Kitabı oku: «Herausforderungen für die Berufsbildung in der Schweiz», sayfa 5

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Zwei weitere steuerungsrelevante und in Zusammenhang mit der Berufsbildungskommission und der Finanzierung stehende Aufgabenbereiche stellen Forschung und Qualitätsentwicklung dar. Bezüglich Berufsbildungsforschung lässt sich bereits in der «Botschaft des Bundesrates über die Förderung der Bildung, Forschung und Technologie in den Jahren 2000–2003» (Schweizerischer Bundesrat, 1998)6 die Absicht zu einer Offensive feststellen. Im Zentrum steht der «Aufbau der applikationsorientierten Berufsbildungsforschung», und zwar zum einen am Schweizerischen Institut für Berufspädagogik (SIBP) (heute Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung, EHB) und zum andern auch in ausgewählten Hochschulinstituten7. Die anvisierte Berufsbildungsforschung soll die «Berufsbildungspolitik jeweils zugeschnitten auf die Bedürfnisse der verschiedenen Akteure mit empirisch gestützten Daten über die Berufsbildung, mit Prognoseinstrumenten, Trendberichten sowie mit Evaluationen von Teilen des Berufsbildungssystems» unterstützen. Als ein neuer Schwerpunkt wird die Erforschung der Lernleistungen der Bildungsteilnehmenden und der daraus resultierenden Folgewirkungen auf dem Arbeitsmarkt genannt (Schweizerischer Bundesrat, 1998, S. 364). Erste Priorität kommt somit insgesamt der Sammlung und wissenschaftlichen Aufbereitung steuerungsrelevanter Daten und Information zu, und zwar als Grundlage der genannten vom Bund auszugestaltenden evidenzbasierten Berufsbildungspolitik.

Eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Steuerungsfunktion, die der angewandten Forschung und Qualitätsentwicklung in der Berufsbildung neu zukommen soll, spielt das Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB), das 2007 aus dem SIBP hervorgegangen ist. Das EHB ist weiterhin zur Hauptsache in der Aus- und Weiterbildung von Berufsbildungsverantwortlichen, insbesondere von Lehrkräften, tätig; als unabhängiges Institut auf Hochschulstufe übernimmt es nun zudem Aufgaben im Bereich der Akkreditierung von Berufsbildungsmodulen, der angewandten berufspädagogischen Forschung sowie der «Qualitätsentwicklung als Steuerungsinstrument der Berufsbildungspolitik insbesondere bezogen auf Berufsschulen (z. B. Entwicklung von Standards, Qualitätsmodellen, Indikatoren für Effizienzprüfungen)» (Schweizerischer Bundesrat, 2000, S. 5735).

Die aufgezeigte Tendenz hin zur evidenzbasierten und an den Outcomes bzw. am Output orientierten Steuerung des Bildungssystems hat – wie die Diskussion der vergangenen zehn Jahre rund um Bildungsstandards und Kompetenzen zum Ausdruck bringt – ihre Entsprechung auf der Ebene der Bildungsprozesse. Dieser Trend hat sich in Teilen auch in der Neukonzeption der Bildungsverordnungen mit den dazugehörigen Bildungsplänen (und Qualifikationsprofilen), das heisst deren Ausrichtung an Leistungszielen und Handlungskompetenzen (BBT, 2007), niedergeschlagen. Zu verweisen ist im Zusammenhang mit der Output-Orientierung aber vor allem auch auf die neuen Bestimmungen im Bereich der Prüfungen und Abschlüsse, die einer Abkoppelung der Qualifikationsverfahren von formalen Bildungswegen entsprechen.

Bildungspläne mit ihren curricularen Bestimmungen und Leistungsanforderungen regeln Inhalte und Aufbau der beruflichen Grundbildung mit Bezug auf sämtliche drei Lernorte; sie stellen somit ein klassisches Steuerungsinstrument dar und sollen im nächsten Kapitel ausführlicher zur Sprache kommen. Thematisiert wird allerdings nicht deren Inhalt oder Konzeption (vgl. hierzu den Beitrag von Markus Maurer und Silke Pieneck in diesem Band, S. 81ff.), sondern – anknüpfend zugleich an das vorangehende Kapitel – die Regeln der Erarbeitung der Bildungspläne.

Vom BBG zum Masterplan

Die Revision der Bildungsverordnungen als Teil der Politikumsetzung

Die Formulierung institutioneller Regeln der Berufsbildung erfolgt auf Bundesebene mittels Rahmengesetz und dazugehörigen Ausführungsbestimmungen, wie sie in der aktuellen Berufsbildungsverordnung (BBV 2003) enthalten sind. Der Vollzug bleibt über weite Strecken den Kantonen überlassen, die ausgehend von den bundesrechtlichen Bestimmungen kantonale Berufsbildungsgesetze und -verordnungen erlassen. Über je eigene kantonale Behördenarrangements üben sie die Aufsicht über die berufliche Grundbildung aus, vollziehen Bildungsverordnungen und sorgen für ein bedarfsgerechtes Angebot an Berufsfachschulen.

Der schweizerische Vollzugsföderalismus gewährt den Kantonen einen gewissen Spielraum bei der Adaption der bundesrechtlichen Vorgaben an die eigenen kantonalen und regionalen Gegebenheiten, mit Bezug auf die Berufsbildung also etwa an die vorhandenen wirtschaftlichen Strukturen, Bildungsinstitutionen und -traditionen. Positiv besetzt ist auch ein Zusammenarbeitsgebot, das sich aus den föderalistischen (und korporatistischen) Strukturen ergibt und sich im omnipräsenten Begriff der «Verbundpartnerschaft» kristallisiert. Zahlreiche Formulierungen im neuen BBG, die den Einbezug der Partner in Entscheidungsprozesse fordern, deren «Zusammenarbeit» anordnen oder die Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben an Dritte vorsehen, eröffnen allerdings zugleich Ambiguitäten, denen die Kantone und OdA in der Vernehmlassung mit Skepsis begegneten.

Ein typisches Beispiel verbundpartnerschaftlicher Kooperation bietet die Erarbeitung von Bildungsverordnungen, deren Revision das neue BBG (2002, Art. 73 Abs. 1) anordnet. Zugleich zeigt dieses Beispiel, wie ein gesetzlich, das heisst durch öffentliche Politik legitimierter Umsetzungsspielraum über Entscheide auf der nachgeordneten Verwaltungsebene – hier repräsentiert durch das «Handbuch Verordnungen» des BBT – reglementiert werden kann.

Die Ausarbeitung der Verordnungen über die berufliche Grundbildung setzt grundsätzlich die Mitwirkung der Kantone und der OdA voraus. In letzter Instanz ist es jedoch der Bund beziehungsweise das BBT, das die Verordnungen erlässt (BBG 2002, Art. 19 Abs. 1). Die BBV von 2003 spezifiziert diesbezüglich: «Das Bundesamt stellt die Koordination mit und zwischen den interessierten Kreisen sowie den Kantonen sicher. Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet das Bundesamt unter Berücksichtigung des Gesamtnutzens für die Berufsbildung und allfälliger sozialpartnerschaftlicher Regelungen» (Art. 13, Abs. 4). Eine Schlussbestimmung des BBG hält zudem fest, dass die geltenden kantonalen und eidgenössischen Bildungsverordnungen innert fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes anzupassen beziehungsweise zu ersetzen sind (Art. 73).8

Die Revision der Bildungsverordnungen gehört zu den vorrangigsten der in einem ersten Aktionsprogramm («Masterplan Berufsbildung») aufgeführten Umsetzungsschritte. Am Beispiel von Berufen der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) sollen im Folgenden die für den Erlass von Bildungsverordnungen und Bildungsplänen konstitutiven Regeln und Akteursnetzwerke dargestellt werden. Die Wahl fiel aus zwei Gründen auf diese Branche: erstens, weil diese über ressourcenstarke und gut organisierte Verbandsstrukturen verfügt, und zweitens, weil in diesem Bereich zwei Untersuchungen existieren, deren Sekundäranalyse Auskunft über allfällige Veränderungen der Erarbeitungsprozesse ermöglicht.

Das Beispiel der MEM-Berufe

Charbel Ackermann hat in seiner rechtswissenschaftlichen Dissertation von 1984 anhand der Entstehung und Durchsetzung von Ausbildungsreglementen unter anderem auch für Werkzeugmaschinen- und verwandte Berufe den Vollzug des schweizerischen Berufsbildungsrechts untersucht. Er bezieht sich in seiner Arbeit auf Ausbildungsreformen, die Ende der 1960er-Jahre in Angriff genommen wurden, deren Ausführung sich dann aber bis nach 1977 erstreckte, als das damals gültige BBG 1963 revidiert wurde. Bei der zweiten Untersuchung, die hinzugezogen wird, handelt es sich um die neuere Lizentiatsarbeit von Lea Zehnder (2011); sie hat die Rolle der Akteure bei der Entwicklung von Berufsbildern, unter anderem zu MEM-Berufen, anlässlich der aktuellen Berufsbildungsreform zum Gegenstand.

Vergleicht man den Aushandlungsprozess bei der Erarbeitung der Bildungsverordnungen, wie ihn beide Studien aufzeigen, lassen sich Änderungen der institutionellen Verfahrensregeln feststellen. Ganz offensichtlich hat die Rolle des Bundes gegenüber den Arbeitgeberverbänden eine deutliche Stärkung erfahren, was nicht zuletzt in der Schaffung eines eigens mit Berufsbildung befassten Bundesamtes, des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT), ersichtlich wird. So konnte Ackermann (1984) die Tätigkeit des Bundes mit Bezug auf die Ausbildungsreglemente noch als «Verwaltung auf Antrag» und den Vollzug des BBG durch das BIGA insgesamt als «Vollzug auf Antrag» bezeichnen (Ackermann, 1984, S. 96). Demgegenüber stammen zwar nach Zehnders Urteil die Impulse für die Reform immer noch von den OdA – genauer: von den Arbeitgeberverbänden; dass aber insgesamt eine Ungleichverteilung von Macht zugunsten der Behörden den Aushandlungsprozess prägt, legen im von ihr untersuchten Fall unter anderem Rückgriffe der OdA auf Exit-Drohungen nahe.

Die Abläufe bei der Erarbeitung von Bildungsverordnungen und der Einbezug der Partner in den verschiedenen Phasen werden heute im «Handbuch Verordnungen» des BBT (2007) Schritt für Schritt definiert. Im Vorwort liest man dort denn auch, dass die erste Phase, also die Analyse, bei der Erarbeitung einer neuen Verordnung sich als entscheidend erwiesen und deshalb eine «Neugewichtung» der Rolle des BBT stattgefunden habe: «Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BBT begleiten und unterstützen die Trägerschaft künftig stärker von Beginn an» (S. 4).

Dies ist ein deutlicher Unterschied gegenüber der Situation vor dreissig Jahren, musste sich doch das BIGA anlässlich der Erarbeitung der BBV zum BBG von 1978 noch für einen Artikel einsetzen, der den Verbänden vorschrieb, vor der Ausarbeitung eines neuen Entwurfs zu einem Ausbildungsreglement mit dem Bundesamt Kontakt aufzunehmen (BBV 1979, Art. 14). Tatsächlich zeigt das Fallbeispiel der Werkzeugmaschinen- und verwandten Berufe Ende der Sechzigerjahre, dass eine solche Konsultation nicht üblich war. Das BIGA nahm in dem von Ackermann beschriebenen Prozess lediglich eine reagierende Position ein. Es war der Arbeitgeberverband Schweizerischer Maschinen- und Metallindustrieller (ASM), der im Alleingang die Entwürfe ausarbeitete. Das BIGA erteilte dem Projekt seine vorläufige Genehmigung, ohne jedoch die obligate Vernehmlassung einzuleiten (Ackermann, 1984). Erst im weiteren Verlauf des Projektes Mitte der Siebzigerjahre zeigte das BIGA vereinzelt Initiative bei der Verhandlungsführung und beim Einbezug weiterer interessierter Akteure. Da der ASM seine Entwürfe jeweils selbst vorab den Branchengewerkschaften vorlegte, verzichtete das BIGA allerdings darauf, die Gewerkschaften zu konsultieren. Das ist nicht unerheblich, weil dadurch der den ASM nicht bindenden internen Vernehmlassung ein unverhältnismässiger Stellenwert zugesprochen wurde (Ackermann, 1984).

Die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Hauptakteuren im Erarbeitungsprozess von Ausbildungsreglementen waren im Fall der ressourcenstarken und professionell organisierten MEM-Berufsverbänden kapazitätsbedingt. Hat ein Verband auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zudem eine starke Stellung, so muss die Verwaltung beim Erlass von Ausbildungsreglementen die Anliegen des Verbandes berücksichtigen, da dieser auch die Möglichkeit hat, die Ausbildung selbstständig durchzuführen (Ackermann, 1984). Wenn die Rekrutierungsbedürfnisse der Betriebe und der Branchen ohne das staatliche Zertifikat gedeckt werden können, haben die Verbände eine starke Position in den Aushandlungsprozessen. Schliesslich können Betriebe Anlehren aufgrund von Lehrverträgen ausschliesslich nach Obligationenrecht durchführen. «Dieses Bild einer klaren Dominanz der Berufsverbände über die Verwaltung beim Erlass der Ausbildungsreglemente», so Ackermann, «ändert sich nur in Branchen und Berufsbereichen mit sehr schwacher Organisierung» (Ackermann, 1984, S. 130).

Gerade in den grösseren Branchen ist es in den vergangenen Jahren zu Änderungen der Kräfteverhältnisse gekommen; das lässt sich an den MEM-Berufen deutlich aufzeigen (vgl. Glättli, 2009): Konnte zum Zeitpunkt der Untersuchung von Ackermann die ASM die Revision der Ausbildungsreglemente quasi im Alleingang an die Hand nehmen, ist inzwischen – als Konsequenz von Art. 8 des BBG 2002 zur Sicherstellung der Qualitätsentwicklung durch die Berufsbildungsanbieter – jede Branche angehalten, mit der Bildung einer «Kommission Berufsentwicklung und Qualität» (SKOBEQ) eine ausgeglichene Vertretung der zugehörigen Branchenorganisationen sicherzustellen. Ebenfalls Einsitz in der Kommission haben neben der Lehrerschaft je eine Vertretung des BBT und der SBBK.

Die Kantone, deren Bedeutung bei der Vernehmlassung von Ausbildungsreglementen früher marginal war, haben in der Wahrnehmung von Rolf Dietrich, dem Präsidenten der SBBK-Kommission Berufsentwicklung von 2001 bis 2010, mit der Schaffung dieses Gremiums deutlich an Gewicht gewonnen (Dietrich, 2011). Diese Stärkung verdankt sich einerseits der Tatsache, dass durch die vorgängige Konsensfindung in der Kommission die Kantone geeint auftreten können. Wenn «die Kommission heute – als Konsequenz der gelebten Verbundpartnerschaft – den Berufsentwicklungsprozess von Beginn weg bis zur Inkraftsetzung einer neuen Verordnung» begleitet (Dietrich, 2011, S. 14), schlägt sich dies auch in den Bildungsplänen nieder, deren Regelungsdichte gerade auch in Bezug auf die Ausbildung in den Lehrbetrieben Dietrich begrüsst. Der fünfzehnköpfigen Kommission gehören neben den Kantonsvertreterinnen und -vertretern und einer Vertretung des Arbeitgebernetzwerkes SQUF auch zwei Personen aus dem BBT und ein Experte bzw. eine Expertin des EHB an.

Einblick in die aktuelle Situation bei der Ausarbeitung der Bildungsverordnungen und Bildungspläne sowie allfällige Machtverschiebungen zwischen den Akteuren gibt die Untersuchung von Zehnder (2011). Nach den Interviews, die sie geführt hat, sieht sich der Bund beziehungsweise das BBT in erster Linie in der Vermittlerrolle; gleichzeitig wird ihm von den übrigen Akteuren ein deutlicher Führungs- und Lenkungsanspruch attestiert und auf das einseitige Abhängigkeitsverhältnis vom BBT hingewiesen, dem im Konfliktfall der Entscheid zukommt. Den Kantonen wird wiederum von den OdA zunehmende Macht und Einflussnahme zugeschrieben. Innerhalb der OdA herrscht die Wahrnehmung eines generellen Steuerungsanspruchs aufseiten der Arbeitgebervertreter vor.

Im Gegensatz zu früher lässt sich nun dem BBT sowohl in der Fremd- wie in der Selbstwahrnehmung eine klare Handlungsorientierung im Hinblick auf die Ausgestaltung der Bildungsverordnungen und -pläne attestieren: Das BBT verfolgt als Hauptziele Uniformität und Sicherstellung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, inklusive juristischer Korrektheit der Formulierungen. Konflikthafter ist das zweite Hauptziel, nämlich die Durchsetzung selbst gesetzter pädagogischer und methodischer Normen in der Konzeption der Berufe. Aufseiten der Kantone9 dominieren eindeutig praktische Kriterien und die Kostenfrage bei der Umsetzung, also Finanzierbarkeit sowie Klarheit und Handhabbarkeit der Normtexte. Wird von diesem Akteur also ein möglichst geringer reglementarischer Spielraum gefordert, stehen aufseiten der Arbeitgeber Flexibilität, inhaltliche Vielseitigkeit der Berufsbilder mit möglichst feiner vertikaler Differenzierung der Ausbildungsniveaus im Vordergrund. Hinzu kommt das Interesse an vergleichbaren Ausbildungsstrukturen innerhalb der Branche. Auf Arbeitnehmerseite lassen sich als Präferenzen Verhältnismässigkeit der Anforderungen und Durchlässigkeit zwischen den Ausbildungsstufen festhalten. Artikuliert wird zudem ein Interesse an guten, sicheren Arbeitsbedingungen. Die Belange der ebenfalls den OdA zuzurechnenden Lehrpersonen schliesslich richten sich vornehmlich auf ausbildungsinhaltliche Aspekte. Zusammenfassend liessen sich bei den Verbundpartnern folgende Interessen und Handlungsorientierungen eruieren:

 Bund/BBT: pädagogische Orientierung;

 Kantone: Praktikabilität im Verwaltungsvollzug, vor allem Finanzierbarkeit;

 OdA/Arbeitgeber: Flexibilität, Praktikabilität im Betrieb (Sicherstellung der Ausbildungsbereitschaft);

 OdA/Arbeitnehmer (und Lehrpersonen): Bedürfnisse und Zukunft der auszubildenden jungen Menschen, insbesondere auch der schulisch schwachen.

Trotz dieser Differenzen inhaltlicher und strategischer Art beurteilen die Beteiligten den neuesten Reformprozess insgesamt positiv (Zehnder, 2011). Gewürdigt wird vor allem dessen systematische und klare Strukturierung, zu der das «Handbuch Verordnungen» des BBT einen wesentlichen Beitrag leistet. Im Fall der MEM-Berufe zeigt sich gegenüber vorangehenden Ausbildungsreformen ein deutlicher Unterschied darin, dass nun nicht mehr die Arbeitgeberseite, sondern der Bund als impulsgebender Akteur auftritt. Vorteile, die aus dessen Federführung resultieren, vor allem im Hinblick auf die formale Ausgestaltung der Normtexte (Vergleichbarkeit, Kohärenz, Korrektheit usw.), finden durchwegs Wertschätzung.

Verbundpartnerschaft: Rhetorik oder Realität?

Die verbundpartnerschaftliche Trägerschaft bildet gewissermassen das Grundprinzip der schweizerischen Berufsbildung. Sie ist verankert in institutionellen Regeln oberster Ordnung wie Föderalismus, Korporatismus und Konsensdemokratie und kann deshalb als ein äusserst stabiles Charakteristikum bezeichnet werden. Zugleich deuten die Diskussionen der jüngeren Vergangenheit und die in Angriff genommenen Reformen auf Transformationen, welche die Verteilung der Steuerungsmacht der drei Hauptakteure wesentlich betreffen. Zugunsten der Stärkung seiner Rolle kann der Bund Internationalisierungstendenzen im europäischen Arbeits- und Bildungsraum anführen, also die Notwendigkeit der Herstellung nationaler Kompatibilität. Mitunter dürfte die zeitliche Situierung der Problemdefinition und Politikformulierung in den Neunzigerjahren dazu beigetragen haben, die Krise der Berufsbildung vornehmlich als Steuerungskrise zu definieren und mit den entsprechenden Mitteln anzugehen. Damals war nämlich, so lässt sich rückblickend feststellen, just der Zeitpunkt, in der die Governance-Perspektive ultimativ Einzug in die politische und administrative Praxis hielt und insbesondere auch im Bildungsbereich breit rezipiert wurde.

Rasch war deshalb klar, dass dem Lehrstellenmangel beziehungsweise dem Rückgang der Zahl abgeschlossener Lehrverhältnisse sowie deren Ursachen mit einer dezidierten Bundespolitik begegnet werden musste. Als zentrales Anliegen kristallisierte sich im «Bericht des Bundesrates über die Berufsbildung» von 1996 die Definition und Wahrnehmung neuer Steuerungsaufgaben heraus. Dies berührte den Kern der traditionellen verbundpartnerschaftlichen Kompetenzverteilung in der Berufsbildung, und entsprechend umstritten waren die diesbezüglichen Punkte in der Vernehmlassung des ersten bundesrätlichen Entwurfs eines neuen BBG. Ablehnung fand auch ein neu einzuführender Innovations- bzw. Berufsbildungsrat, der einen fassbaren Ausdruck des Steuerungsanspruches des Bundes darstellte. Die Verankerung dieses Rats im BBG wurde zuletzt anlässlich der ständerätlichen Überprüfung des Gesetzestextes abgewendet; die ihm zugehörigen Befugnisse wurden dann allerdings in weiten Teilen der bereits bestehenden Berufsbildungskommission übertragen.

Die «Verbundpartnerschaft» wird in erster Linie von staatlicher Seite angeführt. Dies lässt sich – gerade durch die allgegenwärtige Bezugnahme – im Sinn eines vagen (rhetorischen) Kompensationsangebots angesichts der (expliziten) Übertragung strategischer Entscheidungs- und Steuerungsmacht an den Bund bzw. das BBT und einer insgesamt stärkeren Reglementierung der Berufsbildung auf staatlicher Verwaltungs- und Behördenebene interpretieren. Diese Verschiebung konnte im Vorangehenden deutlich anhand der Initiierung der jüngsten Revision der Bildungsverordnungen und der von der einstigen Praxis abweichenden (im «Handbuch» des BBT fixierten) Regeln, die den Prozess und die Akteursbeteiligung der Erarbeitung definieren, aufgezeigt werden. Sie kommt aber auch in der Einsitznahme von Behördenvertretungen, insbesondere des BBT, in Gremien wie den Kommissionen «Berufsentwicklung und Qualität» der Branchen zum Ausdruck.

Eine gewisse Abwehr gegenüber der Dominanz des Bundes in der Steuerung der Berufsbildung hat sich bis in die Gegenwart erhalten. Sie wird etwa in den «Magglinger Leitlinien», die 2007 von den Verbundpartnern verabschiedet wurden, deutlich (Verbundpartnerschaft in der Berufsbildung, 2007). Dort wird zwar lediglich wiederholt, was das aktuelle BGG in seinem ersten Artikel statuiert, zugleich verweist dies aber auf die Unzufriedenheit von Kantonen und gewissen OdA mit der Umsetzung des Postulats der Zusammenarbeit von gleichberechtigten Partnern. Und schliesslich erachtete der SGV in seinem Berufsbildungsbericht 2010 eine «erneute Revision des Berufsbildungsgesetzes» unter anderem deshalb als «zwingend», weil die OdA im Rahmen der Verbundpartnerschaft zu wenig respektiert würden (Schweizerischer Gewerbeverband, 2010, S. 3).

Unterfüttert wird die Kritik gemeinhin mit der Reklamation eines Missverhältnisses zwischen Steuerungsmacht und finanziellem Engagement des Bundes. Dabei gilt: Auch wenn 2012 der vom BBG auf 25 Prozent angehobene Bundesanteil realisiert wird, bedeutet dies nicht, dass der Kritikpunkt ein für alle Mal ausgeräumt ist (vgl. Schweizerischer Gewerbeverband, 2012). Ebenso dürfte der Weg bis zur von der Verfassung postulierten Gleichbehandlung von akademischer und berufsbezogener Bildung noch weit sein.

Die Anrufung der «Verbundpartnerschaft» – im Sinne eines identitätsstiftenden Merkmals jenseits von Kompetenzverschiebungen auch gradueller Art (Mahoney & Thelen, 2010) – kann also durchaus an Grenzen stossen. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund der starken Verankerung von Formen kooperativer Regelung und der Handlungskoordination in Akteursnetzwerken, wie sie dem Berufsbildungssektor in der Schweiz eigen ist. Eine mutigere und explizitere Neudefinition dieser Verbundpartnerschaft unter Berücksichtigung damit einhergehender (materieller) Verantwortungen wäre dort angezeigt, wo sie sonst zuweilen eher zum blossen Schlagwort wird.

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