Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 11

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»Ach, Honey, nicht doch! Nicht so unfreundlich sein! Sie ist eben temperamentvoll und lebhaft. Ich fand sie sehr reizend.«

»0ho!« Scarlett krallte die Nägel in ihre Taille ein. »Dies schüchterne kleine Persönchen tritt für mich ein!«

Das war mühsamer anzuhören als Honeys gehässige Stichelei. Scarlett hatte nie einem weiblichen Wesen getraut und außer ihrer Mutter k einer Frau andere als selbstsüchtige Antriebe zugebilligt. Melanie war Ashleys sicher, da konnte sie sich solch selbstlose Denkungsart leisten. Das war echt Melanie, dachte Scarlett, auf solche Weise mit ihrer Eroberung großzutun und sich zugleich in den Ruf eines sanften Gemütes zu bringen. 0ft hatte Scarlett sich, wenn sie mit Männern andere Mädchen durchhechelte, desselben Kniffes bedient, und er hatte die dumme Männerwelt jedesmal unfehlbar von ihrer Sanftmut und Selbstlosigkeit überzeugt.

»Nun, mein Fräulein«, erhob Honey patzig die Stimme, »dann mußt du blind sein.«

»Seht, Honey«, zischte Sally Munroes scharfe Stimme. »Man hört dich ja im ganzen Haus.«

Gedämpft fuhr Honey fort: »Du hast doch gesehen, wie sie mit jedem Mann, den sie erwischen konnte, ins Zeug ging ... sogar mit Mr. Kennedy, und er ist doch der Verehrer ihrer eigenen Schwester. So etwas habe ich nie erlebt! Und ganz sicher hatte sie es auf Charles abgesehen.« Honey verfiel in ein gereiztes Kichern: »Und du weißt doch, Charles und ich ...«

»Wahrhaftig?«flüsterten erregte Stimmen.

»Nun, erzählt es, bitte, niemand ... noch nicht!«

Das Getuschel nahm zu, Bettfedern krachten. Melanie flüsterte, wie glücklich sie sei, daß Honey ihre Schwester werden sollte.

»Ich freue mich aber gar nicht darauf, Scarlett zur Schwester zu bekommen«, ertönte bekümmert Hetty Tarletons Stimme. »Was ist sie nur für ein unglaublicher Draufgänger. Sie ist mit Stuart so gut wie verlobt. Brent sagt zwar, sie gebe keinen Deut um ihn, aber Brent ist natürlich auch in sie verliebt.«

»Wenn ihr mich fragt«, tuschelte Honey geheimnisvoll, »ich sage euch, es gibt nur einen, aus dem sie sich wirklich etwas macht, und das ist Ashley.«

Als das Getuschel der Fragen und Antworten immer heftiger wurde, ging ein Frösteln der Angst und Scham durch Scarletts Brust. Honey war eine dumme Gans, ein albernes, einfältiges, unerfahrenes Ding, soweit es sich um Männer handelte; für andere Frauen aber hatte sie einen Spürsinn, den Scarlett unterschätzt hatte. Neben der Schmach, die sie hier auf ihrem Lauscherposten erlitt, waren die Demütigung und der verletzte Stolz, die sie bei Ashley und Rhett Butler in der Bibliothek gepeinigt hatten, nur Nadelstiche. Männern konnte man zutrauen, daß sie den Mund hielten, sogar solchen wie Mr. Butler, aber Honey Wilkes gab Laut wie ein Jagdhund, und dann wußte die ganze Provinz noch vor sechs Uhr alles. Gestern abend erst hatte Gerald gesagt, er wolle nicht, daß die Provinz über seine Tochter lache. Und wie nun alle lachen würden! Der kalte Schweiß brach ihr aus. Melanies gemessene, friedliche Stimme erhob sich ein bißchen vorwurfsvoll über die der andern:

»Honey, du weißt, daß das nicht wahr ist. Es ist lieblos von dir.«

»Es ist doch so, Melly, und wärest du nicht immer so darauf aus, etwas Gutes an Leuten zu entdecken, an denen gar nichts Gutes ist, dann hättest du es auch gesehen. Und ich freue mich, daß es so ist. Es geschieht ihr ganz recht. Scarlett 0'Hara hat immer nur überall Unfrieden gestiftet und versucht, andern Mädels die Freunde wegzuschnappen. Du weißt ganz gut, daß sie India ihren Stuart weggeschnappt hat und ihn jetzt nicht einmal will. Heute hat sie es nun mit Mr. Kennedy und Ashley und Charles versucht ...«

»Ich muß nach Hause!« dachte Scarlett. »Ich muß einfach nach Hause!«

Könnte doch Zauberei sie nach Tara entrücken und in Sicherheit bringen! Könnte sie doch bei Ellen sein, nur sie sehen, sie am Rock fassen und in Ellens Schoß weinen und ihr ganzes Herz ausschütten! Hörte sie nur noch ein Wort, so stürzte sie hinein, das wußte sie, und riß ganze Hände voll von Honeys dünnen blaßblonden Haaren aus und spie Melanie Hamilton ins Gesicht, um ihr zu zeigen, was sie von ihrer Nächstenliebe hielt. Aber sie hatte sich heute schon gemein genug benommen, ganz wie »weißes Pack« ... daher rührte überhaupt das ganze Unheil!

Mit den Händen drückte sie ihre Röcke ganz fest an sich, damit sie nicht raschelten, und entwischte verstohlen wie ein Tier. Nach Hause! Damit jagte sie hinunter in die Halle an verschlossenen Türen und stillen Zimmern vorbei. Sie mußte nach Hause. Schon war sie an der Haustür, da stutzte sie. Ihr war eingefallen - sie konnte ja nicht nach Hause. Weglaufen konnte sie nicht! Sie mußte hindurch, durch alle Bosheit der Mädchen, durch ihre eigene Schmach und all das Herzweh. Lief sie weg, so gab sie ihnen nur neue Waffen in die Hand.

Mit der geballten Faust schlug sie gegen die hohe weiße Säule neben sich und wünschte sich, Simson zu sein, um das ganze Twelve 0aks samt allen Menschen darin in Grund und Boden reißen zu können. Sie sollten es noch zu fühlen bekommen. Sie wollte es ihnen schon zeigen! Sie wollte ihnen noch weher tun, als sie ihr getan hatten. Für den Augenblick war Ashley vergessen. Er war nicht mehr der große, träumerische Junge, den sie liebte, sondern gehörte zu der ganzen Wilkesschen Sippe, zu Twelve 0aks, zur Provinz - sie haßte sie alle, weil sie sie auslachten. Mit sechzehn Jahren ist die Eitelkeit stärker als die Liebe; in ihrem heißen Herzen hatte nichts anderes mehr Raumals der Haß.

»Ich will nicht nach Hause. Ich bleibe hier und lasse es sie fühlen. Mutter sage ich nichts davon, nein, keinem Menschen.« Sie raffte sich zusammen, um ins Haus zurückzukehren. Die Treppe hinauf in ein anderes Schlafzimmer. Als sie sich in der Halle umwandte, sah sie Charles am andern Ende ins Haus treten. Er erblickte sie und kam rasch auf sie zu, sein Haar war zerzaust, sein Gesicht vor Aufregung so rot wie eine Geranienblüte.

»Wissen Sie, was geschehen ist?« rief er ihr schon von weitem entgegen. »Haben Sie es gehört? Paul Wilson kommt eben von Jonesboro herübergeritten! «

Er hielt atemlos inne. Sie entgegnete nichts, sie starrte ihn nur an.

»Mr. Lincoln hat die Männer aufgerufen, Soldaten - Freiwillige meine ich - fünfundsiebzigtausend!«

Schon wieder Mr. Lincoln! Dachten denn die Männer nie an wirklich Wichtiges? Dieser dumme Junge erwartete von ihr, sie solle sich über Mr. Lincolns Possen aufregen, während ihr das Herz brach und ihr Ruf so gut wie zerstört war. Jetzt starrte Charles sie an. Ihr Gesicht war weiß wie Papier, ihre schmalen Augen sprühten grünes Feuer wie Smaragde. Solches Feuer hatte er nie in einem Mädchengesicht gesehen, solche Glut noch nie in einem menschlichen Auge.

»Ich bin so ungeschickt, ich hätte es Ihnen zarter beibringen sollen. Ich habe vergessen, wie empfindsam Damen sind. Es tut mir leid, daß ich Sie so erschreckt habe. Kann ich Ihnen ein Glas Wasser holen?«

»Nein.« Sie brachte ein schiefes Lächeln zustande.

»Wollen wir uns auf die Bank setzen?« Er nahm ihren Arm. Sie nickte, und er geleitete sie behutsam die Stufen hinunter und führte sie nach der Bank unter der großen Eiche im Vorgarten. »Wie zart und zerbrechlich Frauen sind«, dachte er, »schon die Erwähnung von Krieg und Greuel benimmt ihnen die Sinne.« Dabei fühlte er sich sehr männlich und verdoppelte seine Fürsorge. Sie sah so seltsam aus. Auf ihrem bleichen Gesicht lag eine wilde Schönheit, die ihm das Herz zusammenzog. Wäre es möglich, daß der Gedanke, er würde in den Krieg gehen, ihr Kummer machte? Nein, das war zu anmaßend, das konnte er nicht glauben. Warum sah sie ihn dann aber so wunderlich an? Warum zitterten ihr die Hände, während sie an ihrem Spitzentaschentuch zerrte? Und die dichten kohlschwarzen Wimpern zuckten auf und nieder, wie es bei den Mädchen, von denen man in Romanen las, vor Schüchternheit und Liebe geschah.

Er räusperte sich dreimal, um etwas zu sagen, und es mißlang ihm jedesmal. Er schlug die Blicke nieder, weil ihre grünen Augen die seinen so starr durchdrängen, als sähe sie ihn gar nicht.

»Er hat eine Menge Geld«, dachte sie schnell, indem ein Gedanke ihr durchs Hirn zog. »Er hat keine Eltern, die mir das Leben schwermachen würden, er lebt in Atlanta, und wenn ich ihn jetzt auf der Stelle heirate, kann ich Ashley zeigen, daß ich mir nicht das mindeste aus ihm mache, daß ich nur mit ihm gespielt habe, und Honey würde es einfach umbringen. Einen anderen Verehrer kriegt sie nie und nimmer, und jedermann würde sich über sie totlachen. Und Melanie könnte ich auch damit weh tun, weil sie Charles liebhat. Und Stu und Brent könnte ich damit kränken.« Sie wußte nicht recht, warum sie eigentlich alle kränken wollte. Nun ja, sie hatten boshafte Schwestern. »Und es würde sie alle kränken, wenn ich in einem schönen Wagen mit vielen hübschen Kleidern hierher auf Besuch käme und hätte mein eigenes Haus daheim. Dann lachen sie nie wieder über mich.«

»Das bedeutet natürlich Kampf«, sagte Charles nach mehreren weiteren schüchternen Versuchen. »Aber grämen Sie sich nicht, Miß Scarlett, in einem Monat ist es vorbei, dann kriegen sie das Heulen. Jawohl! Das Heulen! Um alles in der Welt muß ich dabeisein. Heute wird wohl nicht viel aus dem Ball werden; die Truppe hat Appell in Jonesboro. Die vier Tarletons bringen die Nachricht herum. Ich weiß, den Damen wird es leid tun.«

Sie sagte »Ach«, weil ihr nichts Besseres einfiel, aber es genügte. Allmählich fand sie ihr Gleichgewicht wieder, und die Gedanken begannen sich zu sammeln. Auf allen ihren Gefühlen lag es wie Rauhreif, sie meinte, sie würde nie wieder wann empfinden können. Warum nicht diesen hübschen, errötenden Jungen nehmen? Er war so gut wie jeder andere. Und ihr war es so einerlei. An nichts lag ihr mehr etwas, ihr Leben lang, und wenn sie neunzig Jahre alt würde.

»Ich kann mich noch nicht entschließen, ob ich mit Mr. Wade Hamptons Südcarolina-Legion oder mit der Atlantaer Stadtgarde hinausgehe.«

Wieder sagte sie »0h«, ihre Augen begegneten einander, ihre bebenden Lider gaben ihm den Rest.

»Wollen Sie auf mich warten, Miß Scarlett? Es wäre himmlisch, wenn ich wüßte, Sie warteten auf mich, bis wir sie verdroschen haben!« Atemlos hing er an ihrem Munde und bemerkte, wie ihre Lippen sich in den Winkeln verzogen, sah zum erstenmal die Schatten darin und dachte, wie es wohl wäre, sie zu küssen. Ihre Hand, die innen kalt von Schweiß war, glitt in die s eine.

»Ich möchte eigentlich nicht warten«, sagte sie mit verschleierten Augen.

Er umklammerte ihre Hand, der Mund stand ihm weit offen. Durch ihre Wimpern beobachtete Scarlett ihn völlig unbeteiligt und fand, er sähe aus wie ein aufgespießter Frosch. Mehrmals fing er stotternd an, schloß den Mund und öffnete ihn wieder und wurde rot wie eine Geranie.

»Ist es denn möglich, daß Sie mich lieben?«

Sie antwortete nichts, sie blickte nur in ihren Schoß und stürzte Charles in neue Wonne und neue Verlegenheit. Vielleicht durfte der Mann ein Mädchen nicht so etwas fragen, vielleicht war es nicht mädchenhaft, darauf zu antworten. Charles hatte nie vorher den Mut gehabt, solche Fragen zu stellen, und wußte nun nicht, was er tun sollte. Am liebsten hätte er gejubelt und gesungen und sie geküßt und auf dem Rasen Purzelbäume geschlagen und wäre dann hingelaufen und hätte jedem, Schwarz oder Weiß, erzählt, daß sie ihn liebte. So aber drückte er nur ihre Hand immer fester, bis die Ringe ihr ins Fleisch schnitten.

»Wollen Sie mich schon bald heiraten, Miß Scarlett?«

Sie fingerte an den Falten ihres Kleides.

»Wollen wir eine Doppelhochzeit mit Mel ...?«

»Nein!« sagte sie rasch, ihre Augen blitzten unheilverkündend zu ihm auf. Wieder merkte Charles, daß er etwas falsch gemacht hatte. Natürlich wollte ein Mädchen ihre eigene Hochzeit haben, ihren Ehrentag nicht teilen. Wie gut von ihr, seine Tölpeleien zu übersehen! Wäre es doch dunkel, fände er doch den Mut, den die Dunkelheit gibt, könnte er ihr doch die Hand küssen und ihr sagen, wovon sein Herz voll war!

»Wann kann ich mit Ihrem Vater sprechen?«

»Je eher, desto besser.« Sie hoffte, er würde vielleicht ihre Hand von dem lästigen Druck der Ringe erlösen, ehe sie ihn darum bitten müßte. Er sprang auf, und einen Augeblick meinte sie, er wollte einen Purzelbaum schlagen, ehe der Anstand es ihm verbot. Strahlend blickte er auf sie nieder, sein ganzes Herz in all seiner reinen Einfalt lag in den Augen. So hatte noch niemand sie angeschaut, und so sollte auch nie wieder jemand sie anschauen. Aber traumhaft losgelöst von allem, wie sie war, fand sie nur, er sähe aus wie ein Kalb.

»Ich will nun Ihren Vater suchen«, sagte er und lächelte über das ganze Gesicht. »Ich kann nicht länger warten. Willst du mich entschuldigen ... du Liebe?« Das Du wurde ihm schwer. Als er es aber einmal gesagt hatte, wiederholte er es voller Wonne immer von neuem. »Ja«, sagte sie, »ich warte hier. Hier ist es so schön kühl.« Er ging quer über den Rasen und verschwand hinter dem Hause. Sie saß allein unter der rauschenden Eiche. Von den Ställen kamen Scharen von Reitern, schwarze Diener dicht hinter ihren Herren. Die Munroes preschten vorbei und schwenkten die Hüte. Die Fontaines und Calverts ritten jauchzend die Straße hinunter. Die vier Tarletons jagten miteinander über den Rasen, und Brent rief: »Mutter, gib uns die Pferde! Yee - aay - ee!« Rasenstücke flogen, weg waren sie. Sie war wieder allein.

Vor ihr ragten die Säulen des weißen Hauses empor, als zöge es sich, würdig und unnahbar, von ihr zurück. Ihr Haus würde es nun nie werden. Nie würde Ashley sie als Braut über die Schwelle tragen. Ach, Ashley, Ashley! Was hab' ich getan? Tief unter Schichten von verletztem Stolz und kalter Berechnung regte es sich in ihr und schmerzte. Ein reifes Gefühl wurde in ihr geboren, stärker als ihre Eitelkeit und Selbstsucht. Sie liebte Ashley und wußte, wie sehr sie ihn liebte, und hatte ihn nie so heiß geliebt wie in diesem Augenblick, da sie Charles auf dem gewundenen Kiesweg verschwinden sah.

7

Innerhalb von zwei Wochen war Scarlett verheiratet, zwei Monate später war sie Witwe. Die Bande, die sie so hastig und gedankenlos geknüpft hatte, waren schnell zerrissen, aber die sorglose Freiheit ihrer Mädchentage sollte sie nie wieder kennenlernen. Witwentum war der Heirat auf dem Fuße gefolgt, und nach ihr kam zu Scarletts Schrecken bald auch die Mutterschaft.

Wenn Scarlett in späteren Jahren an diese letzten Apriltage des Jahres 1861 dachte, konnte sie sich der Einzelheiten nie mehr deutlich entsinnen. Zeit und Ereignisse schoben sich ineinander, wirr wie bei einem Alpdrücken, bar jeder Wirklichkeit und jeden Sinnes. Bis zu ihrer Todesstunde behielten die Erinnerungen an jene Tage blinde Flecken. Nebelhaft verschwand ihr besonders die Zeit zwischen ihrem Jawort an Charles und der Hochzeit. Vierzehn Tage! In Friedenszeiten wäre eine so kurze Verlobung undenkbar gewesen; der Schicklichkeit halber hätte man ein ganzes Jahr oder mindestens sechs Monate gewartet. Aber der Süden stand in Kriegsflammen, die Ereignisse brausten wie vor einem gewaltigen Winde dahin, das langsame Zeitmaß vergangener Tage war vorüber.

Ellen hatte die Hände gerungen und zum Aufschub geraten, damit Scarlett sich ihre Entscheidung gründlicher überlegte. Aber für ihre Bitten hatte Scarlett nur taube 0hren und ein abweisendes Gesicht. Heiraten wollte sie, und das schleunigst - binnen vierzehn Tagen.

Als sie erfuhr, daß Ashleys Hochzeit vom Herbst auf den 1. Mai vorverlegt worden sei, damit er ins Feld gehen könne, setzte sie das Datum für die eigene Hochzeit auf den Tag vor der seinigen fest. Ellen war nicht damit einverstanden, aber Charles trat mit neugeborener Beredsamkeit dafür ein. Er war ungeduldig, zu Wade Hamptons Legion in Südcarolina zu stoßen, und Gerald nahm für die jungen Leute Partei. Ihn hatte d as Kriegsfieber gepackt, auch freute er sich, daß Scarlett eine so gute Partie machte - und sollte etwa er junger Liebe sich in den Weg stellen, wenn der Krieg im Anzug war? Ellen gab schließlich verzweifelt nach, wie es andere Mütter im Süden auch taten. Ihre geruhsame Welt war auf den Kopf gestellt, ihr Rat, ihr Bitten und Beten war machtlos gegen die Gewalten, die sie mit sich fortrissen.

Der Süden war trunken vor Begeisterung und Erregung. Jeder glaubte, daß eine einzige Schlacht den ganzen Krieg beenden würde. Jeder junge Mann stelle sich, so rasch er konnte, um noch mit dabeisein zu können - heiratete seine Liebste, so schnell es ging, und ritt dann auf und davon nach Virginia, um die Yankees zu schlagen. Dutzende von Kriegsheiraten fanden in der Provinz statt. Für Abschiedsschmerz war kaum Zeit, jeder war zu geschäftig und aufgeregt für ernste Gedanken und Tränen. Die Damen nähten Uniformen, strickten Socken und wickelten Binden, die Männer exerzierten und schossen. Durch Jonesboro fuhren täglich Militärzüge auf ihrem Weg nordwärts nach Atlanta und Virginia. Einige Truppenabteilungen hatten bunte, scharlachrote, hellblaue und grüne Uniformen, es war die Miliz, die von der besten Gesellschaft gebildet wurde. Andere Abteilungen trugen grobe handgewebte Jacken und Bärenmützen, noch andere überhaupt keine Uniform, sondern Tuchanzüge und Batistwäsche. Alle waren halb ausgebildet, halb bewaffnet, außer sich vor Erregung und schrien durcheinander, als wären sie zu einem Picknick unterwegs. Der Anblick dieser Leute versetzte die jungen Leute der Provinz in eine wahre Panik. Sie fürchteten, der Krieg könnte aussein, bevor sie nach Virginia gelangten, und die Vorbereitungen für den Abmarsch der »Truppe«wurden beschleunigt.

Mitten in all diesem Durcheinander rüstete man zu Scarletts Hochzeit, und ehe sie es sich versah, hatte sie Ellens Hochzeitskleid und Schleier an und schritt an ihres Vaters Arm die breite Treppe in Tara hinunter, um ein ganzes Haus voller Gäste zu begrüßen. Später kam ihr alles wie ein Tra um vor, die vielen hundert Kerzen, die an den Wänden flammten, das liebevolle, ein wenig beunruhigte Gesicht der Mutter, in dem die Lippen sich in stummem Gebet für das Glück der Tochter bewegten, Gerald, hochrot von Branntwein und von Stolz, daß seine Tochter sowohl Geld wie einen vornehmen und alten Namen in die Familie brachte - und Ashley, der unten an der Treppe stand, mit Melanie am Arm.

Als sie sein Gesicht sah, dachte sie: »Dies alles kann nicht wahr sein. Es kann nicht sein. Es ist ein böser Traum. Nachher wache ich auf und sehe, daß alles nur ein Traum war. Jetzt darf ich nicht daran denken, sonst fange ich vor all den Leuten an zu schreien. Ich kann jetzt überhaupt nicht denken. Das tue ich später, wenn ich es aushallen kann - wenn ich seine Augen nicht mehr sehe.«

Alles war wie ein Traum, der Weg durch die Reihen lächelnder Menschen, Charles' rotes Gesicht, sein Stottern und ihre eigenen Antworten, die so erschreckend klar und kalt herauskamen. Und dann die Glückwünsche, die vielen Verwandtenküsse, die Tischreden, der Tanz - alles, alles wie ein Traum. Sogar Ashleys Kuß auf ihre Wange, sogar Melanies sanftes Flüstern: »Nun sind wir wirklich und wahrhaftig Schwestern«, kamen ihr unwirklich vor. Selbst die Aufregung, die der 0hnmachtsanfall von Charles' rundlicher, gefühlvoller Tante Miß Pittypat Hamilton hervorrief, wirkte wie ein Alpdruck.

Als aber Ball und Gläserklingen endlich zu Ende waren, als der Morgen dämmerte und all die Gäste aus Atlanta, die in das Herrenhaus und das Haus des Aufsehers gepfercht werden konnten, sich auf Betten, Sofas und am Boden ausgebreiteten Strohsäcken zur Ruhe gelegt hatten und die Nachbarn nach Hause gefahren waren, um sich für den nächsten Tag und die Hochzeit in Twelve 0aks vorzubereiten, da zerbrach die traumhafte Entrücktheit wie Kristall an der Wirklichkeit. Wirklich aber war der errötende Charles, der im Nachthemd aus ihrem Ankleidezimmer zum Vorschein kam und dem erschrockenen Blick auswich, mit dem sie ihn über das heraufgezogene Laken anstarrte.

Natürlich wußte sie, daß verheiratete Leute in demselben Bett schlafen, aber sie hatte noch nie näher darüber nachgedacht. Bei Vater und Mutter war das etwas ganz Natürliches, auf sich selbst hatte sie die Tatsache nie bezogen. Nun wurde ihr zum erstenmal seit jenem Gartenfest wirklich klar, was sie auf sich genommen hatte. Der Gedanke, dieser fremde Junge, den sie eigentlich gar nicht hatte heiraten wollen, sollte zu ihr ins Bett steigen,während ihr das Herz brach vor Reue über ihre Übereilung und vor Schmerz, Ashley auf immer verloren zu haben, war mehr, als sie ertragen konnte. Ab er zögernd näher kam, flüsterte sie heiser: »Wenn du mir nahe kommst, schreie ich. Das tue ich! So laut ich kann! Mach, daß du wegkommst!Untersteh dich nicht, mich anzurühren!«

Charles Hamilton verbrachte also die Hochzeitsnacht auf einem Sessel in der Ecke, nicht einmal so unglücklich, denn er verstand die zarte Verschämtheit seiner Braut oder glaubte doch, sie zu verstehen. Er wollte gern warten, bis ihre Angst sich verlöre, nur ... nur - er seufzte, während er sich verrenkte, um eine bequeme Lage zu finden - er mußte ja so sehr bald schon in den Krieg!

War ihre eigene Hochzeit für sie schon gespenstisch gewesen, Ashleys Hochzeit war es noch mehr. Scarlett stand in dem apfelgrünen Kleid für den »zweiten Tag« im Salon zu Twelve 0aks mitten im Glanz von vielen hundert Kerzen, umdrängt von der gleichen Menschenmenge wie am Abend vorher, und sah Melanie Hamiltons schlichtes Gesichtchen zu Schönheit erglühen, als sie Melanie Wilkes wurde. Nun war Ashley auf immer dahin. Ihr Ashley. Nein, jetzt nicht mehr der ihre. War er es jemals gewesen? Alles ging so durcheinander in ihrem Sinn, ihr Kopf war so müde, so verworren. Er hatte gesagt, daß er sie liebte. Was hatte sie denn eigentlich getrennt? Wenn sie sich nur darauf besinnen könnte! Sie hatte die Klatschmäuler der Provinz durch ihre Hochzeit mit Charles zum Schweigen gebracht, aber was lag daran? Es war ihr damals so wichtig vorgekommen, jetzt war es so völlig gleichgültig. Das einzige, worauf es ankam, war Ashley. Nun war er fort und sie an einen Mann verheiratet, den sie nicht liebte, den sie sogar verachtete.

Amschlimmsten ward die Erkenntnis, daß sie allein an allem schuld war. Ellen hatte versucht, sie zurückzuhalten, aber sie hatte nicht hören wollen.

So vertanzte sie die Nacht von Ashleys Hochzeit wie betäubt, sprach mechanisch allerlei, lächelte und verwunderte sich über die Dummheit der Menschen, die sie für eine glückliche Braut hielten und nicht sahen, daß ihr das Herz gebrochen war. Nun, Gott sei Dank, daß sie es nicht sehen konnten.

Als Mammy ihr dann beim Ausziehen geholfen hatte und hinausgegangen war, als Charles schüchtern in der Tür des Ankleidezimmers auftauchte, unsicher, ob er auch die zweite Nacht in dem Roßhaarstuhl zubringen mußte, brach sie in Tränen aus. Sie weinte, bis Charles zu ihr ins Bett stieg und sie zu trösten suchte, weinte wortlos, bis ihr keine Tränen mehr kamen, weinte sich schließlich an seiner Schulter in den Schlaf.

Wäre nicht Krieg gewesen, so wäre jetzt eine Woche gefolgt mit Besuchen in der ganzen Provinz, mit Bällen und Gartenfesten zu Ehren der beiden Jungverheirateten Paare, ehe diese nach Saratoga oder nach White Sulphur auf die Hochzeitsreise gingen. Wäre nicht Krieg gewesen, so hätte Scarlett die verschiedenen Kleider für den »dritten«, »vierten« und »fünften Tag« bei Fontaines, Calverts und Tarletons auf den Gesellschaften, die ihr zu Ehren dort gegeben wurden, anziehen können. Jetzt aber gab es weder Gesellschaften noch Flitterwochen. Acht Tage nach der Hochzeit reiste Charles ab, um sich dem 0berst Wade Hampton zu stellen, und vierzehn Tage später marschierte Ashley mit der »Truppe« ab, und die ganze Provinz war vereinsamt.

In diesen vierzehn Tagen sah Scarlett Ashley niemals allein und wechselte kein Wort unter vier Augen mit ihm, nicht einmal in dem schrecklichen Augenblick des Abschieds, als er auf dem Wege zur Bahn in Tara vorsprach. Melanie mit Haube und Schal hing, erfüllt von ihrer neuerworbenen Frauenwürde, an seinem Arm, und die ganze Einwohnerschaft von Tara, Schwarze wie Weiße, kamen heraus, um Abschied zu nehmen von Ashley, der jetzt in den Krieg zog.

Melanie sagte: »Du mußt Scarlett einen Kuß geben, sie ist jetzt meine Schwester.« Und Ashley beugte sein von Qual gespanntes Gesicht herab und berührte mit kalten Lippen ihre Wangen. Scarlett hatte kaum Freude an dem Kuß, so verdroß es sie, daß Melly ihn dazu auffordern durfte. Melanie selbst erstickte sie fast in ihrer Abschiedsumarmung.

»Du besuchst mich doch in Atlanta bei Tante Pittypat, nicht wahr? Ach, Liebes, wir hätten dich so gern bei uns, wir möchten doch Charles' Frau besser kennenlernen!«

Fünf Wochen verstrichen, in denen Briefe von Charles aus Südcarolina ankamen, scheue, überschwengliche, zärtliche Briefe, in denen er von seine r Liebe, von seinen Zukunftsplänen für die Zeit nach dem Kriege schrieb, von seiner Sehnsucht, um Scarletts willen ein Held zu werden, und von seiner Verehrung für seinen 0berst Wade Hampton. In der siebenten Woche kam ein Telegramm von 0berst Hampton persönlich, und dann ein gütiger, würdiger Kondolenzbrief. Charles war tot. Der 0berst hätte eher telegraphieren wollen, aber Charles hatte seine Krankheit leichter genommen und wollte seine Familie nicht beunruhigen. Der unselige Junge war nicht nur um die Liebe betrogen worden, die er sich erobert zu haben meinte, sondern auch um seine hochfliegenden Hoffnungen auf Ruhm und Ehre in der Schlacht. Er starb einen schmählichen, raschen Tod an einer Lungenentzündung infolge von Masern, ohne näher an die Yankees herangekommen zu sein als bis in das Feldlager in Südcarolina.

Nach der gehörigen Zeit wurde Charles' Sohn geboren und Wade Hampton Hamilton genannt, weil es gerade Mode war, einen Jungen nach dem Vorgesetzten seines Vaters zu nennen. Scarlett hatte vor Ver zweiflung geweint, als sie merkte, daß sie schwanger war, und zu sterben gewünscht Aber sie trug das Kind ohne alle Beschwerden aus, brachte es leicht zur Welt und erholte sich so rasch, daß Mammy ihr insgeheim sagte, es sei einfach unvornehm - Damen müßten dabei mehr leiden. Sie empfand wenig Zärtlichkeit für das Kind, wenn sie auch diese Tatsache verbarg. Sie hatte es nicht haben wollen und sein Erscheinen übelgenommen. Und nun, da es da war, kam es ihr unmöglich vor, daß es von ihr geboren, daß es ein Teil ihrer selbst sein sollte.

0bwohl sie sich körperlich von Wades Geburt in wiederum unvornehm kurzer Zeit erholte, war ihr Gemüt trotz der Bemühungen der ganzen Plantage, sie aufzumuntern, wie betäubt. Ellen ging mit faltiger, sorgenvoller Stirn umher, Gerald fluchte noch häufiger als sonst und brachte ihr aus Jonesboro Geschenke mit, die nichts fruchteten, so daß der alte Dr. Fontaine zugab, daß er nicht mehr recht ein noch aus wisse, nachdem sein Stärkungsmittel aus Schwefel, Zuckersirup und Kräutern versagt hatte. Er teilte Ellen unter vier Augen mit, die Ursache für Scarletts abwechselnd reizbare und schwermütige Stimmung sei in gebrochenem Herzen zu suchen. Hätte Scarlett sich äußern wollen, sie hätte ihnen sagen können, daß ihr Leiden ganz anderer und viel komplizierterer Natur sei. Sie verschwieg ihnen, daß eine maßlose Langeweile, Fassungslosigkeit gegenüber der Tatsache, daß sie wirklich Mutter war, und vor allem Ashleys Abwesenheit ihr dies schmerzliche Aussehen gaben.

Ihre Langeweile war schmerzhaft und verfolgte sie auf Schritt und Tritt. Seitdem die »Truppe« im Feld stand, hatten alle Vergnügungen, alles gesellige Leben der Provinz aufgehen. Alle unterhaltenden jungen Männer waren fort - die vier Tarletons, die beiden Calverts, die Fontaines, die Munroes und alles aus Jonesboro, Fayetteville und Lovejoy, was jung und nett war. Nur die älteren Männer, die Krüppel und die Frauen waren zurückgeblieben und brachten die Zeit mit Stricken und Nähen zu, mit dem Anbau von immer mehr Baumwolle und Getreide, mit der Aufzucht von immer mehr Schweinen, Schafen und Kühen für das Heer. Einen richtigen Mann bekam man nie zu Gesicht, außer Suellens etwas angejahrten Verehrer Kennedy, den Leiter der Intendantur, der allmonatlich kam, u m die erforderlichen Bestände zu requirieren. Die Herren dieser Behörde waren wenig aufregend, und der Anblick von Franks schüchternem Liebeswerben ging Scarlett so auf die Nerven, daß sie Mühe hatte, höflich zu bleiben. Wenn er und Suellen es doch endlich einmal überstanden hätten!

Aber selbst wenn die Herren der Intendantur amüsanter gewesen wären, es hätte Scarlett doch nicht geholfen. Sie war Witwe, und ihr Herz lag im Grabe. So nahm wenigstens jeder an und erwartete von ihr, daß sie sich demgemäß betrage. Das reizte sie unbeschreiblich, denn sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich keines Zuges an Charles entsinnen außer seines Blickes zu ihrem Jawort, der dem eines verendenden Kalbes glich. Und sogar dieses Bild verblaßte. Aber sie war Witwe und mußte ihre Haltung wahren. Die Vergnügungen der jungen Mädchen waren nicht mehr für sie da. Sie mußte die Trauernde, Unnahbare spielen. Ellen hatte ihr das ernst vorgehalten, nachdem sie Franks Leutnant dabei ertappt hatte, wie er für Scarlett die Gartenschaukel stieß, bis sie vor Lachen schrie. Tiefbekümmert hatte Ellen ihr gesagt, wie leicht eine Witwe ins Gerede komme. Ihr Betragen müsse doppelt so vorsichtig sein wie das einer verheirateten Frau.

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