Kitabı oku: «Rettet die Nachrichten!», sayfa 7

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Friedrich Merz sagt, was viele denken

Zwischen einem Kassettenrekorder und den sozialen Medien liegen Jahrzehnte und Welten. Was heute möglich ist, das hat in Deutschland selten ein Politiker so offen ausgesprochen wie Friedrich Merz. Der Christdemokrat sagte auf einer Veranstaltung Ende Januar 2020 in Aachen, deren Mitschnitt bei YouTube zu sehen ist:

»Im Augenblick gibt’s ja eine richtige Machtverschiebung zwischen denen, die Nachrichten verbreiten, und denen, die Nachrichten erzeugen. Und zwar zugunsten derer, die die Nachrichten erzeugen. Wir brauchen die nicht mehr. Und das ist das Schöne. Sie können heute über Ihre eigenen Social-Media-Kanäle, über Youtube, Sie können ein Publikum erreichen, das teilweise die Öffentlich-Rechtlichen, auch die privaten institutionalisierten Medien nicht mehr erreichen. Wenn man das richtig nutzt, wenn man das gut macht, dann haben Sie über diese Kanäle eine Möglichkeit, Ihre eigenen Interessen wahrzunehmen, Ihre eigene Deutungshoheit auch zu behalten über das, was Sie gesagt haben. In ganz anderer Form, als wir das früher gehabt haben. So, und das ist die gute Nachricht der Digitalisierung« (MERZ 2020).

Merz schob später nach, mit »Wir brauchen die nicht mehr« habe er nicht Journalistinnen und Journalisten gemeint, er bekenne sich zur Pressefreiheit. Dennoch bleiben seine Worte für mich verstörend. Zunächst unterscheidet er diejenigen, die Nachrichten verbreiten, von denen, die sie erzeugen. In meinem Verständnis sind es immer Redaktionen, die Nachrichten erst erzeugen und sie dann verbreiten. Nachrichten sind das Ergebnis journalistischer Arbeit, möglicherweise mal mehr, mal weniger gelungen. Eine Politikeraussage hingegen ist noch keine Nachricht, auch wenn aus ihr eine Meldung werden kann, der Aufmacher einer Sendung oder gar eine Eilmeldung.

Das Ringen um die Deutungshoheit

Die Einschätzung von Friedrich Merz ist noch in einem zweiten Punkt problematisch. Er freut sich darüber, dass gesellschaftliche Akteure die Deutungshoheit über ihr Sprechen und Handeln behalten und ihre Interessen wahrnehmen können. Es sei dahingestellt, ob er da nicht die Dynamik der sozialen Medien unterschätzt. Es mag auch sein, dass er sich zu früh freut. Denn möglicherweise sehen Parteien und Politiker, die an den Medien vorbeirauschen, bei genauerer Betrachtung links von sich Bewegungen wie die von Emmanuel Macron oder die ›Cinque Stelle‹ mit noch viel größerer Geschwindigkeit auf der Überholspur. Agnese Franceschini zitiert in ihrem Feature Sind digitale Bewegungen die Zukunft der Politik? (2019) Beppe Grillo mit den Worten:

»Con la rete possiamo bypassare tutti i politici del mondo, non abbiamo più bisogno di loro.«

Mit dem Netz, so meint er, könnten seine ›Cinque Stelle‹ alle Politiker der Welt umgehen, man brauche sie nicht mehr.

Wie dem auch sei, es ist nicht an Merz, Macron oder Grillo, eine nachrichtliche Deutungshoheit zu gewinnen oder zu erhalten. Das kommt auch nicht Bill Gates zu, dem Papst, der Bundeskanzlerin oder anderen Persönlichkeiten, Unternehmen und Organisationen.

Selbstverständlich ist es genauso wenig die Rolle von Nachrichtenredaktionen, eine Hegemonie über Sichtweisen auszuüben. Vielmehr müssen die Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit haben, zu einer jeweils individuellen und oft sehr unterschiedlichen Deutung zu kommen. Dabei hilft ein politischer Spin als Tweet oder als Botschaft bei Facebook und YouTube nicht unbedingt. Viel eher hilft eine möglichst gute nachrichtliche Berichterstattung, die die Menschen je nach Zeit und Neigung vertiefen und überprüfen. Von dem Vertrauen in eine solche Berichterstattung profitieren langfristig alle gesellschaftlichen Akteure. Das Erringen einer Deutungshoheit im Merzschen Sinne hingegen könnte zum Pyrrhussieg werden, dann nämlich, wenn politische Debatten nur noch aus im Netz verbreiteten Behauptungen bestehen.

Grundsätzlich befremdlich finde ich, dass der CDU-Politiker seine Rolle in unserer Mediengesellschaft beschreibt, als wäre er ein Oppositioneller in Hongkong oder Russland, als wären die sozialen Medien für ihn das einzige Mittel, um an Zensur und Staatsmedien vorbei zu kommunizieren. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Trotz mehrerer Niederlagen beim Versuch, CDU-Chef zu werden, stehen gerade ihm jederzeit alle Mikrofone offen. Merz ist wirklich kein Alexei Navalny.

Friedrich Merz hat allerdings recht mit der Feststellung, dass er und andere über Facebook, Twitter, Instagram etc. ein Publikum ansprechen können, das klassische Medien nicht immer erreichen. Nicht ausschließen kann ich zudem, dass er schlechte Erfahrungen gemacht hat mit Medien, die manche seiner Aussagen unzulässig zugespitzt oder verfremdet haben. Das aber wäre dann schlechter Journalismus, der durch einen besseren ersetzt werden muss. Die Antwort sollte nicht sein, gleich den gesamten Journalismus zu ersetzen.

Ich halte Merz zugute, dass sein Zitat von vielen anderen gesellschaftlichen Akteuren stammen könnte, die nur weniger ehrlich sind. Mehr noch: Viele handeln schon lange so, wie Merz spricht, nicht erst seitdem es soziale Medien gibt und bei Weitem nicht nur in der Politik.

Medientraining als Grundausbildung

Wer heute irgendwo in der ersten, zweiten oder selbst in der dritten Reihe steht, der ist geschult im Umgang mit Journalisten, der weiß in aller Regel, wie er sich am Mikrofon und vor der Kamera zu präsentieren hat. Der Markt für solche Ausbildungen wächst ungebremst. Verantwortliche in Politik und Unternehmen, Bischöfe und Sportfunktionärinnen, Gewerkschafter und NGO-Chefinnen – die meisten von ihnen werden gecoacht. Sie bekommen vermittelt, was sie zu sagen haben und vor allem wie, selbst wenn Kommunikation immer ein wenig Talentsache bleibt.

Mit der Zeit macht sich das flächendeckend bemerkbar: Die nachrichtlich relevanten Akteure haben eine Sozialisierung erlebt. Insbesondere die Menschen in der Politik richten ihre Evolutionsschritte seit einigen Legislatur-Generationen immer stärker auf das Auslösen von Schlagzeilen und von Erregung aus. Manche Medien haben über die Jahre ihre Formate verändert und verkürzt. Auch darauf haben sich die Gesprächspartner eingestellt. Die meisten können den entscheidenden Satz, den ›Soundbite‹ anbringen, der es in die Nachrichten schafft oder in die sozialen Medien. In zahl- und endlosen Talkshows liefern viele gecoachte Akteure immer wieder Pseudomaterial für die Pseudoinformation.

Wissenschaftswerbung und ›Gutes KiTa-Gesetz‹

Erst recht haben alle gelernt, wie Pressemitteilungen zu texten sind. Beispiel Wissenschaft: Es ist sehr zu begrüßen, dass inzwischen über die sogenannte ›Dritte Mission‹ diskutiert wird. Sie soll neben Forschung und Lehre treten und unter anderem den stärkeren Austausch mit der Gesellschaft und öffentliche Interventionen umfassen. Universitäten und Forschungseinrichtungen haben allerdings in den vergangenen Jahrzehnten ihren Teil der gesellschaftlichen Ökonomisierung erlebt und stehen hart im Wettbewerb.

Das hat Konsequenzen für die Kommunikation. Von Öffentlichkeit und Drittmitteln abhängige Institute und Lehrstühle üben sich in der Kunst von Zuspitzung und überdehnen dabei manchmal die eigentlichen Forschungsergebnisse. Besonders bedenklich sind überzogene Informationen über medizinische oder pharmazeutische Fortschritte an der Nahtstelle von Wissenschaft und Industrie. All das trägt nicht zum Vertrauen in die Wissenschaft bei. Es ist aber auch eines der vielen Probleme des Nachrichtenjournalismus. Es fällt inzwischen stärker ins Gewicht, weil das Themenfeld Wissen seit Jahren an Bedeutung gewinnt.

Eine Professionalisierung der öffentlichen Kommunikation ist an sich zu begrüßen. Wir alle profitieren davon, dass relevante Gruppen und deren Vertretungen ihre Positionen klar und verständlich übermitteln können. Es ist sehr gut, dass sich nun auch Kultur und Wissenschaft vernehmbarer und verständlicher äußern. Allerdings überwiegt das Marketing inzwischen oft die Inhalte. Dann erinnert die gesellschaftliche Diskussion an den Markt für Schokokekse oder Zahnpasta.

Viele Akteure scheint der Glaube verlassen zu haben, dass sich die beste Idee und das beste Angebot letztlich durchsetzen. Sie betonen die werbliche Seite der Kommunikation und üben sich in dem, was man heute ›Framing‹ nennt. Sie halten es wie die Bundesregierung, die uns ganz offiziell und ohne schlechtes Gewissen mit manipulativen Begriffen im Stil des ›Gute-KiTa-Gesetzes‹ konfrontiert.

Die BRD als PR-D

Framing aus der Politik, nur scheinbare Sensationen aus der Forschung und manches mehr an PR, all das schafft es immer wieder in die Nachrichten. Das hat viel mit einer weiteren Verschiebung zu tun: Weltweit und auch in Deutschland steht eine sinkende Zahl hauptberuflicher Journalistinnen und Journalisten einer anderen, wachsenden Gruppe gegenüber. Es sind die Menschen, die ihr Geld mit Public Relations verdienen und die Redaktionen mundgerecht bedienen. Es ist keine Übertreibung, die BRD ist zu PR-Deutschland geworden. Beteiligt sind viele Journalistinnen und Journalisten in PR-Jobs. Einige von ihnen werden dafür bezahlt, kritischen Journalismus möglichst zu verhindern.

Von mir kommt keine persönliche Kritik an den Kolleginnen und Kollegen, die auf der anderen Seite arbeiten, die interessengeleitete Kommunikation und Werbung betreiben. Das wäre schon allein deshalb unangemessen, weil ich einen der seltener werdenden, sicheren Jobs im traditionellen Journalismus habe. Außerdem gibt es Pressestellen und Kommunikationsabteilungen, die Journalismus und Öffentlichkeit mit sachlicher Arbeit unterstützen.

Davon abgesehen wird die zunehmende Unwucht beider Bereiche gleichwohl immer problematischer. Manchmal unbedacht oder aus Bequemlichkeit, aber meist aufgrund von Zeit- und Personalnot werden regelmäßig geschmeidige Pressetexte kaum redigiert in das Blatt, in die Sendung oder auf die Webseite gehievt. Daher stammt das böse Wortspiel, Redaktionen würden zu Abschreibungsgesellschaften.

Besonders erfolgreich läuft diese Form der PR, wenn die Botschaft von Parteien, Verbänden und Unternehmen, von Greenpeace oder Amnesty ganz oder in Teilen über eine Nachrichtenagentur verbreitet wird. Für Redaktionen sinkt dann die Hemmschwelle, kommt der Inhalt doch formal aus einer journalistischen Quelle. Das gilt selbst dann, wenn es sich um einen sogenannten ›Original-Text Service‹ handelt, wie ihn etwa news aktuell verbreitet. Das ist eine Tochter der Deutschen Presse-Agentur, die auf ihrer Homepage mit einem »effektiven Zugang zu Medien und Verbrauchern« wirbt und den Kunden damit nicht zu viel verspricht.

Solche PR gibt es nicht nur im nationalen Kontext von Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft. Auch darüber hinaus ist das sehr üblich geworden. Große Konzerne investieren genauso wie internationale Organisationen in grenzüberschreitende, manchmal sogar globale Kampagnen. Ein an Bedeutung gewinnendes Geschäft ist das ›Nation Branding‹, nicht zu verwechseln mit dem lange bekannten Tourismus-Marketing: Staaten wie Saudi-Arabien, Israel oder Katar – um nur drei Länder aus einer Großregion zu nennen – geben viel Geld für eine Neupositionierung ›ihrer Marken‹ aus. Sie wollen, unter anderem für ihre geostrategischen Ziele, dass Redaktionen sie in einem besseren Licht erscheinen lassen.

Diskrete Indiskretionen

Beliebt und bewährt ist die Praxis, die man mit einem eingedeutschten Anglizismus ›Leaken‹ nennt oder fast bedeutungsgleich mit dem etwas martialisch klingenden ›Durchstechen‹ bezeichnet. Es geht in beiden Fällen darum, mehr oder weniger Geheimes und mehr oder weniger Wahres interessengeleitet an die Medien weiterzugeben. Die Botschaft kann aus einem Namen bestehen, etwa dem eines Menschen, der etwas Wichtiges getan oder unterlassen hat. Die Botschaft kann aber auch aus einem riesigen Datensatz bestehen, wie den 2,5 Terabyte, die 2016 die internationale Veröffentlichungswelle der ›Panama Papers‹ zu Geldwäsche und Steuervermeidung ausgelöst haben.

Die Daten zu Panama kamen wohl von einem Whistleblower, der auf einen Missstand hinweisen wollte. Das ist zwar kein Einzelfall, doch meist wird aus weniger noblen Gründen ›geleakt‹ und ›durchgestochen‹: Es geht um eigene Vorteile beziehungsweise den Schaden anderer, den Schaden politischer Gegner zum Beispiel. Natürlich wird selten die ganze, komplexe Wahrheit zu einem Sachverhalt preisgegeben, sondern nur das, was die Presse erfahren und dann berichten soll. Viele Exklusivgeschichten von Informationsmedien beruhen auf solchen Geschenken mit Hintergedanken, bei denen es nie ganz ohne Instrumentalisierung abläuft.

Absolut üblich ist auch eine schwächere Form des Durchstechens, mit der man direkt eine Reihe von Journalistinnen und Journalisten erreichen kann. Gemeint sind die Hintergrundgespräche. Bundeskanzler Konrad Adenauer war auf diesem Feld weit vorne, als er 1950 damals noch überwiegend Zeitungskorrespondenten regelmäßig zum Tee einlud. Heute veranstalten Landräte genauso Hintergrundgespräche wie Ministerinnen. Vorstandschefs von Banken und Fußballclubs halten es so, Präsidentinnen von Stiftungen und Handelskammern, Intendanten von Theatern und Rundfunksendern auch. Das Ganze ist nicht an sich verwerflich und beruht stets auf einem Geben und Nehmen. Gegeben wird neben der für manche wichtigen Anerkennung und der zumindest scheinbaren Nähe zur Macht die Chance eines Informationsvorsprungs, selbst wenn der erst einmal nur dem Verständnis dient oder der Einordnung.

Die Akteure ihrerseits bekommen von den Journalisten manchmal neue Informationen. Vor allem haben sie die Hoffnung, ihren Spin in der einen oder anderen Angelegenheit zu platzieren. Dann kommt oft der Hinweis, diese Information sei »unter drei«, also vertraulich. Der Journalistenjargon kennt, wie es etwa in der Satzung der Bundespressekonferenz heißt, drei Mitteilungsarten: Unter 1. zu beliebiger Verwendung oder unter 2. zur Verwertung ohne Quelle und ohne Nennung des Auskunftsgebenden oder unter 3. eben vertraulich (BUNDESPRESSEKONFERENZ 2020).

Adenauers Teegespräche wurden stenografisch protokolliert und viele Jahre später in vier von Historikern betreuten Bänden veröffentlicht. Über die Versuche der Beeinflussung bei den meisten anderen Hintergrundgesprächen, über die diskreten Indiskretionen bei von Medien begleiteten Staatsbesuchen und sonstigen Auslandsreisen wird die Öffentlichkeit dagegen nie etwas erfahren. In all diesen Fällen wird auch nie Klarheit entstehen, ob der Informationsjournalismus in der symbiotischen Zone mehr gewonnen oder mehr verloren hat.

Immer häufiger werden, den digitalen Möglichkeiten folgend, Indiskretionen aus vertraulichen Runden heraus, verschickt per Kurznachricht oder per SMS. Einen kaum noch zu übertreffenden Höhepunkt in dieser Hinsicht konnte die Öffentlichkeit am Abend des 19.4.2021 bis nach Mitternacht erleben: Im CDU-Bundesvorstand wurde um die Kanzlerkandidatur gerungen. Das Laschet- und das Söder-Lager übertrafen sich beim gezielten, ausgewählten Livetickern nicht nur via Twitter. Corona und das virtuelle Format der Sitzung hatten das Spektakel möglich gemacht.

Gekaperte Nachrichtenfaktoren

Die Welt der Nachrichtenbeeinflussung ist noch um einiges reichhaltiger. Zu den effektivsten Mitteln gehört das Bedienen der handwerklichen Reflexe. Wer Nachrichtenfaktoren vortäuscht, hat gute Chancen auf Erfolg. Ein Beispiel für Anfänger ist eine Mitteilung mit Sperrfrist. Das wirkt schon an sich wichtig. Wer die Sperrfrist auch noch in eine nachrichtenarme Zeit legt, der hat gute Chancen, dass eine Redaktion bei der Aktualität einen Haken macht und bei der Relevanz ein Auge zu drückt.

Um 1990 war der FDP-Politiker und nachmalige Vize-Kanzler Jürgen Möllemann ein Meister dieses simplen Tricks. Er kam auch in meinen Nachtdiensten oft mit einer Botschaft auf den Markt, die ab 5:30 Uhr zitiert werden durfte. Das zielte auf die reichweitenstarke Zeit des Radios am Morgen ab und war manchmal für Tageszeitungen schon vorher freigegeben. Häufig nutzte Möllemann ein Interview der Neuen Osnabrücker Zeitung, die dieses Metier in der Bonner Republik mit am besten beherrschte.

Der Spiegel machte ebenfalls am Wochenende mit der Verlässlichkeit eines Uhrwerks Werbung für sein neues Heft und diente damit nicht nur sich selbst, sondern stand auch Heerscharen von Politikern als Bühne zur Verfügung. Andere platzierten eine Aussage oder eine Information knapp vor den, aber noch rechtzeitig für die Abendnachrichten des Fernsehens. Nach dem Aufkommen des digitalen Journalismus ohne Redaktionsschluss haben die bizarren Uhrzeiten der Sperrfristen an Bedeutung verloren. Es lohnt sich aber nach wie vor, die Wochenendnachrichten unter dem Gesichtspunkt von ›Product Placement‹ aufmerksam zu beobachten.

Generell ist bei jeglicher Art von als ›Vorab‹- und ›Exklusivmeldung‹ gelabelten Informationen Vorsicht geboten, insbesondere wenn sie auf Randzeiten mit allenthalben geringer redaktioneller Besetzung gemünzt sind. In solchen Situationen geschehen auch gerne die auffälligen Fehler. Neujahr 2006 etwa, als sich der angebliche Strafrichter am Bundesgerichtshof Dr. Claus Grötz als Chef eines vorgeblichen »Bundes Deutscher Juristen« per Presseerklärung für Folter aussprach und dafür, dass so erzwungene Aussagen vor Gericht verwandt werden dürften. In einer Nacht im Juli 2005 etwa, als der SPD-Bundestagsabgeordnete Jakob Maria Mierscheid, eigentlich als Fiktion branchenbekannt, seinen Parteiwechsel zur Linkspartei/PDS ankündigte. Beides schaffte es über die Nachrichtenagenturen in andere Medien und sorgte für anschließende redaktionelle Zerknirschung.

Eine sichere Bank für das Medienecho sind Rücktrittsforderungen oder sonstige Aufrufe zu personellen Konsequenzen, wiederum häufig in der Nacht in den Nachrichtenkreislauf eingespeist. Das wird fast immer Adrenalin in den Redaktionen und beim Publikum auslösen. Aufgehoben habe ich mir den Ausdruck einer Agenturmeldung aus einem Nachtdienst am 24.1.2001, bei der das nicht so geschickt gelaufen ist. Zu einem heute längst vergessenen Skandal erfuhr man, der damalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt, »schließe nicht aus, eine mögliche Rücktrittsforderung an Verteidigungsminister Rudolf Scharping in Betracht zu ziehen«. Und als ob das noch nicht gereicht hätte, kam noch der Satz: »Zugleich räumte der FDP-Politiker jedoch ein, dass er sehr sparsam mit Rücktrittsforderungen sei.«

Pressekonferenzen, Studien und größere Investitionen

Auf seriöse Weise kann auch das Einberufen einer Pressekonferenz die Tür zu den Nachrichten öffnen. Dieses Mittel wird Tag für Tag in großer Zahl eingesetzt. Über ein solches Ereignis zu berichten, ist gelerntes, wenn auch nicht immer reflektiertes journalistisches Verhalten. Schafft es ein Termin auf die Tagesvorschau der Nachrichtenagenturen, ist der mediale Erfolg so gut wie sicher. Wer etwas mehr Aufwand treiben will, kann eine Studie in Auftrag geben, die auch scheinwissenschaftlich sein kann. Das wissen wir nicht nur aus der Geschichte der Tabaklobby. Die ›Correctiv‹-Recherche von Katarina Huth und Jean Peters hat das 2020 für das Thema Klimawandel gezeigt (HUTH/PETERS 2020).

Vielleicht soll es aber auch eine Meinungsumfrage sein, eine Statistik, eine Spendengala oder Fachtagung, für gehobene Ansprüche ›Symposion‹ genannt. Die Chancen, das Nachrichtenschiff so zu entern, stehen nicht schlecht. Wer auf jährlichen Ertrag aus ist, der entscheidet sich eventuell dafür, einen auf seine Zwecke abgestimmten Preis auszuloben, je höher dotiert, desto besser. Möglicherweise entschließt man sich aber inzwischen dazu, einige Influencer zu mieten, die die gewollte Botschaft digital transportieren.

Aufwendig, aber langfristig recht wirksam sind große Investitionen wie die Finanzierung eines Think Tanks oder einer Stiftung. Die im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall gegründete ›Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft‹ und die beinahe 30 Jahre ältere ›Otto Brenner Stiftung‹ der IG Metall verbindet weltanschaulich herzlich wenig. Beiden gelingt es aber, unterschiedliche Teile der Gesellschaft zu erreichen und auch immer wieder Nachrichteninhalte unterzubringen.

Eine besondere Blüte des Lobbyismus wird ›Astroturfing‹ genannt. In den USA bedeutet das eigentlich, einen Kunstrasen anzulegen. Wenn man dann noch bedenkt, dass mit ›Grass Roots-Movements‹ Basisgruppen der Zivilgesellschaft und Bürgerbewegungen bezeichnet werden, dann weiß man, was hier mit Astroturfing gemeint ist: Künstlich geschaffene Bürgerbewegungen werden für bestimmte PR- und Lobbyzwecke eingesetzt. Sie sollen unabhängige Meinungsäußerungen zu allen denkbaren Themen vorgaukeln und in die Nachrichten bringen. Auf der Internetseite ›Lobbypedia‹ lassen sich Beispiele dafür aus Sicht von Lobbycontrol finden.

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