Kitabı oku: «Fröhliches Morden überall», sayfa 3

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Als sie auf den schneebedeckten Ort mit den erleuchteten Tannen vor den Häusern blickte, wurde ihr ganz warm ums Herz. Sie schaute in helle Fenster, sah geschmückte Weihnachtsbäume und erhitzte Gesichter daneben.

Sie hatte die Treppe erreicht, die sie runter in den Ort führte. Das Paar vor ihr entschied sich, den Weg, der um die stellenweise vereiste Treppe herumführte, zu nutzen. Anscheinend wollten sie keinen Beinbruch riskieren. Eleonore hatte keine Angst. Wozu gab es ein Geländer? Unten angekommen, konnte sie schon eine Menge Menschen in Richtung Kirche strömen sehen. Der Schneefall wurde stärker. Was, wenn die Kirche während des Gottesdienstes eingeschneit wurde und sie den Jahreswechsel dort verbringen musste? Eleonore grinste. Besser als Bleigießen, sagte sie sich.

Sie passierte das Landhotel Albers, dessen Geräuschkulisse nach draußen drang. Sie blickte durch die Fenster in fröhliche Gesichter. Musik forderte die Silvestergäste zum Tanzen auf. Das wäre was für Waltraud, dachte sie. Spontan wechselte sie die Straßenseite und blieb an der kleinen Brücke stehen, die über die laut plätschernde Palme führte. An den Uferseiten glitzerte das gefrorene Eis. Links reichte der Anbau eines Hauses bis ans Ufer. Eine Dachlawine drohte jeden Moment abzustürzen. Glitzernde Eiszapfen zierten die Dachrinne. Eng nebeneinander, lang und schmal funkelten sie in der Silvesternacht.

Die Kälte kroch ihr den Nacken hoch. Sie schüttelte sich und überquerte die Straße, um wenig später die Kirche zu betreten. Was für ein schöner Jahresabschluss, dachte sie mit Blick auf den wunderbaren Altar, der von zwei prachtvoll geschmückten Weihnachtsbäumen flankiert wurde. Sie kannte niemanden der großen Gemeinde, was sie reizvoll fand und sie wieder zum Grinsen zwang.

Sie schloss kurz die Augen. Das Lied »Großer Gott, wir loben dich« erklang. Der Organist an der Orgel gab alles. Der Herr rechts neben ihr in seinem grünen Lodenmantel roch nach Eukalyptus und fing nun an zu husten. Eine Erkältung hätte Eleonore gerade noch gefehlt. Warm war es hier drinnen auch nicht. Sie bekam schon kalte Füße. Ob sie doch lieber bei den anderen hätte bleiben sollen?

Waltraud hatte sich heute Morgen im Edeka-Markt mit neuen Zeitschriften eingedeckt. Im Moment sehnte sich Eleonore danach, mit einer Wolldecke um ihre empfindlichen Beine gewickelt in einem Sessel zu sitzen und in den Zeitschriften zu blättern, obwohl sie ansonsten kein gutes Haar an der Regenbogenpresse ließ. Sie sah ihren Thomas vor sich, wie er mit Wonne Walnüsse knackte. Eigens für ihn hatte sie zwei Pfund im Preis reduzierte Nüsse aus dem Markt mitgenommen. Margareta saß bestimmt mit ihrem Laptop auf dem Sofa, die Beine unter ihren Allerwertesten geklemmt, und klickte durch ihre ach so wichtigen Fälle. Dabei schaute sie gelegentlich auf den TV-Bildschirm, um ja keinen Silvesterklassiker zu versäumen: »Dinner for one« oder Ekel Alfred, der sich total hacke Punsch kochte.

Der gewichtige Pfarrer begrüßte die große Gemeinde. Pfarrer Ansgar Morgenrot gefiel ihr besser.

Die Predigt zog sich wie Kaugummi. Immer wieder wurden Lieder gesungen, der Chor kam zum Einsatz und Passagen aus der Bibel wurden vorgelesen.

Nach fast zwei Stunden hatte sie keine Lust mehr, fühlte sich unwohl und durchgefroren. Fritz war sie hier keinen Zentimeter gedanklich nähergekommen. Ob sie die heilige Stätte verlassen und Thomas anrufen sollte, dass er sie abholen möge? Keine gute Idee, fand sie. Er würde ausrasten.

Endlich erklangen die Glocken, die den Schluss der Messe verkündeten. Eleonore freute sich. Nun aber heim an den warmen Kaminofen.

4.

Lothar Voss-Grobe sah sich die Fotos, die er von seinem abgebrannten Stall gemacht hatte, noch einmal genau an, eines nach dem anderen. Seufzend griff er sich mit der rechten Hand in die dunklen Locken. Dann schlug er den Ordner, der vor ihm lag, auf und holte die Zeitungsberichte heraus, um sie erneut zu lesen. Ebenso die Briefe von der Versicherung. Ein gutes halbes Jahr war der Brand jetzt her. Er schaufelte den Kartoffelsalat und die Würstchen, die Mahlzeit, die Ellen ihm hingestellt hatte, in sich hinein. Dazu gönnte er sich ein kühles Bier. Mit seiner Familie im Esszimmer am schön gedeckten Tisch neben dem voluminösen Tannenbaum zu essen, dazu verspürte er keine Lust. Er hörte sie lachen, seine drei erwachsenen Töchter, deren Partner, und dazwischen die ruhige Stimme seiner Frau. Seine Mutter Brigitte, die das kleine Haus auf der Anhöhe hinter dem Hof bewohnte, hatte ihm soeben telefonisch mitgeteilt, dass sie sich auf den Weg zur Kirche machen wollte. Er schaute aus dem Küchenfenster. Dichtes Schneetreiben, einige Flocken blieben an der Scheibe kleben. Bei dem Wetter jagte man keinen Hund vor die Tür, dachte er. Aber er musste gleich in den kalten Stall zum Melken.

Der Zeitungsbericht der »Westfalenpost« für Schmallenberg verursachte ihm noch immer eine Gänsehaut. Zum Glück waren alle seine Tiere gerettet worden. Noch bevor die Feuerwehr vor Ort gewesen war, hatten die hilfsbereiten Nachbarn Milchkühe, Kälbchen und Kaninchen aus den Ställen gebracht und sie mit Hängern abtransportiert, um sie auf Höfen in der Umgebung unterzubringen. Das Übergreifen des Feuers auf das Wohnhaus hatte verhindert werden können. Der Stall jedoch war lichterloh niedergebrannt. Nur ein Gerippe war übrig geblieben. Der Regen hatte die Löscharbeiten erleichtert. Brandursache war ein Blitzeinschlag.

Eigentlich sollte Lothar glücklich sein, dass weder Mensch noch Tier Schaden genommen hatten und das Wohnhaus unversehrt war. Die Versicherung hatte gezahlt, doch die Summe reichte nicht aus, um alles wieder so aufzubauen, wie es vorher gewesen war. Ein weiterer Kredit musste her. Schon vor dem Brand hatte es nicht besonders gut um den Hof gestanden, was Lothar sich nicht hatte eingestehen wollen. Die neue Melkanlage war teurer geworden als geplant und musste nachfinanziert werden. Darüber hinaus waren die beiden letzten Sommer viel zu trocken gewesen, sodass noch viel Winter am Ende des Futters übrig war. Kühe waren keine Kostverächter. 50 Kilo Futter pro Tag und Tier und 80 Liter Wasser dazu. Milchkühe zu füttern hatte zur Folge, nicht in kleinen Dimensionen zu denken. 50 hungrige Kühe im Stall bedeuteten, tief in die Tasche zu greifen, wenn man Futter kaufen musste. Also produzierten die Landwirte das Futter selbst. Reichlich Felder, um welches anzubauen, gehörten zum Besitz des Bauern Lothar Voss-Grobe. Leider hatte es in den letzten zwei Jahren dieses gravierende Problem gegeben: das Wetter! Die wahnsinnigen Dürren hatten seine Planung zusammenbrechen lassen. Lothar hatte sich von etlichen Kühen getrennt, was zwar eine kurzzeitige Einnahme bedeutet hatte, jedoch letztendlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen war. Weniger Kühe, weniger Milch, weniger Geld von der Molkerei, mit der er seit Monaten im Clinch lag. Alle zwei Tage wurden 1.700 Liter Milch von der Molkerei abgeholt. 31 Cent bekam er pro Liter. Das war nicht die Welt. Und die Kälbchen, die in regelmäßigen Abständen geboren wurden, brachten beim Verkauf auch nicht mehr so viel ein wie noch vor Jahren. Er war definitiv pleite, wollte es jedoch nicht wahrhaben. Sollte er wie seine Frau Ellen den Kopf in den Sand stecken und hoffen, dass alles gut werden würde? Oder war es eher so, dass sie diejenige war, die einen kühlen Kopf behielt, wie so oft? Ellen, sein ruhender Pol!

Die einzige und einfachste Lösung, die er sah, war eine Finanzspritze seiner Mutter Brigitte, mit der er eigentlich ein gutes Verhältnis hatte. Eine gut aussehende, taffe Frau von 75 Jahren, die mit beiden Beinen im Leben stand und äußerst klug war. Deshalb konnte Lothar sie nicht verstehen. Seit fast einem Jahr führte er unendliche Diskussionen mit ihr. Die alte Frau blieb jedoch hart und unerbittlich. Lothar, der große Hitzkopf, war oft kurz davor, sie kräftig an den Schultern zu packen und durchzuschütteln oder ihren Schal, den sie zu Hause ständig um den Hals trug, ordentlich strammzuziehen. Sie hatte vor fünf Jahren von ihrer Tante eine stattliche Summe und zwei Immobilen geerbt, eine davon lag direkt am Bodensee. Sybille war nicht ihre richtige Tante gewesen. Aber da sie kinderlos geblieben war, hatte seine Mutter die nicht vorhandene Tochter ersetzt. Schon als junges Mädchen hatte Brigitte viel Zeit bei der Frau verbracht und das auch beibehalten, als sie geheiratet und Kinder zur Welt gebracht hatte. Lothar hatte diese knochige, äußert geizige Sybille gehasst.

Als vor drei Jahren Lothars Vater verstarb und der Hof endlich auch auf dem Papier an den Sohn ging – seine Schwester war in jungen Jahren verstorben –, hatte Brigitte ihm unmissverständlich klargemacht, dass das Erbe ihrer Tante einzig und allein ihr gehörte. Lothar war davon überzeugt, dass es Mittel und Wege gab, um an dem Geldsegen teilhaben zu können. Er scheute jedoch den Gang zum Anwalt und hoffte immer noch, dass seine Mutter zur Vernunft kommen würde. Obwohl sie ihm, als er ihr vermittelt hatte, dass es schlecht um den Hof stand, kein Geld geben, nicht einmal leihen wollte. Sie war stur geblieben, hatte sich stattdessen erst einmal einen neuen Golf gekauft. Sie strotzte nur so vor Gesundheit und lebte mit Sicherheit noch lange, was Lothar ihr ja gönnte. Doch ihr fettes Erbe, wenigstens ein Teil davon, würde dem Hof guttun. Wie er sie kannte, hatte sie im Testament eine seiner Töchter bedacht, er würde nur seinen Pflichtteil bekommen. Das war besser als nichts, sagte er sich. Wieso blieb sie nur so stur? Ihr müsste doch auch am Erhalt des Hofes gelegen sein. Der Hof war seit Generationen im Familienbesitz.

Er brauchte eine Finanzspritze, so viel stand fest. Und zwar bald, sehr bald! Möglichst gestern. Er war froh, dass die Weihnachtstage vorbei waren. Diese Schöntuerei, diese Rennerei für nichts. Mutter Brigitte war mit ihrer Cousine Klara aus Meschede bei ihm aufgekreuzt und hatte sich an beiden Tagen durchgefressen. Ellen war mit hochrotem Kopf durch die Gegend gehetzt, um köstliche Mahlzeiten auf den Tisch zu bringen. Die Grazien hatten die Kinder samt Partner, Ellen und ihn mehr als großzügig beschenkt. Seine Töchter hatten richtig abkassiert und obendrauf noch je 500 Euro von der Oma bekommen, die sie natürlich gut gebrauchen konnten. Dagegen waren seine 200 Penunzen nichts. Die retteten den Hof nicht. Okay, ein Schlafanzug von Tchibo hatte für ihn noch unter dem Tannenbaum gelegen. Blau mit breiten weißen Streifen. Darin würde er wie ein Trottel aussehen. War sie denn so blind? Oder gar blöd? Er glaubte eher an Letzteres. Oder wollte sie die Tatsachen nicht sehen? Oder ihn ärgern?

Am Heiligen Abend hatte sie sich morgens einen Streit mit Michael Vogt geliefert. Er fuhr gelegentlich den Molkereiwagen, der Lothars Milch abholte. Eigentlich ein verträglicher Zeitgenosse, dieser Michael. Er lebte in Bödefeld und betrieb eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb. Ein großer stabiler Kerl von 1,90 Meter und mindestens drei Zentner Lebendgewicht. Seine Ländereien grenzten am Voss-Grobe-Anwesen, an einem Stück Land, das Mutter Brigitte gehörte und nicht genutzt wurde, weil sie sich nicht entscheiden konnte.

Michael würde es ihr gerne abkaufen, um das Land für seine Pferde zu nutzen. Jahrelang schon war er scharf darauf. Er wollte eine Reitbahn anlegen, das war sein Traum und würde ihm zusätzliche Einnahmen bringen. Wie oft hatte er sich in der gemeinsamen Stammkneipe an Lothar gewandt, der nur mit den Schultern zuckte. In der Sache waren ihm die Hände gebunden. Dieses Stückchen Erde gehörte seiner Mutter. Weshalb das so war, wusste er nicht.

Michael, als hartnäckig bekannt, hatte am Morgen des Heiligabends wegen dieser Angelegenheit erneut Brigitte aufgesucht und mit einem Korb voller Leckereien wie Dauerwürste, Kuchen und Brot vor ihrer Tür gestanden. Sie hatte den Braten sofort gerochen, ihm, bevor er loslegen konnte, den Wind aus den Segeln genommen und ihm klargemacht, dass sie ihr Land nie verkaufen würde. An ihn schon gar nicht. Sie mochte die gesamte Vogt-Familie nicht. Mit Michaels Frau saß sie im Vorstand der ortsansässigen kfd (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) und hatte sich schon einige Male heftig mit ihr wegen Kleinigkeiten gestritten. Zum Beispiel darüber, wer zu welcher Veranstaltung welchen Kuchen backte und wer Kaffee und Zucker spendete.

»Nur über meine Leiche«, hatte sie ihm hinterhergerufen, als sie sein Körbchen im hohen Bogen über das vereiste Treppengeländer warf.

»Wenn es so nicht geht, dann eben anders«, hatte Michael wütend gekontert und seine Habseligkeiten aufgesammelt. »Wenn sie das Zeitliche segnet, verkauft Lothar mir das Stück Land«, hatte er vor sich hingemurmelt, sich eine eiskalte Mettwurst in den Hals gestopft und war vom Hof gebraust.

Lothar, der den Streit vom Stalltor aus mitbekommen hatte, hatte nur gelacht. Noch einer, dem sie im Weg war, hatte er gedacht und war zurück zu seinen Tieren gegangen.

Lothar nahm an, dass der Ärger, den er mit der Molkerei hatte, dieser Sache geschuldet war. Zwei Überweisungen für Milchlieferungen waren überfällig, und nichts tat sich. Schon mehrmals hatte er wegen der Sache mit der ansonsten netten Dame telefoniert. Ein Komplott, dachte er, nichts anderes. Alle hatten sich gegen ihn verschworen.

Er schaute ein weiteres Mal aus dem Küchenfenster. Die Außenbeleuchtung an dem Häuschen der Mutter ging an. Sie hangelte sich vorsichtig die Treppe hinunter. Wenn sie doch danebentreten und die Stufen, wenn auch nur acht an der Zahl, hinunterstürzen würde. Sie könnte sich den Halswirbel brechen. Der Hof wäre gerettet. Doch sie kam unbeschadet unten an. Da lief sie, mitten hinein ins Schneegestöber. Mit ihrem alten blauen Thermomantel, die rote Mütze tief ins Gesicht gezogen. Vor dem Gottesdienst wollte sie sich noch mit ihren Freundinnen auf ein Gläschen im Hotel Albers treffen. Hoffentlich blieb ihr der Pfirsichlikör, den sie besonders gerne trank, im Hals stecken. Verbittert holte sich Lothar ein weiteres Bier aus dem Kühlschrank. Und ein frohes neues Jahr würde er ihr auch nicht wünschen, beschloss er. Wozu?

Einen solchen Wunsch bekam er soeben als Kurznachricht auf sein Handy. Der Metzger Clemens Vollmer wünschte ihm einen guten Rutsch. Lothar musste lächeln. Dass der junge rothaarige und sommersprossige Metzger sich überhaupt noch meldete, war ein Wunder. Auch da hatte Brigitte ihre Griffel im Spiel. Okay, Clemens war nicht ohne, sehr aufbrausend und rachsüchtig, man musste ihn mit Samthandschuhen anfassen. Er hatte es jedoch weit gebracht, besaß zwei Metzgereien, vor Ort und in einem Nachbarort, die er seinem viel zu früh verstorbenen Vater zu verdanken hatte. Lothar war auf ihn angewiesen und konnte sich letztendlich immer mit ihm einigen, was die Fleischpreise betraf. Außerdem mochte er ihn und hielt sich gerne in seinem Hauptgeschäft hier am Ort auf. Clemens bot wunderbares Fleisch und sehr schmackhafte Wurst an. Lothar liebte den Geruch von geräucherten Würsten. Da gab es nichts, der Kerl verstand sein Handwerk.

Wenn nur Brigitte nicht überall mitmischen und Unfrieden und Zwietracht säen würde. Gern steckte sie ihre Nase in Lothars Geschäfte, obwohl diese sie einen feuchten Kehricht angingen. Erst kürzlich hatte sie ihm beinahe den Deal mit Clemens verdorben. Der Preis für die Kuh und das Kalb, die Lothar dem Metzger überlassen wollte, war längst ausgehandelt, als Brigitte in den Laden gestürmt war, den Chef sprechen wollte, und vor versammelter Kundschaft angefangen hatte, den Preis in die Höhe zu treiben. 20 Cent müsse er pro Kilo drauflegen, hatte sie verlangt, war zu guter Letzt sogar pampig geworden und hatte dem Brummer von Metzger mit ihrem Stockschirm um die Nase herumgewedelt. Clemens hatte sie daraufhin aus dem Laden geschmissen, sich in seinen Daimler gesetzt und war mit quietschenden Reifen auf den Voss-Grobe-Hof gefahren, um dem Bauern den Kopf zu waschen.

Lothar seufzte. Wenn er nur daran dachte, wurde ihm übel. Das Ende vom Lied war gewesen, dass er mit dem Preis, der schon fest vereinbart war, heruntergehen musste. Erwürgen hätte er sie können. Seine eigene Mutter.

Unter Garantie hatte er die Differenzen mit der Molkerei auch Brigitte zu verdanken. Wer weiß, was da noch alles zwischen Michael und ihr gelaufen war. An Heiligabend, zwischen den Liedern »Tochter Zion« und »Stille Nacht«, hatte sie so blöde Bemerkungen fallen lassen. Er rief sich den Abend noch einmal ins Gedächtnis. Wieso hatte er nicht sofort reagiert? Sentimentale Stimmung? Alle an einem Tisch? Friedvolle Weihnachten? Eigentlich mochte er Weihnachten. Als er vom Melken durchgefroren an den gedeckten Tisch gekommen war und sich setzen wollte, hatte seine Mutter schon losgezetert.

»Willst du dich nicht erst duschen? Mit dem Stallduft an den Tisch? Schämst du dich nicht?«

Sich schämen? Wie alt war er denn? »Kannst ja gehen, wenn es dir nicht passt, da vorne ist die Tür.« Er hatte sich provokativ hingesetzt und nach der Fleischgabel gegriffen, um sich ein besonders großes Stück von der Pute auf den Teller zu packen.

Die dämliche Cousine Klara mit ihren blutunterlaufenen Hundeaugen, eigens aus Meschede angereist, hatte losgeprustet, und er hatte sich zum zigsten Mal gefragt, was die am Heiligen Abend an seinem Tisch verloren hatte. Ihr Gelaber über ihre Busfahrt von Meschede nach Bödefeld hatte nicht nur ihn genervt. Als wäre sie aus Sibirien angereist. Keiner hatte verlangt, dass sie sich solchen Strapazen, wie sie behauptete, aussetzte. Aus diesen knapp 20 Kilometern so einen Aufstand zu machen! Na ja, hatte er sich gedacht, immer noch besser, als wenn sie, wie sonst, von ihren Krankheiten berichten würde.

Nach der Bescherung hatte sie sich überschwänglich für die schönen Geschirrtücher bedankt, die Ellen ihr geschenkt hatte. Und was hatte er von der ollen Frau bekommen? Weihnachtszigarren! Was sollte er damit als Nichtraucher? Weil er wohl nicht dankbar genug geschaut hatte, hatte seine Mutter ihm eine Standpauke von wegen Dankbarkeit gehalten. Am liebsten hätte er sie und Klara vor die Tür gesetzt. Doch ein Tritt vors Schienbein von seiner ältesten Tochter hatte ihn davon abgehalten.

In diesem Moment hatte Mutter Brigitte losgelegt. Unter anderem berichtete sie von Metzger Clemens und Molkereiwagenfahrer Michael. Seine Ohren auf vollen Empfang gestellt, hakte er mehrmals nach. Doch bereitete Ellen dem ein Ende, indem sie »Tochter Zion« anstimmte. Dabei wäre das der richtige Zeitpunkt gewesen, um endlich Klartext zu reden. Wer weiß, was die Alte hinter seinem Rücken verzapfte. Vielleicht wäre es auf den Tisch gekommen. Ein dummes Maul konnte eine schärfere Waffe sein als ein Messer, hatte er letztens erst gelesen.

Angenehm gesättigt und vom Familienanschluss gewärmt, hatte sich die zittrige, ausgemergelte Klara in ihren Sessel zurückgelehnt und gegrinst. Die Chance, um auch hier mal richtig aufzuräumen. Hätte er nicht bereits drei Bier und zwei Klare intus gehabt, hätte er diesen Klarabesuchen endgültig ein Ende gesetzt. So hatte er zwei Stunden warten müssen, bis die zwei lauten Weiber endlich durch den Schnee in Brigittes Heim stapften.

Am nächsten Tag, dem ersten Weihnachtsfeiertag, waren sie zum Mittagessen schon wieder aufgeschlagen. Kaum auszuhalten. Lothar hatte sich kalte Pute mit in den Stall genommen. Am Nachmittag, noch bevor die Kaffeerunde eingeläutet wurde, hatte er sich hoch ins Schlafzimmer geschlichen, sich aufs Bett geworfen und durch die Fernsehprogramme gezappt. Später, als die abendliche Stallarbeit erledigt gewesen war, hatte er sich vor dem Schlafengehen noch einmal vor die Haustür begeben und die klare Schneeluft eingeatmet. Wie schön diese Weihnachtsnacht war, hatte er da gedacht und hinüber zum Haus seiner Mutter geblickt. Er hatte die beiden Frauen freudig plappernd im Wohnzimmer sitzen sehen. Es hatte ihn traurig gestimmt, dass er im eigenen Heim dauernd die Flucht ergreifen musste. Betrübt war er ins Haus zurückgekehrt.

Heute war Silvester. In wenigen Stunden begann ein neues Jahr. Ob es besser werden würde als das alte?

Türler ve etiketler
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Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
283 s. 6 illüstrasyon
ISBN:
9783839269107
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Telif hakkı:
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