Kitabı oku: «Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 2», sayfa 2
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Weihnachtszeit
Naht die liebe Weihnachtszeit,
sind wir alle hocherfreut,
denn Geschenke gibt es sicherlich
für euch, für dich und mich.
Und es steht im dunklen Tann’
bald bereit der Weihnachtsmann.
Fern schon hört man, wie das Glöckchen klingt
und der Weihnachtsmann, der singt:
Refrain:
Weihnachtszeit, Weihnachtszeit
oh wie bist du schön,
doch leider ist im Beutel nur
noch eine Mark und zehn.
Aus dem hohen Himmelstor,
schaun die Engelchen hervor,
aber Petrus seinen Kopf sich hält,
denn ihm fehlt das Haushaltsgeld
für die Kinder nah und fern,
die er möcht’ beschenken gern.
Es bereitet ihm gar viel Verdruss,
dass er schrecklich sparen muss.
Refrain:
Weihnachtszeit, Weihnachtszeit
oh wie bist du schön,
doch leider ist im Beutel nur
noch eine Mark und zehn.
In der Weihnachtsbäckerei
gibt’s nicht mehr ein einzig Ei,
keinen Stuten, keinen Tortenguss,
selbst mit Marzipan ist Schluss.
Und der Bäcker blicket stumm
auf dem leeren Tisch herum,
bis ihm seine Frau das Essen bringt,
dazu laut und fröhlich singt:
Refrain
Weihnachtszeit, Weihnachtszeit
oh wie bist du schön,
doch leider ist im Beutel nur
noch eine Mark und zehn.
* Es ist ein Liedtext nach der Melodie Jingle Bells. Diesen Text hat die Autorin ca. 1970 für ihre Kinder geschrieben.
Gerda Winter, geboren am 10.11.1937 in Egestorf/Deister (jetzt Stadt
Barsinghausen), ist heute wohnhaft in Hannover. Seit 2004 Besuch von Schreibwerkstätten, Lyrik- und Märchenseminaren Teilnahme an diversen Lesungen, mehrere Veröffentlichungen.
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Weihnachten mit Anderl
Weihnachten stand vor der Tür. Der herbeigesehnte Schneefall blieb auch dieses Jahr aus. Ich freute mich, einige Tage mit meiner Frau Ina und unserer sechsjährigen Tochter Gabi in die Alpen zu unserer Berghütte zu fahren. Am 24.12. verstaute ich unser Gepäck im Kofferraum unseres Autos und befestigte die Skier auf dem Dachträger. Nach dem Frühstück begann die Fahrt. Es goss in Strömen. Wir alle sehnten uns nach einer fröhlichen Weihnacht voller Harmonie in unserer Hütte ohne fließendes Wasser, Strom, Telefon, Zeitung, Radio und Fernsehen. So, wie man eben vor zweihundert Jahren auch Weihnachten feierte – für manche sicher ein unvorstellbarer Gedanke. Nach zwei Stunden Autofahrt waren wir fast am Ziel. Wir bogen in die Forststraße ein, die erfreulicherweise geräumt war, und fuhren aufwärts. Der Regen war längst in Schnee übergegangen – es schneite dicke Flocken. „Wie wäre es jetzt mit einem Weihnachtslied?“, schlug Ina vor.
„Gute Idee“, sagte Gabi, und wir sangen „Leise rieselt der Schnee.“ Als wir die Hütte fast erreicht hatten, sahen wir, dass sie völlig eingeschneit war. Die letzten hundert Meter konnten wir nicht mit dem Auto fahren. Wir stapften hin, bis zu den Knien im Schnee. Die Fensterläden waren geschlossen. In der Hütte war es kalt und ungemütlich. Als Erstes heizte ich den Kachelofen in der Stube.
Bisher war es immer so gewesen, dass Anderl, ein pensionierte Jäger, der dreißig Minuten entfernt eine ehemalige Almhütte bewohnte, vor unserem Eintreffen den Weg geräumt und den Ofen geschürt hatte. Dann wartete er auf uns, zündete eine Kerze an und trank seinen geliebten Kräutertee. Er musste vor ein paar Tagen hier gewesen sein, denn hinter die Hütte hatte er uns eine herrliche Blautanne gelegt. Ich starrte aus dem Fenster und machte mir um Anderl Sorgen. Er war immer sehr zuverlässig. Ina und Gabi bereiteten eine Kleinigkeit zum Essen vor. Ich fragte beide vorwurfsvoll: „Habt ihr euch noch keine Gedanken gemacht, warum der Anderl noch nicht da ist?“
„Das ist sonderbar“, sagte Ina, und an ihrem Tonfall merkte ich, dass auch sie sich Sorgen machte. Ich überlegte nicht lange, zog meine Skistiefel an, schnallte meine Skier an und machte mich auf den Weg zum Anderl. Ich wählte den kürzesten Weg durch den Wald. Der Wind pfiff erbärmlich kalt. Meine Nase tropfte. Plötzlich sah ich im Schnee Hasen- und Rehspuren. Wenigstens ein Lichtblick. Ich hatte das gute Gefühl, nicht mutterseelenallein hier zu sein.
Endlich hatte ich es geschafft, ich hatte Anderls Hütte erreicht. „Anderl“, schrie ich. Kein Laut. Ich klopfte heftig an seine Schlafzimmertür. Ich öffnete die Tür. Da sah ich Anderl, die Augen geschlossen, regungslos im Bett liegen. Ich packte ihn am Arm und schrie ihn an: „Anderl.“ Jetzt erst bewegte er seinen Kopf, erschrak, als er mich sah, und fragte: „Was ist los? Warum plärrst du denn wie ein Jochgeier?“ Er sah schlecht aus. Auf seinem Nachttisch lagen Tablettenschachteln. Anderl stand auf. Er schnaufte wie ein Walross und sagte zu mir: „Der Arzt verschrieb mir viel zu starke Tabletten.“
Wir saßen schweigend am Tisch. Ich fragte ihn: „Anderl, meinst du, dass du mit den Skiern zu uns fahren kannst?“ „Aber klar, mein ganzes Leben bin ich auf den Brettern gestanden. Ich schaffe den Katzensprung schon, auch wenn ich nicht so ganz auf dem Dampfer bin.“ Er lachte, zog seinen Anorak an und blickte umher, als ob er etwas suchte. Anderl öffnete einige Schubladen und ich sah, dass er irgendetwas in seine Anoraktasche stopfte. „Von mir aus können wir losfahren“, meinte er dann. Wir fuhren zu unserer Hütte. Nach unserer Ankunft gingen Anderl und ich in die Stube. Anderl gab sich zwar große Mühe, seine Niedergeschlagenheit zu verbergen, doch Ina und Gabi merkten sofort, dass er krank war. Sonst war er eine Stimmungskanone, spielte Gitarre, sang dazu und hatte immer den passenden Witz auf den Lippen. Der Weihnachtsbaum war schön geschmückt mit Kugeln, Kerzen, Lametta und alten Holzfiguren. Auf dem Tisch standen Lebkuchen und Plätzchen. Vier Kerzen brannten an dem Adventskranz. Gabi hatte das 24. Türchen ihres Adventskalenders geöffnet und zeigte uns das Motiv: die Krippe mit dem neugeborenen Kind. Draußen wurde es dunkel. Ina zündete das Gaslicht an, und wir beschlossen, zu Abend zu essen. Es gab geräucherte Forellen. Gabi konnte die Bescherung kaum noch erwarten. Wie jedes Jahr läutete bald darauf ein helles Glöckchen. Nun packte jeder seine Geschenke aus. Anderl holte etwas aus der Tasche seines Anoraks und drückte es Gabi in die Hand. Ich konnte nicht genau erkennen, was es war, aber es schien etwas aus Holz zu sein. Gabi nahm das Geschenk in ihre Hand, schaute es an und sagte begeistert: „Oh, das ist ein Reh.“ „Genau, das ist es“, bestätigte Anderl. „Ich habe es vor fünfzig Jahren geschnitzt. Ich wollte es damals meiner Freundin schenken, hatte aber Bedenken, da ich meinte, es wäre nicht so perfekt geworden. So behielt ich es. Es ist die einzige Schnitzerei von mir, und du sollst es jetzt haben.“ „Es ist wunderschön, Anderl, ich danke dir recht herzlich“, sagte Gabi. „Das Reh wird einen besonders schönen Platz in meinem Zimmer bekommen.“
Die anderen Geschenke beachtete Gabi kaum. Sie hielt den ganzen Abend ihr Reh in der Hand und schaute es mit leuchtenden Augen an. Kommentarlos drückte ich Anderl die Gitarre in die Hand. Wir sangen zu Anderls Gitarrenbegleitung die bekanntesten Weihnachtslieder. Anschließend las ich noch „Die heilige Nacht“ von Ludwig Thoma vor. Bei der Stelle „Kommt die heilige Nacht und der Wald ist aufg‘wacht, schau‘n die Hasen und Reh‘, schau‘n die Hirsch‘ übern Schnee“ blinzelte Anderl Gabi zu. Als ich die Geschichte beendet hatte, war Gabi müde und ging mit ihrem Reh in der Hand ins Bett. Wir Erwachsenen unterhielten uns noch.
Am ersten Weihnachtsfeiertag schien mir im Bett die Sonne ins Gesicht und weckte mich sanft. Gabi und Anderl waren schon in der Stube. Gabi bekam im Abstand von jeweils einer halben Minute einen Lachkrampf nach dem anderen. Anderl war scheinbar wieder in seiner Superform. Der Frühstückstisch war schon gedeckt, das Feuer nachgeschürt, und Anderl hatte den Weg zur Forststraße bereits geräumt. Nach einem kräftigen Frühstück gingen wir alle einige Stunden im Neuschnee spazieren. Der Himmel war herrlich blau, und die Sonne verzauberte mit ihrem hellen Glanz die ganze Natur. Es war wie im Bilderbuch. Gabi hatte natürlich ihr Reh dabei, das sie von Zeit zu Zeit ansah und auch mit ihm sprach. Anschließend lud uns Anderl in seine Hütte ein. Kurz bevor es dunkel wurde, verabschiedeten wir uns vom Anderl, denn er wollte jetzt wieder allein sein und sich schonen. Wir gingen zu unserer Hütte zurück.
Der zweite Weihnachtsfeiertag bestand hauptsächlich aus Skifahren. Drei Monate vergingen. Mich erreichte die traurige Nachricht, dass Anderl einsam in seiner Hütte gestorben war. Es verstrichen zwanzig Jahre. Gabi wohnte nicht mehr bei uns. Eines Tages besuchte ich sie. Da öffnete sie einen Schrank, zeigte mir das geschnitzte Reh und fragte mich: „Papa, kannst du dich noch erinnern, wer mir das Reh geschenkt hat?“ „Aber natürlich, Gabi“, antwortete ich, „du hast es als Kind vom Anderl bekommen.“ Gabi meinte nachdenklich: „Ich werde den Anderl nie vergessen. Er war ein guter Mensch. Solange ich lebe, wird er in meiner Erinnerung weiterleben.“
Hermann Bauer, Jahrgang 1951, lebt in seiner Geburtsstadt München und schreibt seit vielen Jahren Kurzgeschichten und Lyrik.
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Die kleine Schneeelfe
„Es beginnt zu schneien!“ Die kleine Schneeelfe flatterte mit ihren Flügeln und umschwirrte ihren Vater. „Dann ist heute dein großer Tag gekommen.“ Ihr Vater stand von seiner Wolke auf und die Sonne, die hier über den Wolken immer schien, leuchtete durch ihn hindurch. Er kniete sich vor ein Loch in den Wolken und sah hinunter. Die weißen Flocken rieselten langsam der Erde entgegen.
Er nahm drei Stränge von der Wolke ab und flocht sie zu einem Zaumzeug zusammen „Such dir eine Schneeflocke aus, ich fang sie für dich ein.“
„Die dort mit den schönen Zacken, die bläulich schimmern.“
Der Vater fing die Flocke ein. Die kleine Elfe hüpfte von einem Bein auf das andere, dass die Wolkenfetzen davon stoben. Der Vater setzte die Elfe auf den sechszackigen Kristall, drückte ihr das Reitgeschirr in die Hand und gab der Schneeflocke einen Schubs. Sie fiel durch das Loch in der Wolkendecke. „Viel Vergnügen bei deinem ersten Ausflug und verflieg dich nicht!“, rief er seiner Tochter hinterher.
Die Schneeelfe jauchzte vor Freude. Der Wind griff mit seinen starken Händen nach ihr und wehte ihr das silberne Haar ins Gesicht. Mal blies der Wind sie nach rechts, dann ging es wieder steil der Erde entgegen, bis die Schneeflocke von einer besonders heftigen Böe wieder hinaufgetragen wurde. „Das ist die falsche Richtung. Bitte trage mich hinunter zur Erde.“ Aber die Schneeflocke konnte gegen den starken Sturm, der einsetzte, nichts ausrichten. Sie wurde umhergewirbelt und die Elfe war froh, sich am Zaumzeug festhalten zu können. „Jetzt sind wir wieder über den Wolken.“ Enttäuscht sah sie sich um.
Da erkannte sie, dass sie der Wind weit von Zuhause fort über die Wolken geblasen hatte. Vor ihr stand ein Schloss, ganz aus Eis und Schnee. Die Türme stachen wie spitze weiße Dolche in den blauen Himmel. Die Flocke, auf der die Elfe ritt, hielt direkt auf ein eisiges Fenster in einem der Türme zu. Auf dem Fenstersims verschmolz die Flocke mit dem dort liegenden Schnee. Die Elfe nahm das Zaumzeug in die Hand und schlüpfte durch den Spalt des angelehnten Fensters in das Schloss. Eiskristalle wanden sich wie Schlingpflanzen um eisige Säulen herum. In der Mitte der Halle stand erhöht ein Thron aus Kristall. Die zarten Schritte der Elfe auf der glatten Eisfläche hallten im Raum wider. Vor den acht breiten Stufen, die zum Thron führten, hielt sie an.
„Komm nur herauf, meine Kleine.“ Erschrocken schwirrte die Elfe zurück. Auf dem Thron saß jemand. Er schien aus Eis gemacht.
„Wer bist du?“
„Ich bin der Eiskönig. Du solltest mich eigentlich kennen, ich bin dein König!“ Der Regent lachte so laut, dass das ganze Schloss zu klirren begann und die Elfe Angst bekam, das Gebäude könne einstürzen.
„Oh, ich habe einen König, das wusste ich nicht.“ Sie sah sich verstohlen um. An den Wänden saßen erstarrte Figuren auf dem Boden. „Wer sind die und warum sind sie aus Eis?“
„Ach die sind unwichtig! Setz dich hier neben mich. Ich habe ein Eis für dich.“ Der König sah sie aus schwarzen Augen an und beugte sich ihr mit einem blauen Eis in der Hand entgegen. Sie überlegte. Alle Eisfiguren hatten ein blaues Eis in der Hand. „Ich möchte kein Eis und ich bleibe lieber stehen, nachher frieren meine Flügel noch fest.“
„Was, du wagst es, deinem König zu widersprechen?“ Er stand auf und trat die erste Stufe hinunter auf die Elfe zu. Erschrocken drehte sie sich um und sauste so schnell ihre fast steif gefrorenen Flügel es erlaubten zur Saaltür hinaus und über die riesige Eistreppe herunter in die düstere Eingangshalle. Der König stapfte ihr die Stufen der Freitreppe hinterher.
Die Elfe rüttelte am Eingangstor. Es war verschlossen. Aber im unteren Drittel der Tür befand sich eine kleine Klappe für einen Wolkenhund. Die Elfe hob die Eisplatte vor dem Durchlass an und schlüpfte hindurch. Hinter sich hörte sie die Faust des Königs gegen die Tür schlagen. Das Eis knackte unter dem Hieb, brach aber nicht. Die Tür war zugefroren, der König in seinem Schloss gefangen, die Elfe jedoch war frei.
Es schneite noch immer und die Elfe fing geschickt eine Schneeflocke ein. Ein kräftiger Windstoß brachte sie von dem Schloss fort. Bald säuselte der Wind nur noch schwach und so schwebte sie ruhig hinunter.
Direkt in einem Kamin landete sie. Langsam glitt sie durch die Dunkelheit des kalten Schornsteins in das Haus der Menschen. Die Elfe sprang von der auf den Holzscheiten gelandeten Schneeflocke hinunter und versteckte sich hinter der neben dem Kamin hängenden Ascheschaufel. Mit großen Augen sah sie zu dem Holztisch in der Mitte des Raumes hin. Auf ihm lag ein Kranz aus Tannengrün, geschmückt mit roten Schleifen und golden angemalten Tannenzapfen. Vier dicke rote Kerzen leuchteten um die Wette. Am Tisch saß eine Familie und sang „Wir sagen euch an den lieben Advent“. Verzückt trat sie einen Schritt hinter der Schaufel hervor. Da sprang ein Hund bellend unter dem Tisch hervor. Erschreckt flog die Elfe auf.
„Wotan, was soll das?“ Die Familie hatte zu singen aufgehört und sah dem Hund bei seiner wilden Jagd durch das Esszimmer zu. Die Schlappohren flogen mit jedem Sprung in die Luft wie die Zöpfe eines Mädchens beim Seilhüpfen. „Da glitzert was in der Luft!“ Johannes sprang von seinem Stuhl auf und rannte dem Hund hinterher. Der Vater ging in die Küche und kam mit einem Käscher und Einmachglas wieder. Der Mann suchte nach dem flirrenden Ding und schwang den Käscher danach. Er griff in das Netz, holte die Elfe heraus, stellte sie auf den Esstisch und stülpte das Einmachglas darüber.
„Was ist das?“ Anne und Johannes stießen mit den Köpfen zusammen, als sie sich über das Glas beugten. „Ich würde sagen, eine Elfe.“ Der Vater betrachtete den Fang von vorne durch das Glas.
„Was essen die denn? Wir müssen sie doch füttern.“ Meinte Anne. Sie rieb sich die Stirn, die von dem Zusammenprall mit ihrem Bruder schmerzte.
„Wir werden nichts anderes tun, als sie wieder freizulassen.“ Die Mutter hob das Glas an.
Schnell legte der Vater die Hand auf das Gefäß und drückte es wieder hinunter „Bist du verrückt? Wer fängt schon eine Elfe? Das ist ganz was Besonderes!“
„Ja, sie ist was Besonderes und deshalb sollten wir sie frei lassen. Seht nur, wie sie die Flügel hängen lässt. Und sie wird ganz grau.“
In diesem Moment kippte der Elfe um und rührte sich nicht mehr. „Sie hat keine Luft mehr bekommen!“ Anne fegte die Hände ihrer Eltern vom Glas und drehte es schnell um „Quatsch, so schnell kann sie die Luft gar nicht verbraucht haben.“
Ihr Bruder griff nach der Elfe und legte sie sich auf seine flache Hand. „Sei vorsichtig, die Flügel sehen ziemlich zerbrechlich aus.“
„Sie sind noch dran, oder?“ Er warf seiner Mutter einen bösen Blick zu.
„Seht nur, sie wird wieder etwas durchsichtiger.“
Die Elfe versuchte einige kurze Schläge mit den Flügeln. Die brachten sie von der Handfläche des Jungen nah an einer Kerzenflamme vorbei bis in die Mitte des Adventkranzes. Die Kinder atmeten auf.
„Lasst sie einfach in Ruhe. Für euch ist nun Zubettgehzeit.“
„Du schickst die Kinder ins Bett, wo wir eine Elfe im Haus haben, das kann doch nicht dein Ernst sein!“
Die Elfe war so müde von dem aufregenden Tag, dass sie sich in eine der roten Schleifen einwickelte, prompt einschlief und verschwand.
„Wo ist eine Elfe in diesem Haus?“, fragte die Mutter verschmitzt.
Wenn Elfen einschlafen, wachen sie jedes Mal Zuhause wieder auf. Deshalb dauert der Ausflug einer Elfe nur so lange, wie sie wach bleiben kann.
Silke Höpers ist 37 und von Beruf Sekretärin. Sie lebt in einer Kleinstadt an der holländischen Grenze. Der zeitintensive Beruf, Haus und Garten lassen ihr wenig Zeit zum Schreiben. Aber wenn sie schreibt, dann mit allen Sinnen. Dabei können sich die Themen am direkten Zeitgeschehen orientieren oder einfach nur ihrer Fantasie entspringen.
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Der Stern, der uns führt
Dicht wirbelten weiße Flocken vom dämmrigen Himmel. Karin versuchte, mit den Augen die Reise einer einzelnen im grau-weißen Durcheinander zu verfolgen, aber nur zu bald verlor sie sie aus den Augen. Vielleicht hatte sich ihre Flocke zu denen gesellt, die sich auf den Dächern der Buden und Marktstände niederließen. Vielleicht hüllte sie mit vielen anderen die gleichmäßig gebundenen Kränze winter-weihnachtlich ein oder vielleicht schmolz sie gerade auf einem glücklich glühenden Gesicht. Florian, ihr älterer Bruder, zog sie an der Hand weiter.
„Komm, träum nicht“, murmelte er ein wenig ungeduldig, „wir brauchen noch ein Geschenk für Mami!“ Karin konnte nicht verstehen, dass ihr Bruder den Weihnachtsmarkt nicht so sehr genoss wie sie, und maulte: „Immer hast du es so eilig! So finden wir nie das Passende!“ Dabei gab es doch so viel zu bestaunen: Lebkuchenhäuschen mit winzigen Marzipanfiguren, gleich daneben Krippen aus Holz und Moos, mit bunten Motiven bemalte Glaskugeln in der nächsten Bude.
Vor einem langen Tisch mit Kristallen blieb ihr Bruder nur stehen, weil Karin ihn heftig zurückhielt. „Das wär doch was für Mama! Ein schöner Stein, den sie an einem dünnen Lederband um den Hals tragen kann!“ Der Mann hinter dem Tisch sah auf die beiden Kinder herab. „Sucht ihr einen bestimmten Stein? Einen Amethyst vielleicht? Hier der blaue, das ist ein Aquamarin, der hier ist ein Schneeflockenobsidian und der …“ Karin konnte gar nicht mehr zuhören. Der kleine, schwarze Stein, der auf einem Filztuch vor ihr lag, sah aus, als hätte er einige der herabwirbelnden Schneeflocken verschluckt. Zusätzlich war er in Herzform geschliffen. Karin fragte den Verkäufer, ob sie ihn in die Hand nehmen dürfe. „Steine sucht man immer mit den Händen aus. Man denkt ganz fest an denjenigen, dem man einen Stein schenken möchte, greift dann nach einem und befühlt ihn. Nur so erfährt man, ob der Kristall passt oder nicht.“
Mit geschlossenen Augen betastete Karin das Steinherz. Ihre Finger folgten jeder Rundung, sie lasen die Form und fühlten die Wärme, die von ihnen auf den Kristall überging. „Was sagst du, Florian? Nehmen wir ihn für Mama?“, fragte sie, als sie die Augen wieder öffnete.
Da Florian auch einverstanden war, wickelte der Verkäufer das Steinherz sorgfältig in Papier ein und reichte es ihnen. Florian war erleichtert und wandte sich zum Gehen. Seinen großen Schritten konnte Karin kaum folgen. Er zog sie aus dem Gewühl der Menschen in eine ruhigere Gasse. Sie liefen an den Stufen zur Kirche vorbei. Jeden Tag kamen sie hierher, ihr Schulweg führte hier vorbei. Aber diesmal war etwas anders.
Sie blieb stehen und starrte auf die Stufen, auf denen unbeweglich ein Weihnachtsmann saß. Wie eine versteinerte Figur. Was hatte er hier zu tun? Warum hielt er sich nicht dort auf, wo man ihn erwartete: auf dem Weihnachtsmarkt? Florian machte neugierig ein paar Schritte auf die reglose Gestalt zu. Unter der roten, mit weißem Pelz verbrämten Mütze sah Florian nur einen Teil eines alten Gesichtes. In diesem Moment richtete sich der Mann auf, so, als ob er geschlafen hätte und aus dem Schlaf aufgeschreckt wäre.
„Ist etwas mit dir?“, fragte Karin, die auch näher gekommen war.
„Was machst du hier?“, fragte Florian. Der Weihnachtsmann sah die Kinder eine Weile an und schob sich dann die Mütze etwas aus dem Gesicht. Der Bart, der beinahe das ganze Gesicht verdeckte, war nicht weiß, wie man es von Weihnachtsmännern gewöhnt war, sondern grau und struppig. Auch seine Kleidung ließ etwas zu wünschen übrig. Insgesamt wirkte er heruntergekommen. Und müde. Als ob er vom ganzen Getriebe die Nase voll hätte.
Seine dunklen Augen aber blickten wach und freundlich auf die Kinder herab. „Nein, und ich beobachte“, sagte er mit einem schelmischen Unterton. Karin sah ihn verständnislos an. „Nun, so viele Fragen auf einmal. Nein, mit mir ist nichts“, erklärte er. „Und auf deine Frage, Florian: Ich raste hier ein wenig. Ich ruhe mich aus von den vielen stillen, heiligen Nächten und den grünen Tannenbäumen, die tausendfach besungen in den Ohren schmerzen. Ich kann das alles einfach nicht mehr hören! So viel Weihnachten wird mir zu viel!“
Karin setzte sich neben den Weihnachtsmann auf die Stufe. „Aber ich finde es trotzdem schön, dass hier alles so weihnachtlich geschmückt ist. Und wir singen in der Schule ja auch die alten Weihnachtslieder – und ein paar neue, englische, weil sich das einige immer wünschen.“
Der Weihnachtsmann schüttelte den Kopf. „Das ist doch ganz was anderes“, meinte er. „Schaut euch doch um: Wen interessiert hier Weihnachten? Hier hat doch gar keiner Zeit für so ein großes Fest! Was zählt, ist das Geschäft. Leider ist es so!“
Nun zog er seinen Sack hervor, den die Kinder erst jetzt sahen, weil er ihn als Rückenlehne benützt hatte. Umständlich band er ihn auf, kramte eine Weile darin herum und brachte dann einen kleinen Stern zutage. Er glitzerte geheimnisvoll, als er ihn den Kindern reichte. „Hier, das ist mein Geschenk an euch. Ihr müsst mir aber versprechen, dass euch an Weihnachten nicht nur die Geschenke interessieren. Schaut diesen Stern an: Ich habe ihn vom Sternenhimmel mitgebracht.“
Während der Mann weitersprach, sah Florian seine Schwester mit einem merkwürdigen Blick an, so, als ob er ihr zeigen wollte, dass er den Mann für verrückt hielt. „Dort oben ist er gestanden!“ Damit zeigte er durch das Schneetreiben auf eine klare Stelle am Himmel, an der jetzt ein paar Sterne zu sehen waren. „Seht ihr den hell blinkenden? Gleich daneben gehört der hier hin. Ist er nicht schön?“ Die Kinder konnten nur wortlos nicken. „Er gehört euch, wenn ihr bereit seid, zur Krippe zu kommen. Sie ist der Mittelpunkt von Weihnachten. Nicht die Geschenke. Gut, die gehören auch dazu. Aber sie sind eigentlich gar nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Menschen immer wieder den Stern suchen, der sie führt. So wie die Hirten. Nicht nur zu Weihnachten.“
Florian griff nach dem Stern und betrachtete ihn. Er fühlte sich ganz leicht und zerbrechlich an, wie aus Seidenpapier, und doch verlässlich und fest zugleich. Einfach gut. Der Weihnachtsmann erhob sich jetzt und langte nach seinem Sack. „So, ich glaube, jetzt muss ich doch weiter. Vergesst nicht, was ich euch gesagt habe!“ Florian betrachtete den Stern, Karin guckte zum Himmel. Und so passierte es, dass der Alte verschwunden war, als sie sich ihm wieder zuwenden wollten. „Wo ist er jetzt hingekommen?“, fragte Florian staunend. „Eben stand er doch noch da. So schnell kann kein Mensch verschwinden!“ „Mensch nicht, aber Weihnachtsmann schon“, stellte Karin fest. „Du, ich glaube, das war der echte!“
Am Abend, als alle um den Adventkranz versammelt waren, staunten die Eltern nicht schlecht. Zwischen dem frischen Tannenreisig glitzerte und funkelte ein Stern. Sie dachten, dass ihn die Kinder gebastelt und den Kranz damit verziert hätten. Florian erzählte vom Weihnachtsmarkt und vom Weihnachtsmann, den sie dort getroffen hatten. Womöglich hätte er auch Mutters Geschenk noch verraten, wenn ihn Karin unterm Tisch nicht getreten hätte. „Ein schöner Gedanke“, meinte Papa, „den euch der Weihnachtsmann da mitgegeben hat. Es wäre wirklich wichtig, dass alle Menschen in ihrem Leben ein Ziel haben. Eines, das nicht so einfach am Markt zu kaufen ist. Das überhaupt mit Geld nichts zu tun hat.“
Vor dem Zubettgehen beruhigte sich das Schneetreiben und der Himmel klarte überall auf. Die Kinder standen beim Wohnzimmerfenster und suchten am Himmel den hellen Stern, den ihnen der Weihnachtsmann gezeigt hatte. Den, der neben dem ihren gestanden war. Je länger sie ihn ansahen, umso größer schien er zu werden und sich zu bewegen. Vielleicht war er unterwegs nach Bethlehem zum Stall ...
Elisabeth Seiberl, geb. 1958, wohnt in Bad Leonfelden, OÖ, und hat mehrfach in Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht.