Kitabı oku: «Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 1», sayfa 2
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Weihnachtsbaum
Wäre ich ein Weihnachtsbaum,
das wäre wirklich toll.
Hinge mich, das könnt’ ich ja,
mit Paketen nur so voll:
Puppenkleid und Eisenbahn,
Bücher ohne Zahl,
auf fast jede Süßigkeit
fiele meine Wahl.
Fahrrad, Schuhe, viele Kleider,
ein Auto noch vielleicht,
damit wär’, ich sag es Euch,
ein Ende nicht erreicht.
Bräche ich dann
unter all der Last,
wüßte ich Bescheid:
Weihnacht soll ganz anders sein
als Puppe, Ball und Kleid –
möchte einfach schön da stehen,
zur Freude euch und Zier.
So soll es mir an Weihnacht gehen,
oh ja, das wünsch’ ich mir.
Gerhard Pleus lebt in Gnadersum, Ostfriesland, und hat einen ganz außergewöhnlichen Beruf: Er arbeitet als Clown und erfreut Kinder und Erwachsene mit seinem Programm. Mehr als 4800 Vorstellungen hat er schon gegeben. Außerdem betätigt sich der Vater von 7 Kindern auch als Autor.
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Der kleine Engel Sebastian
Draußen war es ganz still. Nur der Mond schien auf den Schnee, der kurz zuvor noch in dicken Flocken vom Himmel gefallen war. Es war eisig kalt, so kalt, dass Sebastian fröstelte. Er drückte seine kleinen Flügel an sich. So war es ein klein wenig besser. Niemand konnte ihn sehen. Nur seine Füße hinterließen Abdrücke im frisch gefallenen Schnee. Was sollte er jetzt nur machen? Laut Aufgabenplan seiner Engelslehrerin war er eingeteilt, dem Weihnachtsmann beim Verteilen der Geschenke zu helfen. Doch stattdessen musste er sich ja von seiner Wolke lehnen, um zu sehen, was die kleine Lina auf der Erde gerade machte. Natürlich hatte er den Halt verloren und war direkt durch alle anderen Wolken hindurch zur Erde gefallen. Seine kleinen Flügel waren noch zu schwach zum Fliegen, und die Lehrerin hatte sich gerade um andere Engelskinder gekümmert. Sebastian war auf sich selbst wütend.
Wo sollte er jetzt hin? Hier draußen in der Kälte konnte er kaum bleiben. Es musste mindestens schon sieben oder acht Uhr Abends sein. In den Häusern brannten die Lichter. Sebastian spähte vorsichtig durch die Fenster auf die Menschen im Inneren. Wo konnte er hin? Da fiel ihm wieder Lina ein – sein Lieblingskind, das er so gerne von seiner Wolke aus beobachtete. Sollte er da mal vorbeischauen? Sie glaubte an Engel und schaute jeden Abend die Sterne am Himmel an. Ja, das war es. Endlich würde er Lina kennenlernen.
Wenige Minuten später hatte er ihr Zuhause gefunden. Er erinnerte sich genau, welches ihr Zimmer war. Da brannte tatsächlich noch ein kleines Nachtlicht. „Hoffentlich ist sie noch wach!“ Sebastian zitterte. Dieses Mal nicht vor Kälte, sondern vor Aufregung. Er hauchte an das beschlagene Fenster und rieb seine Nase daran. Lina lag im Bett und las. Sebastian gab sich einen Ruck und klopfte. Erst ganz leise, dann ein wenig kräftiger. Lina schaute von ihrem Buch auf und kam zum Fenster. Gut. Sie rief schon mal nicht nach ihrer Mama und ihrem Papa. Sebastian hatte vergessen, dass er ja auch nicht zu sehen war. „Lina“, rief er. „Ich bin ein Engelskind. Ich bin von meiner Wolke abgestürzt. Bitte lass mich reinkommen. Mir ist so kalt und ich bin so allein.“
Lina ging erschrocken einen Schritt zurück. Wer hatte da gesprochen?
Da fiel Sebastian wieder ein, dass er ja unsichtbar war. „Du kannst mich nicht sehen, Lina. Ich bin ein Engel. Bitte lass mich reinkommen, sonst erfriere ich hier draußen noch.“ Lina öffnete das Fenster einen Spalt. Sebastian schlüpfte in ihr warmes Zimmer. Das Mädchen schloss das Fenster und schaute mit offenem Mund auf den Fleck, wo Sebastian stand. Langsam breitete sich unter ihm eine Wasserpfütze aus, als der Schnee, der auf seinen Flügeln liegen geblieben war, schmolz.
„Du kannst mich hören, aber nicht sehen?“, fragte Sebastian.
Lina nickte. „Warum bist du auf der Erde, wenn du ein Engel bist?“
„Ich bin von meiner Wolke gefallen.“
„Kannst du denn nicht fliegen?“, wollte Lina weiter wissen. Sebastian lief rot an. Gott sei Dank konnte Lina das ja nicht sehen. „Hhm, weißt du, ich bin noch zu klein. Ich kann noch nicht fliegen. Meine Flügel müssen erst noch wachsen.“ Sebastian war das etwas peinlich.
Lina nahm ihm das nicht übel. Sie überlegte schon, wie man Sebastian helfen konnte. „Das heißt, du kannst jetzt auch nicht so einfach wieder hoch zu deiner Wolke fliegen? Kann dich denn ein anderer Engel zurückholen?“
Sebastian seufzte: „Die werden bestimmt nicht einmal merken, dass ich fehle. Die sind alle im Weihnachtsstress. Ich hätte auch dem Weihnachtsmann morgen beim Verteilen der Geschenke helfen sollen. Und stattdessen stürze ich auf die Erde.“ Sebastian musste die Tränen zurückhalten.
Lina ließ sich aber nicht so schnell entmutigen. „Dann bringen wir dich eben zum Weihnachtsmann und der kann dich dann wieder mit nach Hause nehmen.“
Sebastian fing an zu strahlen. „Na klar, irgendwann morgen Nacht muss er ja auch bei dir vorbeikommen. Dann komme ich einfach mit ihm mit. Nichts einfacher als das.“
Lina nickte. „Na siehste. Und bis es soweit ist, kannst du bei mir bleiben. Müssen Engel denn schlafen oder essen?“
Sebastian schüttelte den Kopf.
„Na, was also“, Lina wurde ungeduldig.
„Ach so. Ich vergesse, dass du mich nicht sehen kannst“, sagte Sebastian. „Nein, wir brauchen nicht zu essen oder zu schlafen. Du kannst dich aber ruhig hinlegen. Ich passe auf, dass nur nette Träume zu dir kommen.“
„Lina, mit wem sprichst du? Erfindest du schon wieder Geschichten? Geh jetzt endlich schlafen.“ Linas Mama streckte den Kopf zur Tür hindurch. Glücklicherweise sah sie die Wasserpfütze nicht.
Lina rief schnell: „Alles klar, Mama. Bin schon fertig.“ Sie legte ihr Buch beiseite und kuschelte sich unter die Decke. Mit einem Engel im Zimmer einzuschlafen, war ja mal etwas Besonderes. Und er würde mindestens einen Tag bei ihr bleiben. Lina merkte, wie ihr die Augen zufielen. Im Schlaf lächelte sie noch leicht.
Am nächsten Morgen glaubte Lina, das Ganze sei ein Traum gewesen. War wirklich ein Engelskind vom Himmel gefallen und zu ihr ins Zimmer gekommen? „Sebastian“, fragte sie leise.
„Hhm“, brummte es zurück.
„Ich hab also nicht geträumt. Du bist echt?“
„Natürlich bin ich echt. Was denkst du denn? Ich bin morgens nur noch nicht gut gelaunt. Was machen wir heute den ganzen Tag?“
Lina kicherte: „Ich muss nochmal in die Schule. Wir proben für den Weihnachtsgottesdienst heute Abend Lieder und ein Krippenspiel. Da kannst du doch mitkommen.“
„Au ja, ich liebe Musik.“ Sebastian rieb die Flügel vor Vorfreude aneinander.
Nach dem Frühstück machten sich Lina und Sebastian auf den Weg. Bald schon hörten die beiden Rufe hinter sich. „Kleine Lina. Ganz alleine. Wo ist denn deine Mami?“ Ein Schneeball flog heran und traf Lina direkt im Gesicht. Schallendes Gelächter folgte. Als Sebastian sich umdrehte, sah er zwei große Jungs und ein Mädchen mit einer knallroten Pudelmütze.
„Na, gehst du zum Singen in die Kirche?“ Die drei grinsten hämisch.
Lina trat einen Schritt zurück. Jetzt stand sie direkt an der Betonmauer neben dem Weg. Die drei kamen näher.
„Was wollt ihr von mir?“ Linas Stimme klang ängstlich. Das Mädchen in der Gruppe rief: „Hast du etwa Angst vor uns, kleine Lina?“ Die Jungen lachten. Das große Mädchen kam drohend näher: „Na, wenn du so fragst ... Dein roter Schal würde doch gut zu meiner neuen Mütze passen, nicht wahr, Jungs?“
Lina hielt ihren Schal fest. Sebastian war von Minute zu Minute wütender geworden. Was war das denn für eine unangenehme Bande? Ohne groß nachzudenken, fing er an, Schneebälle zu werfen, nicht nur ein paar wenige, sondern eher wie in einem Schneesturm. Erst schauten die großen Kinder ein wenig erstaunt. Als sie jedoch nicht sehen konnten, woher die Schneebälle kamen, gerieten sie in Panik. Einer der Jungs lief schreiend davon, dann folgte der zweite. Das Mädchen in der roten Mütze schaute Lina nochmal wütend an und warf dann die Hände schützend vors Gesicht. Denn Sebastian ließ jetzt einen wahren Schauer an Schneebällen auf sie hernieder regnen. Dann drehte auch sie sich um und lief den Jungs hinterher.
Lina, die zunächst stumm zugesehen hatte, brach in lautes Gelächter aus. „Denen hast du es aber gegeben, Sebastian.“
Sebastian lachte auch: „Die lassen dich von heute an in Ruhe, das verspreche ich dir. Ich werde auch vom Himmel aus ein Auge darauf haben, ok?“
„Ok“, sagte Lina leise. „Vielen Dank.“
„Jetzt aber auf zur Probe!“ Sebastian war plötzlich sehr fröhlich. Vielleicht hatte es ja doch ein wenig Sinn gemacht, von seiner Wolke zu purzeln ...
Die Probe in der Schule lief bestens. Lina sang ihr Lied „Leise rieselt der Schnee“ aus vollem Halse so wunderschön, dass alle klatschten. „Da kann ja nachher in der Kirche nichts mehr schiefgehen“, lobte sie die Lehrerin. Lina strahlte. Sebastian schlich sich in der Zwischenzeit zurück in Linas Haus. Hier würde in kürzester Zeit der Weihnachtsmann vorbeikommen. Sebastian würde mit ihm mitfahren, seine Aufgaben erfüllen und zurück in den Himmel kehren. Und von seiner Wolke aus ein besonderes Augenmerk auf Lina haben. Das war sicher ...
Als Lina spät am Abend schließlich mit ihren Eltern aus dem Gottesdienst kam, lagen da tatsächlich die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Der Weihnachtsmann war da gewesen und Sebastian damit wieder weg. Lina seufzte. Doch da sah sie ein kleines Bild zwischen den Zweigen des Christbaumes glitzern. Auf ihm strahlte sie ein kleiner, etwas zu rund geratener Engel mit sehr kurzen Flügeln an. Lina hielt das Bild fest, ging zum Fenster und sah hinaus. Sie winkte in den Himmel und sagte leise: „Frohe Weihnachten, kleiner Engel Sebastian.“
Barbara Barkhausen ist Journalistin, lebt und arbeitet als Auslandskorrespondentin in Australien.
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Barbaratag
Eva blickte aus dem Küchenfenster in das dichte Schneetreiben hinaus. Im Garten konnte man nicht mehr erkennen, wo ihre Mutter im Herbst die frischen Gemüsebeete angelegt hatte. Ein weicher, samtener Teppich hüllte alles zu. Die Obstbäume hatten schon lange ihre Blätter verloren, der Herbstwind hatte noch mit ihnen gespielt und sie in Kreisen zu Haufen zusammengeweht. Jetzt waren alle Äste und Zweige mit Schnee dicht beladen. Die Zaunpfähle trugen dicke Mützen. Bald würde der Wind sie mit sich nehmen. Da sah Eva ihren Großvater aus dem Haus gehen, eine Baumschere in der Hand. Er bahnte sich einen Pfad zum Kirschbaum.
Eva lief vom Fenster weg zur Garderobe und schlüpfte rasch in Mantel und Schuhe. Als sie die Haustür aufriss, rief sie: „Opa, was machst du denn draußen?“ Sie hatte Mühe, den großen Fußstapfen zu folgen, ohne in den Schnee zu fallen.
„Was ich da mache? Das siehst du doch! Ich schneide Barbarazweige ab. Heute ist doch der Barbaratag!“, erklärte Großvater.
„Aber warum machst du das genau heute?“, wollte Eva wissen.
„Das ist ein alter Brauch, der geht schon viele Jahrhunderte zurück. Die heilige Barbara starb am 4. Dezember 306, und am Weihnachtstag sollen auf ihrem Grab Blumen geblüht haben. Wenn wir die Zweige heute ins Wasser stellen und sie gut pflegen und warm halten, dann kann es sein, dass wir zu Weihnachten Kirschblüten im Haus haben. Und da das ein Glücksfall ist, überträgt man dieses Glück auf das kommende Jahr.“ Der Großvater reichte Eva einige Zweige, während seine Augen weitere passende auf dem Baum suchten. Er wollte solche wählen, die dem Baum im Frühling nicht fehlten. Eva betrachtete die Zweige. Ihr fiel auf, dass die Knospen schon ganz schön dick und rund waren, obwohl es doch noch kalt und Winter war. Jede Knospe war gut in eine braune Hülle eingepackt. „Wenn es warm wird, sind die Knospen sofort bereit zu wachsen, dicker zu werden und dann auszutreiben. Diesen Frühling täuschen wir den Zweigen in der warmen Wohnung vor.“
Eva bewunderte diese Knospen, die in – sie rechnete rasch nach – zwanzig Tagen Blüten und Blätter treiben sollten. Sie konnte sich das gar nicht vorstellen. „Opa, das sind nur zwanzig Tage! Das ist doch unmöglich!“
„Wart’s ab! Vielleicht erleben wir eine Überraschung!“ Opa hatte genug Zweige geschnitten. Jetzt steckte er die Baumschere in die Jackentasche und gab Eva die letzten Zweige. Ein beachtlicher Strauß war das geworden!
Als sie zurück zum Haus stapften, bemühte sich Opa, kleine Schritte zu machen, damit Eva im knietiefen Schnee leicht nachkommen konnte. Er guckte einmal zurück und musste lächeln. Eva trug die Kirschzweige so andächtig wie einen teuren Blumenstrauß samt Kristallvase. In der Küche legte Opa die Zweige eine Weile in das Abwaschbecken mit Wasser, dann erst steckte er sie in einen hohen Krug. Während er Wasser einfüllte, erklärte er: „Auf dem Kaminsims haben sie es warm. Und außerdem sehen wir jeden Tag, ob sich an den Knospen etwas verändert. Nun heißt es warten und geduldig sein. Wir Menschen sind häufig ungeduldig, aber die Natur lehrt uns die Geduld!“
Eva guckte die Zweige lange an. In ihren Gedanken hatten sie schon zu blühen begonnen.
Elisabeth Seiberl aus Bad Leonfelden in Österreich ist als Lehrerin an einer Hauptschule tätig. Sie hat bereits mehrfach in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht.
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Im Schein der Kerze
In seiner Werkstatt sitzt Tom. Er ist damit beschäftigt, ein paar besondere Kerzen für die Adventszeit zu gestalten. Schon in Kindertagen war es sein Wunsch gewesen, Kerzengießer zu werden. Noch heute, nach so vielen Jahren, hat er viel Freude an seiner Arbeit und denkt oft zurück an die Zeit, als sie damals als Kinder beim Schein der Kerze mit der Großmutter in der Dämmerstunde an langen Winterabenden saßen und ihren Geschichten lauschten.
Seine Kerzen sind sehr begehrt auf dem Wochenmarkt und finden schnellen Absatz. „Solche Kerzen sieht man nirgends sonst“, sagen seine Kunden. „Schön, dass Sie wieder da sind, ich brauche noch die eine oder andere Kerze als Geschenk.“ Solche Worte erfreuten den Mann und zeigen ihm, dass es richtig war, diesen Beruf zu ergreifen.
„Damit verdienst du doch nichts“, sagen andere. Aber das stört Tom nicht, denn er gibt mit jeder Kerze ein Stück Herz an seine Kunden weiter, ein wenig Liebe, mit der er jede einzelne seiner Kerzen erstellte – und das alleine ist ihm wichtig.
Heute steht er auf dem Weihnachtsmarkt. Viel hat er schon verkauft von seinem Angebot, da kommt eine alte Frau, die eine Kerze für ihr Adventsgesteck sucht. Gerade diese einzelne rot gedrehte ist die, die sie sich wünscht. Ihr weniges Geld reicht gerade noch für den Erwerb dieser einen Kerze.
Glücklich begibt sie sich mit ihrer Errungenschaft auf den Heimweg. Zu Hause fertigt sie sich ihr eigenes Adventsgesteck aus gesammelten Zweigen, Borke und Moos, Material, das sie von ihren Waldspaziergängen mitgebracht hatte. Durch diese Kerze wird das Gesteck zu einem liebevollen Kunstwerk. Am ersten Advent sitzt sie bei einer Tasse Tee und ein paar Plätzchen. Auf dem Tisch vor sich ihr Gesteck mit der leuchtenden Kerze. Sie sieht in die Flamme und träumt sich zurück in eine Adventszeit vor vielen Jahren, als ihre Kinder noch um sie saßen und lauschten, wenn sie sich für jeden Adventssonntag eine neue Geschichte ausdachte.
Da schreckt sie ihre Wohnungsklingel aus den Träumen. Wer da wohl etwas von mir will, überlegt sie, als sie sich zur Tür begibt. Vor ihr steht Vicky, ihre Enkelin. „Ich war hier in der Gegend und wollte mal nach dir schauen“, begrüßt sie ihre Oma.
„Komm herein, ich habe gerade Tee gebrüht“, freut sich die Alte. Beide sitzen nun zusammen und Oma erzählt, wie sie einst Weihnachten feierte. Wie es war mit sechs Geschwistern, das man sich riesig freute über eine Apfelsine, die man gerne miteinander teilte. Das junge Mädchen findet es schön, so mit ihrer Großmutter zusammenzusitzen. Als sie sich am Abend verabschieden, sagt sie: „Jetzt besuche ich dich öfter mal, es war wunderschön bei dir, Oma.“ Nun kann Advent auch für die alte Frau beginnen, sie fühlt sich nicht mehr vergessen.
Christina Telker wurde im Winter 1949 geboren, verlebte ihre Kindheit in einem abgelegenen Tal am Waldesrand. So entstand eine enge Verbundenheit zur Natur. Schon in frühen Jahren begann sie Gedichte und Geschichten zu schreiben. Später veröffentlichte die Autorin in verschiedenen Anthologien, 2007 folgte ein Weihnachtsbuch.
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Das erhörte Gebet
Es ist Weihnachten. Ich sitze alleine im warmen Wohnzimmer mit einer dampfenden Tasse Tee in meinem gemütlichen Sessel und blicke aus dem Fenster und auf die kahlen Bäume der Straße. Seit Jahren hat es zu Weihnachten nicht mehr richtig geschneit – ein Jammer. Ich lausche dem Läuten der Kirchturmglocken, die hell und eindringlich die Menschen rufen und die heilige Messe ankündigen. Wie viele Kinder wohl dieses Jahr mit ihren Familien zum Gottesdienst gehen, frage ich mich und schweife gedanklich in meine eigene Jugendzeit ab. Es ist schon viele Jahre her, doch ich werde dieses Erlebnis wohl niemals im Leben vergessen.
Es war zur Weihnachtszeit. Meine Familie war ziemlich arm, hatte nicht das Geld, in Urlaub fahren zu können. Wir waren nie gemeinsam in Urlaub gefahren und ich hatte in der Kirche um einen Urlaub gebetet, weil meine Freundinnen alle wegfuhren und begeistert von ihren Abenteuern erzählten, ich aber nie etwas zu erzählen hatte. Ich war ungefähr acht Jahre alt, hatte blonde, meist geflochtene Zöpfe und eine Menge Sommersprossen. Ich saß in der Kirche zwischen meinem Bruder Peter und meiner Mutter. Mein Blick blieb auf dem großen Tannenbaum haften, der in der Nähe des Altares stand. Ich konnte mich kaum noch auf die Worte des Pfarrers konzentrieren, denn in Gedanken sah ich unseren bunt geschmückten Tannenbaum mit den herrlichen Lichtern vor mir, in den Ästen das Engelshaar. Doch dann kehrten meine Gedanken wieder zurück zu meinem innigsten Wunsch und ich betete voller Innbrunst für einen Urlaub – und das Wunder wurde wahr. Ein Freund und Arbeitskollege meines Vaters wurde krank und überließ uns eine Woche seine Jägerhütte im Schwarzwald. Unsere Freude war riesengroß.
Peter wollte beinahe sein halbes Zimmerinventar mitnehmen, bevor meine Eltern ihn bremsten. Ich hatte vom Pflaster bis zum Nähzeug alles Wichtige in meinen Koffer gepackt, den ich für die Reise von meiner Oma geschenkt bekommen hatte. Es war zwar ein alter schäbiger Koffer, der sich schon gar nicht mehr richtig schließen ließ, aber es war mein Koffer, meiner! Und ich fuhr damit in Urlaub. Mein eigenes Abenteuer, von dem ich meinen Freundinnen würde erzählen können. Dass für dieses Erlebnis erst jemand krank werden musste, störte mich kaum, wusste ich doch, Herr Kleinschmidt würde schon bald wieder gesund werden. Also konnten wir – ohne schlechtes Gewissen – unseren Urlaub antreten.
Wir fuhren mit unserem alten gelben Opel. Ich sehe jetzt noch den besorgten Blick meines Vaters vor mir, als er mit meiner Mutter über das Auto sprach. Er hatte Angst, dass es diese Fahrt vielleicht nicht mehr schaffen würde, aber er wollte uns auch nicht den Urlaub vermiesen. Also überprüfte er noch einmal den Reifendruck, füllte das Motorenöl nach und schleppte seinen Werkzeugkasten in den Kofferraum – für alle Fälle. Als wir mit Packen fertig waren, war der Kofferraum bis oben hin gefüllt. Mutter hatte viel zu essen mitgenommen, damit wir nichts kaufen mussten. So sparten wir Geld, das sowieso an allen Ecken und Kanten fehlte. Ich wusste das, also hatte ich meinen Weihnachtswunsch auf diesen Urlaub beschränkt – mehr wollte ich gar nicht haben. Mein Bruder war da ausnahmsweise einmal meiner Meinung, obwohl er immer wieder auf dieses aufziehbare Auto zu sprechen kam. Peter war mehr als zwei Jahre älter als ich, aber mindestens genauso aufgeregt.
Und dann war es endlich so weit. Wir fuhren schon ganz früh am Morgen los. Mutter versuchte uns den weiten Weg über mit Spielen zu beschäftigen. Ab und an warf sie meinem Vater ängstliche Blicke zu, wenn er das Radio leiser stellte und allzu interessiert auf das Motorengeräusch achtete. Dann legten wir eine Pause ein und liefen, während sich der Motor abkühlte, ein wenig in der frostigen Gegend umher.
Fast den ganzen Weg über hatte es geschneit, sodass wir kaum voran kamen, aber irgendwann hatte unser altes Auto es doch noch geschafft. Das letzte Stück fuhren wir über einen schmalen Weg in den verschneiten Wald hinein.
Und da war es! Genau wie von Herrn Kleinschmidt im Plan aufgezeichnet. Das Jägerhäuschen! Die Autoreifen versanken im hohen Schnee und wir mussten Otto, so nannten wir den alten Opel, den Rest des Weges schieben.
Das machte uns jedoch nichts aus, denn wir freuten uns auf unser Urlaubshaus, dessen Spitzdach hoch mit Schnee bedeckt war. Es sah aus wie ein Lebkuchenhaus mit Pulverzucker, umsäumt von riesigen Tannen, deren Äste mit dicker klebriger Zuckerwatte umhüllt waren.
Als wir ausstiegen, schlug uns die kalte, würzige Tannenwaldluft entgegen. Es war bitterkalt und wir waren durchgefroren. Wir sehnten das prasselnde Feuer im Kamin herbei, doch zuvor musste Otto erst einmal ausgeladen werden.
Peter und ich liefen um die Wette, denn jeder von uns wollte zuerst seine Fußabdrücke im frischen Schnee hinterlassen. Als Vater die Hütte aufschloss, waren wir sehr gespannt. Es gab nur drei Zimmer, eine Wohnküche und zwei kleine Schlafzimmer.
Die Räume waren trist und kahl, abgesehen von den Rehgeweihen an den Wänden. Ich weiß noch, dass mir die Rehe so furchtbar leid getan haben. Nachdem wir das Auto ausgeladen hatten, versuchte Vater ein Feuer im Kamin zu entfachen, was ihm auch nach einer Weile gelang. In der Hütte gab es keine Elektrizität, doch wir hatten alles, was wir brauchten.
Mutter kochte auf einem Gaskocher und abends spielten wir etwas zusammen, im Gaslaternen- und Kerzenlicht. Ich hatte meine Eltern noch nie so unbeschwert erlebt.
Die ganze Nacht über hatte es durchgeschneit und auf den Sechseckfenstern des Jägerhäuschens hatten sich sternförmige Eiskristalle gebildet. Wenn man durch sie hindurchblickte, wirkte die winterliche Landschaft noch unwirklicher und märchenhafter. Am nächsten Tag erkundeten wir die Gegend und versanken im tiefen Schnee. Gemeinsam bauten wir Schneemänner, jeder einen, und Peter seifte mein Gesicht zum Schluss mit Schnee ein, weil er meinen Schneemann schöner fand als seinen.
Wir hatten vom Förster, auf den wir während unseres Erkundungsganges getroffen waren, die Erlaubnis erhalten, einen kleinen Tannenbaum zu schlagen, und das taten wir dann auch. Vater und Peter schleppten ihn nach Hause. Als wir die kleine Hütte wieder erreichten, waren wir bis zu den Knien nass, sodass wir unsere Kleidung vor dem Kamin trocknen mussten.
Nach dem Essen bastelten wir aus Papier und Popkorn Weihnachtsbaumschmuck und am Heiligen Abend lag für meinen Bruder ein silbernes aufziehbares Auto unter dem kleinen Tannenbaum. Über Peters strahlendes Gesicht vergaß ich ganz meine Puppe auszupacken, die ich zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Wir sangen Weihnachtslieder und mein Bruder und ich trugen Gedichte vor.
In dieser kleinen Hütte, durch deren Ritze der Wind pfiff, ohne Strom und mit nur dem Notdürftigsten ausgestattet, verbrachte ich eine der schönsten Wochen meines Lebens. Nur die Familie, der kleine Tannenbaum und die vier Schneemänner vor der Türe.
Die besten Geschenke nutzen nichts, wenn man seine Zeit nicht mit den Menschen verbringen kann, die man am meisten auf der Welt liebt, denke ich und sehe auf meine Uhr. Jeden Moment wird mein Mann mit unseren Kindern nach Hause kommen und wie jedes Jahr werden die drei behaupten, dass dieser Tannenbaum, den sie ausgesucht haben, der schönste ist, den wir je hatten. Ich lasse sie in dem Glauben, schnuppere den würzigen Tannenbaumduft und denke an das Jägerhäuschen im Wald.
Martina Schneider lebt in Köln, singt, liest und schreibt gerne. Sie hat bereits eine Weihnachtsgeschichte veröffentlicht.