Kitabı oku: «Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 3», sayfa 3
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Mein Mann, der Weihnachtsmuffel
Wenn man möchte, könnte man mich als richtigen Weihnachtsfetischisten bezeichnen, denn ich liebe Weihnachten. Das wurde mir vererbt – mütterlicherseits.
Mein Mann jedoch ist das genaue Gegenteil von mir, ein Weihnachtsmuffel. Und das ist auch vererbt – ebenfalls mütterlicherseits.
Als meine Kinder und ich vom Tannenbaumkauf zurückkamen, stand meine Schwiegermutter, die im Haus nebenan wohnt, bereits am Fenster. Mir schwante Böses. Im Sturzflug kam dieser Grinch herausgeeilt, um mir zu verkünden, dass unser diesjähriger Baum kleiner als der vorherige sei. Ich runzelte die Stirn, während ich das gute Stück mithilfe meiner beiden Kinder vom Autodach hievte.
„Kann sein“, räumte ich ein. Mir sträubten sich die Nackenhaare, als ich ihr hämisches Grinsen bemerkte.
„Du wirst Stunden brauchen, um den zu schmücken, und genauso lang, um ihn wieder abzuschlagen“, feixte sie, als hätte sie gerade sechs Richtige im Lotto.
„Wann kauft ihr denn euren Baum?“, wollte ich wissen und das Lächeln breitete sich noch weiter aus.
„Ich nehme den vom letzten Jahr“, erklärte sie gut gelaunt. „Der steht noch geschmückt, wie er war, im Keller. Da puste ich den Staub ab und in zwei Minuten steht er im Wohnzimmer. Und genauso schnell ist er auch wieder weg. Keine Arbeit, kein lästiger Dreck!“
Ich ging in mich. Tatsächlich. Letztes Jahr hatte sie in einem Billigdiscounter einen bereits fertig geschmückten Baum ergattert. Er war ungefähr dreißig Zentimeter groß und mit Minilämpchen versehen, deren Stecker man nur noch in die Steckdose stecken musste und schon konnte Weihnachten kommen – und genauso schnell auch gehen.
Ich tat es dem Baum gleich und verschwand so zügig ich konnte. Am Abend musterte mein Mann den Baum, der noch auf dem Balkon im Wassereimer stand und auf seinen großen Auftritt wartete.
„Der ist aber größer als der vom letzten Jahr“, raunte er, „die Kinder sind doch jetzt alt genug, da brauchen wir keinen großen Baum mehr.“ Er erntete von mir einen bösen Blick und verzog sich auf seine Couch, während ich Rudolf und einen Schneemann in den Garten stellte. Der Weihnachtsmuffel sah mir vom Fenster aus eine Weile zu und ich bemerkte seinen genervten Blick, den ich, weil ich darin schon eine gewisse Übung habe, einfach ignorierte.
Die nächsten Tage schmückte ich die Wohnung.
Mein Mann schüttelte verständnislos den Kopf. „Alles Kitsch!“, fand er.
Ich backte Plätzchen und Kuchen, machte heißen Kakao mit Schlagsahne, entzündete die erste Kerze auf dem Adventskranz und die Kerzen der Weihnachtspyramide, deren Figuren sich friedlich im Kreis drehten. Ich hatte alles etwas abgedunkelt und die Weihnachtsmusik angeschaltet. Die Augen der Kinder leuchteten zufrieden, nur Grinch zwei aß grimmig sein Gebäck. „Ah“, stöhnte er, „jetzt müssen wir diese nervige Musik wieder vier Wochen lang ertragen.“
Zwei Wochen später verpackte ich die Geschenke und versteckte sie so gut, dass ich fürchtete, einige später selbst suchen zu müssen.
„Wir können doch das Osterpapier nehmen“, schlug mir mein Mann vor, als das Weihnachtspapier nicht ganz ausreichte, die Kinder würden es sowieso sofort abreißen. Ich verdrehte die Augen und seufzte schwer. Ich hatte gerade die Fenster mit Weihnachtsmotiven beklebt, als die ersten Flocken meine angeschlagene Laune erheblich besserten. Gegen Nachmittag hatte bereits eine mehrere Zentimeter dicke weiße Pulverschicht alles überzogen, was sonst hässlich und trist aussah – die Straßen, Bäume, Laternen und Schilder. Kinder liefen vergnügt umher und bewarfen sich mit Schneebällen, meine beiden waren auch dabei. Es war ein schöner Anblick, den ich genoss ... bis mein Mann nach Hause kam.
„Verdammt“, knurrte er, „jetzt ist auf den Straßen kein Vorankommen mehr und Schneeschaufeln darf ich auch noch.“
Dann war es endlich soweit. Die Kinder waren schrecklich aufgeregt, während mein Mann im Jogginganzug auf der Couch lag und mich fragend ansah, als ich ihm, mit einem Blick auf die Uhr, verkündete, dass es langsam Zeit würde. Er schnaufte und erhob sich schwerfällig. Doch er zog sich um.
Als es klingelte und unser Besuch erschien, war es bereits dunkel. Der Tannenbaum stand majestätisch auf seinem Platz und erstrahlte im hellen Kerzenschein. Ich bimmelte mit dem Glöckchen, das die Bescherung einläutete, während der CD-Player Oh du Fröhliche spielte. Die Augen der Kinder leuchteten vor Freude, aber halt! Nicht nur die der Kinder. Mein Mann hatte sein Geschenk ausgepackt und plötzlich hatte sich etwas geändert. Der Grinch war verschwunden, hatte sich klammheimlich aus dem Staub gemacht. Mein Weihnachtsmuffel strahlte über das ganze Gesicht, ja er sang sogar fleißig mit und sein breites Lächeln reichte bis zu seinen Augen, als er mir mein Geschenk reichte.
Meine ständigen Andeutungen waren auf fruchtbaren Boden gestoßen und so strahlten wir um die Wette.
Und wer hätte es gedacht? Er küsste mich und sagte: „Schatz, das ist das schönste Weihnachten, das wir je hatten.“
Keine Ahnung, was an diesem Fest anders, als an denen zuvor gewesen war, aber ich stimmte ihm gerne zu und hoffte, dass der Grinch für immer Reißaus genommen hatte.
Martina Schneider, 45 Jahre alt, wohnhaft in Köln, veröffentlichte bereits ein paar ihrer Kurzgeschichten. Wenn sie nicht schreibt, liest sie gerne oder spielt Gitarre. Sie ist Bürokauffrau und hat zwei studierende Kinder.
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Das arme Kind
Leo kam am Donnerstag weinend aus der Schule und ließ sich frustriert auf das Sofa im Wohnzimmer fallen.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte seine Mutter ihn. „Es war doch heute der letzte Tag vor den Ferien. Außerdem ist doch übermorgen schon Weihnachten!“
„Oh, Mama, heute ist etwas Furchtbares passiert“, schluchzte Leo und rieb sich die roten Augen. „Ich habe ohne Erlaubnis Freddie mit in die Schule genommen, weil meine Freunde mir nicht glauben wollten, dass ich tatsächlich einen Hamster zum Geburtstag geschenkt bekommen habe!“
„Aber Leo! Hamster gehören nicht in die Schule. Du hättest deinen Freunden doch auch ein Foto von Freddie zeigen können. Wie hast du ihn denn aus dem Haus geschmuggelt?“
„Ich habe Stroh und ein paar Körner in meine Jackentasche gefüllt und ihn heute Morgen dort hineingelegt, als du in der Küche warst. In der großen Pause habe ich Freddie allen Kindern gezeigt. Aber dann musste ich dringend zur Toilette. Ich habe Freddie wieder in meine Jackentasche gesteckt und bin gegangen. Aber ich hatte vergessen, den Reißverschluss richtig zu schließen. Als ich mich über die Toilette beugte, um den Deckel anzuheben, fiel Freddie hinaus und landete im Klo. Ich wollte ihn herausholen, aber dummerweise stieß ich mit dem Ellenbogen gegen die Spültaste und das Wasser in der Schüssel stieg an. Er rutschte immer tiefer ins Rohr hinein, bis er verschwand!“
„Mein armes Kind!“, sagte sie und drückte ihren Sohn fest an sich. Leo weinte noch sehr lange, bis er auf dem Sofa einschlief.
Als abends der Vater nach Hause kam, wartete Leos Mutter schon auf ihn. Sie erklärte ihrem Mann sofort, was ihr Sohn an diesem Tag erlebt hatte.
Als sie endete, seufzte der Vater: „Das arme Kind. Was machen wir bloß? Leo hat Freddie wirklich sehr geliebt.“ Der Vater war ratlos, doch die Mutter hatte schon längst einen Plan geschmiedet.
„Ja, er war sein bester Freund. Deswegen habe ich mir auch etwas überlegt: Morgen früh, wenn Leo bei seiner Oma ist, fahren wir beide in die Tierhandlung und kaufen ihm einen neuen Hamster. Wir schenken Leo den Hamster zu Weihnachten. Das wird ihn wieder aufmuntern!“
Leos Vater nickte. „Ja, das ist eine gute Idee!“
Am nächsten Morgen besuchte Leo seine Oma. Die beiden wollten Kuchen backen und Monopoly spielen. Aber Leo hatte überhaupt keine Lust dazu. Er saß traurig am Tisch, während seine Oma den Kuchenteig anrührte. Die Oma war ganz besorgt, denn normalerweise war Leo immer fröhlich und niemals so leise wie an diesem Tag. „Bist du krank, mein Kind?“, fragte sie Leo, doch der schüttelte den Kopf. „Was fehlt dir denn dann?“, erkundigte sie sich bei ihrem Enkel.
Der antwortete mit erstickter Stimme: „Mein Hamster ist gestorben.“
„Oje, du armer Junge. So etwas ist schlimm. Kann ich dich denn mit gar nichts aufmuntern?“ Leo zuckte mit den Schultern und kämpfte gegen die Tränen an, die in seine Augen traten. Die Oma überlegte. Aber jedes Mal, wenn sie etwas vorschlug, was die beiden unternehmen konnten, schüttelte Leo den Kopf und schluchzte nur noch mehr. Es gab einfach gar nichts, was dem Jungen gefiel.
Während die Oma versuchte, Leo zu trösten, befanden sich Leos Eltern in der Tierhandlung und wollten einen neuen Hamster kaufen. Doch unglücklicherweise erfuhren sie, dass bereits alle Hamster verkauft waren.
Der Tierhändler war ein guter Freund der Eltern und erklärte ihnen traurig, dass sich dieses Jahr anscheinend eine Menge Kinder einen Hamster gewünscht hatten, denn es war nicht ein einziger Hamster übrig geblieben, den die Eltern hätten kaufen können. Traurig ging der Vater wieder nach Hause und die Mutter fuhr zur Arbeit.
Während der Arbeit kam der Mutter eine Idee: Sie rief alle Tierhandlungen in der Gegend an und fragte, ob sie vielleicht noch einen Hamster hätten. Doch die Mutter wurde jedes Mal enttäuscht.
„Es tut mir sehr leid, aber offenbar sind Sie dieses Jahr nicht die Einzige, die Interesse an einem Hamster hat. Die sind schon alle verkauft.“
Am Ende hatte sie nur noch eine einzige Tierhandlung, die sie noch anrufen musste, dann hatte sie alle gefragt, die sie kannte. Ihre Hoffnung, dieses Mal Glück zu haben, war nur noch sehr gering.
Aber diesmal hatte sie mehr Glück: „Ja, wir haben noch einen Hamster, den allerletzten. Wenn Sie wollen, können Sie ihn morgen früh abholen“, erklärte der Mann am Telefon.
Am Samstag erwachte Leo schon sehr früh. Es war Heiligabend. Der Tag, auf den er sich schon seit einem Jahr gefreut hatte. Aber Freddie war nicht bei ihm. Bei diesem Gedanken fing Leo erneut an zu weinen. Schluchzend blickte er hinüber zu seinem Schreibtisch, auf dem ein kleines Päckchen lag. Das wäre für Freddie gewesen. Ein neues Häuschen für seinen Käfig. Der kleine Hamster hatte solange an seinem alten Häuschen genagt gehabt, dass es schon ganz kaputt war.
Traurig zog Leo sich die Decke über den Kopf und blieb noch eine Weile liegen. Erst als es an der Haustür läutete, stand er auf. Wer konnte das wohl sein? Soweit Leo wusste, wurde an diesem Tag kein Besuch erwartet.
Leo lugte von seiner Zimmertüre aus in den Flur. Papa öffnete die Türe. Es war Mama. Sie trug ein Päckchen unter dem Arm.
„Was ist das?“, fragte Leos Vater. Die Mutter hatte ganz vergessen, ihm zu erzählen, dass sie einen Hamster bekommen hatte.
Leo kam neugierig herbei. Er beäugte interessiert das Päckchen der Mutter. „Was ist das?“, fragte auch er, als er entdeckte, dass das Paket kleine Luftlöcher hatte und etwas im Inneren leise raschelte.
„Mach es auf, dann weißt du es“, grinste die Mutter.
Neugierig nahm Leo das Paket und öffnete es. Als er sah, was sich im Karton befand, traute er seinen Augen nicht: Ein echter Hamster saß dort! Leo strahlte und streichelte das Tier.
Als Leo sich bei seiner Mutter bedanken wollte, klingelte es erneut an der Haustüre. Diesmal war es die Oma, die das Haus betrat. Sie hatte ein ähnliches Paket dabei wie auch Leos Mutter vorhin. Auch sie brachte einen Hamster und staunte nicht schlecht, als sie sah, dass Leo schon einen Hamster bekommen hatte.
Leo war glücklich. Nun hatte er gleich zwei Hamster bekommen. Er rannte in sein Zimmer, um das Päckchen für Freddie zu holen und packte es aus. Das Haus stellte er in Freddies alten Käfig, bevor er seine neuen Hamster hineinsetzte. Er wollte sich gerade freudig bei allen bedanken, als es wieder klingelte.
„Wer kann das denn jetzt noch sein? Ich erwarte niemanden mehr. Du etwa?“ Fragend blickten die Eltern sich an und schüttelten beide den Kopf.
Mama öffnete die Tür. Es war ihr Freund, der Tierhändler. Er hatte es tatsächlich geschafft, noch in letzter Sekunde einen Hamster zu besorgen und wollte ihn kurz vorbeibringen, damit Leo an diesem schönen Festtag nicht traurig sein musste. Grinsend überreichte er Leo den Hamster. Leo nahm ihn dankend an.
Als der Tierhändler die Türe öffnete, um zu gehen, blieb er erstaunt stehen. „Oh, ihr bekommt heute aber viel Besuch!“, sagte er. Als alle zur Türe sahen, wussten sie, was ihr Freund gemeint hatte: Leos Lehrer, gefolgt von Leos besten Freunden, kam herein. Alle hatten ein kleines Paket dabei und gaben es Leo. Der lachte laut, als er die Pakete öffnete und weitere sieben Hamster erhielt.
„Du warst in der Schule so traurig, da hatten wir wohl alle dieselbe Idee. Wir wollten dich mit einem neuen Hamster überraschen, damit du wieder lachen kannst“, erklärte der Lehrer.
Leo war überglücklich. Für ihn war dies das beste Weihnachtsfest aller Zeiten und er freute sich, dass er nun gleich zehn neue Freunde hatte. Jetzt brauchte er nur noch einen größeren Käfig.
Virgilia Rath, 17 Jahre, wohnhaft in Viersen, schreibt gerne Geschichten und liest. In „Fantastisch gute Kindergeschichten, Band 2“ wurde bereits etwas von ihr veröffentlicht.
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Fjutsch
Schnee und Kälte bedecken Wald und Flur,
wo sind die vielen Kinder nur?
Daheim sind sie in ihren warmen Stuben,
die Mädchen und auch die Buben.
Jener angenehme Zimt und Mandelgeruch, der sich gemächlich durchs Haus schlängelte, ließ darauf schließen, dass Weihnachten in greifbare Nähe rückte. Bei Buschkins hatte man jedenfalls alle Hände voll damit zu tun, die vielen Schoko- und Vanilleplätzchen in den Backofen zu balancieren. Währenddessen gab ein Bariton im Radio Schneeflöckchen Weißröckchen zum Besten. Alle waren emsig und gut gelaunt bei der Sache – außer der achtjährigen Emma. Diese hatte sich in ihrem Zimmer verkrochen und war auch nicht willens, es vorläufig zu verlassen. Den Kopf auf beide Hände gestützt, verfolgte sie schweigend den lautlosen Tanz der unzähligen Schneeflocken vor ihrem Fenster.
„Emmaaa! Ich hab schon dreizehn Tannenbäumchen ausgestochen“, prahlte Hannes aus voller Kehle, „wo bleibst du denn?“
„Emma, komm doch endlich“, bat die Oma unwesentlich später.
„Emma Buschkin!“, schloss sich die energische Stimme der Mutter als Letztes an. „Jetzt verjag doch endlich diesen alten Trotzkopf und komm herunter.“
Aber die Achtjährige hatte wahrlich größere Sorgen, als dass sie sich der jährlichen Familientradition hätte anschließen wollen. Sie verspürte weder Lust auf Plätzchenbacken, noch war ihr danach zumute, Weihnachtslieder zu trällern. Stattdessen schlich sie eine Weile später auf Zehenspitzen die Treppe hinunter – wie eine Katze, die auf Beutejagd war.
Ohne Jacke und Mütze trat sie hinaus in die kalte Winterluft. Zügigen Schrittes stapfte sie hinüber zur Scheune. Nachdem sie eingetreten war, schloss sie fröstelnd die knarrende Holztür hinter sich. Maika, ihre Ziege, lag noch immer regungslos im Stroh. Wenn sie doch nur endlich wieder auf die Beine käme!
Emma wusste genau, dass die Erwachsenen Maika zu Onkel Kuno bringen wollten. Morgen früh schon. Sie hatte es genau gehört. Liebevoll streichelte sie ihrer Lieblingsziege übers Fell. Emma merkte gar nicht, dass sie weinte. „Meine gute liebe Maika“, wimmerte sie vor sich hin und drückte die schwarz-weiße Ziegendame ganz fest an sich.
„Hab’ ich mir doch gedacht, dass du hier steckst“, schimpfte die Mutter auf einmal hinter ihr. „Komm jetzt rein, du holst dir ja den Tod hier draußen.“
Emma wirbelte erschrocken herum. „Na und!“, gab sie trotzig zurück. „Maika wollt ihr ja auch …“ Sie brach den Satz ab und schlug kummervoll beide Hände vors Gesicht. Nur widerwillig und mit gesenktem Kopf folgte sie ihrer Mutter ins Haus zurück.
„Ich hasse euch“, brüllte Emma durch den Korridor und stürmte in ihr Zimmer. Dort warf sie sich bäuchlings aufs Bett und hielt sich beide Ohren zu. Sie wollte mit niemandem mehr sprechen und sie wollte auch niemandes Rufe mehr hören.
Sie wäre vor Erschöpfung beinahe eingeschlafen, als eine sanfte Berührung auf ihrer Schulter sie aufschrecken ließ. Zögernd richtete Emma sich auf. Als sie sich jedoch umsah, stellte sie fest, dass sie allein im Zimmer war – außer ihren Kuscheltieren, die sie in der Ecke zu einer stattlichen Pyramide aufgebaut hatte. Vielleicht hatte sie sich diese Berührung ja auch nur eingebildet. Aber dann riss Emma jäh ihre Augen ganz weit auf, weil eines ihrer kleineren Kuscheltiere sich fortzubewegen versuchte.
Auf allen vieren krabbelnd pirschte sie sich neugierig heran. Gerade wollte sie ihre Hand nach dem Zebra ausstrecken, da kam ein kleines vierbeiniges Etwas hervorgetrappelt. Komisch! Emma zog verwundert die Brauen hoch. „Wer ... wer bist du denn? Du siehst ja aus wie ein …“ Sie stutzte und rieb sich beide Augen, in der Annahme, sie würde nur träumen.
Nein, es war aber keine Illusion. Vor ihr stand ein kleines pferdeartiges Wesen mit goldschwarzem Schweif und sah sie mit seinen kastanienbraunen und freundlichen Augen an. Emma, die noch immer nicht fassen konnte, was sich direkt vor ihrer Nase abspielte, wagte es kaum, den Blick abzuwenden.
„Ich bin Fjutsch“, sagte das Wesen schließlich und scharrte dabei zweimal mit dem rechten Vorderhuf.
„Fjutsch?“, wiederholte Emma mit skeptischer Stimme.
Fjutsch nickte. „Bei uns erzählt man sich, du hättest ganz großen Kummer.“ Emma atmete tief ein und senkte einen Moment lang die Augenlider.
„Stimmt das denn, Emma?“, hakte Fjutsch nach, während sein buschiger Schweif hin und her pendelte.
„Morgen wollen sie meine Maika wegbringen“, jammerte Emma kläglich und brachte sich in den Schneidersitz. „Sie ist seit ein paar Wochen krank, weißt du – und der Tierarzt kann nichts mehr …“ Wieder brach Emma in Tränen aus.
„Liebe Emma“, sagte Fjutsch mitfühlend und legte seinen Huf kurz auf ihren Arm, „vielleicht kann ich helfen.“
„Du?“, fragte sie und schnäuzte nebenbei die Nase. „Wie könntest du mir schon helfen? So klein, wie du bist!“
Fjutsch lächelte. „Klein bin ich, da hast du recht, Emma Buschkin.“ Dann fuhr er fort: „Wenn du wüsstest, dass deine Maika große Schmerzen hätte, würdest du dann noch wollen, dass sie bei dir bleibt?“
Emma wischte sich mit dem Ärmel des Pullovers die Tränen von der Wange. „Wie meinst du das?“
„Naja, deine Maika ist schon sehr alt und sie hat viele glückliche Jahre bei euch verbracht, aber jedes Leben geht auch irgendwann einmal zu Ende. Und deiner Maika geht es wirklich ganz schlecht.“
„Hat sie dir das gesagt?“, hauchte Emma kaum hörbar. Fjutsch nickte. „Aber ich möchte trotzdem nicht, dass sie zu Onkel Kuno kommt“, flehte Emma.
„Was würdest du sagen, wenn Maika zu uns käme? Bei uns hätte sie es wirklich gut und sie wäre auch nicht allein. Und sie hätte ihre wohl verdiente Ruhe.“
„Und du passt gut auf sie auf?“, murmelte Emma.
„Versprochen! Aber du darfst niemanden von mir erzählen, Emma.“
„Hm, das kriege ich hin.“
Gemeinsam mit Fjutsch ging Emma dann noch einmal in die Scheune, um sich von ihrer geliebten Ziege zu verabschieden. Schweren Herzens trat sie diesen Weg an, aber sie wollte sie unbedingt ein letztes Mal an sich drücken, um ihr zu zeigen, wie lieb sie sie hatte.
Als Emma am nächsten Morgen in den Stall kam, war Maikas Platz leer. Dennoch setzte sie sich einen Augenblick ins Stroh und tat so, als wäre ihre Freundin noch immer da. Nach wenigen Augenblicken wollte sie gerade gehen, da bemerkte sie im Stroh ein goldschwarzes Haar. Sanft lächelnd nahm sie es an sich.
Die Tage zogen schnell dahin. Heiligabend traf man Familie Buschkin am Nachmittag in der Kirche. Auch Emma folgte mit wachen Augen dem Krippenspiel, und als ihr Blick das kleine Lämmchen neben dem Jesuskind einfing, dachte sie wieder voller Wehmut an ihre Maika. Etwa eine Stunde später saßen alle Buschkins fröhlich singend um den festlich geschmückten Weihnachtsbaum, auf dessen Spitze in diesem Jahr ein silberner Stern thronte und funkelte. Emma hatte unlängst ein rotes Päckchen unter der prächtigen Tanne erspäht, das ihren Namen trug, aber sie verspürte irgendwie überhaupt kein Verlangen, es vom Papier zu befreien.
Hannes drängelte den Opa, endlich mit ihm einen Schneemann zu bauen. Nur wenige Augenblicke später, die beiden waren kaum nach draußen gegangen, erschien Hannes plötzlich völlig außer Atem, mit geöffnetem Mund und fahlem Gesicht in der Tür und brachte vorerst kein Wort heraus. Man hätte meinen können, er wäre einem Geist begegnet. Schließlich presste er doch einige Silben aus der Kehle, die jedoch für seine Zuhörer keinen Sinn ergaben.
„Oi … Emma, du – glaubst nicht … ich habe … du kannst … wir … der Weihnachtsmann!“ Dann griff Hannes nach der Hand seiner Schwester – gefolgt vom Rest der Buschkins eilten sie im Gänsemarsch zur Scheune.
„Da, guckt euch das an!“, freute sich Hannes, auch deshalb, seine Sprache wiedergefunden zu haben.
Beim Anblick des kleinen schwarzen Zickleins, das munter im Stroh umhersprang, füllten sich Emmas Augen mit Wasser. Einzig die Pfoten des putzigen Huftieres, das Köpfchen und die Schwanzspitze waren von weißem Fell durchzogen.
Die Buschkins beschlossen einstimmig noch am Heiligabend, dass Emma dem neuen Familienmitglied einen Namen geben dürfe.
„Und?“, drängelte Hannes fortwährend. „Wie soll es denn nun heißen?“
Emma nahm das Zicklein behutsam auf den Arm. Dann verkündete sie mit zittriger Stimme und voller Dankbarkeit: „Fjutsch.“
Ein schöneres Weihnachtsfest hätte Emma sich nicht wünschen können, auch wenn ihre Familie sie wegen des Namens anfangs schon belächelt hatte ...
Marion Trost, geboren in Nordhausen/Thüringen, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung. Schon seit der Grundschule hat sie ein großes Interesse an Büchern und schrieb immer wieder kurze Texte, von denen bereits einige veröffentlicht wurden. 2010 erschien beim Papierfresserchen ihr Buch „Jaspos Quigh und die Zauberin aus Zucketh“. www.marion-trost.com
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