Kitabı oku: «Und alles nur, weil ich anders bin ...», sayfa 2
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Weil ich anders bin
In der Pause stehe ich allein,
keiner will dann bei mir sein.
Ich bin neu in dieser Stadt,
habe das Alleinsein satt.
Ich sehe etwas anders aus,
bin ’ne ziemlich graue Maus.
Bin kein Supermodel,
bin nicht schlank,
war im Halbjahr niemals krank.
Bin im Strom nicht mitgeschwommen,
hab gewagt und nicht gewonnen.
Hab’ kein Smartphone, darf nicht chatten
und mein Taschengeld verwetten.
Und doch gehöre ich dazu,
denn ich bin doch so wie du.
Ich hoff, du siehst das irgendwann,
denn dann fängt unsre Freundschaft an.
Dörte Müller lebt und arbeitet zurzeit in den Niederlanden. Sie hat bereits in mehreren Anthologien veröffentlicht.
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Ich bin ich
Manchmal wünsche ich mir, ich wäre an einem anderen Ort in der Welt, wo es keinen Schmerz und kein Leid gibt. Wo ich der Mensch sein kann, der ich bin, ohne auf Widerstände oder Grenzen zu stoßen.
Ich stehe am Bahnhof und starre auf die leeren Gleise, in meinen Augen stehen Tränen.
Warum hat ER mich verlassen? Liegt es an mir?
ER sagt, ER möchte lieber eine Freundin, deren Probleme ER begreift und die ER tragen kann. Eine normale Freundin.
Als ich klein war, trug ich meine Haare kurz. Das tue ich immer noch, doch heute kann man mir ansehen, dass ich eine junge Frau bin. Damals war ich ein Junge.
Ich war nicht nur äußerlich ein Junge, vermutlich war ich auch vollkommen anders geprägt, als ein normales Mädchen.
Ich sang keine Kinderlieder, ich sang in selbst erdachten Sprachen und Melodien. Ich sah überall meine Fantasiewesen. Ich schnitt meinen Puppen die langen Zöpfe ab. Ich war anders und alle Kinder bestraften mich dafür. Doch sobald jemand über mich lachte, wurde ich wütend und versuchte, mich vergebens zu wehren, was die Sache nur noch schlimmer machte. Ich war und bin noch heute nicht fähig, mich gegen böse Worte zur Wehr zu setzen.
Als ich älter wurde, begann ich damit, mich abzukapseln. Ich ging nicht, wie der Rest meiner Klasse, an den Wochenenden in die Disco, ich trank keinen Alkohol, um cool zu sein. Ich verbrachte die Abende ruhig, mit einem Glas Orangensaft und Klaviermusik oder einem guten Wälzer.
Aber durch die Selbstisolierung wurde ich zu einem Menschen, der nur schwer Vertrauen aufbauen kann und nicht an sich selbst glaubt.
Ich zog mich in meine eigene Welt zurück. In meiner Welt gab es Liebe, Vertrauen, Trost, eine Schulter zum Anlehnen, aufbauende Worte und Freunde, die meine Tränen trocknen konnten.
Erst durch IHN habe ich gelernt, meine schützende Welt Schritt für Schritt zu verlassen und wieder auf die Realität zu bauen. All das habe ich getan, nur um jetzt aus der Gesellschaft erneut schmerzhaft verstoßen zu werden.
Man erzählte mir, ich kann mit meinem Leben anfangen, was ich will. Ich denke nicht, dass sie die Wahrheit gesagt haben. Sie haben keine Ahnung, dass ich in keines der Bilder, das die Gesellschaft von den verschiedensten Menschen hat, hineinpasse. Ich werde in den Augen der Gesellschaft nie gut genug sein für das, was ich in dieser Welt zu tun versuche.
Noch heute lege ich keinen Wert auf die Dinge, die eine normale Frau als wichtig ansieht. Ich lege keinen Wert auf Kleidung oder Schminke. Ich besitze keine 20 Paar Schuhe. Ich lese anstelle der Schönheitsmagazine historische Romane. Ich kaufe mir keinen Diätjoghurt, verzichte nicht auf Schokolade, nur weil sie dick macht. Ich lackiere mir nicht die Nägel und ich werde weiterhin demonstrativ kein Rosa an mir tragen. Ich stricke Socken, spiele Klavier, Gitarre und Blockflöte, singe und träume durch den Tag.
Ich mache mir über alles und jeden Sorgen. Mich plagen sofort Existenzängste und mein mangelndes Selbstvertrauen lässt mich einsinken, sobald mir jemand das Gefühl gibt, nicht das Geringste wert zu sein. Aber das bin ich. Ich bin eigenartig, eigensinnig. Ich bin autonom und introvertiert. Ich bin anders, weil ich das, was andere vergöttern, abschätzig mustere. Ich habe meine Macken und Eigenheiten. Doch ich bin anders, weil in meinem Herzen andere Dinge regieren als Geld, Macht, Ruhm oder herausragende Leistungen. Und ich bin vor allem deshalb anders, weil mich die Masse zu etwas hat werden lassen, das nicht dazugehört und vielleicht auch nicht dazugehören will. Was will ich in einer Gesellschaft, in der mich keiner versteht?
Die Masse versteht mich nicht, aber ich verstehe die Masse auch nicht. Und so gehe ich eben meinen eigenen, steinigen, schmalen Weg und hoffe, irgendwann an mein Ziel zu kommen.
Und wenn ER all das, alles was mich ausmacht, nicht tragen kann, dann ist ER wohl genau wie jeder andere in dieser Welt. Ich bin anders, aber wenigstens bin ich ein Original unter Millionen von Kopien.
Ein Zug hält vor mir auf den Gleisen. Ich steige ein. Ich weiß nicht, wohin er fährt, doch womöglich bringt er mich an einen Ort, an dem ich ICH sein kann.
Felicitas Koch 1997 in Oettersdorf, Thüringen, ihrem heutigen Wohnort, geboren. Momentan besucht sie das Dr. Konrad Duden-Gymnasium in Schleiz. In ihrer Freizeit spielt sie Klavier und Gitarre, liest gerne und liebt es, die Natur immer wieder neu zu entdecken oder im Licht der Sonne zu träumen.
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In der Fremde
Enge Gassen, schmale Stufen,
Säulen, die einst Meister schufen.
Relikte längst vergang’ner Zeit.
Geschaffen für die Ewigkeit,
nun dem Verfall anheim gegeben,
wie alle Dinge, alles Leben.
Mokkatassen auf den Tischen,
Schwarzer Tee, sich zu erfrischen.
Wasserpfeifen gurgelnd fauchen,
Männer ihren Tabak rauchen.
Nur die Schuhe sind zu seh’n,
von Frauen, die vorübergeh’n.
Braune Augen, dunkle Haut.
Menschen anders, doch vertraut.
Essen, trinken so wie ich,
weinen, lachen, lieben sich,
haben Wünsche, brauchen Räume
zur Erfüllung ihrer Träume.
Fremde Düfte, die sich paaren
mit fremden Lauten in Basaren.
Golden glitzerndes Geschmeide,
dunkle Hölzer, feine Seide.
Farbenfroh in vielen Ecken
Gewürze steh’n in großen Säcken.
Der Muezzin ruft zum Gebet,
zu Allah und zu Mohammed.
Die blaue Kuppel der Moschee
spiegelt sich im klaren See.
Am Horizont das letzte Licht
funkelnd sich in Wolken bricht.
In der Dunkelheit der Nacht
befällt Verzweiflung mich mit Macht.
Ich höre meine Seele schrei’n:
Ich bin fremd hier und allein.
Tränen, lange aufgestaut,
brennen salzig auf der Haut.
Was einst als Paradies erschien,
schmolz die Wirklichkeit dahin.
Wie soll ich hier mein Leben leben?
Was ich auch tu, es geht daneben.
Mir begegnet weit und breit
nur Verständnislosigkeit.
Auf meinem Herzen liegt ein Stein.
Fühl mich frei, darf’s hier nicht sein.
Kafar* beschimpfen mich die Leute.
Als Fremde bin ich leichte Beute,
die man hetzen kann und jagen.
Wie lang noch muss ich das ertragen?
*Kafar = Ungläubige/r
Gerda Winter wurde 1937 in Egestorf/Deister (jetzt Stadt Barsinghausen) geboren. Sie wohnt nun in Hannover. Seit 2004 nimmt sie an Schreibwerkstätten, Lyrik- und Märchenworkshops teil. Ihre Gedichte, Märchen und Geschichten wurden in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Sie absolvierte mehrere Lesungen. Außerdem stellte sie sich auch in der „Plattenkiste“ des NDR 1 Radio Niedersachsen vor.
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Anderssein
Befreie die Kellerkinder
deiner Seele
aus ihrer Verbannung,
führe sie ins Licht
deines Bewusstseins
und integriere sie
mit der Kraft der Liebe
in dein Selbstbild,
das dadurch
facettenreicher wird.
Freue dich auf die
Bekanntschaft mit deinen
bisher abgelehnten
Selbstanteilen –
durch dein „Anderssein“
wirst du dir selbst
näherkommen
und deine wahre Natur
selbstbewusster
zum Ausdruck bringen.
Ingrid Baumgart-Fütterer ist seit über 30 Jahren Lehrerin für Pflegeberufe. Seit fast 25 Jahren ist sie bereits verheiratet, hat aber keine Kinder. Dafür ist sie Besitzerin von drei Katern, über deren Streiche schon etliche Gedichte und Geschichten entstanden sind. Ihre Hobbys sind Malen, Lesen, Gedichte und Geschichten schreiben, Fahrradfahren, Schwimmen und Wandern. Bis jetzt hat sie zahlreiche Artikel in Pflegefachzeitschriften sowie Gedichte und Geschichten in diversen Anthologien veröffentlicht.
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Das Outing
Als Anton am Abend ankommt, ahnen Anwesende Aufruhr.
Besucher bemerken beiläufig bittere Bissigkeiten.
Chaos.
Der damenhafte Dirndl-Träger durchschreitet das Domizil.
Entsetzen, Erstaunen, Erklärungsnot, etwas Einsicht.
Freunde fühlen Fatales. Gäste gehen.
Heiterkeit hat Halbzeit.
Irritation, impertinente Intoleranz.
Jemand jodelt.
Kiefer knirschen.
Langsam lächeln Leute.
Manche murmeln.
Narren nennen Namen.
„Obszöne Offenheit!“
„Pardon – Persönliches Problem!“
„Quasi quadriert???“ „Quatsch!“
Ringsherum ruheloses Rätselraten.
„Sie“ schlürft Sekt, scherzt. Stumme Schadenfreude sendet
Selbstzufriedenheit.
Trotzdem - Taktvolles tafeln, trinken, tanzen. Teilweise Toleranz.
Unterdrückter Unmut und Unsicherheit.
Verwirrung, vages Verstehen, vorsichtiges Vergeben.
Wieso? Wofür? Wer will wertmaßen? Wir wissen:
X X-Chromosom
Y-Chromosom
Zwiesprache zwischen Zellkernen – Zweihäusiger Zynismus.
Irmgard Mizani, Jahrgang 1946, wohnt mit ihrem Mann am Ostsee-Strand und schreibt seit einigen Jahren meist leicht satirische Gedichte und Geschichten. Ihre Homepage: irmgard-mizani.npage.de.
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Wenn der Krieg Schatten wirft
Der Himmel war grau und wolkenverhangen, als eine einsame Gestalt den steinigen Weg entlangkam; mit einem schlurfenden Gang, den Rücken gebeugt, als trüge die Person eine schwere Last; gewichtiger, als ein Mann seines Alters es sollte. Denn er war noch jung, 26 gerade einmal. Und doch hatte er bereits mehr gesehen, als ein Mensch je sehen sollte. Das Erlebte hatte seine Spuren hinterlassen; auf seinem Körper, in seiner Seele, ja selbst in seinen Augen war manchmal der Schrecken zu sehen. Als hätte er sich dort eingebrannt, unauslöschbar.
Und es war gar nicht so viel Zeit vergangen seit ...
Er seufzte. Tief aus seinem Inneren, seiner Seele.
Seit er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Wie lange war es her? Drei Jahre? Vier? Oder waren es nur Monate gewesen? Wochen, vielleicht gar nur Tage? Er wusste es nicht. Zeit hatte für ihn irgendwie an Bedeutung verloren. Ein Tag war wie der andere, dieselbe Leere ohne ihn. Derselbe Schmerz ... Sagte man nicht, dass die Zeit alle Wunden heilt? Es stimmte nicht; jedenfalls nicht seiner Erfahrung nach.
Im Gegenteil. Er hatte das Gefühl, dass der Schmerz Tag für Tag noch stärker wurde. Manchmal schien er nur aus Schmerz zu bestehen. Ein einziger, bis zum Himmel schreiender Schmerz. Aber niemand war da, der ihn hörte, niemand, der ihn heilte. Seine Füße trugen ihn über das grüne Gras, durch das Meer aus weißen Grabsteinen, bis er schließlich vor einem stehen blieb.
Patrick Timothy O’Hanlin
US Army
Medal of Honor
June 10 1946
August 19 1968
„Pat ...“, flüsterte er leise, seine Stimme gebrochen wie sein Herz. Er streckte zitternd die Rechte aus, legte sie auf den Grabstein; er war glatt unter seiner Hand. Und kalt. So kalt wie die Erde, in der Pat lag; oder besser das, was von ihm noch übrig war. Ein Schluchzen entrang sich seiner Kehle, brach sich Bahn, verhallte ungehört zwischen all den Toten.
So wie damals, an jenem Tag. Vor dem Schrei, der danach gekommen war. Voller Entsetzen und Ungläubigkeit, noch während das Blut auf ihn herabgeregnet war und sich mit dem Regen vermischt hatte, der niederfiel.
In seinen Träumen wurde aus dem Regen Napalm, heiß und brennend, der sich in seine Haut brannte; der sich fast bis auf seine Knochen fraß, doch nicht ganz so tief wie der Schmerz in seinem Herzen ... So, wie er es einmal gesehen hatte, als der Wind gedreht hatte, als sie plötzlich mitten im Abwurfgebiet waren und entsetzlich entstellte, wimmernde Menschen an ihm vorbei gelaufen waren.
John keuchte auf. Wieder einmal verschmolzen Realität und Erinnerungen. Wie so oft, wenn er in dem Zustand zwischen Wachen und Träumen war. Weder drüben noch hier ...
Er dachte an all das, was er gesehen hatte, was er erlebt hatte in den Monaten dort drüben; in der grünen Hölle. In dem Land, das sie hatten befreien sollen und das im Grunde sie gefangen hatte, für den Rest ihres Lebens.
Sie waren Gefangene ihrer Erinnerungen. Dazu verdammt, das Erlebte wieder und wieder zu durchleben, jede Nacht, in ihren Albträumen. Wie oft war er schreiend aufgewacht, mit dem Rattern der Maschinengewehre in den Ohren, mit den Schreien und dem Wimmern der Sterbenden, mit dem Betteln und Flehen der gefolterten Feinde ... Menschen, dahingeschlachtet wie Vieh. Im Namen der Gerechtigkeit. Vergewaltigte und geschlagene Frauen. Kinder, mit aufgeblähten Bäuchen, krank, halb verhungert. Sie hatten das Land befreien sollen, vom Vietcong, von Charlie ...
Doch sie hatten Tod und Verderben über die Menschen gebracht, hatten das Land unter Agent Orange, Napalm und Bombenteppichen begraben. Sie hatten so viel zerstört; nicht nur das Land, vor allem Leben. Deren Leben.
Ihre Leben ...
Es hatte geendet, bevor es angefangen hatte. Er konnte sich nicht mehr genau erinnern, wann aus Kameradschaft und Freundschaft mehr geworden war. Liebe, wo nur Tod und Verderben, nur Leid war. Etwas, das nicht hatte sein dürfen und doch gewesen war. Eine wie zufällig aussehende Berührung, wenn der eine dem anderen die Zigarette anzündete.
Ein freundschaftlicher Schlag auf die Schulter.
Ein Blick, der mehr sagte als tausend Worte.
Ein flüchtiger Kuss, wenn niemand hinsah.
Ein paar Zärtlichkeiten unter der Dusche, wenn sie die Letzten waren. Gestohlene Momente des Glücks und Friedens in einem Krieg, in dem sie eigentlich nicht sein sollten, in dem sie selbst Täter und Opfer zugleich waren.
„We don’t ask and you don’t tell ...“
Das war das Credo, nach dem sie gelebt hatten – hatten leben sollen; das ungeschriebene Gesetz der Armee.
„Das Militär fragt nicht – und ihr Männer erzählt nicht!“
Denn es war ihnen als Soldaten verboten gewesen, gleichgeschlechtliche Beziehungen romantischer oder sexueller Art in der Öffentlichkeit zu führen. Doch damit nicht genug. Es war sogar homosexuellen Soldaten untersagt, ihre sexuelle Orientierung preiszugeben oder während ihrer Dienstzeit über Themen der Homosexualität zu sprechen.
„Als ob das jemand getan hätte ...“, dachte er.
Nur einmal hatte er erlebt, wie ein Soldat es getan hatte; in einer Runde, in der er sich sicher geglaubt hatte. Und die Strafe dafür war fast sofort gefolgt. Nicht von seinen Vorgesetzten, oh nein, sondern von seinen eigenen sogenannten Kameraden. Zusammengeschlagen hatten sie ihn, mit nassen Handtüchern, des Nachts. Hatten in seinen Kaffee gepinkelt und seine Zahnbürste in die Scheiße gestopft. Und das war nur der Anfang gewesen. Sie hatten ihn terrorisiert. Mit einer schwulen Sau, mit einem Kameradenschwein hatten sie nichts zu tun haben wollen. Billy hatte um eine Versetzung gebeten, doch die Genehmigung hierfür kam zu spät. Nach einem unfreiwilligen Kopfbad in der Latrine hatte er sich das Leben genommen. Mit seiner Dienstpistole.
John und ein paar andere hatten sein Blut und seine Gehirnmasse von der grünen, nunmehr gesprenkelten Zeltwand gewischt.
„Wichser!“, hatte Alex gemurmelt.
John hatte nur geschluckt und weiter gemacht. Ja, er hatte weiter gemacht ... Irgendwie. Gegen alle Regeln, gegen den Verstand ... Geleitet von seinem Herzen. Den Schein wahrend, nach außen. Und doch dem Schicksal ein Schnippchen schlagend.
Eine gemeinsame Nacht in Saigon. In einem miefigen Zimmer. Parfümschwanger, dreckig, voller Mücken und Spinnen. Und doch alles, nein, das Beste, was sie je gehabt hatten – was sie je haben sollten. Stunden voller intensiver Nähe und Zärtlichkeit. Brennendes Verlangen, das endlich gestillt wurde, nach Monaten voller Sehnsucht, der Unnähe. Und danach wieder das alte Spiel. Ihre Gesichter und Gefühle versteckt hinter Masken, gemeißelt vom Grauen des Krieges und der Angst. Der Angst vor dem Tod und dem Entdecktwerden.
Er dachte an ihre letzte gemeinsame Nacht ...
Mitten im Dschungel.
Vor den Augen der anderen – und doch verborgen.
Es hatte geregnet. Seit Tagen. Mal wieder.
Die Erde war aufgeweicht, überall Schlamm.
Sie waren nass bis auf die Knochen gewesen.
Dreckig.
Müde.
Gefrustet.
Männer, die nichts mehr herbeisehnten, als das Ende ihrer Dienstzeit. Ihres Einsatzes hier. Des Tages. Oder zumindest dieses Marsches. Kurz vor Sonnenuntergang hatten sie ein verlassenes Dorf erreicht. Ein paar halb verfallene Hütten, die kaum Schutz boten gegen die Wassermassen von oben. Aber es war besser als gar nichts. Nach einem kargen Abendessen, diesen ekligen Thunfisch-C-Rationen, hatten sie sich zurückgezogen. Bobby Tucker war für die erste Wache eingeteilt gewesen. John hatte sich mit Pat eine Hütte geteilt ... Sie zogen sich die nassen Klamotten aus und hängten sie zum Trocknen auf. Sie wussten, dass ihnen nicht viel Zeit blieb, bis Bobby zu ihnen kommen würde. Sie waren leise, unterdrückten jedes Stöhnen, jedes verdächtige Geräusch. Zuckten erschrocken bei jedem draußen erklingenden Schritt zusammen und hielten inne. Zwei Körper, die sich nacheinander verzehrten, die sich heiß aneinander rieben, sehnsüchtig, gierig.
Als wüssten sie, dass es kein nächstes Mal geben würde. Als gäbe es kein Morgen. Doch der Morgen kam, drückend unter einer schweren Nebelbank. Sie marschierten weiter. Mitten durch ein Reisfeld. Der Regen setzte wieder ein, trommelte unaufhörlich auf ihre Helme. Schweiß lief ihnen unter den Schutzwesten den Rücken hinunter. Das Atmen wurde in der Mittagshitze zur Qual.
Patrick ging vor. John hinter ihm.
Jemand begann zu singen.
„First to fight for the right,
And to build the Nation’s might,
And The Army Goes Rolling Along.
Proud of all we have done,
Fighting till the battle’s won,
And the Army ...“
Die Stimme brach ab, ging unter in einem ohrenbetäubenden Lärm. Kein Marschieren mehr. Stattdessen schien die Zeit für einen winzigen Augenblick stillzustehen; wie in einem Film, den man angehalten hatte. Ihre Gruppe war stehen geblieben; abrupt, mitten im Schritt. Einige von ihnen hatten sich in den Matsch geworfen; fast zeitgleich mit der Detonation der Tretmine.
„NEIN!“ John schrie. Er spürte die Druckwelle. Dreck regnete auf ihn nieder. Ein Klumpen Innereien landete auf seiner Jacke. Blut spritzte in sein Gesicht und etwas anderes, von dem er nicht wissen wollte, was es war.
Pat ...
„For wher-e’er we go, You will always know
that the Army Goes Rolling Along ...“
John sank vor dem Grabstein auf die Knie. Tränen rannen seine Wangen hinab, fielen zusammen mit dem Regen herunter und tränkten die Erde, wie einstmals Pats Blut. Er kam jedes Jahr hierher, zwei Mal. An Patricks Todestag und am Memorial Day. Jeder dachte, er würde einen gefallenen Kameraden ehren.
Einen Freund.
Doch er tat mehr. Er trauerte um einen Geliebten ...
Melanie Brosowski wurde im Jahre 1979 in Uelzen geboren und lebt verheiratet in Lüneburg. Unter den Pseudonymen Shane McCoy und John Fate schreibt sie auch.
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