Kitabı oku: «Angst ist nur ein Gefühl», sayfa 3

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Der Pickup

Ich hatte panische Angst. Ich spürte, wie die Panik in mir hochstieg. Schweiß bildete sich auf meiner Stirn. Das Auto war durch die Klimaanlage gut gekühlt, aber das half auch nichts mehr. Am liebsten hätte ich die Tür aufgerissen und wäre davongerannt. Bei diesem Gedanken huschte mir ein bitteres Lächeln über das Gesicht. „Dann wärst du 20 Sekunden später tot. Erschossen als Feigling. Ein tolles Ende!“, dachte ich mir.

Ich sollte ja gar nicht hier sein. Was tat ich hier? Eine tolle Erfüllung meiner Träume war das. Immer wollte ich Personenschützer sein. Ein Team führen. Diplomatenkennzeichen, Blaulicht, Folgetonhorn. So toll hatte ich mir das alles vorgestellt. Jetzt saß ich hier. In unserem einzigen nicht gepanzerten Fahrzeug. In einem Stau. Keine Möglichkeit auch nur irgendwohin zu fahren. Nicht, dass mein Fahrer das unbedingt wollte. Er war wie versteinert. Genauso wie der Kollege hinter mir am Rücksitz.

Direkt vor mir drei, mit Kalaschnikows bewaffnete, Aufständische auf der Ladefläche eines Pickups. „Das Anschlagssetting schlechthin in diesem Land“, überlegte ich mir, was meine Panik gleich noch ein wenig mehr entfachte. Nervös tauschten sie sich auf der Ladefläche vor uns aus. Einer der drei ging nach vorne, klopfte auf der Beifahrerseite aufs Dach, schrie durch das offene Fenster. Toll. Also mindestens fünf dieser Jungs. Die anderen zwei starrten auf uns, hauptsächlich auf mich. Das Bleichgesicht. Vorne am Beifahrersitz. Die Waffen noch auf unsere Motorhaube gerichtet. Nicht auf uns. Noch nicht! Sie diskutierten, waren nervös. Sie schienen eine tolle Möglichkeit erkannt zu haben. „Sie überlegen gerade, ob sie diese Chance für einen spontanen Anschlag nutzen sollten“, ging mir durch den Kopf. Das war es, was gerade geschah. Fünf Menschen, die überlegten, ob sie heil aus der Sache rauskommen würden, wenn sie jetzt zuschlagen. Fünf Menschen, die abwogen, wie groß ihre Ehre und ihre Belohnung sein würde, und wie groß das Risiko ist.

Meine Angst wurde immer größer. Ich überlegte mir, wie es sich wohl anfühlte, wenn mich die Kugeln treffen werden. Was ich wohl denken werde, wenn die Patronen meinen Körper durchschlagen. Wird es sehr weh tun? Werde ich leiden? Wird es schnell gehen? Und was kommt danach? Gedanke um Gedanken. Ich fühlte, wie ich total panisch wurde. Meinem jemenitischen Fahrer schien es auch nicht besser zu gehen. Sein Gesicht war kreidebleich. Obwohl er selbst für einen arabischstämmigen Mann eher dunkel war, wirkte sein Gesicht gerade genauso hell wie meines. Seinem Landsmann auf dem Rücksitz schien es auch nicht besser zu gehen. Es herrschte Totenstille im Auto. Überhaupt schien die ganze Welt stehengeblieben zu sein. Für mich zumindest. Ich konnte weder das Hupen der Autos noch die Diskussionen der anderen Fahrer hören, die sich über den Stau beklagten. Das restliche Team war mit der Schutzperson nur wenige Meter von uns entfernt. In gepanzerten Fahrzeugen. Aber sie würden keine Hilfe sein. Ihre Aufgabe war es, die Schutzperson zu schützen. So wie dies auch unsere Aufgabe war. Sie würden nicht aussteigen und uns in einem Feuergefecht unterstützen. Sie würden flüchten, wie es die Aufgabe vorsah.

Richtig wahrgenommen hatten uns die bösen Jungs erst, weil sich der Fahrer des Fahrzeuges mit der Schutzperson wie immer wichtigmachen musste. Kein Blaulicht, kein Horn, absolute Ruhe und Unauffälligkeit waren ausgemacht. So hatte ich es ihnen befohlen. Aber nein, er musste sich wieder zur Schau stellen. Er musste wieder hupen. Er musste wieder zeigen: „Schaut her, hier komme ich. Ich bin der tolle Fahrer eines wichtigen Diplomaten!“. Und uns, im nicht gepanzerten Auto, würde das nun wahrscheinlich das Leben kosten. War es all das Wert? Wie wird man über mich reden? Was wird auf dieser Welt von mir bleiben? Und was verdammt erwartet mich nach dem Tod?

Ein zaghafter Funkspruch riss mich aus meiner Angst und meiner Gedankenwelt. Mein österreichischer Kollege fragte nach, wie die Lage bei uns sei. Was wir zu tun gedenken. Er war jung, empathisch, ein guter Typ. Ein verlässlicher, loyaler Freund und Kollege. Aber man hörte in seiner Stimme, dass er ratlos und ängstlich war. Da wir das Vorausfahrzeug waren und ich als Supervisor an diesem Tag nicht direkt in das Personenschutzteam eingebunden war, hatten wir keine Headsets. Wir benutzten zwei Funkgeräte. Eines hatte der Kollege hinter mir. Das zweite war in unserer Mittelkonsole zwischen dem Fahrer und mir. Die beschriebenen Vorgänge hatten für mich gefühlt Stunden, sogar Tage gedauert. So hat es sich angefühlt. In Wirklichkeit waren aber nur wenige Sekunden vergangen. Dieser Funkspruch, dieses zögerliche Fragen, es riss mich total aus meiner Gedankenwelt. Bis heute weiß mein Kollege mit Sicherheit nicht, dass dieser kleine zaghafte Funkspruch uns wahrscheinlich gerettet hat. An den Inhalt kann ich mich nicht mehr genau erinnern.

Ich habe den Inhalt auch nicht sinngemäß wahrgenommen. Aber ich kann mich daran erinnern, dass dieser Funkspruch mich wachgerüttelt hat. Innerhalb eines Augenblicks war ich aus meiner düsteren Gedankenwelt erwacht auf zwei Dinge fokussiert:

 Was ist jetzt, hier, in diesem Moment und an diesem Ort, in meiner Funktion meine Aufgabe und mein Sinn im Leben?

 Was ist zu tun, wenn ich dies für mich klar machen konnte?

Von der Logotherapie hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch kaum Ahnung. Aber ich lebte in diesem Moment die Lehre der Logotherapie Viktor Frankls. Der Sinn für mich, als Manuel, an diesem Ort, zu dieser Zeit - diesen galt es zu erfüllen. Und meine Werte galt es zu leben. Auch, wenn es vielleicht das letzte Mal war. Oder gerade deshalb, weil es das letzte Mal sein könnte. Sicherheit zu geben, Menschen zu führen und Verantwortung zu übernehmen, unterstützend für mein Umfeld zu sein, waren und sind wichtige Werte für mich. Und es galt diese zu leben. Außerdem waren das auch meine beruflichen Aufgaben. Meine beruflichen Aufgaben und Werte deckten sich. Ideal aus Sicht der Logotherapie.

Natürlich war mir all dies in dem Moment nicht bewusst. Von einer Sekunde auf die andere war ich wieder vollkommen fokussiert, zurück im Hier und Jetzt. Bereit, das Notwendige zu tun, weil ich mir die beiden oben genannten Fragen stellte. Ich wusste was meine Aufgabe war. Ich wusste, was ich zu tun hatte.

Ich richtete mich in meinem Sitz auf, legte einen Arm locker über die Mittelkonsole, lächelte dabei die Männer auf dem Pickup an und nickte ihnen zu. Während ich das tat, entsicherte ich die AK47, die ich mir schon vor Minuten mit eingeklapptem Schafft im Fußraum bereit gemacht hatte. Ich umfasste den Griff der Waffe mit Kraft und Mut. Ich lächelte die Männer am Pickup selbstbewusst, wahrscheinlich sogar ein wenig verrückt an und begann dabei ruhig mit meinen beiden Jungs im Auto zu sprechen.

Meinem Kollegen hinter mir sagte ich, er solle nicht zum Funkgerät greifen. Wir werden die Männer nicht nervös machen. Wir werden nicht mehr funken. Er solle stattessen auch seine AK47 bereit machen und mir, egal was passiert, nicht in den Rücken schießen. Dabei lächelte ich weiter die Männer am Pickup an. Für keine Sekunde löste ich den Blick von ihnen. Ich zeigte ihnen, dass bereit ich war. Egal was da auch kommen mochte. Und eigenartigerweise fühlte ich es auch. Ich war tatsächlich bereit.

Dann sprach ich mit meinem Fahrer, ohne dabei den Blick von den Männern vor uns zu lassen. Ich wies ihn an, seine Pistole unauffällig aus dem Holster zu ziehen und auf seinem Oberschenkel schussbereit zu halten. Die Männer folgten meinen Anweisungen. Wir hatten schon einige schwierige Situationen durchgestanden, sie vertrauten mir. Die beiden Männer am Pickup starrten noch immer nervös auf uns, die Waffen bedrohlich in ihren Händen. Der Dritte lief am Pickup auf und ab. Er telefonierte jetzt, der Mann auf der Beifahrerseite hatte seine Tür geöffnet, war nervös, schrie Dinge und blickte zu uns. Sekunden vergingen wie Stunden. Mein Blick aber war fest und entschlossen. Ich strahlte die Sicherheit aus, die ich in dieser Situation ausstrahlen musste. Und ich fühlte die Kraft und Entschlossenheit tatsächlich in mir. Dann sprach ich mit meinen beiden Weggefährten im Auto. Und ich kann mich an meine Worte noch sehr gut erinnern. Fast wortwörtlich:

„Jungs, ich weiß ihr habt Angst. Und ja, wahrscheinlich werden wir jetzt sterben. Aber wir werden ganz sicher nicht kampflos sterben. Wir werden uns wehren und kämpfen wie Helden. In dem Moment, in dem einer der Typen seine Waffe bewegt und seinen Lauf in unsere Richtung hebt, werden wir auf die Säcke schießen und kämpfen. Erwidert das Feuer, springt aus dem Auto und kämpft! Und Hamit, schieß mir verdammt noch mal nicht in den Rücken!“

„Yes Boss, yes!“, erklang es fast synchron. Ich spürte, wie sich die gesamte Energie im Auto veränderte. Mein Fahrer wirkte entschlossen. Angst war der Aufgabe gewichen. Er setzte sich aufrecht hin. Seine Körperspannung war ganz anders. Er wirkte selbstbewusst und die Farbe kehrte in sein Gesicht zurück. Leider konnte ich keinen Blick auf den Kollegen hinter mir werfen. Aber ich konnte fast spüren, wie auch er Mut fasste. Wir waren bereit. Wir erfüllten unsere Aufgabe in diesem Moment, an diesem Ort. Und ich glaube, man sah es uns an. Ich glaube, die Männer vor uns konnten sehen und fühlen, dass wir keine leichten Opfer waren. Auch wenn der Vorteil klar auf ihrer Seite lag. Ich bin bis heute davon überzeugt, dass uns die Art und Weise, wie wir uns präsentierten, was wir ausstrahlten, gerettet hat. Und am allermeisten bin ich davon überzeugt, dass mich der Fokus auf meine Aufgabe, orientiert an meinen Werten, gerettet hat.

Dass meine Werte und meine Aufgabe so gut übereinstimmten, so wie es sein soll und so wie es auch später in Büchern und Ausbildungen über die Logotherapie lesen sollte. Auch, wenn mir all dies natürlich in dem Moment so nicht bewusst war.

Sinn und Werte - die Moral von der Geschichte

Die Situation endete gut für uns. Wir überlebten. Und das Team bedankte sich danach unzählige Male bei mir. Meine beiden Teammitglieder sagten mir, dass sie mir ihr Leben verdankten und mir dies nie vergessen würden. Wie ich reagierte, die Sicherheit, die ich ihnen gab, meine Furchtlosigkeit, hätten ihnen Mut und Sicherheit gegeben. Die Geschichte wurde noch einige Male mit den anderen Kollegen beim gemeinsamen Essen geteilt.

Bei einigen Worten und Beschreibungen hätte ich fast schallend loslachen müssen. Furchtlosigkeit, es klang so lächerlich. In Wahrheit hatte ich mir fast in die Hosen gemacht!

Leider hatte sich einige Wochen später, als ich gerade auf Heimaturlaub war, gezeigt, dass die Sache tatsächlich immer sehr ernst war. Es kam zu einem dramatischen Zwischenfall für unser Team. Mein lieber Vorgesetzter und Freund, wurde bei einem Angriff getötet, ein weiterer schwer verletzt. Ein tragischer Zwischenfall, der natürlich auch mich erschütterte. Noch heute denke ich oft an diesen Menschen. Einen Mann, der unzählige Jahre Erfahrung in Krisengebieten hatte. Einen Mann, der ein ruhiger und stärkender Vorgesetzter war. Einen Mann, dem ich vertraute und den ich bewunderte. Ich bin bis heute dankbar, diesen besonderen Menschen kennengelernt haben zu dürfen.

Zurück zu meiner Geschichte:

Was war in der erzählten Geschichte passiert? Warum konnte ich mit der Angst umgehen und meine Aufgabe erfüllen? Wieso lag mein Fokus auf der Aufgabe und konnte ich kreativ (also die Fähigkeit behalten, konzentriert und aktiv unterschiedliche Lösungen für Herausforderungen zu finden) bleiben?

Es war gelebte Logotherapie! Es war genau das, was Frankl immer wieder in seiner Lehre erwähnte: Den Sinn in unserem Leben zu erfüllen bedeutet immer, „für jemanden oder etwas da zu sein“. Das wurde mir erst später bewusst, als ich mich mit diesen Themen mehr beschäftigte. Unseren eigenen Sinn erfüllen können wir jedoch erst dann, wenn wir das nicht zum Selbstzweck tun, sondern uns unserem Umfeld, einer anderen Person oder einer bestimmten Aufgabe widmen. Frankl nannte das die Selbsttranszendenz. Man stellt sein Ego hinten an, öffnet sich gegenüber neuen Erfahrungen und konzentriert sich auf den Sinn in diesem Moment. Auf den Sinn, der jetzt gerade auszufüllen ist. Und in meinem Fall war der Sinn, ganz und gar für mein Team da zu sein. Das war meine Aufgabe. Diese Aufgabe hat mich in ein fremdes Land geführt, ich habe diese Aufgabe mit meinem freien Willen angenommen und nun hatte ich sie auszufüllen.

Wenn wir ganz in einer Aufgabe aufgehen, wenn wir ganz für andere Menschen da sind, dann kommen wir in einen Flow. Unser Gehirn wird nicht überflutet. Wir bleiben handlungsfähig, fokussiert, konzentriert und können die Aufgabe leicht lösen. In der Selbstdistanzierung (also dem oben beschriebenen weggehen vom eigenen Ego, den eigenen Gefühlszuständen) und der Selbsttranszendenz sah Frankl auch die Lösung der meisten menschlichen Probleme. Warum? Weil wir aufhören, unser eigenes, kleines Süppchen zu kochen und an andere, das große Ganze denken. Wenn Sie beispielsweise Angst haben und ständig nur über diese Angst nachdenken, dann wird Ihr gesamter Fokus auf diese Angst gerichtet. „Wo der Fokus, dort die Aufmerksamkeit“, ein Ausspruch, den man häufig hört. Dieser Satz ist nicht ganz greifbar oder gleich in jeder Situation verständlich. Ganz konkret können wir ihn aber mit der Angst darstellen.

Wenn Sie vor etwas Angst haben (eine bevorstehende Aufgabe, einen Termin, eine Situation) und unentwegt daran denken, dann wird diese Angst immer größer. Nehmen wir an, Sie hätten ein wichtiges, aber unangenehmes Telefonat zu führen. Sie schieben es aber vor sich her, dann liegt der Fokus sehr häufig darauf. Immer wieder kommt es Ihnen in den Sinn. Der Fokus ist vollkommen darauf gerichtet und auch Ihre Gedanken werden immer ausschweifender. Ihr „Kopfkino“ läuft immer wilder. Die Gedanken, was alles passieren könnte, werden immer bedrohlicher. Kennen Sie solche Situationen? Können Sie sich an eine solche Situation erinnern, in der Ihre Angst immer größer wurde, je mehr Sie an eine bevorstehende bedrohliche Aufgabe denken? Und was machen wir dann häufig?

Wir denken noch mehr daran! Wir Menschen glauben, wir können mit unserem Gehirn alles lösen. Wenn wir nur lange genug darüber nachdenken, dann wird das schon irgendwie werden und wir finden eine Lösung. Aber genau das Gegenteil ist der Fall! Wir lenken unseren ganzen Fokus auf die Angst, rücken sie und die dazugehörigen Gefühle und Emotionen vollkommen in den Mittelpunkt. Und je mehr wir uns darauf konzentrieren, umso ängstlicher und panischer werden wir. Kreatives Denken, und damit verbunden die Arbeit an einer Lösung, ist nicht mehr möglich, genauso wenig wie Empathie. Wir werden unausstehlich, niemand kann es uns mehr recht machen. Wir laufen voller Angst durch die Welt, durch unsere eigene Welt.

Kennen Sie Situationen wie diese? Das betrifft aber nicht nur die Angst, sondern auch andere Emotionen. Eifersucht beispielsweise. Sie sind eifersüchtig, stellen sich bestimmte Situationen vor und schon beginnt das Kopfkino. Ihr innerer Spielfilm läuft ab und endet in einem Drama. Sie verfallen in Ihre gewöhnlichen Verhaltensmuster und gehen dabei immer mehr in die Emotion.

Menschen, die unter Eifersucht leiden, lassen den Film in ihrem Kopf immer „spektakulärer“ ablaufen. Zuerst beginnt es mit einfachen Fragen, die sich viele Menschen stellen. Zum Beispiel, wenn die Partnerin oder der Partner nicht erreichbar ist, was diese/r wohl gerade macht. Die Frage nimmt dann die gesamte Aufmerksamkeit ein, man kann an nichts anderes mehr denken. Plötzlich sieht man die Partnerin oder den Partner schon mit einer anderen Person flirten. Und dieses Gedankenspirale dreht sich immer weiter, immer tiefer. Auch, weil die gesamte Aufmerksamkeit nur noch darauf gelenkt ist. Dieses gewohnte Verhaltensmuster, sich in die Situation hinein denken zu müssen, sich alles vorstellen zu müssen, um die Situation aufzulösen, führt immer tiefer in die Eifersucht. Genau das ist das Problem mit unseren Wahrnehmungen in vielen Bereichen.

Können Sie sich an Situationen erinnern, in denen Sie jemand richtig auf die Palme gebracht hat? Nichts und niemand konnte Sie beruhigen und das Gefühl wurde immer stärker. Sie haben sich gedacht: „Was bildet er/sie sich ein, so mit mir zu sprechen?“ und wurden dabei noch emotionaler? Kurz darauf kommen Ihnen auch andere Dinge über diese Person in den Sinn. Andere negative Dinge und Äußerungen, an die Sie sich erinnern. Auch wenn diese schon lange her sind und in keinem Zusammenhang mit der jetzigen Situation stehen.

„Damals, vor einem Jahr, da hat er/sie ja auch schon …… gemacht“, „Jetzt fällt mir ein, vor drei Monaten hat er/sie ja auch schon …. gesagt“. Immer mehr negative Dinge fallen Ihnen ein, Sie gehen immer tiefer in die Emotion. Immer mehr wird diese Person zum Feindbild. Sie finden an dieser Person immer weitere negative Eigenschaften, Äußerungen, Verhaltensweisen, ja alles an dieser Person scheint plötzlich schlecht zu sein. Und das alles vielleicht nur aufgrund einer Äußerung. Einer Äußerung, die Sie vielleicht auch noch falsch interpretiert haben.

Kenne sie solche Beispiele? Beispiele, in denen Sie sich in die Angst hineingesteigert haben? Immer mehr, vielleicht sogar über Tage oder Wochen? Kenne Sie Beispiele, in denen Sie sich unfassbar über eine Person geärgert haben und Sie in Ihrem Kopf immer mehr zu einem Feindbild wurde? Kennen Sie Beispiele, wo Sie eifersüchtig, traurig, hoffnungslos, niedergeschlagen waren?

Versuchen Sie sich an ein paar Situationen zu erinnern. Wie sind diese Dinge im Endeffekt ausgegangen? Waren die Ergebnisse so schlimm, wie Sie sie sich im Geiste vorgestellt haben? Oder war der Ausgang doch nicht so furchtbar, vielleicht sogar positiv? Hat er neue Chancen gebracht, überraschende Wendungen? Meist geschieht nämlich genau das!

Mark Twain sagte einmal: „Ich bin ein alter Mann und habe viel Schreckliches erlebt, aber zum Glück ist das meiste davon nie eingetroffen.“

Dieses Zitat zeigt bestens, wie das Leben von uns Menschen läuft: wir haben große Angst vor Dingen, die noch gar nicht passiert sind. Wir fürchten uns, haben die schlimmsten Fantasien und Vorstellungen, aber am Ende ist alles nur halb so schlimm - wenn überhaupt. Ich weiß selbst, „Es ist nur halb so schlimm“ sind recht hohle Phrasen. Das hilft uns in dem Moment der Angst und Panik nicht weiter. Aber wenn Sie in einer ruhigen Minute darüber nachdenken, werden Sie erkennen, dass es fast immer zutrifft. Kaum etwas ist tatsächlich so schlimm gekommen, wie wir es uns vorstellen. Es gibt Möglichkeiten, wie wir mit Ängsten und Emotionen umgehen können, sie im Griff haben können, uns entwickeln und unser Leben gestalten können. Den ersten Schritt hin zu einem konstruktiven Umgang mit Angst sind Sie bereits gegangen – halten wir uns nicht länger auf und gehen den nächsten. Hierzu stelle ich Ihnen an dieser Stelle die Möglichkeiten der Selbstdistanzierung und Selbsttranszendenz vor.

Selbstdistanzierung

Die Fähigkeit zur Selbstdistanzierung ist die grundlegendste Kompetenz, die wir uns aneignen sollten, um unserer Angst Herr zu werden. Dabei gehen wir von unseren eigenen Gedanken, unserer eigenen Gedankenwelt, weg. Wir distanzieren uns von unseren eigenen Vorstellungen, Wahrnehmungen und auch Empfindungen. Wir nehmen sozusagen eine Beobachterposition zur eigenen Person und den eigenen Gefühlen ein. Das bringt den Vorteil, dass wir unsere eigenen Gedanken und Emotionen in Frage stellen können. Wir Menschen sind der Meinung, die Gedanken, die uns jeden Tag begleiten sind allgemein gültig und die einzige Wahrheit. Dadurch haben unsere Gedanken, Emotionen und Wahrnehmungen auch ihre volle Berechtigung. Aber manchmal ist das nicht ganz richtig. Manchmal machen wir Menschen damit einen Fehler und engen unseren Spielraum und unsere Handlungsmöglichkeiten ein. Die Gedanken, die wir Menschen zum größten Teil haben, sind reine Gewohnheit. Oft haben wir uns diese Art des Denkens über viele Jahre angewöhnt. Oft nehmen wir viele negative Denkansätze über Jahrzehnte mit und glauben: „Ja, so ticke ich eben!“. Das ist aber schlichtweg falsch!

Sie selbst bestimmen Ihre Gedanken! Und wenn Sie ängstliche auch wütende Gedanken haben, sich über etwas aufregen und das Kopfkino und die Gedankenspirale wieder loslegen, dann liegt es auch an Ihnen, diese zu unterbrechen. Die gute Nachricht ist: jeder Mensch kann das schaffen! Auch Sie können eine neue Art des Denkens entwickeln, die Ihre alten Muster und Glaubenssätze Schritt für Schritt ablösen wird. Natürlich erfordert dies Übung und ist nicht immer ganz einfach. Es dauert oft lange und man muss sich sehr bewusst anstrengen, nicht mehr in diese negativen Gedankenspiralen zu verfallen - aber es funktioniert! Sie entwickeln dadurch eine neue Art des Denkens, die die alte Art Schritt für Schritt ersetzen wird.

Wie funktioniert nun die Selbstdistanzierung praktisch?

Wenn Sie in Ihrer Gedankenwelt gefangen sind, ist es wichtig, daraus auszubrechen und Ihre Aufmerksamkeit nach außen zu richten. Sie können sich im ersten Schritt das Wort „Stopp“ selbst laut vorsagen. Oder laut in die Hände klatschen. Sie können sich auch ein wenig zwicken oder einfach einmal kurz aufschreien. Natürlich sind das Dinge, die Sie am besten machen, wenn Sie alleine sind. So ein lautes „Stopp“, ein Schrei oder ein lautes Klatschen könnten bei Arbeitskolleginnen und Kollegen oder in einem öffentlichen Verkehrsmittel ein wenig komisch wirken. Im Kopf, für Sie selbst, geht ein gedankliches „Stopp“ oder ein gedanklicher Schrei genauso. Hier können Sie sich den neurobiologischen Kniff, dass Ihr Gehirn Ihre Gedanken für die Realität hält, zu Nutze machen!

Eine weitere Möglichkeit wäre, sich einen positiven Anker zu setzen. Beispielsweise wenn Sie Daumen und Mittelfinger fest zusammendrücken, sodass Sie sich nur auf diesen Druck konzentrieren. Dafür müssen Sie es zuvor mit etwas Positivem in Verbindung gebracht haben. Beispielsweise drücken Sie drei, vier, fünf Mal Daumen und Mittelfinger zusammen, wenn Sie sich an einem Tag sehr wohl und sicher fühlen. Wenn dann eine Situation eintritt, in der ihr Gedankenkarussell wieder losgeht, dann bringt der Druck von Daumen und Mittelfinger Sie wieder in diese positive Stimmung. Dafür müssen Sie aber regelmäßig diesen Anker „aufladen“, also immer wieder, wenn Sie positiv gestimmt sind, Daumen und Mittelfinger aneinanderpressen.

Es liegt an Ihnen, welche Technik Sie nutzen möchten. Es hängt auch immer von Ihren persönlichen Präferenzen ab. Ob es der innere Schrei, das imaginäre Stoppschild oder ein Anker ist, oder vielleicht sogar alles drei. Es liegt an Ihnen! Wichtig ist jedoch, sich bewusst auf die Technik zu konzentrieren. Holen Sie sich in das Hier und Jetzt und fokussieren Sie sich bei der Ausführung auf die von Ihnen gewählte Technik.

Ein weiteres ausgezeichnetes Hilfsmittel ist die Veränderung der Köperhaltung. Vera Birkenbiehl beschreibt immer wieder Techniken, um sich sofort wieder in eine gute Stimmung zu bringen. Beispielsweise 30 Sekunden erzwungenes Lächeln. Da das Lächeln auf bestimmte Muskeln drückt, die wir sonst nur benutzen, wenn wir gut gelaunt sind, glaubt unser Gehirn nach ca. 30 Sekunden, dass wir tatsächlich gute Laune haben. Sie können auch mit zwei Fingern auf Ihre Knochen drücken, die über Ihren Wangen liegen. Das ist die unauffälligere Variante und stimuliert denselben Effekt. Gerade bei Ängsten ist es einer meiner Favoriten, die Körperhaltung dahingehend zu verändern, dass man die Schultern nach oben zieht und den Brustkorb hinausstreckt. Heben Sie dabei auch noch den Kopf und strecken Sie das Kinn leicht nach vorne. Diese Haltung führt zu einer ähnlichen Wirkung wie das erzwungene Lächeln zur guten Laune: es stärkt unseren Mut und das Selbstbewusstsein allein durch die gestärkte Körperhaltung. Wenn angstbesetzte Gedanken aufkommen, dann machen Sie sich einfach groß, egal ob Sie sitzen oder stehen. Heben Sie Ihr Kinn, ziehen Sie Ihre Schultern nach oben und machen Sie Ihren Brustkorb breit. Atmen Sie dabei tief und ruhig. Fühlen Sie Ihre Kraft. Auch hier gilt: Sie müssen diese Körperhaltung mindestens 30 bis 60 Sekunden aufrechterhalten. Forschungen haben gezeigt, dass die Veränderung der Körperhaltung mindestens 30 Sekunden anhalten muss, um eine Auswirkung auf die Psyche zu haben. Je nach Studienteilnehmer kann es bis zu 60 Sekunden dauern.

Bei all diesen Übungen richten Sie Ihre geistige Aufmerksamkeit nach außen. Das ist essenziell. Spüren Sie den Druck der Finger, das Lächeln in ihrem Gesicht, die veränderte Körperhaltung. Aber richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nach außen. Bewusst weg von Ihren Gefühlen und Gedanken. Betrachten Sie Ihre Umgebung. Sehen Sie sich Dinge in Ihrer Umgebung an, die Ihnen gefallen. Einen Baum, eine Wiese, ein Buch, Ihr Haustier, ein Bild auf Ihrem Schreibtisch, eine Nachricht Ihrer oder Ihres Liebsten. Ziehen Sie die ganze Aufmerksamkeit von der Gedankenspirale ab.

Nach ein oder zwei Minuten, in der Sie die Aufmerksamkeit nach außen gelenkt und die Körperhaltung verändert haben, versuchen Sie andere, konstruktive Gedanken zu fassen.

Es wird Ihnen gerade am Anfang nicht immer leichtfallen. Auch bei schwierigen Themen oder herausfordernden Emotionen wie Angst kann es Ihnen passieren, dass Sie schnell in die alte Gedankenspirale zurückfallen. Wir tun eben gerne das, was wir gewohnt sind. Lassen Sie sich davon nicht entmutigen! Versuchen Sie es einfach erneut! Und wiederholen Sie die oben beschriebenen Methoden wieder für eine Minute. Übung macht schließlich den Meister. Sie werden sehen, dass Ihnen die Neuorientierung Ihrer Gedanken mit jedem Versuch leichter fällt und Sie sich Ihre neue Gewohnheit antrainieren, bis sie irgendwann von selbst funktioniert.

Selbsttranszendenz und Sinn

Den nächsten Schritt bildet die Selbsttranszendenz. Die Reihenfolge ist jedoch nicht als hierarchische Ordnung zu betrachten, sondern ist im Sinne der Verständlichkeit aufgebaut. Beginnen Sie für sich selbst die Fähigkeit zu etablieren, die Ihnen am wichtigsten und hilfreichsten erscheint. Frankl sieht in der Selbsttranszendenz eines der wichtigsten Dinge für uns Menschen, um uns zu entwickeln, Herausforderungen, Ängste und Emotionen zu überwinden und um sinnvoll zu leben. Die Logotherapie ist auch die Lehre des Sinnes im Leben. Mit Logo ist in der Logotherapie auch der altgriechische Ausdruck Logos, für Sinn, gemeint.

Frankl ging von drei Grundgedanken aus. Der Mensch hätte:

 die Freiheit des Willens

 den Willen zum Sinn

 den Sinn im Leben

Jeder Mensch hätte also einen freien Willen zu entscheiden, wie er sich verhalten möchte. Nachdem uns unsere Reise jedoch bereits zum Ursprung unserer Emotionen geführt und uns gezeigt hat, dass wir ihnen in manchen Situationen ausgeliefert sind, müssen wir den freien Willen etwas in Relativität dazu setzen. Wir können uns unserem freien Willen bedienen, indem wir selbst entscheiden, wie wir mit unseren Emotionen umgehen. Ob wir uns ihnen ausliefern oder versuchen, lösungsorientiert damit umzugehen. Aber wie ich mit meinen Schicksalen umgehe, wie ich täglich mit Herausforderungen, meinen Mitmenschen, meinen Emotionen, meinen Ängsten umgehe, das ist mein freier Wille.

Der Mensch hat auch einen Willen zum Sinn. Wir Menschen, jeder von uns, sucht im Grunde den Sinn in seinem Leben. Und diesen Sinn gibt es auch, für jeden von uns! Das ist der dritte von Frankl’s Grundgedanken. Und im Grunde geht es mit der Selbsttranszendenz genau um diese drei Grundgedanken. Selbsttranszendenz beinhaltet Selbstvergessenheit, dabei geht es darum, für etwas oder für jemand da zu sein. Vollkommen von den eigenen Befindlichkeiten, Gedanken, Ängsten, Sorgen, usw. weg zu gehen und sich vollkommen in den Dienst eines anderen Menschen oder einer Sache zu stellen. Genau dann erfüllen wir auch unseren Sinn im Leben.

Sinn im Leben klingt oft sehr abgehoben. Es klingt häufig nach etwas sehr Spirituellem, kaum erreichbaren, weit entfernten. Doch genau so ist der Sinn in der Logotherapie nicht gemeint. Natürlich können wir dem großen Sinn, der großen Frage „Warum bin ich auf dieser Welt und was ist meine ureigene Aufgabe?“ nachgehen. Wir dürfen und sollten uns auch selbst reflektieren, diese Frage stellen und langsam darauf hinarbeiten. Aber das Leben stellt uns tagtäglich Fragen. Das Leben fragt uns jeden Tag viele Male, wer wir sind, was unser Sinn ist und was wir nun gedenken zu tun. In vielen vermeintlich kleinen Situationen erarbeiten wir unseren Lebenssinn und unsere Persönlichkeit. Auf sehr praktische Art und Weise. Jeden Tag, jeder für sich.

Ein Kollege fällt Ihnen ins Wort und Sie werden wütend? Wie Sie reagieren, ist Ihre Wahl und Ihre Art der Sinnerfüllung. Herrschen Sie ihn an? Werden Sie selbst auch wütend? Tragen Sie den ganzen Tag den Groll mit sich herum? Zahlen Sie es ihm zu einem anderen Zeitpunkt heim? Schwärzen Sie ihn beim Chef an?

Oder versetzen Sie sich in ihn hinein und überlegen sich, warum er das getan hat? Erkennen Sie auch in schwierigen Situationen seine guten Seiten, seine guten Eigenschaften? Stellen Sie klar, dass Sie das gerade verletzt hat, aber Sie auch verstehen, dass es ein emotionales Thema für ihn ist? Sie entscheiden, wie Sie mit der Situation umgehen und Ihren Sinn konkret umsetzen.

Oder Sie sind müde von der Arbeit, kommen nachhause und Ihr Kind, Ihre Partnerin oder Ihr Partner oder Ihr geliebtes Haustier wollen Ihre Liebe und Aufmerksamkeit. Weisen Sie sie zurück? Grummeln Sie Ihre Liebsten an, um Ihre Ruhe zu haben? Setzen Sie sich einfach vor den Fernseher und ignorieren Sie sie? Oder nehmen Sie sich Zeit, auch wenn Sie müde und es auch nur ein paar Minuten sind, um ihnen Ihre Liebe zu zeigen?

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