Kitabı oku: «Vom Winde verweht», sayfa 20

Yazı tipi:

»Aber Scarlett, das müssen Sie in der Zeitung gelesen haben. Ich wundere mich über Sie. Lesen Sie nur ja nicht wieder Zeitung. Frauenhirnen bekommt das schlecht. Zur 0rientierung sei Ihnen gesagt, daß ich vor knapp einem Monat in England war. Ich versichere Ihnen, England hilft den Konföderierten nicht. England setzt niemals auf das schlechtere Pferd. Außerdem, ist die dicke Deutsche, die auf dem Thron von England sitzt, eine gottesfürchtige Seele und hat etwas gegen die Sklaverei. Mögen die Arbeiter in den englischen Spinnereien in Gottes Namen verhungern, weil sie unsere Baumwolle nicht bekommen, aber für die Sklaverei zum Schwerte greifen, das wird man dort nicht. Und was Frankreich betrifft, so ist man dort viel zu eifrig mit Mexiko beschäftigt, um sich über uns den Kopf zu zerbrechen. Im Gegenteil, dieser Krieg kommt ihnen sehr gelegen, weil wir jetzt andere Dinge vorhaben, als Napoleons Truppen aus Mexiko zu vertreiben. Nein, Scarlett, die Hilfe von auswärts ist nur eine Erfindung der Zeitungen, um Mut und Ausdauer des Südens aufrechtzuhalten. Das Schicksal der Konföderierten ist besiegelt. Noch leben sie von ihrem Höcker wie das Kamel. Aber auch der größte Höcker ist nicht unerschöpflich. Ich rechne noch mit sechs Monaten Blockadedienst. Dann ist damit Schluß. Dann verkaufe ich meine Schiffe einem dummen Engländer, der meint, er könne es immer noch schaffen. Wie dem auch sei, darüber mache ich mir keine Gedanken. Geld habe ich genug verdient. Es liegt in Gold auf englischen Banken. Mit dem wertlosen Papier hier kann ich nichts anfangen.«

Alles, was er sagte, leuchtete ihr wie immer ein. Mochten die Leute in seinen Äußerungen schuftige Verräterei sehen, für Scarlett klangen sie nur nach gesundem Menschenverstand und nach Wahrheit. Dabei war sie sich wohl bewußt, daß schweres Unrecht darin steckte und daß sie darüber hätte empört sein müssen.

Konnte sie dafür, daß sie es nicht war?

»Ich glaube, Dr. Meade hat recht mit dem, was er über Sie geschrieben hat, Kapitän Butler, und das einzige Mittel für Sie, sich reinzuwaschen, wäre, sich zu stellen, sobald Sie Ihre Schiffe verkauft haben. Sie waren in West Point Kadett und ...«

»Sie reden wie ein Baptistenprediger in einer Werberede. Wenn ich mich nun gar nicht reinwaschen will, warum soll ich dann kämpf en für ein System, das mich ausgestoßen hat? Ich freue mich, wenn es in tausend Stücke geht.«

»Von einem System habe ich niemals gehört«, sagte sie ungehalten.

»Nein? Und doch sind Sie ein Teil davon, wie ich es war, und ich möchte wetten, Sie haben nicht mehr dafür übrig als ich. Warum bin ich denn das schwarze Schaf in der Familie Butler? Aus diesem und keinem anderen Grunde. Ich habe mich nicht nach den Sitten von Charleston gerichtet und konnte es nicht. Charleston aber ist der Süden, ist selbst südlicher als der ganze Süden, wenn Sie so wollen. 0b Sie wohl schon gemerkt haben, wie langweilig der Süden ist? Da gibt es so viel, was man tun muß, nur weil die Leute es immer so getan haben, und ebenso viele ganz harmlose Dinge, die man aus demselben Grunde nicht tun darf. Wie vieles hat mich dort nicht schon durch seine Sinnlosigkeit zur Verzweiflung gebracht! Daß ich die junge Dame, von der Sie wahrscheinlich gehört haben, nicht geheiratet habe, schlug dem Faß den Boden aus. Warum sollte ich ein langweiliges Schaf heiraten, nur weil ein Unfall mich daran hinderte, sie vorm Dunkelwerden nach Hause zu bringen, und warum sollte ich mich von ihrem tollköpfigen Bruder totschießen lassen, wenn ich selbst besser zielen konnte als er? Wäre ich ein Gentleman gewesen, so hätte ich mich selbstverständlich totschießen lassen. Das hätte den Flecken auf dem Ehrenschild der Butlers gelöscht, aber - ich lebe nun einmal gern, und deshalb bin ich am Leben geblieben und habe mein Leben genossen. Wenn ich an meinen Bruder denke, wie ehrerbietig er unter den heiligen Kühen von Charleston dahinlebt, und an seine dicke Frau, seine Bälle am Cäcilientag und seine ewigen Reisfelder - dann weiß ich es erst zu schätzen, daß ich mit allem gebrochen habe. Scarlett, unsere Lebensweise hier im Süden ist so veraltet wie das Lehnssystem des Mittelalters. Ein Wunder nur, daß sie immer noch vorhanden ist. Aber sie mußte verschwinden, und nun geschieht es. Und dann erwarten Sie von mir, daß ich auf Schwätzer wie Dr. Meade höre, die mir erzählen, unsere Sache sei heilig und gerecht? Und mich beim Trommelwirbel so errege, daß ich die nächstbeste Muskete packe und nach Virginia laufe, um mein Blut für Marse Robert zu vergießen? Für was halten Sie mich? Es liegt nicht in meiner Natur, die Knute zu küssen, die mich züchtigt. Der Süden und ich, wir sind miteinander quitt. Der Süden hat mich einst verstoßen. Ich aber bin nicht umgekommen, sondern schlage so viel Geld aus den Todeszuckungen des Südens, daß es mich für mein verlorenes Geburtsrecht entschädigen wird.«

»Ich finde das häßlich und selbstsüchtig«, erwiderte Scarlett. Aber dieses Urteil kam nur mechanisch heraus. Das meiste hatte er über ihren Kopf hinweggesprochen, wie es ihr bei jedem Gespräch geschah, das sich nicht um Persönliches drehte. Aber doch schien es ihr zum Teil ganz vernünftig zu klingen. Wieviel Torheiten mußte man in Kauf nehmen, wollte man in einer guten Familie so leben, wie es sein sollte! Da mußte man so tun, als sei das Herz im Grab, wo es doch gar nicht war! Wie waren sie alle entrüstet gewesen, als sie auf dem Basar getanzt hatte. Wie rissen die Leute voller Entsetzen die Augen auf und zogen die Brauen in die Höhe, wenn sie etwas tat oder sagte, das nur im geringsten von dem Üblichen abwich. Und doch ging es ihr gegen den Strich, wenn er gerade dasjenige angriff, worunter sie selbst am meisten litt. Sie hatte so lange unter Leuten gelebt, die ihre Gefühle höflich verbargen oder beschönigten, daß es sie beunruhigte, ihre eigenen Gedanken, in so klare Worte gefaßt, zu vernehmen.

»Selbstsüchtig? Nein, nur weitblickend. Aber vielleicht ist das nichts als ein anderer Ausdruck dafür. Wenigstens werden minder nüchterne Leute als ich das behaupten. Jeder gute Bürger in den Südstaaten, der Anfang 1861 tausend Dollar in bar besaß, hätte dasselbe tun können wie ich. Aber wie wenige waren so nüchtern, die Gelegenheit zu benutzen. So habe ich unmittelbar vor dem Fall von Fort Sumter, ehe die Häfen blockiert wurden, mehrere tausend Ballen Baumwolle zu Schleuderpreisen aufgekauft und nach England gebracht. Sie lagern noch heute im Speicher von Liverpool. Ich habe sie nicht verkauft. Ich halte sie so lange zurück, bis die englischen Spinnereien die Baumwolle einfach haben müssen und mir jeden Preis dafür geben, den ich fordere. Es sollte mich nicht wundern, wenn ich einen Dollar für das Pfund bekomme.«

»Darauf werden Sie lange warten können!«

»Ich glaube, nicht lange. Die Baumwolle steht jetzt schon auf zweiundsiebzig Cent das Pfund. Wenn der Krieg vorbei ist, Scarlett, bin ich ein reicher Mann, weil ich weitblickend - Verzeihung - selbstsüchtig war. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, es gibt zwei Gelegenheiten, viel Geld zu machen: beim Aufbau eines Landes und bei seiner Zerstörung. Beim Aufbau geht es langsam, beim Zusammenbruch geht es schnell. Vergessen Sie meine Worte nicht. Vielleicht können sie Ihnen einmal nützlich sein.«

»Ich weiß guten Rat gar sehr zu schätzen«, sagte Scarlett mit so viel Sarkasmus, als sie nur aufbringen konnte. »Aber ich brauche Ihren Rat nicht. Meinen Sie, Pa sei ein armer Schlucker? Er hat so viel Geld, wie ich mein Leben lang brauche, und außerdem habe ich noch Charles' Besitztümer.«

»Ich furchte, die französischen Aristokraten haben ungefähr genauso gedacht, bis zu dem Augenblick, da sie auf den Karren klettern mußten.«

Immer wieder wies Rhett Butler Scarlett darauf hin, wie widersinnig es sei, schwarze Trauerkleider zu tragen, wenn sie doch an allen gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnahm. Er hatte leuchtende Farben gern. Scarletts Trauerkleidung und der Kreppschleier, der ihr von der Haube bis auf die Fersen fiel, belustigte und beleidigte ihn zugleich. Aber sie hielt an ihrem stumpfen Schwarz und ihrem traurigen Schleier fest, weil sie wußte, daß das Gerede in der Stadt noch heftiger umgehen würde, wenn sie nicht noch mehrere Jahre wartete, ehe sie wieder buntere Farben anlegte, und vor allem - wie hätte sie dies je ihrer Mutter klarmachen sollen?

Rhett sagte ihr offen, in dem Kreppschleier sehe sie wie eine Krähe aus und in den schwarzen Kleidern um zehn Jahre älter, als sie sei. Auf solche ungalanten Äußerungen hin lief sie dann vor den Spiegel, um nachzusehen, ob sie wirklich wie eine Achtundzwanzigjährige aussehe anstatt wie eine Achtzehnjährige.

»Ich habe gemeint, Sie wären zu stolz, um Mrs. Merriwether im Aussehen nachzueifern«, stichelte er, »und hätten besseren Geschmack, als mit diesem Schleier einen Kummer zur Schau zu tragen, den Sie nie empfunden haben. Ich mache eine Wette mit Ihnen. Binnen zwei Monat en verschwinden Haube und Schleier von Ihrem Kopf und werden durch eine elegante Pariser Modeschöpfung ersetzt.«

»Wir wollen nicht weiter darüber sprechen«, sagte Scarlett. Sie ärgerte sich über seine erneute Anspielung auf Charles. Rhett war eben im Begri ff, von Wilmington nach Europa abzureisen, und verabschiedete sich mit spöttischem Lächeln auf seinem Gesicht.

Ein paar Wochen später erschien er an einem strahlenden Sommermorgen mit einer bunt verzierten Hutschachtel in der Hand, und als er sah, daß Scarlett allein zu Hause war, öffnete er sie. Unter Schichten von Seidenpapier steckte ein Hut, bei dessen Anblick sie in die Worte ausbrach: »Ach, wie entzückend!« Sie hatte den Anblick und nun gar den Besitz neuer Kleider so lange bitterlich entbehren müssen, daß ihr dieses Pariser Modell als das entzückendste vorkam, was sie je gesehen hatte. Der Hut war aus dunkelgrünem Taft und mit matt-jadefarbenem Moire gefüttert. Die Bänder, mit denen er unter dem Kinn zugebunden wurde, waren so breit wie ihre Hand und ebenfalls mattgrün, und um den Rand kräuselte sich eine herrliche grüne Straußenfeder.

»Setzen Sie ihn auf«, sagte Rhett lächelnd.

Sie lief durchs Zimmer vor den Spiegel, drückte sich den Hut auf den Kopf, streifte das Haar zurück, um die 0hrringe sichtbar werden zu lassen, und band die Schleife unter dem Kinn zu.

»Wie sehe ich aus?« Sie wandte sich auf den Zehenspitzen um und warf den Kopf zurück, daß die Feder tanzte. Sie wußte, wie hübsch sie war, noch ehe sie die Bestätigung in seinen Augen las. Unter den grünen Hutbändern sah sie verführerisch keck aus, und ihre Augen funkelten wie dunkle Smaragde.

»Ach, Rhett, wessen Hut ist das? Ich will ihn kaufen. Ich gebe Ihnen jeden Cent dafür, den ich habe!«

»Das ist Ihr Hut«, sagte er, »wer könnte wohl sonst dieses Grün tragen? Haben Sie etwa gedacht, ich hätte die Farbe Ihrer Augen vergessen?«

»Haben Sie ihn wirklich eigens für mich machen lassen?«

»Allerdings, und auf der Schachtel steht >Rue de la Paix<, wenn Sie sich etwas dabei denken können.«

Das konnte sie nicht, während sie sich da im Spiegelbild zulächelte. In diesem Augenblick war ihr wirklich alles einerlei. Sie sah nur, daß sie mit dem ersten Hütchen, das sie sich seit zwei Jahren auf den Kopf setzte, bestrickend aussah. Was wollte sie mit einem solchen Hut auf dem Kopf nicht alles anstellen! Und dann plötzlich verging ihr das Lächeln.

»Mögen Sie ihn nicht?«

»Ach, er ist ja ein Traum, aber der Gedanke ist mir so schrecklich, das entzückende Grün mit Krepp bedecken und die Feder schwarz färben zu müssen .«

Im Nu war er bei ihr, löste ihr mit geschickten Fingern die breite Schleife unter dem Kinn, und schon lag der Hut wieder in der Schachtel.

»Was machen Sie da? Sie sagten doch, er gehöre mir.«

»Aber nicht, wenn Sie eine Trauerhaube daraus machen wollen. Ich finde schon noch eine andere Dame mit grünen Augen, die meinen Geschmack zu würdigen versteht.«

»Nein, das dürfen Sie nicht! Ich sterbe, wenn ich ihn nicht bekomme. Ich bitte, Rhett, seien Sie nicht so gemein, geben Sie ihn mir doch.«

»Damit Sie solche Schreckgespenster daraus machen, wie Ihre andern Hüte sind? Nein!«

Sie hielt die Schachtel mit beiden Händen fest. Das süße Ding, mit dem sie so jung und bezaubernd aussah, sollte ein anderes Mädchen tragen? Nie im Leben!

Einen Augenblick lang kam ihr der Gedanke an Pittys und Melanies Entsetzen. Sie dachte daran, was alle sagen würden, und ihr schauderte. Aber die Eitelkeit war stärker.

»Ich ändere ihn nicht, ich verspreche es Ihnen. Aber nun geben Sie ihn mir.« Mit einem leisen, spöttischen Lächeln gab er ihr die Schachtel und beobachtete, wie sie von neuem den Hut aufsetzte und zurechtzupfte und sich vor dem Spiegel drehte und wand.

»Was kostet er?« fragte sie plötzlich mit langem Gesicht. »Ich habe nur fünfzig Dollar, aber nächsten Monat ...«

»In konföderiertem Geld würde er ungefähr zweitausend Dollar kosten«, sagte er und grinste über ihre erschrockene Miene.

»0h weh ... aber wenn ich Ihnen fünfzig Dollar jetzt gebe und dann, wenn ich ...«

»Aber ich will kein Geld dafür«, sagte er, »es ist ein Geschenk .«

Scarlett blieb der Mund offenstehen. Bei Geschenken von Männern gab es eine Linie, die nicht überschritten werden durfte. Sie war sehr genau und sorgfältig erzogen.

»Bonbons und Blumen, Kind«, hatte Ellen wieder und wieder gesagt, »und vielleicht noch einen Band Gedichte, ein Stammbuch oder ein Fläschchen Floridawasser, das ist das einzige, was eine Dame von einem Herrn annehmen darf. Nie und nimmer aber kostspielige Geschenke, auch nicht von deinem Verlobten. Und nie Juwelen oder etwas zum Anziehen, nicht einmal Handschuhe oder Taschentücher. Sobald du solche Geschenke annimmst, bist du keine Dame mehr, und die Männer wissen es und nehmen sich Freiheiten heraus.«

»0 weh«, dachte Scarlett und blickte zuerst sich selbst im Spiegel an und dannRhetts undurchdringliches Gesicht.

»Ich bringe es nicht übers Herz, den Hut auszuschlagen. Er ist zu entzückend. Dann mag Rhett sich schon lieber eine Freiheit herausnehmen, wenn es nur eine ganz kleine ist.« Sie entsetzte sich über ihre eigenen Gedanken und wurde rot .

»Ich ... ich gebe Ihnen die fünfzig Dollar ...«

»Wenn Sie das tun, werfe ich die Scheine in die Gosse oder, noch besser, ich bezahle Messen für Ihre Seele. Ihre Seele käme sicher schon mit wenigen Messen aus.«

Sie mußte lachen, und das lachende Spiegelbild unter dem grünen Hutrand gab auf der Stelle den Ausschlag.

»Was haben Sie eigentlich mit mir vor?«

»Ich verführe Sie mit schönen Geschenken so lange, bis von Ihren Mädchenidealen nichts mehr übrig ist und Sie mir auf Gnade und Ungnade ausgeliefert sind«, sagte er. »Nimm von Herren nichts als Bonbons und Blumen an, Kindchen«, spottete er, und sie brach in Kichern aus.

»Sie sind ein gerissener Gauner, mit Ihrer schwarzen Seele, Rhett Butler. Sie wissen sehr gut, daß man einen so hübschen Hut nicht ausschla gen kann.«

Seine Augen blitzten spöttisch und waren dennoch zugleich voller Huldigung für ihre Schönheit. »Miß Pitty können Sie natürlich erzählen, daß Sie mir Proben von Taft und grüner Seide mitgegeben und ein Hutmodell aufgezeichnet haben und daß ich Ihnen alsdann fünfzig Dollar dafür abgenommen hätte.«

»Nein, wir sagen hundert, und sie erzählt es jedem in der Stadt, und alle werden grün vor Neid und klatschen über meine Verschwendungssucht. Aber Rhett, etwas so Teures dürfen Sie mir nicht wieder mitbringen. Es ist furchtbar nett von Ihnen, aber mehr könnte ich wirklich nicht annehmen.«

»So? Nun, ich bringe Ihnen Geschenke, solange es mir beliebt und solange ich noch etwas sehe, was Ihren Zauber erhöhen kann. Ich bringe Ihnen dunkelgrünen Moire für ein Kleid, das zu Ihrem Hut paßt. Und eins will ich Ihnen sagen, nett bin ich nicht. Ich verführe Sie mit Hüten und Stoffen und Schmucksachen und bringe Sie an den Abgrund. Denken Sie immer daran, daß ich nie etwas ohne Grund tue und nie etwas weggebe, ohne dafür etwas zu erwarten. Ich lasse mich immer bezahlen.«

Seine schwarzen Augen suchten in ihrem Gesicht und wanderten hinunter zu den Lippen. Scarlett schlug die Blicke nieder und wurde aufgeregt. Nun würde er sich die Freiheiten herausnehmen, die Ellen vorausgesagt hatte. Nun würde er sie küssen oder es versuchen, und sie konnte sich in ihrem wirren Kopf nicht entscheiden, welches von beiden schließlich dabei herauskommen sollte. Wenn sie sich wehrte, riß er ihr womöglich den Hut wieder vom Kopf und schenkte ihn einer anderen Dame. Wenn sie anderseits einen kleinen, ganz kleinen Versuch zuließ, brachte er ihr vielleicht noch weitere Köstlichkeiten in der Hoffnung auf einen weiteren Kuß. Männern lag ja soviel an Küssen, der Himmel mochte wissen warum. Sehr oft verliebten sie sich nach einem Kuß bis über die 0hren in ein Mädchen, wenn es nur klug genug war, hernach sorgfältig und sparsam mit ihrer Gunst umzugehen. Es wäre so aufregend, wenn Rhett Butler sich in sie verliebte, es ihr eingestände und um einen Kuß oder einen Händedruck bettelte. Ja, sie wollte sich von ihm küssen lassen. Aber er machte gar keine Anstalten, sie zu küssen. Sie blickte ihn durch die Wimpern von der Seite an und flüsterte: »Also immer lassen Sie sich bezahlen? Und was erwarten Sie nun von mir?«

»Das werden wir sehen.«

»Nun, wenn Sie sich einbilden, ich heirate Sie, um den Hut zu bezahlen, so irren Sie sich«, sagte sie dreist und gab dem Hut einen kecken Stoß, daß die Feder wippte.

Unter seinem kleinen Schnurrbart glitzerten die weißen Zähne. »Gnädige Frau, Sie tun sich zuviel Ehre an. Ich heirate weder Sie noch jemand anders. Ich bin nicht zumHeiraten geschaffen.«

»Nein, wirklich!« Sie war verblüfft und beschloß, daß er sich nun endlich eine Freiheit herauszunehmen habe. »Ich habe nicht einmal die Absicht, Ihnen auch nur einen Kuß zu geben.«

»Warumaber spitzen Sie denn so das Mündchen?«

»0h«, fuhr sie auf, als sie sich plötzlich im Spiegel sah und bemerkte, daß ihre roten Lippen in der Tat voller Bereitschaft geschürzt waren.

»0h!« brach sie noch einmal los, verlor die Fassung und stampfte mit dem Fuß auf. »Sie sind der unverschämteste Mensch, den ich jemals gesehen habe. Ich mache mir gar nichts daraus, wenn Sie mir für immer aus den Augen gehen!«

»Wenn das wirklich Ihres Herzens Meinung wäre, dann würden Sie mit dem Fuß auf den Hut stampfen, statt auf den Boden. Mein Gott, wie Sie sich nur aufregen! Aber wie Sie vermutlich wissen, steht es Ihnen prachtvoll! Kommen Sie, Scarlett, stampfen Sie tüchtig auf den Hut, damit ich sehe, was Sie von mir und meinen Geschenken halten.«

»Unterstehen Sie sich nicht, ihn anzurühren!« rief sie, faßte den Hut bei der Schleife und wich ein paar Schritte zurück. Leise lachend folgte er ihr und ergriff ihre beiden Hände.

»Ach, Scarlett, du bist so jung, du marterst mir das Herz«, sagte er, »und ich will dich auch küssen, wie du es von mir erwartest.«

Er beugte sich lässig zu ihr herab und ließ seinen Schnurrbart obenhin ihre Wange streifen. »Haben Sie nun das Gefühl, daß Sie mich schlagen müßten, umdie Schicklichkeit zu wahren?«

Trotzig blickte sie ihm in die Augen und sah in ihren dunklen Tiefen so viel jungenhafte Lustigkeit, daß sie auflachte. Wie konnte er einen doch mit seiner Neckerei zur Verzweiflung bringen! Wenn er sie nicht heiraten, nicht einmal küssen wollte, was wollte er denn eigentlich? Wenn er nicht in sie verliebt war, warum besuchte er sie so oft und brachte ihr Geschenke mit?

»So ist's besser, Scarlett. Ich habe einen schlechten Einfluß auf Sie. Wenn sie vernünftig sind, so geben Sie mir den Laufpaß - wenn Sie können. Ich bin sehr schwer loszuwerden und bin doch so schädlich für Sie.«

»Meinen Sie?«

»Merken Sie das denn nicht? Seitdem ich Sie auf dem Basar getroffen habe, ist Ihr Lebenslauf durchaus anstößig gewesen, und das ist zum größten Teil meine Schuld. Wer hat Sie zum Tanzen verführt, wer hat Sie zu dem Eingeständnis gezwungen, daß Ihnen unsere große Sache weder ruhmreich noch heilig ist? Wer trieb Sie dazu, auszusprechen, daß Sie die Männer, die für hochtönende Phrasen sterben, für Narren halten? Wer hat Ihnen dabei geholfen, den alten Damen unerschöpflichen Stoff zum Klatsch zu liefern? Wer hat Sie um Jahre zu früh aus der Trauer herausgelockt, und wer hat Sie zu guter Letzt dazu verleitet, ein Geschenk anzunehmen, das keine Dame annehmen darf, wenn sie Dame bleiben will?«

»Sie tun sich zuviel Ehre an, Kapitän Butler. Ich hätte das alles, was Sie da aufzählen, auch ohne Ihre Hilfe fertiggebracht.«

»Das bezweifle ich«, sagte er, und plötzlich wurde sein Gesicht ruhig und ernst. »Sie wären immer noch Charles Hamiltons Witwe mit dem gebrochenen Herzen, viel gerühmt für Ihre Wohltaten bei den Verwandten. Später einmal ...«

Aber sie hörte gar nicht mehr zu. Sie betrachtete sich hingerissen im Spiegel und überlegte, daß sie schon heute nachmittag den Hut ins Lazarett aufsetzen und den genesenden 0ffizieren Blumen mitbringen konnte. Daß in seinen letzten Worten etwas Wahres lag, kam ihr nicht in den Sinn. Sie machte sich nicht klar, daß es Rhett Butler war, der das Gefängnis ihrer Witwenschaft gesprengt hatte, damit sie unter den jungen Mädchen wieder die Königin sei, nachdem ihre Tage als junge Schönheit schon gezählt sein sollten. Sie erkannte auch nicht, daß sie sich unter seinem Einfluß weit von Ellens Lehren entfernt hatte. Die Wandlung war so allmählich vor sich gegangen. Ein einmaliger kleiner Verstoß gegen die Sitten schien immer ganz ohne alle Beziehung zu dem nächsten, und keiner davon schien mit dem Kapitän verknüpft zu sein. Ihr wurde nicht klar, daß sie auf seine Anleitung hin gegen viele Gesetze des Damenanstandes, die Ellen ihr strengstens eingeschärft, verstoßen hatte.

Sie sah nur, daß sie noch nie einen so kleidsamen Hut wie diesen getragen hatte, der sie zudem keinen Cent kostete, und daß Rhett in sie verliebt sein mußte, mochte er es nun zugeben oder nicht. Und zugeben sollte er es, dafür wollte sie schon sorgen.

Tags darauf stand sie mit einem Kamm in der Hand und dem Mund voller Haarnadeln vor dem Spiegel und probierte eine neue Frisur aus, von der Maybelle, die gerade aus Richmond zurückgekehrt war, behauptete, sie sei in der Hauptstadt letzte Mode. Sie wurde »Katzen, Ratten und Mäuse« genannt und bot manche Schwierigkeit. Das Haar wurde in der Mitte gescheitelt und zu beiden Seiten des Kopfes in drei Rollen gelegt, eine immer kleiner als die andere, deren größte, dem Scheitel zunächst, die »Katze« hieß. Die »Katze« und die »Ratte« waren leicht zu befestigen, die »Mäuse« dagegen brachten sie schier zur Verzweiflung, weil sie immer wieder den Haarnadeln entwischten. Sie war jedoch fest entschlossen, das Getier zu bewältigen, denn Rhett wurde zum Abendessen erwartet. Ihm entging keine Neuerung an ihrer Kleidung oder ihrer Frisur.

Als sie noch mit ihren widerspenstigen Locken kämpfte, daß ihr der Schweiß auf der Stirn stand, vernahm sie auf dem unteren Flur die leichten flinken Schritte Melanies, die vom Lazarett nach Hause gekommen war. Als sie dann hörte, wie sie die Treppe herauflief, immer zwei Stufen mit einem Schritt nehmend, hielt Scarlett mit der Haarnadel auf halbem Wege inne. Da mußte etwas nicht in 0rdnung sein, denn Melanie war in ihren Bewegungen sonst so gemessen wie eine alte Dame. Die Tür wurde aufgerissen, und schon kam mit hochrotem, verstörtem Gesicht Melanie hereingestürzt wie ein schuldbewußtes Kind. Auf ihren Wangen saßen Tränen, der Hut, der noch von den Bändern gehalten, war ihr in den Nacken gerutscht. Sie hielt etwas fest in der Hand, und der Dunst starken, billigen Parfüms kam mit ihr ins Zimmer.

»Ach, Scarlett«, rief sie ihr entgegen, schloß die Tür und fiel auf das Bett, »ist Tantchen schon zu Hause? Scarlett, ich schäme mich so, ich möchte sterben, und fast wäre ich ohnmächtig geworden, und denke dir, Scarlett, 0nkel Peter hat gedroht, er wolle es Tante Pitty sagen.«

»Was sagen?«

»Daß ich mit ... mit Fräulein ... mit Frau ...« Melanie fächelte sich das heiße Gesicht mit dem Taschentuch. »... mit der Frau mit dem roten Haar, mit Belle Watling gesprochen habe!«

»Aber Melly!« Scarlett war so entsetzt, daß sie sie nur groß anschauen konnte.

Belle Watling war jene rothaarige Frau, die ihr an ihrem ersten Tag in Atlanta auf der Straße aufgefallen war. Inzwischen war sie bei weitem das stadtbekannteste Frauenzimmer geworden. Viele Dirnen waren auf den Spuren der Soldaten nach Atlanta gekommen, aber Belle stach von allen andern durch ihr flammendes Haar und ihre herausfordernde Kleidung ab. Auf der Pfirsichstraße oder in anderen guten Gegenden ließ sie sich selten blicken; tauchte sie aber auf, so gingen ehrbare Damen schleunigst über die Straße, um ihre Nähe zu meiden. Und Melanie hatte mit ihr gesprochen! Kein Wunder, daß 0nkel Peter böse war.

»Wenn Tante Pitty dahinterkommt, sterbe ich! Du weißt ja, sie fällt zuerst in 0hnmacht und erzählt es dann jedem in der Stadt, und dann bin ich verloren«, schluchzte Melanie, »und ich konnte doch nichts dafür. Ich konnte doch nicht vor ihr davonlaufen. Es wäre zu ungezogen gewesen. Scarlett, sie tat mir so leid. 0b ich wohl ein sehr schlechter Mensch bin, weil ich das empfinde?«

Die moralische Seite der Sache berührte Scarlett nicht im geringsten. Wie die meisten wohlerzogenen jungen Frauen verspürte sie eine verzehrende Neugier nach allem, was mit Dirnen zusammenhing.

»Was wollte sie? Wovon sprach sie?«

»Ach, ihre Redeweise war fürchterlich, aber ich sah, wie sehr sie sich Mühe gab, richtig zu sprechen, das arme Ding. Ich kam aus dem Lazarett, 0nkel Peter war mit dem Wagen noch nicht da, und ich dachte, ich könnte zu Fuß nach Hause gehen. Als ich bei Emersons Garten vorbeikam, stand sie hinter der Hecke. Gott sei Dank, Emersons sind in Macon. Sie sagte: >Bitte, Mrs. Wilkes, kann ich Sie nicht eine Minute sprechen?< Ich weiß nicht, woher sie meinen Namen kannte. Ich hätte so rasch wie möglich weitergehen sollen, aber ich konnte nicht ... weißt du, Scarlett, sie sah so traurig aus, und sie hatte etwas Flehendes im Blick. Sie war ganz schwarz angezogen und trug einen schwarzen Hut, war auch gar nicht geschminkt und sah, abgesehen von dem roten Haar, wirklich ganz anständig aus, und ehe ich antworten konnte, sagte sie: >Ich weiß, ich sollte nicht mit Ihnen reden, aber ich habe versucht, mit Mrs. Elsing zu sprechen, und die alte Pute lief vor mir wegins Lazarett.<«

»Hat sie wirklich Pute gesagt?« Scarlett fand das drollig und lachte. »Bitte, nicht lachen! Es ist gar nicht komisch. Mir scheint, das Fräulein

... die Frau wollte etwas für das Lazarett tun. Stelle dir vor ... sie erbot sich, jeden Morgen zu pflegen. Mrs. Elsing hat ihr das Lazarett verboten. Dann sagte sie: >Ich möchte doch auch etwas tun, bin ich nicht auch eine Konföderierte so gut wie Sie?< Scarlett, ich war wirklich gerührt, daß auch sie helfen wollte. Ganz schlecht kann sie doch nicht sein, wenn sie den Wunsch hat, der großen Sache zu dienen. Findest du es schlecht von mir, daß ich so denke?«

»Mein Gott, Melly, wer fragt danach, ob du ein schlechter Mensch bist oder nicht? Was hat sie sonst noch gesagt?«

»Sie sagte, sie hätte alle Damen beobachtet, die ins Lazarett gingen, und gemeint, ich hätte ein ... ein freundliches Gesicht, deshalb hat sie mich angehalten. Sie hätte etwas Geld und wollte, ich sollte es nehmen und für das Lazarett verwenden und keiner Seele sagen, woher es käme. Was ist das aber für Geld! Bei dem Gedanken ist mir ganz schwarz vor den Augen geworden. Ich war außer mir und wünschte nur schnell wegzukommen und sagte ihr hastig: >0 ja, wirklich, wie lieb von Ihnen<, oder ähnliches dummes Zeug, und sie lächelte und sagte: >Das ist wirklich christlich von Ihnen<, und steckte mir dieses schmutzige Taschentuch in die Hand. Puh, riechst du das Parfüm?«

Melanie zeigte ein sehr schmutziges und stark parfümiertes Männertaschentuch, in das einige Münzen eingeknotet waren.

»Sie sagte >danke< und noch so etwas, als wolle sie mir nun jede Woche Geld bringen, und in diesem Augenblick fuhr 0nkel Peter vorbei und sah mich.«

Melanie sank weinend auf das Kissen. »Und als er sah, mit wem ich zusammenstand, rief er mich an. Im Leben hat mich niemand so einfach mit >Hallo< angerufen. Und dann sagte er: >Auf der Stelle steigen Sie hier in den Wagen!< Ich tat es natürlich, und den ganzen Heimweg schimpfte er mich aus, und ich durfte ihm nichts erklären. Er sagte, er wollte es Tante Pitty erzählen. Scarlett, bitte, geh du hinunter und sag ihm, er möchte schweigen. Auf dich hört er vielleicht. Tantchen stirbt, wenn sie erfährt, daß ich die Frau auch nur angesehen habe. Bitte!«

»Ja, gleich, wir wollen einmal sehen, wieviel Geld darin ist. Es fühlt sich so schwer an.«

Sie löste den Knoten, und eine Handvoll Goldmünzen rollten auf das Bett.

»Scarlett, das sind ja fünfzig Dollar in Gold!«

Melanie war entgeistert, als sie die glänzenden Münzen zählte. »Sag, findest du es recht, Geld, das ... das ... daher stammt, für unsere Soldaten zu gebrauchen? Meinst du nicht, Gott versteht am Ende, daß sie doch nur helfen wollte, und sieht nicht darauf, ob das Geld befleckt ist? Wenn ich daran denke, wieviel das Lazarett noch braucht ...«

Aber Scarlett hörte nicht zu. Sie sah sich das schmutzige Taschentuch an - gedemütigt und empört. In der Ecke stand ein Monogramm mit den Buchstaben »R. K. B.«. In ihrer obersten Schublade aber lag ein genau gleiches Taschentuch, das Rhett Butler ihr erst gestern geliehen hatte, damit sie die Stiele der Feldblumen, die sie gepflückt hatte, darin einwickele. Sie hatte vorgehabt, es ihm wiederzugeben, wenn er heute abend zum Essen kam.

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