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Kitabı oku: «Deportiert auf Lebenszeit», sayfa 40

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Vierzehntes Capitel.
Bereit, in See zu stechen

Maurice Frere’s Leidenschaft hatte in dem letzten heftigen Anfall ausgetobt. Er kehrte nicht in das Gefängnis zurück, wie er sich vorgenommen, sondern schlug den Weg nach den Kaskaden ein. Er bereute seinen Argwohn. Es war nichts Besonderes in der Gegenwart des Kaplans. Sylvia hatte den Mann immer gern gehabt und wahrscheinlich hatte eine Entschuldigung seinerseits Sylvia’s Aerger besänftigt. Einen Berg aus einem Maulwurfshügel zu machen, war wirklich die hat eines Blödsinnigen. Es war natürlich, daß sie Dawes befreite. Frauen sind so weichherzig. Einige gut gewählte Worte, ruht gesprochene Plattheiten über die Notgwendigkeit der Behandlung, welche denen, die nicht an die Bosheit der Sträflinge gewöhnt sind, sie hart erscheinen müssen, – Alles dies hätte besser zum Ziel geführt als Heftigkeit und Wuth.

Ueberdies segelte North in der Lady Franklin und konnte seine Drohung! offizieller Klage wahr machen, wenn er nicht klug behandelt wurde. Wenn er Dawes wieder auf die Tortur gebracht hätte, so würden Troke und alle Andern verstanden gaben, daß die Frau des Kommandanten ohne die Erlaubniß des Kommandanten gehandelt hatte und das mußte nicht gezeigt werden. Er wollte nicht zurückkehren und Frieden schließen. Seine Frau segelte in demselben Schiffe wie North und in wenigen Tagen blieb er also allein auf der Insel und konnte seine Disziplin ungestört ausüben. Mit diesen Gedanken kehrte er in das Gefängnis zurück und drückte dem erstaunten Troke sein Mißfallen über dessen Barbarei aus.

»Mrs. Frere, welche glücklicher Weise mich heute Abend im Gefängnis treffen wollte, sagt mir, daß der arme Teufel Dawes seit Morgens sieben Uhr auf dem Rahmen angebunden war.«

»Sie haben es befohlen, Herr,« sagte Troke.

»Ja, ihr Narr, aber ich befahl doch nicht, daß der Mann neun Stunden darauf bleiben sollte. Was? Ihr Schurke, Ihr hättet ihn ja tödten können!«

Troke kratzte sich bestürzt den Kopf.

»Nehmt seine Eisen ab und bringt ihn in eine Zelle im alten Gefängnis. Wenn ein Mann auch ein Mörder ist, so dürft Ihr doch nicht das Gesetz selbst in die Hand nehmen. Mr. Troke nehmen Sie sich künftig in Acht.«

Auf dem Rückwege begegnet er dem Kaplan, der eiligst einen Seitenpfad einschlagen will.

»Hallo,« schreit Frere, – »he North!«

North bleibt stehen und der Kommandant nähert sich ihm hastig.

»Sehen Sie, Herr, ich war zu heftig vorhin, teufelsmäßig heftig. Sehr unpassend. Ich bitte um Entschuldigung.«

North verbeugte sich, ohne zu sprechen und versuchte, vorüber zu gehen.

»Sie müssen meine Heftigkeit entschuldigen,« fuhr Frere fort. »Ich habe ein heftiges Temperament und es war mir unangenehm, daß meine Frau sich eingemischt hatte. Wissen Sie, Frauen sehen die Dinge so anders an, – verstehen diese Schurken gar nicht.«

North verbeugte sich wieder.

»Was verdammt; – Sie sehen ja sehr böse aus. Ganz bleich, bei Gott. Ich muß sehr schlimme Sachen gesagt haben. Vergessen und vergeben, wissen Sie. Kommen Sie mit mir und speisen Sie mit uns.«

»Ich kann nicht wieder Ihr Haus betreten,« sagte North mit bewegterer Stimme, als gerade die Gelegenheit erforderte.

Frere zuckte feine breiten Schultern mit ungeschickt angenommenem Humor und hielt seine Hand hin.

»Nun so wollen wir die Hände schütteln, Pastor. Sie müssen auf der Reise für Mrs. Frere sorgen und wir können uns wohl vor der Abreise vertragen. Hier ist meine Hand.«

»Lassen Sie mich vorbei, Herr,« schrie North mit glühenden Wangen und die ausgestreckte Hand nicht fassend, schritt er wild weiter.

»Ein verdammt heftiger Kerl für einen Prediger,« sagte Frere für sich. »Nun, wenn er nicht will, läßt er es bleiben. Ich soll gehängt werden, wenn ich ihn wieder frage.«

Als er nach Hause kam, gelangen ihm seine Versuche, sich mit seiner Frau zu versöhnen, auch nicht besser. Sylvia trat ihm mit der kalten Stirn der Frauen entgegen, deren Stolz zu tief verletzt ist, als daß sie weinen.

»Sage nichts weiter darüber,« sagte sie. »Ich gehe zu meinem Vater. Wenn Du Dein Betragen entschuldigen willst, so thue es gegen ihn.«

»Komm, Sylvia,« drängte er. »Ich war ein Ungeheuer, ich weiß es. Vergieb mir!«

»Es ist unnöthig mich darum zu bitten. Ich kann nicht. Ich habe Dir schon viel vergeben seit sieben Jahren.«

Er wollte sie umarmen, aber sie entzog sich mit Abscheu seinen Liebkosungen. Er schwor fürchterlich und zu hartnäckig, um noch weiter zu drängen, ging er murrend davon. Blunt kam in Schiffsantgelegenheiten und die Beiden tranken Rum zusammen. Sylvia Fug in ihr Zimmer und beschäftigte sich mit Packen. Es ist wunderbar, welche Erleichterung Frauen darin finden, sich mit Haushalts-Angelegenheiten zu beschäftigen. North, der arme Narr, sah ihr Licht in ihrem Fenster und starrte es an, fluchend und betend.

Die unschuldige Ursache von allem diesem Rufus Dawes saß indeß in seiner neuen Zelle und wunderte sich über das Glück, das ihm geworden und segnete die schönen Hände die es ihm gebracht hatten. Er zweifelte nicht, daß Sylvia mit seinem Quäler gekämpft hatte und ihm Erleichterung verschafft.

»Gott segne sie,« murmelte er. »Ich habe ihr alle diese Jahre Unrecht gethan. Sie wußte nicht, da ich so litt.«

Er wartete unruhig auf North, damit dieser ihm seine Annahme bestätigen solle. »Er soll ihr danken in meinem Namen,« dachte er.

Aber North kam zwei ganze Tage nicht. Niemand kam, als seine Aufseher. Aus dem Gefängnisfenster konnte er die See sehen, die fast den Fuß der Mauer bespülte und den Schooner vor Anker, sich auf den Wogen schaukelnd mit einer Freiheit, die er nicht erreichen konnte. Am dritten Tage kam North. Seine Manier war gezwungen und abgebrochen. Seine Augen wanderten unruhig umher. Es lasteten Gedanken auf ihm, die er nicht auszusprechen wagte.

»Ich wünsche, daß Sie ihr von mir danken, Mr. North,« sagte Dawes.

»Danken, wem?«

»Mrs. Frere.«

Der unglückliche Priester zitterte, als er ihren Namen hörte.

»Ich glaube nicht, daß Sie ihr Dank schuldig sind. Ihre Eisen wurden auf Befehl des Kommandanten abgenommen.«

»Ja, aber auf ihre Fürbitte. Das ist sicher so. Ach, ich hatte Unrecht, zu glauben, daß sie mich vergessen hatte. Bitten Sie sie um Vergebung.«

»Vergebung!« rief North sich der Scene im Gefängnis erinnernd. »Was haben Sie gethan, um ihre Vergebung zu brauchen?«

»Ich zweifelte an ihr,« sagte Rufus Dawes. »Ich hielt sie für undankbar und verrätherisch. Ich glaubte, sie hätte mich wieder dem Kerker übergeben, aus dem ich entflohen. Ich dachte, sie hätte mich betrogen, verrathen an den Schurken, dessen erbärmliches Leben ich um ihretwillen gerettet hatte.«

»Was meinen Sie?« fragte North. »Sie sprachen niemals davon zu mir.«

»Nein, ich hatte geschworen, Alles das in meiner Brust zu begraben; – es war zu bitter, um davon zu sprechen.«

»Sein Leben gerettet?«

»Ja und das ihre auch! Ich machte das Boot, das sie in die Freiheit trug. Ich hielt sie in meinen Armen, ich nahm das Brod von meinem Munde, um sie zu nähren.«

»Das weiß sie nicht,« sagte North leise.

»Vielleicht hat sie es vergessen, denn sie war nur ein Kind. – Aber Sie müssen sie daran erinnern, – wollen Sie? Sie müssen mich in ihren Augen rechtfertigen, ehe ich sterbe? Sie müssen sie um Vergebung für mich bitten?«

North konnte nicht erklären, warum eine solche Unterredung, wie sie der Gefangene wünschte, unmöglich war und versprach deshalb Alles.

»Sie geht in dem Schooner fort,« sagte er und verheimlichte seine eigne Abreise. »Ich werde sie sehen, ehe sie abreist und ihr Alles sagen.«

»Gott segne Sie, Herr,« sagte der arme Dawes. »Jetzt beten sie mit mir.« Der elende Priester wiederholte mechanisch eine der Formeln, welche die Kirche vorschreibt.

Am nächsten Tage sagte er dem Bereuenden, daß Mrs. Frere ihm vergeben habe. Das war eine Lüge. Er hatte sie nicht gesehen, aber was war ihm jetzt gerade eine Lüge? Lügen waren auf dem krummen Wege, den er betreten, nöthig. Doch verursachte ihm die Täuschung, die er jetzt ausübte, bittere Qualen.

Er war seiner Leidenschaft unterlegen und um die Liebe zu gewinnen, nach der der sich sehnte, hatte er freiwillig Wahrheit und Ehre aufgegeben. Aber jetzt, allein mit seiner Sünde, haßte und verachtete er sich selbst. Um die Gewissensbisse zu tödten und jede Ueberlegung zu ersticken, nahm er seine Zuflucht zum Branntwein und obgleich die wilde Erregung seiner Hoffnungen und Befürchtungen ihn gegen den betäubenden Einfluß des Getränkes schützte, so war er doch unfähig zu jeder ruhigen Ueberlegung. Unter gewissen nervösen Bedingungen galten unsere bloßen physischen Kräfte Stand gegen den Einfuß des Alkohols und wenn auch zehn Mal mehr betrunken, als der Zecher, der stammelnd spricht und in die Gosse fällt, können wir aufrecht gehen und geläufig sprechen. In dieser künstlichen Aufregung entfalten Männer oft einen glänzenden Witz und eine Schärfe des Verständnisses, die ihre Freunde in Erstaunen und ihre Aerzte in Schrecken setzt. North hatte diese Stufe der Hirn – Trunkenheit erreicht. In klaren Worten, er taumelte an der Grenze des Wahnsinns hin. Die Tage vergingen schnell und Blunts Vorbereitungen für die Seereise waren fertig. Es waren zwei Kajüten im Stern des Schooners, von denen die eine für Mrs. Frere in Beschlag genommen war, die Andere für Mr. North. Maurice hatte nicht versucht, seine Freundschaftsanerbietungen zu wiederholen und der Kaplan hatte nichts gesagt.

Eingedenk der letzten Worte Sylvia’s, hatte er sich entschlossen, sie nicht eher wieder zu sehen, als bis sie sich eingeschifft hatten. Dann sollte die Reise ihr Schicksal miteinander verbinden. Am Morgen des 19. Dezember erklärte sich Blunt bereit, unter Segel zu gehen und am Nachmittage desselben Tages gingen die beiden Passagiere an Bord.

Rufus Dawes sah nach dem Schooner, der außerhalb des Riffes lag und dachte nichts Besonderes dabei, daß, nachdem ein Boot die Frau des Kommandanten weggeführt hatte, ein anderes Boot mit dem Kaplan abstieß. Es war ganz natürlich, daß Mr. North wünschte, seinen Freunden Lebewohl zu sagen und den langen, heißen Sommer-Nachmittag lang wartete er aus das rückkehrende Boot und hoffte, der Kaplan sollte ihm Botschaft von der Frau bringen, die er nun nie wieder auf Erden sehen würde. Die Stunden schwanden und kein Hauch kräuselte die Oberfläche der See.

Der Tag war ungewöhnlich Heiß und schwül; schwere, dichte Wolken hingen am Horizont und es war sehr wahrscheinlich, daß wenn nicht ein Gewitter die Luft noch vor Abend erfrischt, die Windstille fortdauern würde. Aber Blunt mit er richtigen Seemannshartnäckigkeit, was das Wetter anbetrifft, schwor, es würde eine Brise kommen und hielt im seiner Absicht fest in See zu gehen.

Der heiße Nachmittag ging in einen heißen Abend über und erst, als die tiefen Schatten fielen, sah Rufus Dawes, daß ein Boot sich von der Seite des Schooners loslöste und durch das schwere Wasser nach dem Hafendamm zu ruderte. Der Kaplan kam zurück und in wenigen Stunden mußte er bei ihm sein, um ihm Botschaft zubringen, nach der seine Seele dürstete. Er streckte eine ungefesselten Glieder aus und warf sich auf sein Lager, sich die Vergangenheit zurückrufend, – das Bootbauen, – die Nachricht von seinem Vermögen, seine Liebe und sein Selbstopfer. North kehrte indessen zurück, ohne für den Gefangenen eine Botschaft des Trostes zu haben, aber er kehrte zurück, um ihn noch ein Mal zu sehen. Der unglückliche Mann, von Gewissensbissen und Leidenschaft zerrissen, hatte sich zu einer Handlung entschlossen, die ihm als Buße für seinen Betrug galt. Er wollte Dawes bekennen, daß die Botschaft, die er ihm gebracht, völlig erfunden war, daß er selbst die Frau des Kommandanten liebte und daß er mit ihr die Insel für immer verlasse.

»Ich bin kein Heuchler,« sagte er sich in seiner Aufregung. »Wenn ich sündige, will ich offen sündigen und dieser arme Kerl, der auf mich sieht wie aus einen Engel, soll mich in meiner wahren Gestalt kennen.«

Der Gedanke, seinen eigenen Ruf in den Augen dessen zu zerstören, den er gelehrt hatte, ihn zu lieben, war seiner krankhaften Einbildungskraft angenehm. Es war der natürliche Ausbruch dieser kranken Gemüthsverfassung, in der er sich befand und um diese Sache vollkommen auszuführen, bedurfte er einer Schlauheit, die auch so oft das unheilvolle Zeichen eines ungesunden Gehirnzustandes ist.

Es war wünschenswerth, daß der unheilvolle Streich erst im letzten Augenblicke geführt wurde, daß er seine Schlechtigkeit enthüllen wollte und dann abreisen, um nie wieder gesehen zu werden. Zu diesem Zwecke hatte er eine Entschuldigung erfunden, um im letzten Augenblick noch nach der Küste zurückzukehren.

Er hatte absichtlich in seinem Zimmer einen Reisesack gelassen, – ein Ding, das man so leicht vergißt das man aber vermißt, sobald man wirklich auf dem Punkt steht, fortzugehen.

Er hatte von Blunt erfahren, »daß vor der Dunkelheit kein Wind aufspringen würde, daß aber Alles klipp und klar sein müsse. So erinnerte er sich grade, als es dunkel wurde, daß er noch ein Mal an Land gehen müsse und obgleich der nichts ahnende Blunt sehr fluchte, ließ er, da der Kaplan darauf bestand, denselben an Land bringen.«

»In weniger als zwei Stunden ist die Brise da,« sagte er. »Sie haben reichlich Zeit, aber wenn Sie nicht da sind, ehe der erste Windstoß kommt, segle ich ohne Sie, so wahr als ich geboren bin.«

North versicherte ihn seiner Pünktlichkeit. »Warten Sie nicht auf mich, wenn nicht da bin, Kapitän,« sagte North in jenem leichten Ton, den Leute annehmen, um ihre Aufregung zu verbergen.

»Ich würde ihn beim Wort nehmen, Blunt,« sagte der Kommandant, der seiner Frau ein letztes Lebewohl sagen wollte. »Fort Leute,« rief er der Bootsmannschaft zu, »wartet am Hafendamm. Wenn Mr. North sein Schiff durch Eure Faulheit versäumt, sollt ihr dafür büßen – Das Boot stieß ab. North lachte laut auf, bei dem Gedanken, daß er zu spät kommen würde. Frere sah mit Erstaunen, daß der Kaplan sich in einen großen Mantel hüllte, der schon im Boot lag.

»Will der Kerl ersticken in einer Nacht wie diese?« war seine Bemerkung. Die Wahrheit war, daß seine Hände und Kopf brannten, daß aber seine Zähne wie im Frost zusammenschlugen. Vielleicht war das auch der Grund, daß, als er landete und außer Sehweite vom Boot war, er eine Rumflasche vorzog und gierig trank. Der Spiritus gab ihm Muth für das Vorhaben, das er sich gesetzt und mit festem Schritt erreichte er die Thür des alten Gefängnisses. Zu seiner Ueberraschung verweigerte ihm Gimblett den Eintritt!

»Aber ich komme direkt vom Kommandanten,« sagte North.

»Haben Sie einen Befehl, Herr?«

»Befehl! – Nein!«

»Dann kann ich Sie nicht einlassen, Ehrwürden,« sagte Gimblett.

»Ich will den Gefangenen Dawes sehen. Ich habe einen besonderen Auftrag an ihn. Ich bin zu dem Zweck noch ein Mal an Land gekommen.«

»Es thut mir sehr leid, Herr – — «

»Das Schiff segelt in zwei Stunden, Mann, und ich komme zu spät,« sagte North, empört, so in seinen Absichten gehindert zu werden. »Sie wissen, was Autorität ist, so gut wie ich. Lassen Sie mich vorbei!«

»Auf meine Ehre, Sir, ich darf nicht,« sagte Gimblett, der nicht ohne seine guten Seiten war. »Sie wissen auch, was Autorität heißt.«

North war in Verzweiflung, aber ein heller Gedanke kam ihm plötzlich, ein Gedanke, der in nüchternen Augenblicken ihm nicht gekommen wäre, – er wollte Zulassung erkaufen. Er brachte die Rumflasche unter dem Mantel zum Vorschein. »Kommen Sie, sprechen Sie keinen Unsinn weiter, Gimblett. Sie denken doch nicht, daß ich ohne Autorisation hierher komme. Hier, nehmen Sie einen Schluck und lassen Sie mich herein.« Gimblett’s Züge erheiterten sich ein wenig.,Nun, Herr, ich hoffe, es ist Alles in Ordnung, da Sie es sagen.« Und mit der einen Hand die Rumflasche haltend, öffnete er mit der andern die Thür von Dawes’ Zelle.

North trat ein und als die Thür sich hinter ihm schloß, sprang der Gefangene, der auf seinem Bett gelegen hatte, auf und wollte ihm an die Kehle fahren.

Rufus Dawes hatte einen Traum gehabt. Allein in der zunehmenden Dunkelheit, hatte seine Phantasie sich die Vergangenheit zurück gerufen und sie mit vielen Erinnerungen bevölkert. Er sah sich wieder auf dem öden Strand, wo er zuerst das liebliche Kind getroffen, das er liebte. Er durchlebte wieder jenes nützliche und ehrenhafte Leben. Er sah sich an dem Boot arbeiten, einschiffen und in See gehen.

Der blonde Kopf des unschuldigen Kindes ruhte wieder an seiner Brust; ihre jungen Lippen murmelten wieder zärtliche Worte in sein begieriges Ohr. Frere war neben ihm und bewachte ihn, wie früher. Wieder breitete sich die düstere See weit um ihn aus, ohne Hilfe zu bringen. Wieder sah er an dem milden, nassen Morgen die Amerikanische Brigg sich ihnen nähern und die bärtigen, braunen Gesichter der Mannschaft blickten erstaunt auf sie nieder. Er sah Frere das Kind aus seinen Armen nehmen und auf Deck steigen; er hörte den freudigen Ruf des Willkommens und drückte die Hände, die sich den Geretteten entgegenstreckten. Das Deck war mit Menschen besetzt. Alle die Leute, die er je gekannt, waren dort. Er sah die weißen Haare und die strengen Züge von Sir Richard Devine und neben ihm stand, die schmalen Hände ringend, seine weinende Mutter. Dann schritt Frere vor, aber hinter ihm John Rex, der Deportierte, der sich durch die Menge der Gefangenen und der Aufseher durchdrängte und den Fleck erreicht haben würde, auf dem Sir Richard Devine stand, wenn nicht der Körper des gemordeten Lord Bellasis ausgestanden wäre und ihn zurückgeworfen hätte. Wie die Hämmer tönten auf dem Hof des Schiffsbauers. Machten sie dort einen Sarg? Doch nicht für Sylvia, nein, nicht für Sylvia!

Die Luft wird schwer und glühend und leuchtet von Flammen und ist schwarz von Rauch. Der Hydaspes steht in Feuer! Sylvia hängt sich an ihren Gatten. Elender Wüstling, du schüttelst sie ab von dir!

Sieh, der mitternächtliche Himmel glitzert von Sternen; über dem Rauch scheint der klare Himmel. – Ein Schritt, noch Einer, – richte deine Augen auf mich, – so – an mein Herz! Ach, sie wendet sich ab. – Er greift nach ihrem Kleide. – Was! Ein Priester, – ein Priester – der mit höllischer Freude lächelnd, sie in den flammenden Schlund hineinzieht, der sich für ihn öffnet. Der Träumer springt dem Eintretenden an die Kehle und schreit, »Schurke, habe ich sie gerettet, daß sie solch Schicksal habe?« – Und er erwacht und sieht, daß er mit dem Ungeheuer seiner Träume kämpft, dem Idol seines Wachens – mit Mr. North!

North, nicht weniger gelähmt von der Plötzlichkeit des Anfalles, als von den Worten, von denen er begleitet war, stand zitternd vor der prophetischen Anklage des Mannes, dessen Flüche er sich eben verdienen wollte.

»Ich träumte,« sagte Rufus Dawes. »Einen schrecklichen Traum! Aber es ist nun vorüber. – Die Botschaft, – Sie haben mir doch eine Botschaft gebracht, nicht wahr? Wie, was fehlt Ihnen? Sie sind blaß – Ihre Knie zittern! Hat meine Heftigkeit – —? «

North kam mit großer Anstrengung wieder zu sich. »Es ist nichts. Lassen Sie uns sprechen, denn meine Zeit ist kurz. Sie haben mich für einen guten Mann gehalten, Einen, der von Gott gesegnet, Einen, der zu heiligem Dienst geweiht war; für einen rechtschaffnen, reinen und wahren Mann. Ich bin zurück gekommen, um Ihnen die Wahrheit zu sagen. Ich bin das Alles nicht!«

Rufus Dawes saß erstarrt da, unfähig, diesen Wahnsinn zu begreifen.

»Ich sagte Ihnen, daß die Frau, die Sie lieben, – denn, Sie lieben sie – Ihnen ihre Vergebung schickte. Ich log.«

»Was?«

»Ich habe ihr nie etwas von Ihrem Bekenntnis gesagt. Ich habe nie Ihren Namen genannt.«

»Und sie geht fort, ohne daß sie es weiß? O, Mr. North, was haben Sie gethan?«

»Meine eigene Seele verdammt!« ruft North wild, tief ergriffen von dem verzweifelten Tone seiner Worte. »Hängen Sie sich nicht an mich; meine Aufgabe ist gethan. Sie werden mich jetzt hassen. Das ist mein Wunsch. Ich verdiene es. Lassen Sie mich gehen. Es wird sonst zu spät.«

»Zu spät? Wozu?« – Er sah den Mantel an; durch das offene Fenster hörte er die murmelnden Stimmen der Bootsmänner, – die Erinnerung an die Rose, an die Scene im Gefängnis kam ihm in den Sinn und er verstand Alles! »Großer Gott, Sie reisen zusammen?«

»Lassen Sie mich gehen,« sagte North mit heiserer Stimme.

Rufus Dawes trat zwischen ihn und die Thür. »Nein, Wahnsinniger, ich lasse Sie nicht gehen, um solch großes Unrecht zu thun, – um diese junge, unschuldige Seele zu tödten, die, – Gott helfe ihr – Sie liebt!«

North ganz bestürzt über diese plötzliche Vertauschung ihrer Rollen, lehnte verzweifelt gegen die Mauer.

»Ich sage, Sie sollen nicht gehen! Sie sollen nicht Ihre Seele und die ihrige verderben! Sie lieben sie! Ich liebe sie auch und meine Liebe ist mächtiger als die Ihre, denn meine Liebe soll sie retten!«

»In Gottes Namen,« – — schrie der unglückliche Priester und hielt sich die Ohren zu.

»Ja, in Gottes Namen! Im Namen des Gottes, den ich in meinen Qualen vergessen hatte. Im Namen des Gottes, den Sie mich wieder kennen gelehrt haben. Des Gottes, der Sie schickte, um mich von Verzweiflung zu retten, der mir jetzt Kraft gibt, Sie wiederum zu retten! Mr. North, – mein Lehrer, – mein Freund, mein Bruder, – bei der süßen Hoffnung der Gnade, die Sie mir selbst verheißen haben, seien Sie gnädig gegen das arme, irrende Weib!«

North hob seine trostlosen Augen.

»Aber ich liebe sie! – Ich liebe sie, – hörst Du? Was weißt Du von Liebe?«

»Liebe!« rief Rufus Dawes und sein bleiches Gesicht strahlte. »O, – Liebe, – Sie wissen nicht, was Liebe ist, Liebe ist die Aufopferung seiner selbst, der Tod aller Wünsche, die nicht zu des Andern besten dienen. Liebe ist göttlich! – Sie lieben! Nein, nein, Ihre Liebe ist Selbstsucht und wird in Schande enden! Hören Sie, ich will Ihnen die Geschichte einer Liebe wie die Ihre erzählen.«

North bemeistert durch des Andern Willen, fiel zitternd zurück.

»Was meinen Sie?«

»Ich will Ihnen das Geheimniß meines Lebens erzählen, – den Grund, warum ich hier bin. Kommen Sie näher.«