Kitabı oku: «Justine», sayfa 3
Ohne sich verständlich machen zu können, wurde Justine in eine Kutsche geworfen. Dubourg und sein Kammerdiener begleiteten sie unter der Maske von Soldaten nach den Gefängnissen, in die sie beide eher hineingepaßt hätten. Sobald Dubourg im Wagen war, verübte er Grausamkeiten, die man sich nicht vorstellen kann. Justine war wehrlos. Mit Hilfe des Kammerdieners wurden ihr die Röcke aufgeschürzt, und Dubourg küßte, schlug und mißhandelte sie am ganzen Körper. Aber wieder wurde der Altar mit dem Opfertrank begossen, der fürs Heiligtum bestimmt war und den zu großer Eifer nicht an seinen Bestimmungsort gelangen ließ. Endlich kam der Wagen an. Man stieg aus, und unsere Heldin wurde als Diebin eingesperrt, ohne daß sie auch nur ein Wort zu ihrer Rechtfertigung vorbringen konnte.
Mit einem Unglücklichen, der keinen Einfluß hat, wird kurzer Prozeß gemacht. Justine konnte sich soviel sie wollte verteidigen: Ihre Herrin klagte sie an, die Uhr hatte sich in ihrem Zimmer gefunden; es war klar, daß sie sie gestohlen hatte. Als sie vorbringen wollte, wie man ihre Ehre angegriffen habe, wie sich Dubourg verkleidet und was er während der Überführung getrieben habe, hielt man ihr entgegen, daß Herr Dubourg und Madame Delmouse seit langem als achtbare, solcher Greuel unfähige Leute bekannt seien. Sie wurde also ins Gefängnis gebracht, wo ihre Hartnäckigkeit mit Entziehung ihrer Freiheit belohnt wurde. Erst ein neues Verbrechen sollte sie retten. Alle Klagen und Beschwerden Justines über ihre Verderber waren vergeblich. Ja der Himmel überschüttete diese Schufte sogar im Gegenteil mit Glück. Die Delmouse erbte einige Tage später von einem Onkel 50000 Francs Rente, und Dubourg erhielt von der Regierung eine neue Einnahmequelle, die seine Einkünfte um 400000 Francs jährlich erhöhte.
Justine war in ihrem Gefängnis mit einer ungefähr dreißigjährigen Frau zusammen, die ebenso durch ihre Schönheit wie durch ihren Geist und die Art ihrer zahllosen Vergehen hervorstach. Sie hieß Dubois und war so wie Justine auf ihr Todesurteil gefaßt. Justine hatte diesem Geschöpf eine Art Interesse eingeflößt, das zwar das Verbrechen zur Grundlage hatte, aber in der Folge durch die Tugend befreite.
Eines Abends, vielleicht zwei Tage bevor beide ihr Leben verlieren sollten, sagte die Dubois zu Justine, sie möge sich nicht schlafen legen, sondern sich unauffällig so nahe wie möglich dem Gitter aufhalten. »Zwischen sieben und acht Uhr«, fuhr sie fort, »wird im Gefängnis Feuer ausbrechen. Dafür habe ich gesorgt. Zweifellos werden viele Menschen umkommen, aber was liegt daran, wenn es sich um unser Wohl handelt. Inmitten des Todes und der Flammen wollen wir – vier meiner Kameraden, du und ich – uns retten. Ja, ich verspreche es dir, wir werden uns retten.«
Durch eine jener unbegreiflichen Launen des Geschicks war es, nachdem es eben die Unschuld an unserer Heldin bestraft hatte, jetzt dem Verbrechen dienstbar. Das Feuer brach tatsächlich aus und sechzig Personen verbrannten. Aber Justine, die Dubois und ihre Mitverschworenen retteten sich und erreichten noch in derselben Nacht die Hütte eines Holzhauers im Wald von Bondy, der ein guter Freund der Verbrecherbande war.
»Du bist nun frei, Justine«, sagte jetzt die Dubois, »du kannst dir jetzt dein Leben einrichten, wie du willst. Aber wenn du meinem Rat folgst, mein Kind, so verzichtest du auf diese Tugendäußerungen, die, wie du siehst, dir noch niemals geholfen haben. Ein lächerliches Feingefühl, da es sich doch nur darum handelte, geliebt zu werden, brachte dich bis an die Stufen des Schafotts. Ein schreckliches Verbrechen rettet dich vor ihm. Sieh also, wozu gute Handlungen in der Welt dienen und ob es der Mühe wert ist, sich dafür aufzuopfern. Du bist jung und hübsch, Justine. In zwei Jahren will ich dein Glück gemacht haben. Wenn man diesen Weg machen will, muß man mehr als ein Handwerk kennen. Der Diebstahl, Mord, Raub, Brandstiftung, Hurerei, Ausschweifung, das sind die Tugenden unseres Standes. Überlege es dir, teures Mädchen, und gib uns bald Antwort. Denn es ist in dieser Hütte wenig sicher, wir müssen noch vor Tagesanbruch fort.« – »Oh, Madame«, erwiderte Justine, »ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet und weit davon entfernt, mich dem entziehen zu wollen. Sie haben mir das Leben gerettet. Es ist schrecklich für mich, daß dies durch ein Verbrechen geschah. Glauben Sie mir, daß, wenn ich es hätte begehen müssen, ich hundert Tode vorgezogen hätte. Ich merke wohl, welchen Gefahren ich durch meine Tugend ausgesetzt war. Aber wie groß immer sie gewesen sein mögen, ich werde sie auch weiterhin dem Glück vorziehen, das man durch ein Verbrechen erreichen muß. Er gibt in mir moralische und religiöse Grundsätze, die – dem Himmel sei Dank! – mich niemals verlassen werden. Wenn Gott mir Prüfungen schickt, so geschieht es, um mich in einer besseren Welt zu entschädigen. Diese Hoffnung tröstet mich, sie stärkt mich und läßt mich allen Leiden trotzen.«
»Tod und Teufel!«, rief die Dubois mit gerunzelten Augenbrauen aus, »das sind unsinnige Gedanken, die dich bald ins Gefängnis bringen werden. Laß deinen niederträchtigen Gott laufen, meine Tochter; seine himmlische Gerechtigkeit, seine Belohnung und Bestrafung, alles das sind Plattheiten, die nur für Dummköpfe etwas taugen. Du bist zu klug, um dran zu glauben. Oh, Justine! Die Hartherzigkeit der Reichen berechtigt die Armen zu ihrer Schlechtigkeit. Ihre Schatzkammern mögen sich öffnen, die Menschlichkeit soll in ihre Herzen einziehen, und wir werden nur für die Tugend leben. Die Natur hat uns alle gleich geschaffen, Justine. Wenn das Schicksal mit seiner ungerechten Härte sich darin gefällt, dieses allgemeine Gesetz umzustoßen, so ist es unsere Sache, seine Launen zu korrigieren.«
Die Beredsamkeit der Dubois wirkte viel rascher als die der Delmouse. Die Sache des Verbrechens wird einem Unparteiischen gegenüber viel besser von dem verteidigt, der aus Not handelt, wie von dem, der sich ihm nur um der Wollust willen hingibt. Justine war wie betäubt und glaubte schon, der Verführung dieser geschickten Frau nachgeben zu müssen. Aber eine stärkere Stimme in ihrem Herzen bekämpfte diese Schwäche, und sie erklärte der Verführerin, daß ihr das Verbrechen ein Greuel sei und daß sie lieber sterben wolle als jemals eines zu begehen. »Nun gut«, erwiderte die Dubois, »mache was du willst. Ich überlasse dich deinem schlimmen Stern. Aber wenn du wieder ergriffen werden solltest, was ja bei deinem Ungeschick nicht ausbleiben wird, sprich niemals von uns anderen.«
Während dieses Zwiegespräches tranken die vier Genossen der Dubois mit dem Holzhauer; und da der Wein gewöhnlich die Seele des Missetäters zu größeren Exzessen aufstachelt, beschlossen die Bösewichte, nachdem sie den Bescheid Justines erfahren hatten, aus ihr ein Opfer zu machen. Ihre Grundsätze, ihre Beschäftigung (es waren Straßenräuber), ihre Sitten, ihr gegenwärtiger Körperzustand (man ist nach drei Monaten Gefängnis sehr geil), die Finsternis, die Sicherheit, in der sie sich befanden, ihre Trunkenheit, die Unschuld Justines, ihr Alter und ihre göttlichen Reize: alles das feuerte sie an und ermunterte sie. Sie hörten auf zu trinken und beratschlagten. Dann befahlen sie Justine, sie möge sich auf der Stelle den Wünschen eines jeden von den vieren hingeben. Wenn es gutwillig geschähe, würden sie ihr jeder einen Franc geben. Sollten sie aber Gewalt gebrauchen müssen, so würde es auch so gehen. Dann aber würden sie sie nach Gebrauch erdolchen und verscharren, damit das Geheimnis bewahrt bleibe.
Man kann unmöglich die Wirkung schildern, die diese neue Grausamkeit in Justine hervorrief. Sie warf sich der Dubois zu Füßen und beschwor sie, noch einmal ihre Beschützerin zu sein. Aber die lachte bloß über ihre Tränen. »Heiliger Himmel!«, sagte sie zu ihr, »du bist aber sehr unglücklich zu nennen! Du schauderst darüber, daß du von diesen vier schönen jungen Männern hintereinander geliebt werden sollst! Sieh«, sagte sie, indem sie ihr die vier einzeln vorführte, »sieh diesen hier, er heißt Kertenbrecher, ist fünfundzwanzig Jahre alt und hat ein Glied, das man bewundern müßte, wenn nicht das meines Bruders hier wäre. Er heißt Eisenherz und ist dreißig Jahre alt. Sieh dir diesen Wuchs an und erst dies Glied! Ich wette, daß du es mit beiden Händen nicht umfassen kannst. Dieser Dritte heißt Obdachlos. Sieh diesen Schnurrbart an. Er ist sechsundzwanzig Jahre alt und« – leise zu Justine –, »am Abend, bevor wir eingesperrt wurden, hat er mich elfmal geliebt. Aber bei dem vierten mußt du mir zugestehen, daß er ein Engel ist. Er ist für seinen Beruf zu schön, zählt einundzwanzig Jahre, und wir nennen ihn den Lebemann. Bei seinen Veranlagungen wird er es auch werden; aber sein Glied, Justine, sein Glied mußt du sehen. Sieh, wie lang, wie dick und wie hart es ist, wie wundervoll diese Spitze ist. Ich versichere dir, wenn ich dieses Ding in meinen Eingeweiden habe, glaube ich besser geliebt zu werden als Messalina es jemals wurde. Aber weißt du auch, mein Kind, daß es 10000 Frauen in Paris gibt, die die Hälfte ihres Vermögens oder ihres Schmuckes darum gäben, wenn sie an deiner Stelle sein könnten.« Nach einigem Nachdenken fuhr sie fort: »Höre, ich habe genug Macht über diese Schelme, damit dir von ihnen Gnade gewährt werde, aber du mußt ihrer würdig sein.« – »Ach, Madame, was muß ich tun? Befehlen Sie mir!« – »Du mußt uns nachfolgen, töten, stehlen, vergiften, mißhandeln, brandstiften, rauben, verwüsten wie wir. Um diesen Preis will ich dich retten!« Jetzt schien es Justine, als ob sie nicht zögern dürfe. Denn die neuen Gefahren, die ihr durch ihre Einwilligung drohten, waren nicht so nahe. »Nun gut, Madame, ich will überallhin mitgehen«, rief sie aus, »überallhin, ich verspreche es Ihnen! Retten Sie mich vor der Wut dieser Männer, und ich will Sie in Ihrem Leben nicht wieder verlassen!«
»Kinder«, sagte die Dubois, »dieses Mädchen gehört jetzt zu unserer Truppe. Ich nehme sie auf. Ich bitte, ihr keine Gewalt anzutun. Durch ihre Jugend und ihre Gestalt kann sie uns nützlich sein, also verleiden wir ihr nicht ihren neuen Beruf.«
Aber es gibt Grade der Leidenschaft, bei denen nichts mehr verfängt; und je mehr man dann versucht, die Stimme der Vernunft zu Gehör zu bringen, desto weniger wird sie gehört. Die Kameraden der Dubois befanden sich in diesem unglückseligen Zustand, und alle vier warteten mit dem Glied in der Hand auf die Entscheidung der Würfel, wer die Erstlinge erhalten solle. »Nein«, sagte Kettenbrecher, »die Hure muß dran glauben. Es gibt nichts, das sie retten kann. Würde man nicht sagen, daß man eine Jungfernprobe ablegen müsse, bevor man in eine Diebesgesellschaft aufgenommen wird!« – »Teufel noch einmal! Ich will lieben!«, rief Obdachlos aus, indem er sich Justine mit dem Glied in der Hand näherte, »ja, ich will lieben – oder sie erwürgen; sie möge wählen!«
Unser unglückliches Kind schauderte. Kaum konnte sie atmen. Sie warf sich vor den vier Banditen nieder, und ihre schwachen Arme streckten sich flehend aus: »Einen Augenblick«, sagte jetzt Eisenherz, der in seiner Eigenschaft als Bruder der Dubois die Ehre hatte, der Truppe zu kommandieren, »einen Augenblick, meine Freunde. Mir geht es so wie euch. Wie Ihr, will ich entladen. Aber ich glaube, daß es trotzdem möglich ist, daß jedermann zufrieden gestellt wird. Da diese kleine Hure so viel auf ihre Tugend hält und uns diese Eigenschaft an ihr nützlich werden kann – wie meine Schwester sehr richtig bemerkte –, so wollen wir ihr ihre Jungfernschaft lassen. Aber wir müssen befriedigt werden, und in dem Zustand, in dem wir uns befinden, würden wir, wie du bemerken kannst, meine liebe Schwester, vielleicht euch beide erwürgen, wenn Ihr euch unseren Wünschen widersetztet. Die entfesselten Leidenschaften eines Mannes sind fürchterlich. Also füge dich, ich rate es dir. Folgendes ist mein Vorschlag:
Justine muß sich völlig nackt ausziehen und dann der Reihe nach sich den wollüstigen Launen eines jeden hingeben, während die Dubois das Opfer empfangen wird, dem diese Närrin den Eingang verweigert.«
»Nackt ausziehen?!«, rief Justine, »ich soll mich vor Männern entkleiden? Oh, gerechter Gott, was verlangen Sie von mir? Und wer beschützt mich dann vor Ihren Angriffen, wenn ich mich Ihren Blicken ausgeliefert haben werde?« – »Wer schützt dich denn jetzt, Hure?«, sagte der Lebemann, indem er eine Hand unter Justines Röcke steckte und seine Lippen auf ihren Mund preßte. »Ja, wer Teufel, schützt dich?«, sagte Obdachlos, indem er die Kehrseite bearbeitete. »Du siehst wohl, daß du uns ausgeliefert bist. Du siehst wohl, daß dir nichts anderes übrig bleibt, als dich zu unterwerfen.« – »Vorwärts, laßt sie los«, sagte Eisenherz, indem er Justine seinen Kameraden entriß, »laßt sie ruhig unseren Anordnungen nachgehen.« – »Nein«, sagte Justine, sobald sie sich frei sah, »nein, Sie können mit mir machen, was Sie wollen; Sie sind die Stärkeren; aber Sie werden nichts gutwillig von mir erreichen.« – »Nun denn, Hure«, sagte Eisenherz, indem er ihr eine Ohrfeige versetzte, die sie aufs Bett warf, »so werden wir dich entkleiden.« Damit zog er ihr die Röcke über den Kopf und löste sie mit seinem Messer auf so schreckliche Art los, daß man einen Augenblick glaubte, daß der Schuft den Bauch der Unglücklichen entzwei geschnitten habe. Sofort war der schönste Körper der Welt den Blicken der Wollust preisgegeben. »Verteilen wir uns«, sagte Eisenherz. »Du, Schwester, lege dich auf dieses Bett und Kettenbrecher soll sich mit dir beschäftigen. Justine soll mit gespreizten Beinen über der Dubois hockend, ihre Scheide Kettenbrecher nähern.« – »Teufel, ja«, sagte der geile Bock, indem er sich rasch an die Dubois heranmachte, »es gibt für mich keinen größeren Genuß, und ich danke dir, daß du daran gedacht hast.« Er steckte sein Glied hinein, er entlud, und Obdachlos ging an die Arbeit. »Während ich deine Schwester liebe«, sagte er zum Befehlshaber, »halte mir dieses Lumpenweib vor Augen.« Man tat es, und er schlug mit der flachen Hand bald auf die Wangen, bald auf die Brust Justines. Manchmal küßte er sie auf den Mund und biß ihr in die Zungenspitze, dann wieder rieb er ihr die Brustrosen derart, daß sie fast ohnmächtig wurde. Sie litt furchtbar und bat um Gnade. Tränen rannen ihr aus den Augen, aber das entflammte den Verbrecher um so mehr.
Nun kam die Reihe an den Lebemann. Er steckte ihn der Dubois hinein, aber Eisenherz sagte: »Warte, mein Sohn, ich will dich von hinten bearbeiten und dieses Lumpenweib wollen wir zwischen uns nehmen.«
Danach sprach man vom Aufbruch; und noch in derselben Nacht erreichte die Truppe Le Tremblai mit der Absicht, bis in die Wälder von Chantilly vorzudringen.
Nichts glich der Verzweiflung Justines. Wir glauben, daß unsere Leser sie jetzt genügend kennen, um gewiß zu sein, daß sie nur mit dem allergrößten Widerwillen diesen Leuten folgte, und daß, wenn sie es tat, es nur mit dem festen Entschluß geschah, so bald als möglich aus ihrer Nähe zu flüchten.
Unsere Verbrecherbande übernachtete in der Umgebung von Louvres auf Strohbündeln.
Unsere keusche Waise hatte die Absicht, die Nacht an der Seite der Dubois zu verbringen. Aber die Hure hatte anderes zu tun, als die Tugend anderer zu beschützen. Drei Banditen waren mit ihr beschäftigt, und allen dreien gab sie sich zu gleicher Zeit hin. Der vierte – Eisenherz – näherte sich Justine. »Schönes Kind«, sagte er zu ihr, »ich hoffe, daß Sie mir wenigstens gestatten, die Nacht in Ihrer Nähe zu verbringen. Fürchten Sie nichts«, fuhr er fort, als er ihren Widerwillen bemerkte, »wir werden plaudern, und nichts soll ohne Ihren Willen geschehen.«
»O Justine«, fuhr er fort, indem er sie in seine Arme preßte, »ist es nicht eine Narrheit von Ihnen, daß Sie sich bei uns keusch erhalten wollen? Ja, wird das überhaupt mit dem Interesse der Bande vereinbar sein? Es wäre unnütz, vor Ihnen ein Geheimnis daraus zu machen, daß, wenn wir nach den Städten kommen werden, wir mit Hilfe Ihrer Reize Fallen stellen wollen.« – »Nun, Monsieur«, erwiderte Justine, »da ich eher den Tod vorziehen würde, als dazu behilflich sein, warum widersetzen Sie sich meiner Flucht?« – »Sicherlich widersetzen wir uns, mein Engel«, erwiderte Eisenherz. »Sie müssen entweder unserer Lust oder unserem Interesse dienen. Ihr Unglück legte Ihnen dieses Joch auf. Aber, Justine, alles in dieser Welt läßt sich ins richtige Geleise bringen. Hören Sie mir also zu: Wenn sie einwilligen, mit mir zu leben, mir allein anzugehören, so erspare ich Ihnen die traurige Rolle, die Sie erwartet.« – »Ich soll die Geliebte eines …« – »Sprechen Sie es nur aus, eines Gauners, werden, nicht wahr? Sicherlich kann ich Ihnen keinen anderen Titel bieten, aber überlegen Sie ein wenig. Da Sie doch unbedingt das verlieren müssen, was Ihnen so kostbar ist, ist es nicht besser, es einem einzelnen Mann zu opfern, der dann Ihre Stütze und Ihr Beschützer wird, als allen?« »Warum aber soll mir ein anderer Weg nicht möglich sein?« »Weil wir Sie festhalten, mein Kind, und der Stärkere immer im Recht ist. In Wahrheit«, fuhr Eisenherz rasch fort, »wie kann ein Mädchen so einfältig sein und glauben, daß ihre Tugend von der mehr oder minder großen Weite eines ihrer Körperteile abhängt? Diese Keuschheit, die man sie von Kindheit an als Tugend betrachten lehrte, beleidigt sichtbar sowohl die Natur wie die menschliche Gesellschaft. Aber schön; ich will Ihnen beweisen, daß ich Ihnen gern gefallen möchte und Ihre Schwäche achten will. Ich werde dieses Phantom, dessen Besitz Sie so erfreut, nicht berühren. Ein so hübsches Mädchen hat mehr als eine Gunst zu vergeben, und Venus wird bei ihr in mehr als einem Tempel verehrt. Ich will mich mit dem schmälsten begnügen. Sie wissen, meine Teure, in der Nähe des Labyrinths von Cypris gibt es einen dunklen Gang, in dem sich die Liebesgötter verstecken, um uns mit noch mehr Kraft zu locken. Dort ist der Altar, auf dem ich opfern will; daran ist nichts auszusetzen. Wenn Sie eine Schwangerschaft befürchten, so ist Ihre Furcht in diesem Fall unbegründet. Ihre schöne Gestalt wird nicht verloren gehen. Ihre Erstlinge bleiben Ihnen bewahrt, und Sie werden Sie einst keusch darbieten können. Nichts verrät ein Mädchen, das auf dieser Seite liebt. Wie heftig die Angriffe sein mögen, sobald die Biene den Honig aufgesaugt hat, schließt sich der Kelch der Rose derart fest, daß man glaubt, er könne sich nicht wieder öffnen. Wie viele Mädchen gibt es nicht, die zehn Jahre auf dieser Art Lust genossen haben und sich später als Jungfrauen verheiratet haben. Wie viele Väter, wie viele Brüder gibt es nicht, die ihre Töchter, ihre Schwestern so gebraucht haben, ohne daß sie deshalb weniger würdig geworden seien, den Ehebund zu schließen. Mit einem Wort: dieser Gang ist das Obdach des Geheimnisses. Dort verbindet sich die Liebe mit der Keuschheit. Soll ich Ihnen noch mehr sagen, Justine? Wenn dieser Tempel der geheimnisvollste ist, so ist er auch gleichzeitig der wonnevollste. Die weite Annehmlichkeit des Nachbars taugt lange nicht so viel wie der aufregende Zauber eines Lokals, in das man nur mit Anstrengung eindringt, und in dem man nur mit Mühen wohnt. Selbst die Frauen gewinnen dabei nur, und diejenigen, die einmal aus Vernunftgründen gezwungen waren, nur diesen Weg beschreiten zu lassen, bleiben immer dabei. Versuchen Sie es, Justine. Leihen Sie mir Ihren göttlichen kleinen Popo, und wir werden beide zufrieden sein.«
»Monsieur«, sagte Justine, indem sie sich, so gut es ging, den Angriffen des Wüstlings widersetzte, »ich habe keinerlei Erfahrung in den gräulichen Dingen, von denen Sie sprechen. Aber ich habe trotzdem sagen hören, daß dieses Vergehen sowohl die Frauen wie die Natur selbst beleidigt. Gottes Hand bestraft es in dieser Welt, und die Städte Sodom, Gomorrha, die Gott in Flammen untergehen ließ, sind ein überzeugendes Beispiel, wie empört der Ewige über diese Handlung ist. Die menschliche Gerechtigkeit hat, so gut sie konnte, die Strafe des höchsten Wesens übernommen, und die Unglücklichen, die sich diesem Laster hingeben, lassen ihr Leben auf Scheiterhaufen.«
»Welche Unschuld! Welche Kindlichkeit!«, fuhr Eisenherz fort. »Oh, Justine, wer konnte Ihnen so dumme Vorurteile einpflanzen?«
Eisenherz geriet in Flammen. Er lag ausgestreckt neben Justine gerade in der Stellung, in der er sich an ihr zu befriedigen wünschte. Unmerkbar hob er die Röcke unserer Heldin auf, die halb aus Furcht, halb weil sie den Verlockungen nachgab, nicht sich zu widersetzen wagte. Kaum sah sich der Schuft als Herr der Situation, als er sofort das erhitzte Glied befreite, das bloß auf die Bresche wartete, um sich hineinzustürzen. Mit seiner rechten Hand lenkte er sein Glied, während er mit der linken Justine an sich heranzog, die sich darauf beschränkte, sich ein wenig zu sträuben und das zu retten, was ihr als das Wertvollste erschien. »O Himmel!«, rief er jetzt aus, »ich habe sie.« Und mit einem kräftigen Stoß verletzte er das kleine, zarte Loch, das er durchbohren wollte, derart, daß die erschreckte Justine einen Schrei ausstieß, aufsprang und zur Gruppe der Dubois stürzte. »Wer ist das?«, rief die Hure aus, die eben einschlief, nachdem die drei Männer sie müde gemacht hatten. »Ach, Madame, ich bin es«, erwiderte die zitternde Justine, »Ihr Bruder – er will …« – »Ja, ich will lieben!«, rief Eisenherz aus, indem er sein Opfer verfolgte und es rau ergriff, »ich will dieses kleine Mädchen von hinten bearbeiten, was immer es koste!« – Justine war jetzt der größten Gefahr ausgesetzt, wenn nicht Wagengerassel von der Landstraße her hörbar geworden wäre.
Der furchtlose Eisenherz verließ alsbald sein Vergnügen, um seiner Pflicht nachzugehen. Er weckte seine Leute auf und verschwand.
»Alles geht gut!«, rief die Dubois aus, die erwacht war und jetzt mit Aufmerksamkeit lauschte. »Das sind die Schreie. Nichts macht mich vergnügter, als diese sicheren Zeichen des Sieges. Sie beweisen mir, daß unsere Leute Erfolg hatten und ich ruhig sein kann.«
Dann kamen die Männer zurück, und die Beute wurde geteilt. Eisenherz wollte, daß Justine seinen Anteil bekomme, der sich auf 20 Louisdor belief. Man mußte sie zwingen, das Geld anzunehmen, da sie davor zurückschauderte, solches Geld anzunehmen. Nun brach man auf.
Am nächsten Tag, als sich die Diebe im Wald von Chantilly in Sicherheit glaubten, begannen sie ihr Geld zu zählen. Als sie fanden, daß sich die ganze Beute nur auf 200 Louisdor belief, als die Dubois sagte: »Wahrhaftig, wegen dieser kleinen Summe war es nicht der Mühe wert, sechs Morde zu begehen.«
Kaum hatte sie geendet, als man ein Geräusch vernahm, das von einem Reiter herrührte. »Zu den Waffen«, rief Eisenherz aus. Sie eilten davon, und nach einigen Augenblicken brachten sie einen unglücklichen Reisenden nach dem Gebüsch, in dem unsere Banditen hausten.
Als man ihn fragte, weshalb er allein und so frühzeitig auf einer verlassenen Landstraße reise, wie alt er sei und was sein Beruf sei, antwortete der Gefangene, daß er Saint-Florent heiße, einer der vornehmsten Kaufleute Lyons und fünfunddreißig Jahre alt sei, daß er in Handelsgeschäften von Flandern zurückkäme und daß er wenig Geld aber viel Papiere bei sich habe. Ferner erzählte er, daß sein Diener ihn am vergangenen Tage verlassen habe und daß er, um nicht unter der Hitze zu leiden, so frühzeitig reise, daß er jetzt nach Paris wolle, um dort in zwei Tagen noch einen Teil seiner Geschäfte abzuwickeln. Er versicherte überdies, daß, wenn er einen einsamen Weg eingeschlagen habe, er sich offenbar dadurch verirrt haben mußte, daß er am Pferde eingeschlafen sei. Danach bat er um sein Leben und bot von selbst alles an, was er bei sich hatte. Man prüfte seine Brieftasche und zählte sein Geld. Sie hätten keinen besseren Fang tun können. Saint-Florent besaß fast 400000 Francs in Anweisungen von Pariser Banken, etwas Schmuck und ungefähr 100 Louisdor bares Geld. »Freundchen«, sagte jetzt Eisenherz, indem er ihm einen Pistolenlauf unter die Nase hielt, »Sie werden begreifen, daß wir Sie bei so viel Geld nicht am Leben lassen können. Wir wären bald verkauft und verraten.« – »O Monsieur«, rief Justine aus, indem sie sich dem Räuber zu Füßen warf, »ich beschwöre Sie, mich nicht gleich bei meinem Eintritt in Ihre Truppe das Schauspiel einer Ermordung dieses Unglücklichen sehen zu lassen. Lassen Sie ihm das Leben. Schlagen Sie mir nicht die erste Bitte, die ich von Ihnen verlange, ab.« Dann fuhr sie fort, indem sie zu einer seltsamen List griff. »Der Name, den dieser Herr eben genannt hat, zeigt mir, daß ich ihm ziemlich nahe stehe. Staunen Sie nicht«, sprach sie zu dem Gefangenen gewandt, »eine Verwandte in dieser Lage anzutreffen. Ich werde Ihnen alles erklären. Aber wegen dieser Beziehung«, fuhr sie eifrig wieder zu Eisenherz gewandt fort, »wegen dieser Beziehung schenken Sie mir das Leben dieses Unglücklichen. Ich werde diese Gnade durch die vollkommenste Unterwerfung belohnen.« – »Sie wissen, Justine, unter welcher Bedingung ich Ihnen die Gnade gewähren kann, die Sie von mir verlangen«, erwiderte Eisenherz, »Sie wissen doch, was ich von Ihnen will.« – »Gut, ich werde alles tun«, rief sie, indem sie sich zwischen den Unglücklichen und den mordbereiten Dieb stürzte. »Ja, ja, ich willige in alles ein. Lassen Sie ihn leben, ich flehe Sie an.« – »Dann komm also«, sagte Eisenherz zu Justine, »ich will, daß du dein Wort auf der Stelle hältst.« Bei diesen Worten zog er den Gefangenen in benachbartes Gesträuch. Dort band er ihn an einen Baum, Justine mußte sich daneben legen, und nun schürzte er ihre Röcke auf, während der Pistolenlauf noch immer nach der Gurgel des armen Reisenden gerichtet blieb, dessen Leben von der Unterwürfigkeit Justines abhing. Aber noch einmal sollte Justine vor dem ihr drohenden Unglück gerettet werden. Die Natur hinterging unseren Räuber grausam. Sein Glied wurde schlapp. »O Teufel!«, rief er wütend aus, »ich bin zu sehr erhitzt; es kommt nichts. Oder vielleicht ist meine Nachsicht schuld an dem Unglück, denn ich bin sicher, daß es ginge, wenn ich diesen Schuft da tötete.« »Nein, bitte nicht«, sagte Justine, indem sie sich nach dem Räuber umkehrte. »Rühr dich nicht, Hure«, sagte dieser, indem er ihr zwei oder drei Faustschläge auf die Schultern versetzte. »Dein verfluchtes Gesicht stört mich immer, ich brauche jetzt einen Hintern.« Nun begann er wieder zu arbeiten, aber dieselben Hindernisse stellten sich ein, und er mußte wieder verzichten. »Ich sehe wohl, daß es heute Abend nicht gehen wird«, sagte er schließlich, »gehen wir zurück.« Und sobald er wieder im Kreis der übrigen war, fuhr er fort: »Denken Sie an Ihr Versprechen, Justine, und bedenken Sie, daß ich diesen Kerl da morgen ebenso gut töten kann wie heute. Kinder«, fuhr er, an seine Kameraden gewandt, fort, »ihr haftet mir für beide. Sie, Justine, werden neben meiner Schwester schlafen. Ich werde Sie rufen, wenn es an der Zeit sein wird.«
»Schlafen Sie ruhig«, erwiderte Justine, »und glauben Sie, daß diejenige, die Sie mit Dankbarkeit erfüllt haben, nur darauf wartet, sich gefällig erweisen zu können.«
Währenddessen aßen und tranken unsere Spitzbuben und schliefen schließlich ganz vertrauensselig ein, indem sie den Gefangenen in ihre Mitte nahmen und Justine sich vollkommen frei neben die Dubois legte, die, berauscht wie alle anderen, bald die Augen schloß.
Kaum waren die Verbrecher eingeschlafen, als Justine rasch die Gelegenheit ergriff, um dem Reisenden folgendes zuzurufen: »Ach, Monsieur, eine schreckliche Katastrophe hat mich unter diese Leute getrieben. Ich hasse sie ebenso wie den unglücklichen Zufall, der die Ursache davon ist, daß ich hier bin. Ich habe wahrscheinlich nicht die Ehre, mit Ihnen verwandt zu sein, denn ich heiße …«, fuhr Justine fort, indem sie den Namen ihres Vaters nannte. »Wie, Mademoiselle?« unterbrach sie Saint-Florent, so heißen Sie?« – »Ja.« – »Ah, dann hat Ihnen der Himmel Ihre List in den Mund gelegt. Sie haben sich nicht getäuscht, Justine: Sie sind meine Nichte. Meine erste Frau, die ich vor fünf Jahren verlor, war die Schwester Ihres Vaters. Wie freue ich mich über den glücklichen Zufall, der uns vereint! Wenn ich Ihr Unglück gekannt hätte, so hätte ich sicher geholfen.« – »Oh, wie bin ich glücklich, Sie einstweilen befreit zu haben«, erwiderte Justine lebhaft. »Aber benützen wir den Augenblick, in dem diese Ungeheuer ausruhen und flüchten wir.« Bei diesen Worten bemerkte sie, daß die Brieftasche ihres Onkels nachlässig in der Tasche eines der Banditen steckte. Sie schlich hin, zog sie heraus und sagte dann leise zu Saint-Florent: »Eilen wir jetzt, verzichten wir auf das übrige. Wir würden es nicht ohne Gefahr erhalten können. Teurer Onkel, ich begebe mich jetzt in Ihren Schutz. Haben Sie Mitleid mit meinem Schicksal! Werden Sie der Beschützer meiner Unschuld. Flüchten wir!«
Man kann den Zustand schwer schildern, in dem sich Saint-Florent befand. Die verschiedenen Gemütsbewegungen, die auf ihn eingewirkt hatten, die Dankbarkeit, die er mindestens zeigen mußte, selbst wenn er sie nicht empfand. Alles das nahm seinen Kopf so ein, daß er kein Wort hervorbringen konnte. Wie – werden einige Leser fragen – dieser Mann konnte an etwas anderes denken, als daran, sich vor seiner Wohltäterin niederzuknien? Nun, so wollen wir im Vertrauen gleich jetzt eingestehen: Saint-Florent, der weit eher dafür geschaffen war, in dieser niederträchtigen Truppe zu bleiben, als von den Händen der Tugend gerettet zu werden, war durchaus nicht der Hilfe seiner eifervollen, tugendhaften Nichte würdig. Und wir fürchten, es wird sich in der Folge zeigen, daß Justine nur vom Regen in die Traufe gekommen sei. Aber gehen wir nicht den Ereignissen voraus. Es genügt, wenn man weiß, daß Saint-Florent nicht ohne heftigen Kitzel sowohl den Angriff auf Justine als auch deren zahlreiche Reize gesehen hatte.
Die zwei Flüchtlinge hasteten fort, ohne ein Wort zu sprechen, und die Morgenröte traf sie bereits außer jeder Gefahr. Sie kamen nach Luzarches, wo sie in einem Gasthof Ruhe fanden.