzimmer seine neue Sekretärin: Gisa Malmström.

Eines Tages, als sie allein im Labor waren, fragte sie ihn, ob sie den Aspekt der biologischen Diversifikation genmanipulierter Sojakeime nicht bei einem kleinen Imbiss besprechen könnten. Obwohl er über diese völlig unwissenschaftliche Aneinanderreihung von Begriffen innerlich hatte grinsen müssen, überwand er seine extreme antrainierte Zurückhaltung und willigte ein.

Verflucht sei dieser Tag“, dachte er laut, um sich gleich erschrocken umzusehen. Aber er war allein.

Er hatte es kaum glauben können, aber in den Folgetagen wurde es ihm zur Gewissheit: Sie hatte sich in ihn verliebt – und er erwiderte dieses Gefühl. Er und Gisa wurden ein Paar und nach nur vier Monaten heirateten sie.

Schon in den nur eine Woche dauernden „Flitterwochen“ begann sie, an ihm herum zu mäkeln. „Du lässt dich ausnutzen, du könntest viel mehr verdienen, ich will doch nicht in diesem Kaff versauern, ich will in die Hauptstadt, ins Theater, ins Konzert, Tanzen gehen ...“, eine endlose Litanei. Seine Einwände, er müsse das aufgelegte Programm zu Ende führen, tat sie ab.

Und bald wurde das Geld knapp. Völlig unsinnige Bestellungen von Luxuskleidung, Schmuck und luxuriösen Einrichtungsgegenständen sowie ihre teuren 'Ausflüge' aufs Festland, dort nach Oslo, Bergen und Trondheim, fraßen sein Einkommen auf. Irgendwann hatte er ihr vorgeschlagen, sich zu trennen. Doch sie hatte ihn nur ausgelacht und ihm unmissverständlich klar gemacht, dass er ihr in diesem Fall bis zu seinem Lebensende Unterhalt in erheblichem Umfang zu zahlen hätte. Schließlich verdiene er viel mehr als sie.

Ich bringe sie um, eines Tages bringe ich sie um“, hatte er seither immer wieder gedacht. Wohl wissend, dass er dazu überhaupt nicht in der Lage sein würde.

Er schrak aus seinen Gedanken auf, denn er hatte das Ende des langen Ganges erreicht. Nachdem er den Code in das neben der Tür befindliche Display eingetippt hatte, betrat er die mittlere der drei Hallen, in denen die Saatgüter lagerten.

Aber für sie war er heute nicht hier.

Er suchte den durch die Mitte zwischen zwei Saatgutregalen führenden Gang auf und ging ihn bis zum Ende. Die in die dort befindliche Querwand eingebaute, nur gut einen Meter hohe und ebenso breite Klappe war so paßgenau integriert, dass ein Uneingeweihter sie nicht erkennen konnte.

Sven Johansson kniete sich hin, drückte auf eine der die Wand in diesem Bereich bedeckenden Aluminiumkacheln, woraufhin die Klappe zur Seite glitt. Er robbte durch und drückte kurz auf die Kante der Klappe. Sie fuhr wieder in ihre Ausgangsposition und schloss mit einem preßluftartigen Geräusch. Nachdem er sich aufgerichtet und den Kniebereich abgeklopft hatte, wandte er sich nach links. Er folgte einem etwa einhundertundfünfzig Meter langen Tunnelgang mit vom früheren Kohleabbau wild zerklüfteten Decken und Wänden, der sich am Ende zu einer großen höhlenartigen Halle öffnete.

Hier befand sich eine in die ehemalige Abbaugrube eingebaute unterirdische Hafenanlage. Sie bestand aus zwei jeweils etwa fünfunddreißig Meter langen und zwanzig Meter breiten, an drei Seiten von gekachelten Kaimauern begrenzten Becken. Das Ende der Becken bildete eine riesenhafte Toranlage. Auf den Kaimauern standen links und rechts jeweils ein Ladekran auf Schienen, deren Verlauf sich am Ende der Becken in einer Weiche vereinigte und sodann im Dunkel des hinteren Höhlenteils verlor. Vor dem Kran des backbordseitigen Beckens stauten sich sieben Loren, wie man sie vom Bergbau kennt.

Sven Johansson sah auf seine Uhr. In zehn Minuten würde das U-Boot eintreffen.

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