Kitabı oku: «Geschichte des frühen Christentums», sayfa 2
(Neutralität)
Aufgabe des Historikers/der Historikerin ist in diesem Prozess u. a. auch ein möglichst wertfreier Blick auf die Quellen, die herangezogen werden. Dazu gehört für unsere Fragestellung, dass nicht nur die Geschichte jener erzählt wird, die sich in der Gestaltwerdung des frühen Christentums durchsetzten, wie etwa Paulus oder Petrus. Auch die marginalisierten und in der Ausbildung der Mehrheitskirche des 2./3. Jh. n. Chr. untergegangenen Formen des Christusglaubens und deren Trägergruppen sind bedeutend. Sie sind gerade als Kontra-punkte zu den sich letztlich durchsetzenden Ansichten und deren Vertretern von großem Gewicht. Analog dazu werden auch nicht nur jene Personen in den Blick genommen, die an der Spitze einzelner Bewegungen standen, wie etwa die Apostel oder die Autoren neutestamentlicher Texte. Denn die Geschichte des frühen Christentums wurde nicht nur durch herausragende Figuren gestaltet, sondern vor allem auch durch jene, die nicht selbst zur Sprache kamen, deren Glaubensvollzug aber in sehr unterschiedlicher Weise die Ausformungen des frühen Christentums kennzeichnete.
(Theologische Bedeutung)
Ihre theologische Bedeutung hat die Teildisziplin „Geschichte des frühen Christentums“ innerhalb der neutestamentlichen Exegese vor allem darin, dass sie hilft, die Schriften des Neuen Testaments sowie weitere frühchristliche Texte im historischen Kontext zu lesen. Nur in diesem Kontext sind sie als geschichtlich gewordene Texte verstehbar und ist ihr Sinngehalt auch von der historischen Situation abstrahierbar und für die Gegenwart fruchtbar zu machen.
„Wie alle anderen historischen Texte auch, sind die Quellen des Urchristentums nicht einfach mit der Wirklichkeit, auf die sie verweisen, identisch, sondern beziehen sich auf diese in selektierender und interpretierender Weise. Sie tun dies, wie andere Texte auch, im Medium der Sprache, die den Zugang zur Wirklichkeit strukturiert und zwischen Gegenwart und Vergangenheit vermittelt. Geschichte liegt nicht einfach in den Zeugnissen der Vergangenheit verborgen, sondern muss durch einen kreativen, sinnbildenden Akt aus ihnen erhoben werden.“ (Schröter, Neutestamentliche Wissenschaft 855).
„Die Ordnung von Geschehensabläufen oder die orientierende Deutung gibt es nicht erst durch narrative Vermittlung im Text, sie existiert bereits auf der Handlungs- und Wahrnehmungsebene selbst. Ereignisse oder auch Erlebnisse und Erfahrungen haben bereits im Moment des Geschehens narrative Strukturen. Sie sind nicht unsprachlich zu haben.“ (Zimmermann, Geschichtstheorien 433).
Literatur
Stefan Alkier, Urchristentum. Zur Geschichte und Theologie einer exegetischen Disziplin, BHTh 83, Tübingen 1993.
James D. G. Dunn, Beginning from Jerusalem, Christianity in the Making 2, Grand Rapids/Cambridge 2009, 3–130.
Karen L. King, Which Early Christianity?, in: The Oxford Handbook of Early Christian Studies, edd. S. Ashbrook Harvey/D. G. Hunter, Oxford 2008, 66–84.
Dietrich-Alex Koch, Geschichte des Urchristentums. Ein Lehrbuch, Göttingen 22014, 21–39.
Markus Öhler, Ethnos und Identität. Landsmannschaftliche Vereinigungen, Synagogen und christliche Gemeinden, in: Anne Lykke/Friedrich T. Schipper (Hg.), Kult und Macht. Religion und Herrschaft im syro-palästinischen Raum – Studien zu ihrer Wechselbeziehung in hellenistisch-jüdischer Zeit (WUNT II/319), Tübingen 2011, 221–248.
Dieter Sänger, Ίουδαϊσμός – ἰουδαΐζειν – ἰουδαϊκῶς. Sprachliche und semantische Überlegungen im Blick auf Gal 1,13f. und 2,14, ZNW 108, 2017, 150–185.
Jens Schröter, Neutestamentliche Wissenschaft jenseits des Historismus, ThLZ 128, 2003, 855–866.
Ruben Zimmermann, Geschichtstheorien und Neues Testament. Gedächtnis, Diskurs, Kultur und Narration in der historiographischen Diskussion, EC 2, 2011, 417–444.
http://marginalia.lareviewofbooks.org/jew-judean-forum/ [7.2.2018]
2 Die griechisch-römische Welt: Herrschaft, Gesellschaft, Religion
Für das Verständnis des frühen Christentums sind die historischen und kulturellen Kontexte der griechisch-römischen Welt von unerlässlicher Bedeutung. Dazu gehören ganz unterschiedliche Bereiche, die hier nur knapp angesprochen werden können: die Strukturen von Herrschaft, die kulturellen und sozialen Ausprägungen des Lebens sowie die religiösen Deutungen und Vollzüge.
2.1 Strukturen von Herrschaft
Im Blick auf die Herrschaftsstrukturen sind zwei Dimensionen zu unterscheiden: Der umfassendere Bereich ist jener des römischen Imperiums, zumal dessen geographischer Raum auch jener der Ausbreitung des frühen Christentums war. Unter lokalen Gesichtspunkten sind die Machthaber im Großraum Palästina von Bedeutung, sowohl jene aus dem Herodianischen Geschlecht als auch die römischen Präfekten bzw. Prokuratoren.
2.1.1 Herrschaft über das Imperium Romanum – Die Kaiser
(Augustus / Tiberius / Caligula / Claudius / Nero / Vierkaiserjahr / Vespasian / Titus / Domitian / Nerva / Trajan / Hadrian)
Die Geschichte der römischen Kaiser ist durch ihren steten Bezug auf Augustus (31/27 v. Chr.–14 n. Chr.) geprägt. Die nach dem Bürgerkrieg (44–31 v. Chr.) erreichte Stabilität, zusammengefasst im Schlagwort der Pax Romana („Römischer Friede“), ermöglichte auch die Verbreitung des Christentums im Imperium Romanum. In der Zeit Jesu war mit Tiberius (14–37 n. Chr.) ein verlässlicher und um Stabilität bemühter Politiker Kaiser, der auch in Lk 3,1 erwähnt wird. Ihm folgte mit Gaius Caligula (37–41 n. Chr.) eine schwierige Persönlichkeit. Er verlangte als erster Kaiser göttliche Verehrung, wie der Historiker Sueton berichtet (Cal. 22,3). Auch im Jerusalemer Tempel sollte sein Standbild errichtet werden (Philo, leg. ad Gaium 200–207; Josephus, bell. 2,184–203; ant. 18,261–288). Lediglich sein vorzeitiger Tod verhinderte dies. Caligulas Onkel Claudius (41–54 n. Chr.), unter dem sich ein Großteil des Wirkens des Paulus vollzog, war ein gewiefter Politiker. Die östlichen Provinzen blühten unter seiner Regentschaft auf. Auf die Maßnahmen des Claudius gegen jüdische Christusgläubige in der Stadt Rom wird in Apg 18,2 angespielt (vgl. Sueton, Claud. 25,4; s. u. S. 86). Mit Nero (54–68 n. Chr.) setzten nach der stabilen Phase unsichere Zeiten ein. Nach einem zweifelhaften Bericht des Tacitus mussten Christusgläubige auf Veranlassung Neros als Sündenböcke für den Brand Roms im Jahr 64 n. Chr. herhalten (ann. 15,44,2–5; s. u. 14.2). Unter Neros Regierung begann im Jahr 66 n. Chr. auch der 1. Judäische Aufstand. Nach dem Selbstmord Neros konnte sich zunächst niemand entscheidend etablieren, sodass im Jahr 69 n. Chr. vier Kaiser den Regierungsanspruch erhoben: Galba, Otho, Vitellius und schließlich Vespasian, der sich durchsetzte. Er regierte bis 79 n. Chr. und begründete die Flavische Dynastie. Vespasian war zum Zeitpunkt seiner Machtergreifung gerade mit der Niederschlagung des Aufstandes in Judäa beschäftigt, die sein Sohn und Nachfolger Titus (79–81 n. Chr.) abschloss (s. u. 3.5.1). Beide standen für die Wiederherstellung der inneren und finanziellen Ordnung des Imperiums. Domitian (81–96 n. Chr.), Titus’ Bruder und Nachfolger, setzte einerseits das auf ökonomische und gesellschaftliche Stabilität ausgerichtete Programm fort, galt aber andererseits aufgrund der Spannungen mit dem Senat als grausamer Herrscher (s. u. 14.3). Nach dem besonnen regierenden Nerva (96–98 n. Chr.) kam mit dessen Adoptivsohn Trajan (98–117 n. Chr.) ein Mann an die Macht, der später als der ideale Kaiser galt. In seiner Zeit hatte das römische Reich die größte Ausdehnung, unter ihm kam es u. a. aber auch zum Judäischen Aufstand in der Diaspora (115–117 n. Chr.; s. u. 3.7.3). Darüber hinaus wurden unter Trajan zum ersten Mal Christusgläubige wegen des Vorwurfs des Aberglaubens (superstitio) hingerichtet (s. u. 14.4). Sein Adoptivsohn Hadrian (117–138 n. Chr.), ein großer Freund griechischer Kultur, setzte die Stabilisierung fort und rückte den Kaiserkult noch stärker in den Vordergrund. 132–135 n. Chr. kam es zum zweiten Aufstand in Judäa (Bar-Kochba-Aufstand). Hadrian ließ ihn niederschlagen und an der Stelle des zerstörten Jerusalem die Stadt Aelia Capitolina errichten (s. u. S. 73).
Kaiserdaten von Augustus bis Hadrian
Imperator Caesar Divi Filius Augustus 27 v. Chr.–14 n. Chr.
Tiberius Caesar Augustus 14–37 n. Chr.
Gaius Caesar Augustus Germanicus Caligula 37–41 n. Chr.
Tiberius Claudius Caesar Augustus Nero Germanicus 41–54 n. Chr.
Nero Claudius Caesar Augustus Germanicus 54–68 n. Chr.
Servius Galba Imperator Caesar Augustus 68–69 n. Chr.
Imperator Marcus Otho Caesar Augustus 69 n. Chr.
Aulus Vitellius Germanicus Imperator Augustus 69 n. Chr.
Imperator Titus Flavius Vespasianus Caesar 69–79 n. Chr.
Imperator Titus Caesar Vespasianus Augustus 79–81 n. Chr.
Imperator Caesar Domitianus Augustus 81–96 n. Chr.
Imperator Nerva Caesar Augustus 96–98 n. Chr.
Imperator Caesar Nerva Traianus Augustus 98–117 n. Chr.
Imperator Caesar Traianus Hadrianus Augustus 117–138 n. Chr.
2.1.2 Die römische Verwaltung
Die römische Verwaltung der frühen Kaiserzeit setzte auf ein System von Ausbildung und Beamtenlaufbahn, klaren Kompetenzen und gesetzlichen Richtlinien. Sie schloss die Ausübung und Repräsentation der römischen Machtstellung ein, wobei hinter dieser Praxis autorisierend und in vielen Bereichen auch entscheidend der römische Kaiser als oberstes Organ stand.
(Provinzverwaltung)
Das Imperium Romanum bestand aus Provinzen und Klientelfürstentümern. Provinzverwaltungen wurden seit 27 v. Chr. zum Teil vom Kaiser, zum Teil vom Senat besetzt. Kaiserliche Provinzen waren etwa Ägypten oder Syrien, die durch Präfekten bzw. Legaten für 2–3 Jahre verwaltet wurden. Zu diesen Legaten für die Provinz Syrien gehörte u. a. P. Sulpicius Quirinius, der im Jahr 6 n. Chr. in dem Verwaltungsgebiet von Judäa eine Volkszählung durchführen ließ (vgl. Lk 2,1f.). Unter anderem unter Tiberius gab es durchaus auch längere Amtszeiten von römischen Funktionsträgern, wie z. B. die zehn Jahre des Pontius Pilatus (Josephus, ant. 18,89). Die zehn senatorischen Provinzen, wie z. B. Asia oder Zypern, wurden vom römischen Senat mit ehemaligen Konsuln bzw. Praetoren für ein Jahr besetzt. Neben den Provinzen gab es Verwaltungsgebiete wie Judäa, deren Leiter Statthaltern untergeordnet waren, die aber keine eigenständigen Provinzen waren (s. u. 2.1.3).
(Statthalter)
Die Statthalter waren vor allem für die Gerichtsbarkeit und die Eintreibung von Steuern und Abgaben verantwortlich. Auch die Durchführung kultischer Verrichtungen für das Heil Roms und des Kaisers sowie für lokale Gottheiten lagen in ihrem Aufgabenbereich. In seiner Amtsführung war ein Statthalter mehr oder weniger frei, sodass Grausamkeit und Ausbeutung ebenso möglich waren wie verständnisvolles Eingehen auf die jeweiligen lokalen Gegebenheiten.
(Lokale Verwaltung)
Erste Verwaltungsinstanz war in der Regel aber keine römische Institution, sondern die lokale Administration. Obwohl die Oberhoheit bei römischen Statthaltern lag, überließen diese viele Bereiche einheimischen Einrichtungen. Vor allem die Ebene der Stadt (πόλις/polis, lat. municipium, civitas) war dabei zentral. Ihre Leitung rekrutierte sich durch Wahl aus den führenden Geschlechtern der Stadt, die in der Lage waren, die finanziellen Belastungen eines Amtes, das unentgeltlich war, zu tragen. Die konkrete Ausgestaltung von Ämtern war aber je nach Stadt und deren Status unterschiedlich. Das entscheidende Gremium war der Rat (βουλή/boulē; lat. curia), dem gegenüber das Volk (δῆμος/dēmos; lat. populus) in römischer Zeit nur noch geringe Bedeutung hatte. Den beiden Gremien zugeordnet war Hilfspersonal wie Schreiber oder Aufsichtsorgane. Auch private Unternehmer erledigten Verwaltungsaufgaben, wie z. B. die Zöllner (τελῶναι/telōnai; lat. publicani), die Steuern und Abgaben erhoben.
2.1.3 Herrschaft in Palästina
Der Großraum Palästina umfasste in der Antike die Gebiete Paneas, Gaulanitis, Trachonitis, Batanäa, Auranitis, Galiläa, Dekapolis, Peräa, Samaria, Judäa, Idumäa sowie einige Küstenstädte wie Askalon/Gaza, Jamneia, Caesarea Maritima, Joppe, Apollonia und Ptolemais. Die Bezeichnung dieses geographischen Bereichs als Palaestina geht auf die Zeit Hadrians nach der Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstands zurück (135 n. Chr.; s. u. 3.5.3). Da er sich in der modernen Altertumswissenschaft als Oberbegriff durchgesetzt hat, wird „Palästina“ hier zur Beschreibung des Großraumes, den in unterschiedlichen Konstellationen Mitglieder der herodianischen Dynastie als Klientelfürsten sowie römische Verwaltungsbeauftragte beherrschten, verwendet.
(Herodes der Große)
An erster Stelle unter den Herrschern Palästinas ist Herodes zu nennen (37–4 v. Chr.), Begründer seiner Dynastie und König von Judäa, Samaria, Galiläa und Batanäa, der daher auch als Herodes der Große bezeichnet wird. Als Idumäer war er eigentlich kein Judäer, achtete aber die Bestimmungen der Tora. Er war als Klientelkönig ein enger Verbündeter des Augustus bzw. Tiberius und trieb die Hellenisierung Palästinas voran. Herodes baute Samaria wieder auf und gründete Caesarea Maritima als Hafenstadt. Er ließ die Paläste von Massada und Herodeion errichten und den Jerusalemer Tempel zu einer großartigen Anlage nach hellenistischem Vorbild umbauen. Hohepriester und Synhedrion, die innerjüdische Leitung, verloren unter ihm ihre traditionelle Macht. Widerstand, auch aus der eigenen Familie, wurde brutal gebrochen, was sich auch in der Erzählung vom Knabenmord in Bethlehem niederschlug (Mt 2,1–19). Herodes teilte sein Reich testamentarisch unter seine Söhne Archelaos, Herodes Antipas und Philippus auf.
(Archelaos / Präfekten)
Archelaos (4 v. Chr.–6 n. Chr.; vgl. Mt 2,22) wurde wegen Unfähigkeit, über die sich die Elite Judäas beschwerte, durch römische Beamte ersetzt. Diese trugen den Titel praefectus/Präfekt, waren ritterlicher Herkunft und untergeordnete Beamte des Legaten von Syrien für das Gebiet von Judäa, Samaria und Idumäa. Sie waren daher auch nicht im eigentlichen Sinn Statthalter. Zu dieser Riege gehörte u. a. Pontius Pilatus (26–36 n. Chr.), unter dem Jesus hingerichtet wurde.
(Herodes Antipas / Philippus)
Das Gebiet von Galiläa und Peräa regierte von 4 v. Chr.–39 n. Chr. Herodes Antipas als Tetrarch. Er war der Landesherr von Johannes dem Täufer und Jesus (Mk 6,14–29; Lk 3,1; 13,31f.; 23,7–12). Philippus erhielt Gebiete im Nordosten Palästinas und regierte von 4 v. Chr.– 33 n. Chr.
(Herodes Agrippa I.)
Von 37–44 n. Chr. gelang es Herodes Agrippa I., einem Freund des Kaisers Claudius, noch einmal, das Großreich seines Großvaters, Herodes dem Großen, wiederherzustellen, allerdings kam er erst im Jahr 41 n. Chr. tatsächlich nach Jerusalem. Unter seiner Regentschaft wurde der Jünger Jakobus, Sohn des Zebedäus, hingerichtet (Apg 12,1f.).
Herrscher aus dem Haus des Herodes
37–4 v. Chr. | Herodes der Große |
4 v. Chr.–6 n. Chr. | Archelaos |
4 v. Chr.–39 n. Chr. | Herodes Antipas |
4 v. Chr.–33 n. Chr. | Philippus |
37/41–44 n. Chr. | Herodes Agrippa I. |
48/49–92/93 n. Chr. | Herodes Agrippa II. |
(Prokuratoren)
Nach dem Tod Agrippas I. übernahmen ab 44 n. Chr. die Römer wieder direkt die Leitung. Die vom Kaiser mit der Verwaltung Beauftragten hatten nun den Rang von Prokuratoren, was ihnen mehr eigenen Handlungsspielraum gab als den früheren Präfekten. Zu nennen sind hier u. a. Cuspius Fadus (44–46 n. Chr.), unter dem es zum Aufstand des Theudas kam (vgl. Apg 5,36), und der romanisierte Judäer Tiberius Iulius Alexander (46–48 n. Chr.). Antonius Felix (52–59 n. Chr.) und Porcius Festus (59–62 n. Chr.) hielten Paulus in Gefangenschaft. Herodes Agrippa II., Sohn von Agrippa I., erhielt ab 48/49 n. Chr. Gebiete im Norden Palästinas, u. a. Galiläa, und herrschte bis 92/93 n. Chr. Nach Apg 25,13–26,32 begegnete Agrippa II. in Caesarea Maritima gemeinsam mit seiner Schwester Berenike dem gefangenen Paulus. Die Rolle der Hohepriester und des Synhedrions war unter diesen Bedingungen die des Vermittlers zwischen römischer Herrschaft und dem Volk vor Ort. Sie bemühten sich um Frieden und die Weiterführung des Kultes, verloren aber zunehmend die Anerkennung ihrer religiösen Legitimation.
(Nach 70 n. Chr.)
Nach dem Ende des ersten Aufstandes der Judäer im Jahr 70 n. Chr. übernahm zunächst der Kommandant der in Jerusalem stationierten Legio X Fretensis auch das Amt des Prokurators. Die nun von Syrien unabhängige senatorische Provinz Judäa, in der um 110 n. Chr. eine zweite römische Legion stationiert wurde, bestand bis zum Ende des zweiten Aufstandes (132–135 n. Chr.). Nach dessen Niederschlagung wurde Judäa in Syria-Palästina umbenannt.
Römische Beauftragte in Palästina 6–66 n. Chr.
Präfekten
6–9 | Coponius |
9–12 | Marcus Ambibulus |
12–15 | Annius Rufus |
15–26 | Valerius Gratus |
26–36 | Pontius Pilatus |
36–37 | Marcellus |
37–41 | Marullus |
(37/41–44 Agrippa I.)
Prokuratoren
44–46 | Cuspius Fadus |
46–48 | Tiberius Iulius Alexander |
48–52 | Ventidius Cumanus |
52–59 | Antonius Felix |
59–62 | Porcius Festus |
62–64 | Albinus |
64–66 | Gessius Florus |
2.2 Gesellschaft und Kultur
2.2.1 Der mediterrane Raum
(Verbreitungsgebiete des Christentums)
Vom Großraum Palästina mit seinen zahlreichen Landschaften ausgehend kam der Christusglaube bis 135 n. Chr. in weite Bereiche des römischen Imperiums. Belegt ist dies vor allem für Syrien, Kleinasien, Griechenland und das südliche Italien, doch ist auch eine frühe Verbreitung nach Ägypten und Nordafrika, nach Norditalien, auf den Balkan und vielleicht auch nach Spanien sehr wahrscheinlich. In dieser Welt entstand das frühe Christentum. Es ist daher von größter Bedeutung, die verschiedenen Kontexte, aus denen die ersten Christusgläubigen stammten und in denen sie selbstverständlich lebten, genauer zu betrachten.
2.2.1.1 Der einheitliche Kulturraum
(Hellenisierung)
Von größter Bedeutung für die Entstehung und Ausbreitung der Christusbotschaft war der durch die Hellenisierung seit Alexander dem Großen (356–323 v. Chr.) entstandene einheitliche Kulturraum. Griechische Kultur war vor allem in der östlichen Hälfte des Imperiums das bestimmende Moment, das sich in allen Lebensbereichen durchsetzte. Städte wurden nach griechischem Vorbild gebaut und gesellschaftlich strukturiert. Gymnasien, Bäder, Theater und Tempel wurden an allen Orten zu Kennzeichen griechischer Lebenskultur. Die Verehrung der olympischen Götter war überall verbreitet, und die jeweiligen autochthonen Kulte wurden mithilfe einer interpretatio Graeca integriert. Auch griechische Philosophie verbreitete sich weit über Griechenland hinaus, sodass sie in der Kaiserzeit ihre Zentren in Alexandria oder Rom hatte. Da sich auch die römische Welt in weiten Bereichen der Hellenisierung anschloss, kann man für den Mittelmeerraum von einer beinahe vollständigen Akkulturation ausgehen, die zu einem einheitlichen Kulturraum führte.
(Koine-Griechisch)
Für die Übernahme der griechischen Kultur spielte auch die griechische Sprache eine eminent wichtige Rolle Sie wurde zur Lingua franca im gesamten östlichen Mittelmeerraum bis weit in die Bevölkerungen Roms und Süditaliens hinein. Nicht nur in den Städten, sondern auch in den ländlichen Bereichen etwa Kleinasiens wurde Koine-Griechisch, das „allgemeine“ Griechisch, gesprochen. Damit verstärkte sich die Möglichkeit, Ideen und Kulte zu verbreiten, noch weiter. So ist es nicht verwunderlich, dass ab dem 3. Jh. v. Chr. Judäer in Alexandria ihre heiligen Schriften ins Griechische übersetzten und damit die Septuaginta (LXX) schufen. Später wurden auch das Neue Testament sowie die gesamte frühchristliche Literatur in Koine-Griechisch verfasst.
(Lokale Besonderheiten)
Selbstverständlich gab es von dieser umfassenden Akkulturation partielle Ausnahmen, die in einzelnen Bereichen eine gewisse Eigenständigkeit bewahrten. Das konnte etwa die Sprache betreffen: So blieb in Syrien und Palästina Aramäisch die erste Sprache, auch wenn in den Städten Griechisch vorherrschte. Auch lokale Sprachen wie das Hebräische, Koptische, Lykaonische oder Phrygische wurden weiterhin gesprochen. Die Hellenisierung der Kulte wurde in manchen Gebieten nur teilweise betrieben, wie sich am Judentum oder an ägyptischen religiösen Traditionen zeigt. Auch die Wirtschaftsstrukturen wurden nicht überall gleichermaßen dem griechischen Modell angepasst.
2.2.1.2 Stabilität und Pax Romana
(Pax Romana)
Das Imperium Romanum befand sich in der Zeit des frühen Christentums trotz mancher Konflikte an den Außengrenzen und seltener politischer Unsicherheit in einer Phase der Stabilität und Ausdehnung, der sogenannten Pax Romana. Das ermöglichte Investitionen in eine prosperierende Wirtschaft, die umfassende Neugestaltung der Städte und den Aufbau einer für antike Verhältnisse hervorragenden Infrastruktur. Zahlreiche römische Straßen, die sowohl dem imperiumsweiten Handel wie auch dem Militär dienten, verbanden alle Teile des Reiches. So konnte etwa Paulus auf seinen Reisen zwei bekannte Straßen nutzen: die Via Sebaste im Inneren Kleinasiens, die durch das pisidische Antiochien, Ikonion und Lystra führte, und die Via Egnatia, die vom Bosporus durch Makedonien und Illyrien bis an die Adriaküste verlief. Die erfolgreichen Kämpfe gegen das Piratenunwesen erlaubten zudem Schiffsreisen, mit denen weite Entfernungen relativ sicher bewältigt werden konnten.
2.2.2 Die Stadt als Zentrum des antiken Lebens
(Stadt)
Das soziale Leben war im Osten des Imperiums durch die Stadt geprägt. Diese bestand aus der eigentlichen Polis und ihrem landwirtschaftlich bedeutenden Umfeld. Die Stadt war der Kulturraum, in dem sich das frühe Christentum hauptsächlich verbreitete. Während die Leute auf dem Land als ungebildet galten, hatte die Stadt ein geordnetes Bildungs- und Kulturangebot und war durch Ämter und Verwaltungseinheiten strukturiert. Sie bot durch Märkte und Handwerksstätten zahlreiche ökonomische Möglichkeiten und stellte gesellschaftliche Angebote zur Verfügung. Gymnasien und Bäder sowie Vereinigungen erfüllten das Bedürfnis nach Geselligkeit, Theater und Stadien das nach Unterhaltung. In Tempeln unterschiedlicher Gottheiten vollzog sich darüber hinaus das religiöse Leben einer Stadt.
(Provinz)
Mit dem Vordringen und der Machtübernahme der Römer trat ein weiteres Element hinzu. Zum einen wurden die Städte, die zuvor Teile von lokalen Königreichen gewesen waren, in Provinzen eingegliedert. Der Statthalter und sein Apparat legten nun die Regeln fest, die Steuern flossen nach Rom. Manche Städte erhielten zwar Privilegien, die ihnen ein höheres Maß an Selbstverwaltung zubilligten, doch auch sie standen selbstverständlich unter der Herrschaft Roms. Die Gründung zahlreicher römischer Kolonien, wie z. B. von Korinth oder Philippi, und die Zuwanderung in die großen Städte führten zu einer wachsenden Präsenz römischer Bürger im Osten, die dort auch kulturell ihren Stempelabdruck hinterließen. Die lokalen Eliten der Städte waren daher stets um gute Beziehungen zu den römischen Institutionen und vor allem zum Kaiser bemüht. Zugleich war die frühe Kaiserzeit eine Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs gerade der Provinzen im Osten, was sich an den zahlreichen öffentlichen Bauwerken bis heute erkennen lässt.
Karte 1: Das römische Reich in neutestamentlicher Zeit
2.2.3 Soziale Gruppen
Unterhalb der Polis-Ebene bestanden verschiedene Gruppen mit einer hohen Bedeutung für das gesellschaftliche Zusammenleben.
2.2.3.1 Familie und Haus
(Haus)
Basis der Gesellschaft war die Familie. Ihre Bezeichnung als „Haus“ (οἶκος/oikos bzw. οἰκία/oikia; lat. domus) lässt erkennen, dass die Familie – Eltern mit 2–3 Kindern – mit dem Haushalt identifiziert wurde und über die verwandtschaftlichen Grenzen hinaus auch Sklaven und Sklavinnen bzw. Freigelassene umfassen konnte. Das gilt auch für das semitische Äquivalent bayit. Je nach wirtschaftlicher Potenz konnte ein „Haus“ größer oder kleiner sein. Oft wohnten auch noch die Großeltern oder andere Verwandte unter demselben Dach. Die Orientierung am Haus zeigt an, dass die Familie auch als ökonomische Einheit verstanden wurde. Antike Werke aus der Feder etwa des Xenophon oder (angeblich) des Aristoteles widmeten sich unter dem Titel „Ökonomie“ ausführlicher der ordentlichen Führung eines Haushalts.
(Rollen im Haus)
Das Rollenverständnis innerhalb der Familien war klar festgelegt: Der Hausherr (griech. οἰκοδεσπότης/oikodespotēs; lat. paterfamilias) war der Herr über alle Mitglieder des Hauses, oberster Priester der Hauskulte und Repräsentant nach außen. Die Aufgaben der Frau wurden zumeist auf den internen Bereich festgelegt, also Hauswirtschaft und Erziehung. Kinder und Sklaven/Sklavinnen standen am unteren Ende der Hierarchie. Die Erfüllung der jeweiligen Rollen war Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Haushalts. Das gilt grundsätzlich in allen Gegenden des Mittelmeerraums, wenngleich es zwischen griechischer und römischer Tradition durchaus Unterschiede gab, die u. a. rechtliche Regelungen betrafen. Der jeweilige gesellschaftliche Stand konnte überdies Frauen mehr oder weniger Freiraum ermöglichen.
2.2.3.2 Freie und Sklaven
Als frei galten in der griechisch-römischen Gesellschaft all jene, die entweder frei geboren oder aus der Sklaverei freigelassen worden waren. Frei Geborene bildeten jenen Teil der Polis-Gesellschaft, der an den politischen Prozessen beteiligt war, wobei auch ökonomische und andere Faktoren selbstverständlich eine Rolle spielten. Freigelassene hingegen unterlagen verschiedenen Einschränkungen, die erst bei ihren Nachkommen, die als frei geboren galten, wegfielen.
(Stellung von Sklaven)
Hinsichtlich der Stellung von Sklaven und Sklavinnen die Angehörige von Haushalten mit entsprechenden finanziellen Mitteln waren, ist eine differenzierte Wahrnehmung wichtig. Grundsätzlich galt ein Sklave (griech. δοῦλος/doulos; lat. servus) als Eigentum seines Herrn, über das dieser vollständige Verfügungsmacht hatte. Es handelte sich also um ein strukturelles Gewaltverhältnis, das allerdings in der Praxis und zumal in der Kaiserzeit gegenüber den historischen Anfängen bereits abgemildert war. Die Situation der Sklaven und Sklavinnen, die 15–30 Prozent der Bevölkerung einer Stadt ausmachten, hing von ihrem Einsatzort und ihrer Ausbildung ab: Am schlechtesten stand es wegen der Arbeitsbedingungen um jene, die in Bergwerken arbeiten mussten. Die Landgüter (Latifundien) der Oberschicht waren nur durch die Arbeitskraft von Sklaven wirtschaftlich zu führen, wobei die Aufsicht zumeist ebenfalls einem Sklaven überlassen wurde (vgl. Lk 12,42–48). Eine gute Behandlung der Sklaven als wichtige Arbeitskräfte war durchaus bedeutend, um die wirtschaftliche Investition zu schützen. Viele Sklaven und Sklavinnen in den Städten gehörten zu einzelnen Haushalten (Haussklaven, griech. οἰκέται/oiketai) und erfüllten neben Haushaltstätigkeiten auch Funktionen als Erzieher, Lehrer oder Schreiber. Andere arbeiteten in Werkstätten, in der städtischen oder imperialen Verwaltung bzw. in der Prostitution. Ihre Lebensverhältnisse richteten sich nach ihrer Qualifikation und Bindung an den Hausherrn oder andere Mitglieder der Familie. Einige wenige Sklaven, u. a. jene, die zum Kaiserhaus gehörten, hatten durchaus machtvolle Positionen inne. Ein Sklave zu sein, musste also nicht automatisch Armut oder Misshandlungen mit einschließen. Die Lebensumstände eines Sklaven hingen vielmehr von den sozialen und ökonomischen Verhältnissen des Besitzers sowie von dessen Umgang mit seinen Sklaven ab.
(Neue Sklaven)
Eine Quelle von Sklaven und Sklavinnen waren Kriege, in deren Folge die Unterlegenen in großer Zahl und in alle Bereiche des Mittelmeerraums verkauft wurden. Solche Auseinandersetzungen konnten den hohen Bedarf allerdings nur kurzfristig ausgleichen. In der Kaiserzeit waren die meisten Sklaven und Sklavinnen selbst Nachkommen von Sklaven (οἰκογενεῖς/oikogeneis, lat. vernae). Junge oder neue Sklaven wurden im Haus ausgebildet, um dann auch gewinnbringend verkauft werden zu können. Der Hausherr konnte Ehen zwischen Sklaven erlauben, zugleich waren sexuelle Beziehungen zwischen ihm und Sklavinnen bzw. Sklaven ebenfalls möglich. Kinder von Sklaven waren Eigentum des Besitzers.
(Freilassung)
Ein wichtiges Lebensziel vieler Sklaven und Sklavinnen war die Freilassung durch ihren Herrn (άπ-έλευθερία/ap-eleutheria, lat. manumissio). Während der Sklave ein Freigelassener wurde, ein άπ-έλεύθερος/ap-eleutheros (lat. libertus), wurde sein Herr zu seinem Patron. Er besaß dadurch noch ein gewisses Verfügungsrecht über seinen ehemaligen Sklaven, der nun zu seinem Klienten geworden war. Die Freilassung von Sklaven und Sklavinnen konnte auch testamentarisch festgesetzt oder durch die Zahlung einer Geldsumme an den Besitzer erreicht werden. Vielen Sklaven und Sklavinnen wurde von ihren Besitzern die Möglichkeit eingeräumt, Geld anzusparen, um sich schließlich selbst freikaufen zu können. Die Aussicht auf Freilassung führte dazu, dass Flucht, die strengstens bestraft wurde, und Aufstände wie jene, die zwischen 140 und 70 v. Chr. blutig niedergeschlagen wurden, eher selten waren.