Kitabı oku: «Frauenfragen – Männer antworten», sayfa 3
Lou Lorenz-Dittlbacher
MODERATORIN, JOURNALISTIN
Frauen werden nicht nur anders und anderes gefragt. Meine Erfahrung zeigt auch: Sie sollen Politiker*innen anders befragen. Das beginnt beim Gesichtsausdruck, den man sich bei Frauen fröhlicher und freundlicher wünscht als bei männlichen Interviewern, geht über die Tonlage, die auch dann nicht erhoben werden sollte, wenn man sich das Wort zurückholen will, und endet beim Inhalt, der weniger angriffig und scharf sein soll. Das zeigt sehr deutlich, dass Frauen und Männer noch immer mit unterschiedlichen Maßstäben gemessen werden. Was Männern als Stärke ausgelegt wird, interpretieren manche bei Frauen als Schwäche, Biestigkeit oder Hysterie.
Gertraud Klemm
SCHRIFTSTELLERIN
Als feministische Autorin habe ich ein Warnschild umhängen: Vorsicht, Kastrationsgefahr! Das hilft halt auch nur bedingt gegen die „Wie schaffen Sie das nur neben den Kindern?“-Fragen. Ich weiß schon: Die Frage wird aus wertschätzendem Interesse gestellt. Trotzdem würde ich lieber über meine Bücher reden und als Autorin wahrgenommen werden anstatt als Mutti.
Ina Regen
MUSIKERIN
Kurz vor einem Auftritt am Donauinselfest wurde ich einmal von einem Journalisten gefragt, wie es sich für mich anfühlt, die Frauenquote des Line-ups auf der Hauptbühne zu verkörpern. Dass ich mir diesen Weg jahrelang genauso hart erarbeitet habe wie meine männlichen Kollegen, schien dem Interviewenden für seine Story zu wenig spannend zu sein. Das hat mir sehr deutlich gezeigt, dass eine Frau entweder erfolgreich ist, weil sie eine Frau ist oder obwohl sie eine Frau ist, nicht aber einfach, weil sie gut ist in dem, was sie tut.
AM ROTEN TEPPICH
Ali Mahlodji trägt bei unserem Treffen ein
weißes Leinenhemd, schwarze Shorts und
weiße Sneakers.
WEISSE SNEAKERS
… erinnern mich an meine Kindheit. Es waren die ersten Schuhe, die ich neu bekommen habe.
IMPOTENZ UND PROSTATABESCHWERDEN
… machen mir keine Angst. Wenn Dinge kommen, dann kommen sie.
MEIN FRISUREN-VORBILD
… ist Bruce Willis. Weil er mit 39 Jahren und einer Glatze viel besser ausschaut als mit 20.
AUF MÄNNER WIRKE ICH
… oft irritierend.
FRAUEN FÜHLEN SICH IN MEINER GEGENWART
… oft sicher, weil sie wissen, dass ich einen anderen Zugang zu vielen Themen habe als die meisten Männer.

ALI MAHLODJI
Kein Joker, Preis: Applaus und Schokolade
ALI MAHLODJI
„Heute treffe ich Ali Mahlodji“, erzähle ich einer Freundin am Telefon. Ali wer? Sie ist nicht die Erste, die mit dem Namen nichts anfangen kann. Als ich ihr dann aber ein Foto des gebürtigen Iraners schicke, der vor ein paar Jahren in Lederhosen Werbung für die von ihm gegründete Berufsorientierungsplattform „whatchado“ gemacht hat, schreibt sie: „Sag doch gleich, dass das der ist. Ja, der ist cool.“ Mahlodji kennt man nicht aufgrund seines Namens, sondern aufgrund seines Wirkens. Seit er sich aus dem Management von „whatchado“16 zurückgezogen hat, schreibt der Shootingstar der heimischen Start-up-Szene Bücher über Empowerment, betreibt einen Podcast17 und denkt darüber nach, wie man die Welt zu einer besseren machen könnte. Veranstalter, die etwas auf sich halten, laden den 39-Jährigen zu einer Keynote ein. Denn Mahlodji ist eloquent und sympathisch. Und sehr direkt. Schon beim Ankommen in meinem Podcast-Büro macht er eine Bemerkung über die sterile Atmosphäre und kurbelt damit meine innere Unsicherheits-Maschine an. Seit Tagen quälen mich Selbstzweifel: Was, wenn meine Idee, Männer einem Realitätenwechsel zu unterziehen, total blöd ist? Was, wenn sich niemand dafür interessiert? Und was, wenn mir vorgeworfen wird, erst recht wieder nur denen eine Bühne zu geben, die ohnehin immer auf einer stehen? Als Ali Mahlodji und ich uns zum Tisch setzen, auf dem meine Notizzettel und Mikrofonkabel in wildem Durcheinander liegen, dreht sich meine Gedankenspirale weiter abwärts. Ich geniere mich. Er hat ja recht, ich hätte mehr Sinn für Ästhetik beweisen können. So wie Mahlodji selbst, dessen Podcast man sich auf YouTube auch anschauen kann und zu dem man sich allein schon wegen des stilvollen Settings gerne einladen lässt. Die Mikrofone hängen in Halterungen, die wahrscheinlich aus irgendeiner Design-Schmiede in Skandinavien stammen, die Regale sind voll mit Bildbänden und Turnschuhen, und manchmal flackert auf einem Monitor ein Kaminfeuer. Auf dem Tisch stehen trendige Getränke. Gut, die gibt es bei mir auch. Während ich den 39-Jährigen also frage, ob er einen Tee möchte, der Glück verspricht, oder doch lieber einen Prosecco aus dem Bio-Laden, wundere ich mich über mich selbst. Gerade heute, wo ich einem Mann gegenübersitze, der alles verkörpert, was dem Ideal des vielzitierten neuen Mannes entspricht, bin ich verunsichert. Und vor allem skeptisch. Denn Mahlodji trägt oft T-Shirts, auf denen „Female Future Force“18 steht. Reiht er sich damit in die Riege derer ein, die ihren Körper mit feministischen Sprüchen schmücken, weil es gerade en vogue ist, oder steckt tatsächlich feministischer Kampfgeist dahinter? „Wer in der heutigen Welt nicht Feminist ist, hat die Augen verschlossen“, sagt Mahlodji ruhig. „Wir Männer sind privilegiert, und ich denke, dass wir uns bewusst hinstellen und das zum Thema machen müssen. Ich bin Perser, habe einen Bart und Glatze – auf den ersten Blick würdest du wahrscheinlich nicht denken, dass mir das Frauenthema wichtig ist. Aber immer, wenn ich das T-Shirt anhabe, werde ich sofort darauf angesprochen. Denn Irritation macht neugierig und führt im besten Fall zu Veränderung.“ Mahlodji nutzt die Einstiegsfrage für ein Kurzreferat über die Kernbotschaften des Feminismus, und mir wird schnell klar, dass er nicht das erste Mal über diese Themen spricht. Noch bevor ich überhaupt meine Hörer*innen begrüßen kann, haben wir schon die Privilegien von Männern in der Berufswelt, das Reduzieren von Frauen auf die Mutterrolle, die nicht vorhandene finanzielle Wertschätzung von Hausarbeit und Ähnliches gestreift. Ich habe kurz das Gefühl, dass wir, wenn wir in der Geschwindigkeit weitermachen, das Problem mit der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau in den nächsten Stunden lösen könnten. Aber wie gut kennt der Unternehmer eigentlich die andere Seite? Weiß er, wie es ist, wenn das eigene Geschlecht die Gesprächsthemen vorgibt und man auf banale Fragen reduziert wird? Wenn man über nichts anderes reden darf als über die Lieblings-Wimperntusche und das Kleid, das man anhat? Das Sinnbild für solche klischeehaften Interviewsituationen ist der „rote Teppich“, und dorthin entführe ich Mahlodji, indem ich ihn frage, ob er einen Schuhtick hat, ob er sich von Frauen eingeschüchtert fühlt und welche Beauty-Produkte in seinem Badezimmer stehen. Bei der Frage nach der Körperpflege wird er richtig euphorisch. Er berichtet von seinem Lieblingsduschgel, das er in fünffacher Ausführung daheim hat, von einem mikroplastikfreien Deo und einem Rasierschaum, den er sich nach dem ersten Lockdown gekauft hat, als Shopping für ihn zu einer Art Offenbarung wurde. Es fällt mir schwer, seinen Enthusiasmus für Pflegeprodukte zu teilen. Also sage ich: „Das ist ja eigentlich auch eine total blöde Frage.“ „Nein, überhaupt nicht“, erwidert Mahlodji zu meiner Überraschung. „Während meiner Jugend waren mir Äußerlichkeiten sehr wichtig. Dann hatte ich eine Phase, in der es mir völlig egal war, wie ich aussehe, und seit Corona hat es wieder einen größeren Stellenwert.“ Und dann erzählt er von einem Freund, der vier verschiedene Sorten Haar-Wax zu Hause hat, und ich fühle mich, als wäre ich zwischen den Beauty-Seiten einer Frauenzeitschrift gefangen. Weil ich Angst habe, Mahlodji könnte gar nicht mehr aufhören, über Kosmetikartikel zu reden, unterbreche ich ihn und stelle die Frage, die mir in Bezug auf die Gleichberechtigung am wichtigsten erscheint – die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Zum Zeitpunkt unseres Interviews ist Mahlodjis Tochter 15 Monate alt, seine Frau, Anna Mahlodji, ist Mitbegründerin und COO eines Kochstudios namens „feinkoch“. Für Selbständige hat sich die Situation durch die Corona-Pandemie ja nicht unbedingt verbessert. Weder finanziell noch was die berufliche Sicherheit betrifft. Wie also schafft es Mahlodji, sein Arbeits- und Privatleben miteinander in Einklang zu bringen? „Mithilfe von Psychologen habe ich herausgefunden, dass es im Leben gar keine Work-Life-Balance gibt. Dass das Leben aus Wellen besteht und dass es manchmal rauf und dann wieder runter geht. Wenn ich versuche, die Dinge zu trennen, habe ich ja immer ein schlechtes Gewissen, und irgendjemand zahlt drauf. Also habe ich beschlossen, alles zu einem zu machen.“ Ich schaue Mahlodji mit großen Augen an. Einerseits, weil ich nicht ganz verstehe, was er damit sagen will, und andererseits, weil ich mir manche seiner Sätze am liebsten einrahmen und an die Wand hängen möchte, wie etwa: „Vatersein ist die Weiterentwicklung meiner Karriere.“ Mahlodji, der aufgrund seiner Erfahrungen als Flüchtlingskind wahrscheinlich gelernt hat, in Gesichtern zu lesen, erklärt, was er damit meint: „Letzte Woche hatte ich zum Beispiel ein Interview. Und weil ich an dem Tag für meine Tochter verantwortlich war, habe ich sie einfach mitgenommen. Mein Bruder war sicherheitshalber auch dabei, für den Fall, dass die Kleine quengelt. Aber es war alles überhaupt kein Problem.“

Ich beneide Mahlodji gerade sehr um seine Lockerheit, denn Tatsache ist: Kinderbetreuung in Österreich ist weitestgehend Frauensache.19 Die Arbeitssituation von Männern wird durch Nachkommen kaum beeinflusst, und wenn doch mal alle Stricke reißen und der Papa die Kleinen zur Arbeit mitnimmt, bekommt er dafür Lob und Anerkennung.20 Frauen hingegen wird dann schlechte Organisation unterstellt. Und je tiefer die soziale Schicht, desto schwieriger wird es. Denn eine Verkäuferin oder Putzfrau braucht nicht einmal darüber nachzudenken, ob es jemand gut finden könnte, dass sie ihr Kind zur Arbeit mitnimmt. Es ist schlichtweg unmöglich. Zwischen meinen Augenbrauen bildet sich eine dicke Zornesfalte. Ich spüre, wie sich Sätze wie „In deiner Situation lässt es sich halt leicht reden“ und „Du bist ja voll privilegiert“ in mir bilden, und presse erschrocken meine Lippen aufeinander, damit sie nicht herauspurzeln. Denn ich kenne Mahlodjis Geschichte und weiß, dass er es in seinem Leben alles andere als leicht hatte. Privilegien jeglicher Art hat er sich hart erarbeitet. „Für diese Freiheiten muss ich aber auch einen Preis bezahlen“, sagt er ohne jeglichen Hauch von Selbstmitleid. „Denn als Selbständiger kriegst du ja eher kein Arbeitslosengeld oder Ähnliches. Als zu Beginn der Corona-Pandemie 70 Prozent meines Jahreseinkommens gecancelt worden sind, war das erstmal ein Schock. Aber zum Glück bin ich aufgrund meiner Biografie so gestrickt, dass ich immer Reserven und Erspartes habe.“
Dass Mahlodji ein guter Redner ist, wusste ich schon vor unserer Begegnung. Immerhin steht es in seinem Lebenslauf. Dass er aber in seiner ganzen Art, die zwischen professioneller Ernsthaftigkeit und kindlicher Begeisterung wechselt, so einnehmend ist, beeindruckt mich. Gebannt höre ich zu, wie er von der Flucht seiner Familie aus dem Iran erzählt. Seine Eltern, erfolgreiche Manager, mussten in Österreich wieder ganz von vorne anfangen. Entbehrungen, Armut und Kleiderspenden von karitativen Organisationen prägten den Alltag. Von weißen Sneakers, die heute sein Markenzeichen sind, konnte Mahlodji damals nur träumen. „Ich habe relativ früh erlebt, wie das ist, wenn man alles, was man hat, verliert. Das hat mich sehr geprägt und selbstsicher gemacht. Das heißt, ich bin mir sicher, dass die Dinge, die ich tue, die richtigen sind.“ Ich kenne kaum einen Mann, der sein Selbstbewusstsein so vor sich herträgt und gleichzeitig so weit davon entfernt ist, ein Macho zu sein. Wie kommt das? Geboren wurde Mahlodji so jedenfalls nicht. „Vor zehn Jahren habe ich noch geglaubt, dass man als Mann ein dickes Auto haben und Millionen verwalten muss. Und dass man am besten immer grimmig dreinschaut, so wie die Typen, die am Cover diverser Magazine als ‚Mann des Jahres‘ präsentiert werden.“ Diesem „Mann des Jahres“-Image wollte Mahlodji in jungen Jahren unbedingt entsprechen. Vielleicht auch, weil konkrete Vorbilder fehlten. Sein Vater, der durch die Flucht traumatisiert wurde, litt an Schizophrenie. Als Mahlodji zwölf war, ließen sich die Eltern scheiden, er und sein Bruder wuchsen bei der Mutter auf. Also mussten der „Marlboro-Mann“ und andere männliche Stereotype als Rolemodels herhalten. Mahlodji brach die Schule ab, putzte bei McDonald’s und schuftete am Bau, holte dann aber die Matura nach und schloss in Rekordzeit ein wirtschaftswissenschaftliches Studium ab. Schließlich wurde er erfolgreicher IT-Berater und Projektleiter bei einer Werbeagentur. „Nach außen hin hatte ich alles geschafft. Ich habe schwarze Anzüge getragen, eine rote Krawatte und hatte die Haare aufgestellt. Ich habe 15 Jahre älter ausgesehen als jetzt.“
Bei der Erinnerung an sein früheres Ich lacht Mahlodji und fährt mit der Hand reflexartig über seine Glatze. Fast so, als wollte er sichergehen, dass er mit dem Bild von einst nichts mehr zu tun hat. Die Ärmel seines weißen Leinenhemdes sind hochgekrempelt, auf seinem linken Arm steht tätowiert: „Smile, you are born to Love [sic!] what you do.“ Zu diesem Leitspruch ist der Unternehmer erst gekommen, als ihn ein Burnout auf seinem klassisch männlichen Erfolgsweg gestoppt hat. „Dieses Männerbild, das wir haben – der Mann ist der Macher, immer stark und durch nichts aus der Ruhe zu bringen –, ist Schwachsinn.“ Als Mahlodjis Vater völlig überraschend starb, fiel das Leben des erfolgreichen Geschäftsmannes wie ein Kartenhaus zusammen. „Ich bin im Krankenhaus gestanden und konnte es nicht fassen. Mein Vater war 53 Jahre alt. Meine ganze Sichtweise auf die Welt, auf Erfolg und das Mannsein, hat von einem auf den anderen Tag keinen Sinn mehr ergeben. Plötzlich habe ich einen Druck auf meiner Brust gespürt und alles war nur noch Stress.“ Über psychische Probleme zu reden, bereitet Mahlodji, der unzählige Therapiestunden hinter sich hat, aber keinen Stress mehr.21 Obwohl psychische Erkrankungen mittlerweile in der Mainstream-Berichterstattung angekommen sind und Männer genauso davon betroffen sind wie Frauen, tun sich die meisten immer noch schwer, darüber zu sprechen. Neutrale Begriffe wie Coaching und Burnout werden oft vorgeschoben, anstatt die Dinge beim Namen zu nennen. Fast so, als könnte man sein Ansehen und seine Männlichkeit verlieren, wenn man mal Schwäche zeigt. „Meine Kollegen haben damals, als ich schon über einen Monat im Krankenstand war, zu mir gesagt: ‚Reiß dich zusammen, Ali. Flenn’ hier nicht rum!‘ Männer schlucken lieber Tabletten, damit sie weiter funktionieren. Aber ich wollte das nicht und bin eigentlich dankbar, dass ich meinen Burnout schon so früh hatte. Denn so habe ich zu meiner Verletzlichkeit gefunden, die heute meine größte Stärke ist.“22

Verletzlichkeit ist ein Begriff, den die wenigsten Männer freiwillig mit sich selbst in Verbindung bringen. Denn Männer sind stark, immer patent und höchstens mal durch einen Fausthieb in die Knie zu zwingen. Mahlodji hingegen hat für sich erkannt, dass ihn das gängige Männerbild krank gemacht hat. Darüber spricht er auch in seinem Buch „Entdecke dein Wofür“ und auf seinen Social-Media-Kanälen. Außerdem nutzt er diese Plattformen, um seine Rolle als Vater zu thematisieren. Er postet Fotos, auf denen er mit seiner kleinen Tochter Türme aus Bauklötzen baut, sie im Kinderwagen spazieren führt und mit ihr kuschelt. Und er weist in seiner automatischen E-Mail-Abwesenheitsnotiz, die auch ich nach meiner Interviewanfrage zunächst bekommen habe, darauf hin. „Liebe Wegbegleiter, liebe Freunde. Meine Frau und ich haben beschlossen, dass unsere Tochter in einem Haushalt aufwachsen soll, in dem sowohl Vater als auch Mutter sich um das Kind kümmern, […] Heute bin ich dran, und da ich ganz für meine Tochter da sein will, werde ich keine E-Mails beantworten.“ Als ich das gelesen habe, war ich erstmal gehörig irritiert. Warum muss ein Mann sein Vatersein so in die Auslage stellen? Tut er, indem er explizit darauf hinweist, dass auch er sich um sein Kind kümmert, nicht erst recht so, als wäre es etwas Besonderes? „Solange es nicht normal ist, dass Väter sich um ihre Kinder kümmern, muss man darüber reden – nicht für sich selbst, sondern für die jungen Burschen, die irgendwann auch Väter werden und dadurch sehen, dass es auch anders geht. Ich bin überzeugt davon, dass man einen gesellschaftlichen Change nur durch Vorbildwirkung erreicht.“ Mahlodji erzählt, dass er mit einigen Bekannten eine WhatsApp-Gruppe mit dem Titel „Superdads“ hat, in der sich Väter über ihren Alltag austauschen. Noch bevor ich nachfragen kann, warum es diese Überhöhung braucht, sagt er entschuldigend: „Ich weiß, das ist wieder typisch Mann. Aber alles geht halt nicht von heute auf morgen.“ Zum Glück verlangt das auch niemand, und das Bewusstsein für Stereotype ist Anfang genug. Der nach engen Ganzkörperanzügen und schillernden Umhängen klingende Begriff tut außerdem niemandem weh. Was machen Superdads eigentlich so im Alltag, will ich von Mahlodji wissen. Wie sieht das mit der Gleichberechtigung konkret aus? „Meine Frau und ich wollen wirklich 50:50 machen. D.h. es gibt Aufgaben zu erledigen, und wer gerade da ist, erledigt sie. Wir teilen das nicht nach Geschlechterrollen auf. Ich räume genauso den Geschirrspüler ein und meine Frau repariert die Dusche, wenn sie kaputt ist. Aber damit das klappt, müssen wir alle paar Tage vor dem Kalender sitzen und Termine rumschieben und organisieren. Das ist richtig viel Arbeit.“ Wie bei einer guten Hip-Hop-Nummer nicke ich mehrmals hintereinander mit dem Kopf. Denn was Mahlodji da beschreibt, kenne ich aus eigener Erfahrung. 50:50 klingt in der Theorie wunderbar, gestaltet sich aber nicht immer so einfach – selbst dann nicht, wenn Männer davon überzeugt sind, dass sie einen gleichberechtigten Beitrag in der Haus- und Betreuungsarbeit leisten sollten. Hübsch gelayoutete Putzplan-Apps und schlaue Ratgeber über „Mental Load“ helfen da meistens auch nichts. Gleichberechtigung im Privaten ist ein ständiges Abwägen und Verhandeln, und es ist verdammt anstrengend. Vielleicht ist es auch deshalb so anstrengend, weil wir erwarten, dass in einer modernen Beziehung jeder für alles gleichermaßen zuständig ist. Die Frage ist nur, ob das wirklich immer möglich ist, und ob ein krampfhaftes Durchboxen von 50:50 immer sinnvoll ist.

„Welche automatische E-Mail-Antwort hat eigentlich deine Frau?“, will ich von Mahlodji wissen, weil es mich interessiert, ob Anna Mahlodji ihre Mutterschaft im beruflichen Umfeld auch so offen vor sich herträgt wie er. Zum ersten Mal in unserem Gespräch gerät der Unternehmer jetzt ins Stocken und schenkt sich erstmal einen Tee ein. Während er schon zigfach gefragt wurde, was einmal auf seinem Grabstein stehen soll oder welche Welt er erschaffen würde, wenn er einen Zauberstab hätte, scheint diese Frage für ihn komplett neu zu sein. Er denkt kurz nach und weicht dann ein wenig aus, indem er über das angenehme Arbeitsklima in der Firma seiner Frau spricht. „Ich glaube, meine Frau hat gar keine automatische Abwesenheitsnotiz. Sie arbeitet in einem kleinen Start-up, wo alle mehr oder weniger an einem Tisch sitzen. Wenn sie nicht da ist, leitet sie ihre Mails einfach an ihr Team weiter, denke ich.“ Dass Mahlodji mit seiner Frau noch nie über dieses Thema gesprochen hat, verwundert mich. Und deshalb bin ich es jetzt, deren Gedanken ins Stocken geraten, sodass ich völlig vergesse nachzuhaken. Es wäre interessant gewesen herauszufinden, warum er seine Frau nicht gefragt hat, welche E-Mail-Abwesenheitsnachricht sie eingestellt hat, und warum er sie nicht sogar dazu ermutigt hat, es ihm gleichzutun. Vermutlich liegt es daran, dass eine Frau, die im beruflichen Kontext ihre Kinder erwähnt, eher kritische Blicke statt Applaus erntet. Und vielleicht liegt es auch an Mahlodjis generellem Zugang zu Gleichberechtigung. In seiner Welt brauchen Frauen nämlich keine Hilfe im paternalistischen Sinn, und deshalb will er ihnen auch nicht sagen, was sie tun sollen. Er setzt konkret bei den Männern an und versucht Dinge in seiner eigenen Lebensrealität zu verändern.
„Warum engagieren sich nicht viel mehr Männer in der Familienarbeit und fordern auch vonseiten der Politik mehr Möglichkeiten, ihre Rolle als Vater besser leben zu können?“, will ich zum Schluss noch wissen. „Die Antwort wird vielen nicht gefallen, aber Männer sind oft sehr bequem. Wenn du dir bei deinem Kind die schönsten Seiten herausholen kannst, das Kuscheln und Spielen, ist das doch herrlich. Du kannst allen zeigen, was für ein toller Papa du bist, aber wenn es anstrengend wird – beim Abstillen in der Nacht, beim Windelnwechseln und Breikochen –, übergibst du wieder an deine Frau.“ Mag sein, dass diese Antwort vielen nicht gefällt. Ich finde sie großartig und bin der Meinung, dass Männer sich gegenseitig in Bezug auf die Haus- und Care-Arbeit viel mehr kritisieren und fordern müssten. Denn bei der Kritik von Frauen verdrehen die meisten leider nur die Augen. Es wird Zeit, dass Männer ehrlicher zu sich selbst sind und genau hinschauen, warum das System Familie bei ihnen so gut funktioniert. Vielleicht weil es eine Frau gibt, die sich zu Hause um alles kümmert und alles schupft? Selbst dann, wenn sie voll berufstätig ist? Was heißt faire Aufgabenverteilung eigentlich, und wie kann man sich in einer Partnerschaft am besten unterstützen? Darüber sollte man viel mehr diskutieren. In den eigenen vier Wänden und gerne auch öffentlich – aber bitte nicht wieder nur in Frauenzeitschriften.

Solange Ali Mahlodji weiterhin so deutlich aufzeigt, dass gleichberechtigte Elternschaft wichtig und möglich ist und damit anderen Männern ein Vorbild ist, kann er sich gerne weiterhin auf diversen Bühnen breitmachen und über Feminismus sprechen. Damit macht er Frauen nämlich nicht den Platz streitig, sondern macht sie zu seinen Verbündeten. Und genau solche Männer braucht es, damit das Patriarchat zerschlagen werden kann und Gleichberechtigung in Zukunft ein Normalzustand ist. Denn ich kann es nur immer und immer wieder sagen: Eine gleichberechtigte Welt kann nur funktionieren, wenn beide Geschlechter sich dafür einsetzen und verstehen, dass sie in jedem Fall davon profitieren.
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