Kitabı oku: «Beter, Mönche und Gelehrte», sayfa 3

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Aus dem Schweigen zum Handeln: Thomas Merton

Seine Autobiografie „Der Berg der sieben Stufen“ wurde insgesamt mehr als eine Million Mal verkauft und in 28 Sprachen übersetzt. Der Trappistenmönch Thomas Merton schrieb über siebzig Bücher, mehrere hundert Gedichte und zahllose Artikel. Darin setzte er sich mit der monastischen Spiritualität, aber auch mit politischen Fragen wie den Rechten und Pflichten der Bürger, den Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktlösung und den Folgen nuklearen Wettrüstens auseinander. Eine laute Berufung im Leben in Stille: Der asketische Mönch hat zahlreiche Menschen tief beeindruckt und nachhaltig beeinflusst.

Thomas Merton führte ein bewegtes Leben, bevor er zu einem der wichtigsten Vertreter des kontemplativen Lebens des vergangenen Jahrhunderts wurde. Merton wurde im französischen Prades (Nord-Pyrenäen) geboren. Seine Eltern, der Vater Neuseeländer, die Mutter Amerikanerin, waren Künstler. Sie hatten sich in einer Malschule in Paris kennen gelernt. Nach der Heirat in London kehrten sie nach Frankreich zurück, wo Thomas am 31. Januar 1915 das Licht der Welt erblickte. Die Mutter starb, als Thomas sechs Jahre alt war. Zusammen mit seinem reiselustigen Vater habe er eine „wilde Kindheit und Jugend“ verbracht, schreibt Merton im Rückblick. Die zahlreichen schulischen Stationen in Frankreich, England und den Vereinigten Staaten legen davon Zeugnis ab.

An der Columbia University New York nahm Merton schließlich das Studium der Journalistik auf. Er kam mit wichtigen Literaturgrößen seiner Zeit zusammen und interessierte sich fürs Schreiben und die politische Auseinandersetzung. In dieser Zeit sei er ein strikter Atheist gewesen. Zwar machte der als Protestant getaufte Merton erste Erfahrungen mit dem römischen Katholizismus schon im Alter von sechzehn Jahren in Italien, doch führte ihn letztlich der Tod seines Großvaters zum christlichen Glauben und dann zum Mönchtum. Als sein Großvater 1937 starb, beschäftigte sich Merton intensiv mit dem Glauben und trat nach eigenen Worten „aufgrund eines dramatischen Bekehrungserlebnisses“ am 10. Dezember 1941 in die Abtei Notre-Dame von Gethsemane in Kentucky (USA) ein, eine Gemeinschaft von Mönchen aus dem Orden der Zisterzienser der strengen Observanz (Trappisten), einer der streng asketisch lebenden Orden. Siebenundzwanzig Jahre verbrachte er in Gethsemane.

Sein Leben war zunächst das eines strengen Asketen, der mehr der Stille und dem Gebet als der Welt zugewandt war. Doch wenn auch das Zentrum seines Lebens das geistliche Leben in der Einsamkeit seiner Klosterzelle war, drängte ihn sein Glaube auch auf die politische Bühne. Dass Merton ein Talent für begeisternde Schriften hatte, entdeckte auch sein Abt Frederic Dunne, der ihn bat, bereits mit 33 Jahren seine Autobiografie zu veröffentlichen und damit den Orden bekannt zu machen. So verbrachte Merton seine Jahre im Kloster zwischen Kontemplation und Dialog. Das betende Schweigen und das politische wache Handeln gehörten seiner Ansicht nach untrennbar zusammen.

„Mehr Bücher als notwendig“ habe er schließlich geschrieben, so Merton selbst. Aber die machten ihn zu einem der gefragtesten Gesprächspartner in Fragen der christlichen Ethik und der monastischen Spiritualität. Mit allen Größen seiner Zeit pflegte Merton einen intensiven Austausch. Er korrespondierte mit Päpsten, Bischöfen und Schriftstellern, Theologen aller Konfessionen und Religionen. Gemeinsam mit dem Jesuitenpater und Friedensaktivist Daniel Berrigan wurde Merton zum Gewissen der Friedensbewegung der 1960er-Jahre. In den bitteren Erfahrungen des Rassismus und der Aufrüstung war Merton ein starker Befürworter einer konsequent gewaltlosen Bürgerrechtsbewegung, die er als „das große Vorbild des christlichen Glaubens in Aktion in der sozialen Geschichte der Vereinigten Staaten“ bezeichnete. Für sein soziales Engagement musste Merton schließlich heftige Kritik von Katholiken und Nichtkatholiken gleichermaßen einstecken. Als seine Meinungen nicht immer gesellschaftsfähig waren, wurden Mertons politische Schriften als unpassend für einen Mönch angegriffen. Letztlich lag Merton aber wohl nicht viel daran, für wichtig gehalten zu werden. Im Kloster wurde er wie alle anderen behandelt. Als einfach, uneitel, unklerikal und äußerst liebenswürdig beschrieben ihn seine Mitbrüder. Schließlich hatte Merton bei aller Prominenz sein Lebensziel nicht aus dem Auge verloren: eine erfüllte Spiritualität.

So setzte sich Merton während seiner letzten Lebensjahre intensiv mit den asiatischen Religionen auseinander. Insbesondere vom Zen-Buddhismus war er fasziniert. Durch die Beschäftigung mit den östlichen Religionen werde der Ost-West-Dialog gefördert, war Merton überzeugt. Der Dalai Lama bezeichnete Merton als Freund, der ihn ein tiefes Verständnis des Christentums gelehrt habe. Ebenso habe Merton die Anliegen des Buddhismus besser nachvollzogen als viele Buddhisten selbst, so der Dalai Lama. Der Abt erlaubte Merton 1968 eine Reise nach Bangkok, wo sich zahlreiche religiöse Größen aus aller Welt zu einem Austausch zum Ost-West-Dialog trafen. Seine letzte Reise: Am 10. Dezember 1968 starb Merton in seinem Hotelzimmer an den Folgen eines Unfalls, genau am siebenundzwanzigsten Jahrestag seines Eintritts in das Kloster Gethsemane.

Ein Baumeister Europas: Robert Schuman

Ernst, aber nicht humorlos, unbestechlich, fleißig und tief religiös, nüchtern, hager und kahlköpfig. So haben Zeitgenossen den deutsch-französischen Politiker Robert Schuman beschrieben. Mit Sicherheit war Schuman nicht das Idealbild eines großen Staatsmanns. Kein Mann der großen Gesten und scharf geschliffenen Reden, sondern eher des Ausgleichs und der leisen, aber durchaus bestimmten Töne. Erst spät geriet der zurückhaltende Schuman in das politische Rampenlicht. Das war 1947. Viele der großen Figuren der französischen Politik waren von der Bildfläche verschwunden, ihre allzu blumig ausgefallenen Ausmalungen einer starken französischen Position in Europa wie Seifenblasen zerplatzt. Da trat Robert Schuman auf den Plan, als 61-Jähriger wurde er Ministerpräsident der durch die Wirren der Nachkriegszeit schwer gebeutelten Republik. Bis dahin war Schuman ein Unbekannter, sprach sogar nicht einmal fließend Französisch, denn er stammte aus dem damals noch zu deutschem Gebiet gehörenden Lothringen. Dennoch fiel der unbestechliche Jurist auf. Vor allem durch seinen Fleiß, mit dem er wie ein Uhrwerk die schwierigsten Aufgaben meisterte. Ein Mann mit seinen Fähigkeiten war nun gefragt. Sachlich und unpathetisch mussten die anstehenden Probleme gelöst werden.

Schumans Leben liest sich wie der frühe Entwurf des heutigen Weltbürgers. Die Mutter Luxemburgerin, der Vater Lothringer, ein Zollbeamter. Beide gaben sie ihm eine tief religiöse Prägung mit auf den Lebensweg. In Bonn, München und Berlin studierte Schuman Jura, wurde an der Pariser Sorbonne zum Doktor promoviert und ließ sich anschließend in Metz als Anwalt nieder. Dem Staat gegenüber loyal diente Schuman im Ersten Weltkrieg als preußischer Reserveoffizier. Seine Treue galt aber vor allem seiner Kirche, der er in den politischen Wirren nicht nur eine wichtige Funktion zuschrieb, sondern ihre Stimme auch dort einbringen wollte. Als er seine Mutter mit 24 Jahren durch einen Verkehrsunfall verlor, spielte Schuman sogar mit dem Gedanken, Priester zu werden. Letztlich ließ er sich aber von seinem Freund Henri Eschbach davon überzeugen, dass diese Zeit vor allem dem Engagement der Laien gehören müsse: „Die Heiligen dieses Jahrhunderts tragen Straßenanzug!“

Als 1919 Lothringen wieder an Frankreich fiel, engagierte sich Schuman in der katholischen Gruppe „Démocrates Populaires“ und wurde Stadtrat in Metz. Sein Engagement sowie sein unerschütterlicher Glaube brachten ihn während des Zweiten Weltkrieges in große Schwierigkeiten. Er wurde von der Gestapo verhaftet und zur Kollaboration genötigt. Schuman widerstand den Angeboten und floh nach Südfrankreich. Dort pflegte er intensive Kontakte zur Widerstandsbewegung, versteckte sich in Klöstern und Kirchen, in denen oft nachts Versammlungen stattfanden. In einer dieser Zusammenkünfte, bei denen auch der Bischof von Metz teilnahm, verkündete Schuman fest entschlossen: „Hitler ist verloren! Dessen könnt ihr sicher sein!“ Da dies den Nazischergen nicht verborgen blieb, setzten sie eine hohe Prämie auf seinen Kopf aus.

Schuman entkam abermals und gründete nach Kriegsende mit Freunden die Katholische Volkspartei. 1946 wurde er französischer Finanzminister mit der schwierigen Aufgabe, das finanzielle Chaos der Nachkriegszeit in einigermaßen geordnete Bahnen zu lenken. Um einer drohenden Inflation Einhalt zu gebieten, scheute er sich nicht vor unpopulären Maßnahmen. Das machte ihn nicht berüchtigt, im Gegenteil: Aufgrund seiner Erfolge wurde er mit dem Amt des Außenministers betraut, kurze Zeit später wurde er Ministerpräsident.

Seinen Einfluss nutzte er dafür, seiner großen europäischen Idee Gestalt zu geben und mit dem Bau des europäischen Hauses zu beginnen. Auf einer Konferenz der Präsidenten von christlich-demokratischen Parteien in Luxemburg 1948 gehörte Schuman zu den treibenden Kräften einer „Deklaration über die europäische Zusammenarbeit“. Es war eine Zeit des Umbruchs und des drohenden Unfriedens: der tschechische Staatsstreich, die Gründung des Staates Israel, die Berlinblockade, der Koreakrieg und der damit einhergehende Konflikt zwischen Ost und West und die Gründung der NATO. Schuman hielt in diesen Zeiten an der aus seinem Glauben genährten Idee eines friedlichen Europas fest und verfolgte sie konsequent.

Damit hatte er Erfolg: Die Konferenz der europäischen Außenminister betraute Schuman mit dem Auftrag, eine gemeinsame Deutschland- und Europapolitik vorzulegen, die schließlich in die „Europäische Verteidigungsgemeinschaft“ mündete. 1953 unterzeichneten 26 europäische Staaten die von Schuman maßgeblich gestaltete „Straßburger Konvention für Menschenrechte“. Mit der Annahme der Römischen Verträge im Jahr 1957 schließlich wurde der Grundstein für die Europäische Union gelegt. Wesentliche Impulse der Verträge stammen von Robert Schuman. Die Staaten wussten, wem sie dies zu verdanken hatten, und machten Schuman, den „Vater Europas“, 1958 zum ersten Präsidenten des Europäischen Parlaments. Sein Glaube hinterließ dabei bis heute Spuren: Die Zahl der Sterne auf der Flagge Europas bezieht sich nicht auf die ursprünglich zwölf Mitgliedsstaaten, sondern verdankt sich einem biblischen Bild. In der Offenbarung des Johannes heißt es: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12, 1). Sich so an einem Himmelszeichen zu orientieren, relativiert das menschliche Tun und Lassen, setzt dem menschlichen Streben nach Vollkommenheit eine Grenze. Das wohl wollte der Erbauer des zusammenwachsenden Europas vor Augen führen.

Robert Schuman steht bis heute für die Glaubwürdigkeit christlicher Werte in der Politik und er bleibt dafür ein Vorbild. Um dies zu verdeutlichen, läuft seit 1990 das Seligsprechungsverfahren für Robert Schuman. Im Bistum Metz wurde es 2004 abgeschlossen, die Unterlagen zur Seligsprechung des „Heiligen im Straßenanzug“ nach Rom weitergeleitet.

Christian Führer: Die Revolution, die aus der Kirche kam

Vertrauen bzw. Glauben und Glaubwürdigkeit heißen die entscheidenden Faktoren unseres Handelns, plus Fantasie und Humor.“ Das schrieb Christian Führer, Pfarrer an der Leipziger Nikolaikirche in den entscheidenden Jahren der friedlichen Revolution. Der nicht gerade groß gewachsene, stets mit einer lässigen, ärmellosen Jeans­jacke bekleidete grauhaarige Mann ist rein äußerlich keine wichtige Erscheinung der Weltgeschichte. Sein leises Reden kommt unscheinbar daher, verrät aber eine unerschütterliche Beharrlichkeit. Und eine beruhigende wie gelassene Sicherheit. Darüber, was er denkt und wie er handelt. Zahlreiche Preise hat Führer in seinem Leben schon erhalten. Doch die größte Auszeichnung ist und bleibt für ihn die Freiheit. Das Wahrwerden der friedlich eingeleiteten und durchgeführten Revolution in der ehemaligen DDR, an deren Ende – oder sagen wir besser: Wende – die Einheit des deutschen Volkes stand.

Nicht politisches Kalkül oder aufrührerisches Gedankengut: Grenzen zu öffnen, das erreichte Führer schlicht mit den Worten der Heiligen Schrift. Am Beispiel Jesu, an den Worten der Bergpredigt richteten sich die Revolutionäre aus. Das überzeugte auch diejenigen, für die Jesus nur ein Hirngespinst und das Christentum ein lästiges Überbleibsel aus dem Kapitalismus war. Da ging es nicht um ferne Heilige, in Stein gemeißelt und legendenumrankt. Es waren die Leute bei den Friedensgebeten in der Nikolaikirche und später die Demonstranten auf der Straße, welche die Seligkeit ererben sollten. Davon war Christian Führer überzeugt, dafür lebte und dafür betete er – gemeinsam mit tausenden von Menschen.

Christian Führer wuchs in einem sächsischen Pfarrhaushalt auf. Das prägte ihn, er entschied sich frühzeitig für ein Theologiestudium. Nach dem Studium an der Karl-Marx-Universität in Leipzig war Führer zunächst in Lastau und Colditz, zwei kleinen Orten zwischen Leipzig und Chemnitz, als Gemeindepfarrer tätig. Die zunehmende Kirchenfeindlichkeit der DDR, die in Leipzig mit der Sprengung der Universitätskirche im Mai 1968 ihren traurigen Höhepunkt fand, untermauerte seine kritische Position dem atheistischen Staat gegenüber. Die Proteste gegen die Sprengung der Kirche bezeichnet Führer als „erste große öffentliche Kundgebung gegen die Willkür des Staates seit den Ereignissen um den 17. Juni 1953“. Führer sieht einen inneren Zusammenhang zwischen dem Protest von 1968 und den Ereignissen im Herbst 1989.

1980 nahm er den Dienst als Pfarrer an der Nikolaikirche in Leipzig auf. Dort engagierte er sich verstärkt für Friedensfragen aller Art und übernahm das Modell der Friedensdekade sowie der wöchentlichen Friedensgebete, bei denen Themen wie Frieden und Abrüstung im Mittelpunkt standen. Neben seiner Arbeit für die Kirche setzte er sich für die Andersdenkenden in der DDR ein, die wegen ihrer politischen Überzeugungen in Bedrängnis gerieten. Gemäß dem Motto der Nikolaikirche „Offen für alle“ fanden dort für den Staat und die Kirche ungewöhnliche Veranstaltungen statt: etwa ein Konzert der Band „Wutanfall“ oder die zahlreichen Gespräche über Wehrdienstverweigerung und Ausreise. Führer konnte sich der ständigen Beobachtung durch die Staatssicherheit, aber auch der Kirchenleitung sicher sein. Führer plädierte für eine generelle Öffnung der Kirche für Andersdenkende, für Unbequeme und Ausgegrenzte. Er wollte die Grenzen in den Köpfen öffnen und machte dafür die Türen seiner Kirche auf.

Konflikte blieben dabei nicht aus. Auch und gerade mit den beherbergten Gruppen. 1988 geriet Führer in eine Auseinandersetzung mit den Ausreisewilligen und den oppositionellen Basisgruppen. Die Kirchenleitung nahm den Akteuren die freie Gestaltung der Friedensgebete wieder aus der Hand, um eine politische Radikalisierung der Friedensgebete zu verhindern. Dennoch bemühte sich Führer um die Rückkehr der Basisgruppen in die Nikolaikirche, die man praktisch vor die Tür gesetzt hatte und die ihre Diskussionen nun draußen auf dem Kirchhof und auf der Straße fortsetzten. Die wöchentlichen Friedensgebete in der Nikolaikirche florierten allerdings weiter. Immer mehr Menschen kamen. Die Organisation der Friedensgebete hatte Christoph Wonneberger übernommen. Er verfasste auch mit den Mitgliedern der in seiner Lukaskirchgemeinde tätigen Bürgerrechtsgruppen einen Appell, der in der Nacht zum 9. Oktober mühsam vervielfältigt und am „Tag der Entscheidung“ an alle Interessierten verteilt wurde. Darin tauchte schon das vielfach skandierte „Wir sind ein Volk“ auf.

Nach der Wende wurde Christian Führer von den Medien zum Gesicht der Friedlichen Revolution aufgebaut. Immer wieder wehrte sich der bescheidene Pfarrer gegen eine solche Heldenrolle. Er sei Begleiter und Betreuer gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Führer will weiter an die Friedliche Revolution erinnern, auch nachdem er im März 2008 als Pfarrer in den Ruhestand trat. Dies soll nun durch die Stiftung „Friedliche Revolution“ gelingen. Hauptanliegen der Stiftung, zu dessen Vorstand Führer zählt, ist es, die Idee von damals in die Zukunft zu tragen. Es geht um Bürgermut und demokratisches Engagement. Die Friedliche Revolution muss und sie wird weitergehen. Das ist auch eine Überzeugung des Grenzöffners Christian Führer.

„… und forschten Tag für Tag in den Schriften“ (Apg 17, 11) – Gelehrte und Theologen

Engagiertes Christsein braucht eine theologische Ausrüstung. Wo der Glaube sich allein in der mystischen Vertiefung verliert oder die tätige Nächstenliebe ihre Verwurzelung im Evangelium verleugnet, geht die eigentliche Essenz des christlichen Glaubens verloren. Der Missionsauftrag Jesu Christi an seine Jünger schließt auch die Lehre ein (Mt 28, 18–20). Bildung und Wissenschaft gehören daher von Beginn zur Kirche und zum christlichen Glauben dazu. Erst wer sich mit den Heiligen Schriften und der Tradition kritisch auseinandergesetzt hat, kann das Evangelium verkünden. Wer das „lebendige Wasser“ des Glaubens weitergibt (vgl. Joh 4, 14), muss selbst an der Quelle sitzen. Es ist nicht verwunderlich, dass viele der berühmten Prediger hochgelehrte Menschen waren, die sich oft tage- und wochenlang darum bemühten, die biblische Botschaft zu durchdenken und sie dann in die Sprache ihrer Zeitgenossen zu übersetzen.

Die Kirche braucht also die Theologie, ebenso wie die theologische Wissenschaft ohne kirchliche Bindung ins Leere läuft und zur bloßen Religionswissenschaft zu werden droht. Zu allen Jahrhunderten hat es gelehrte Theologen gegeben, denen die Kirche wesentliche Impulse und wichtige Anstöße verdankt. Einige wenige haben die Theologie als regelrechte Lichtgestalten wesentlich geprägt und beeinflusst wie Augustinus oder Thomas von Aquin. Andere wirkten eher in der Stille, haben mit ihren Schriften aber zahllose Menschen tiefer in das Geheimnis des Glaubens einführen können. Dieses Kapitel stellt einige der Gelehrten und Theologen vor.

Theologe zwischen Antike und Moderne: Augustinus

Seinesgleichen habe es in der Antike und in der Kirchengeschichte nicht mehr gegeben, behauptete einst der Kirchenhistoriker Adolf von Harnack. Tatsächlich hat Augustinus von Hippo wie kaum ein zweiter die Geistesgeschichte des christlichen Abendlandes mitbestimmt. Er sei das große Licht der westlichen Welt gewesen, das die Intelligenz Europas geprägt habe, sagte Kardinal Newman über den glänzenden Rhetoriker und Theologen aus Nordafrika. In Augustinus sehen viele Forscher den letzten antiken und den ersten modernen Menschen, der das antike philosophische Gedankengut mit dem christlichen Glauben ins Gespräch und auch in Beziehung brachte. Gleichwohl war der Weg des Theologen und Kirchenlehrers doch recht steinig und weit, bis er zum Glauben fand und zu einem der wichtigsten Kirchenlehrer wurde.

Durch die eigenen Schriften Augustins, insbesondere seine „Bekenntnisse“, weiß man vergleichsweise viel über das Leben und Denken des antiken Theologen. Er wurde im Gebiet des heutigen Algerien, in der kleinen Landstadt Thagaste, am 13. November 354 geboren. Seine Familie war angesehen in der Stadt. Augustins Mutter Monika war Christin und entstammte bereits einer christlichen Familie, der Vater Patricius hatte wohl keinen Zugang zum christlichen Glauben gefunden, bekämpfte ihn aber nicht. Der Vater war es, der für den aufgeweckten Augustinus eine große Karriere plante und dafür auch einige Opfer in Kauf nahm. Obwohl Patricius als Stadtrat von Thagaste nicht übermäßig wohlhabend war, investierte er gehörige Summen in eine profunde Ausbildung des Sohnes, um ihm eine Beamtenkarriere in der kaiserlichen Verwaltung zu sichern. Den Elementarunterricht erhielt Augustin in Thagaste selbst und fiel in diesen Jahren zunächst nicht durch besondere Leistungen auf. Griechisch schien ihm nicht zu liegen, und bis zum Schluss blieb ihm die Sprache fremd. Platon beispielsweise wird er selbst nie im Original gelesen haben. Er schulte sein Sprachvermögen vielmehr an Vergil, entwickelte eine große Liebe zum Theater und zu anderen lateinischen Dichtern. In der benachbarten Stadt Madaura setzte Augustin mit den Fächern Grammatik und Rhetorik seine Studien fort und entwickelte seine Talente. Im Alter von 16 Jahren kam er nach Karthago. Dorthin schickte ihn der ehrgeizige Vater, obwohl für die teuren Studien des Sohnes die Mittel doch knapp wurden und er zeitweise zurück ins Elternhaus kommen musste. An der Rhetorikschule der Hafenstadt Karthago machte sich Augustinus schnell einen Namen. Er kostete alle Vorzüge und auch das freizügige Leben der Studenten gehörig aus. Mehrere Affären werden ihm nachgesagt, bis er mit 18 Jahren ein festes Verhältnis mit einer Frau einging, der er schließlich 14 Jahre die Treue hielt. Aus dieser Verbindung ging der Sohn Adeodatus („von Gott geschenkt“) hervor, der allerdings im Alter von 16 Jahren starb.

Immer wieder hatte die Mutter Monika versucht, ihren begabten Sohn vom christlichen Glauben zu überzeugen. Zeitweilig stand er auch auf Listen der Katechumenen, blieb dem Unterricht aber fern. Ihn faszinierte vielmehr die Welt der Manichäer, einer damals weit verbreiteten Sekte. Diese vorderasiatische Religion führte alles in der Welt auf den Kontrast zwischen Gut und Böse zurück. Sein Weg führte Augustinus weiter nach Rom, wo er als Rhetorikprofessor eine Anstellung fand, sich zunehmend von der Religion entfernte und sich mehr als areligiöser Skeptiker in der Tradition griechischer Philosophen sah. Im Jahr 384 wechselte Augustin die Hochschule und gelangte nach Mailand, wo er den bereits zu Lebzeiten legendären Bischof Ambrosius kennen lernte. Er besuchte dessen Gottesdienste und interessierte sich mehr und mehr für den Glauben. In einer Vision soll ihn schließlich ein Kind aufgefordert haben, zur Bibel zu greifen. Darin las er den Satz des Paulus: „Zieh an den Herrn Jesus Christus!“ Diese Vision führte ihm sein ganzes Leben vor Augen, das ihm plötzlich schäbig und unnütz vorkam. Jedenfalls ließ sich Augustin im Jahr 387 von Ambrosius taufen und machte anschließend einen radikalen Schnitt in seinem Leben. Er zog sich zurück und führte gemeinsam mit Freunden eine Art klösterliches Gemeinschaftsleben.

Schließlich kehrten sie zusammen nach Nordafrika zurück. Doch mehrten sich die Stimmen seiner Freunde, sein Talent nicht in der Einsiedelei zu vergraben, sondern für den Dienst in der Kirche einzusetzen. So wurde Augustin 391 zum Priester geweiht. Vier Jahre später erreichte ihn der Ruf zum Bischof von Hippo. Bis zu seinem Tod im Jahr 430 wirkte er in dieser Stadt als anerkannter Hirte und genialer theologischer Lehrer. Er übernahm schnell die geistige Führung der Kirche in Nordafrika, ja der gesamten westlichen Kirche. Sicherlich kam ihm neben seinem scharfen Verstand sein rhetorisches Talent zugute, das er glänzend einsetzte, um selbst schwierige Sachverhalte einfach und verständlich sowie mitreißend darzustellen. Augustinus schrieb keine dogmatischen Traktate, sondern entwickelte in Dialogen oder wie in den „Bekenntnissen“ sogar in Gebeten seine theologischen Gedanken. Augustin verstand es, die philosophische Tradition sowie die Gedanken seiner Zeit in seine Theologie fruchtbar einzubeziehen. Für ihn ist der christliche Glaube prinzipiell mit den Mitteln des Verstandes nachzuvollziehen. „Liebe die Vernunft sehr!“, lautete seine Devise, die er in zahlreichen Briefen immer wieder äußerte. Gleichzeitig eröffnete er philosophischen Denkern Wege zur Bibel, die er in seinen Schriften stets mit einbezog.

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