Kitabı oku: «Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 7», sayfa 3
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Tina und der Flug mit dem Schlitten
Tina saß auf der Couch und hörte das Knistern verbrennenden Holzes im Kamin. Es duftete nach frischem Tannenholz und der Weihnachtsbaum stand bereit zum Schmücken in seinem Ständer. Tina wartete auf die Rückkehr ihres Mannes und schaute durch das große Fenster auf den Wald mit seinen vielen Lichtungen. Karl hatte versprochen, pünktlich zu sein, aber Tina wusste, dass er den Abend vor dem 24. Dezember immer mit seinen Freunden verbrachte, und sie meistens bei Glühwein und Backfisch kein Ende fanden. Verträumt blickte sie auf die dunklen Tannenspitzen und genoss die Wärme des Feuers. Der Tee vor ihr in ihrer roten Lieblingstasse dampfte verlockend und ihr Kater schmiegte sich an ihre Beine. Liebevoll streichelte sie ihm den Kopf. Er schnurrte genussvoll.
Plötzlich sah sie ein Licht über den Baumwipfeln. „Eine Sternschnuppe“, dachte sie.
Aber dann hörte sie das leise Läuten von Glocken. Das Licht kam immer näher, und sie erkannte die Umrisse eines Schlittens. Überrascht stand sie auf. Schnell zog sie ihre Jacke über und warf sich den grünen Schal um den Hals. Innerhalb von Sekunden stand sie draußen vor der Tür ihres gemütlichen Fachwerkhauses und blickte neugierig auf das entgegenkommende Licht. Es wurde immer heller und Tina schloss die Augen.
Als sie sie wieder öffnete, stand ein großer Schlitten vor ihr, welcher von sechs Rentieren gezogen wurde. In dem Schlitten saß ein alter Mann mit weißem Haar und einem weißen Bart. Gekleidet war er in einen roten Mantel, und seinen Kopf zierte eine rote Mütze mit einem weißen Bommel.
„Sei gegrüßt Tina“, sprach er. „Ich habe deinen Mann gesehen. Er wird sicherlich erst in zwei Stunden bei dir sein, und ich dachte, du könntest mir in dieser Zeit ein wenig Gesellschaft leisten.“ Tina war sprachlos, aber sie konnte den gütigen Augen des Mannes nicht widerstehen und vorsichtig stieg sie in den Schlitten ein. Die Rentiere scharrten schon ungeduldig mit den Hufen. Nachdem sie in eine warme Decke eingepackt war, schnalzte der Mann mit der Zunge und der Schlitten kam langsam in Bewegung. Er wurde immer schneller und irgendwann hoben die Kufen vom Boden ab. Lautlos flogen sie durch die stille Nacht.
Tina sah ihr Fachwerkhaus unter sich und glaubte, zu träumen. Der Wind war eisig und kleine Schneeflocken schimmerten im Mondlicht. „Habe keine Angst“, sprach der Mann, „in zwei Stunden bist du wieder zu Hause. Wir müssen nur gerade eine Kleinigkeit erledigen. Es ist etwas, das wir schon vor langer Zeit hätten tun sollen. Aber stelle keine Fragen, du wirst es schon sehen.“
Tina, die gerade zu einer Frage angesetzt hatte, schloss ihren Mund. Sie waren schon eine ganze Weile unterwegs. Tina fing trotz der warmen Decke allmählich an zu frieren. Da erkannte sie etwas, an das sie schon so lange nicht mehr gedacht hatte. Es war ein zugefrorener See. Das Eis glitzerte und die Sterne spiegelten sich auf der Eisfläche. Tina lächelte. Als kleines Mädchen hatte sie dem Weihnachtsmann unzählige Briefe geschrieben, in denen sie sich wünschte, nur einmal eine Eisprinzessin zu sein. Irgendwann hatte sie aufgehört zu träumen und die Hoffnung verloren, dass ihr Wunsch jemals in Erfüllung gehen könnte. Der Schlitten landete sanft am Ufer neben dem See.
Plötzlich befanden sich glitzernde Schlittschuhe an Tinas Füßen, sie trug ein wunderschönes Kleid und eine goldene Haarspange hielt ihr blondes Haar zurück. Nach den ersten unsicheren Schritten auf der Eisfläche wurde sie immer mutiger. Sie wagte die ersten Sprünge und vergaß alles um sich herum. Andächtig schauten die Rentiere zu und eine leise Musik untermalte den Zauber des Momentes.
Tina fühlte sich wie damals, als sie noch ein Kind war; voller Glauben an den Zauber der Weihnacht. Nach dem wunderschönen Tanz näherte sie sich leichtfüßig dem Ufer und der Mann mit dem roten Mantel mahnte zum Aufbruch. Wieder wurde sie in eine warme Decke eingewickelt und der Schlitten hob erneut lautlos vom Boden ab. Nur die Glocken der Rentiere waren in der Stille der Nacht zu hören. Eine tiefe Müdigkeit breitete sich in ihrem Körper aus. Sie schloss die Augen und fiel in einen tiefen Schlaf.
Als sie die Augen öffnete, lag sie auf der Couch in ihrem Fachwerkhaus. Ihr Kater lag mittlerweile zusammengerollt auf ihren Beinen und der Tee hatte aufgehört, zu dampfen. Sie war verwirrt und schaute sich um. Der Wald lag still da und die Sterne blinkten am Himmel.
Da hörte sie einen Schlüssel im Schloss – ihr Mann kehrte nach Hause zurück. Nach einer herzlichen Begrüßung fingen sie gemeinsam an, den Tannenbaum zu schmücken.
„Es war wohl doch nur alles ein Traum“, dachte Tina. Doch beim Anbringen der Weihnachtsbaumspitze sagte Karl: „Was hast du bloß für eine außergewöhnliche goldene Haarspange im Haar! Die kenne ich ja gar nicht!“
Tina lief in den Flur und blickte in den Spiegel. Was sie sah, machte sie glücklich, und sie lächelte geheimnisvoll. „Danke“, formten ihre Lippen, während sie zu den Sternen schaute. In der Ferne war das leise Läuten von Glocken zu hören.
Dr. med. Barbara Bellmann wurde 1984 in Hagen/Westfalen geboren. Nachdem sie das Studium der Humanmedizin im Frühjahr 2010 erfolgreich beendet hatte, begann sie in Aachen ihre Facharztausbildung zum Facharzt der Inneren Medizin. Im Sommer 2013 wechselte sie an die Medizinische Klinik für Kardiologie in Berlin. Neben ihrer Arbeit als Ärztin begeistern sie Sport und Literatur. Bereits seit ihrer Jugend schreibt sie für verschiedene Verlage Artikel oder Rezensionen. Aktuell widmet sie sich Märchen und Geschichten für Kinder und Jugendliche.
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Tigerles süße Weihnachten
Ja, sie war wieder da. Der kleine Kater Tigerle war sich ganz sicher. Alle Zeichen standen dafür. Zum einen war da das Heer an Engelsfiguren, das über Nacht das ganze Haus eingenommen hatte. Sämtliche Fensterbretter und Kommoden belagerte es nun. Selbst der geschickteste Kater der Welt hätte wohl seine Schwierigkeiten damit, sich elegant im Slalom um die Figürchen herum zu winden und dabei keines mit seinem Schwanz hinunter zu fegen. Und sich als den geschicktesten Kater der Welt zu bezeichnen, das wollte sich Tigerle nun wirklich nicht anmaßen! Dafür kannte er sich selbst zu gut.
Zum anderen waren da noch die unzähligen Kerzen im ganzen Wohnzimmer. Tigerle war der Meinung, dass das Licht der elektrischen Deckenlampe doch wohl eigentlich reichen müsste, um seinen Menschen genug Helligkeit zu schenken. Auch wenn sie keine so hervorragenden Katzenaugen besaßen, wie er sie hatte. Aber das sahen die Menschen anscheinend anders. Und so machten sie ihm das Leben schwer, indem sie ihm solch lustig flackernde und tanzende Flämmchen vor die Nase stellten. Da mochte Tigerle doch sehen, ob nicht auch ein anderer, vielleicht klügerer Kater neugierig wurde und seine Nase etwas näher an das mysteriöse Flackerlicht heranführte! Huch! Bruzzel, bruzzel – Tigerle hoffte inständig, dass Schnurrbarthaare auch wieder nachwachsen!
Aber nicht nur die Engelsscharen und das Kerzenmeer deuteten darauf hin, dass sie wieder da war. Auch der himmlische Duft, der aus der Küche bis an Tigerles Körbchen heranzog und ihm in seine empfindliche Stupsnase stieg. Mmmh! Da durften ihm die Menschen nun wirklich nicht böse sein, wenn er in einem unbeobachteten Moment in die Vorratskammer schlüpfte, wo die süßen Leckereien aufbewahrt wurden. Mit einem kraftvollen, gezielten Tatzenhieb schubste er die Dose über die Regalkante. – Dong! Der Deckel der Blechdose sprang auf und schon konnte die Schlemmerei beginnen! Und dass das laute Scheppern Frauchen angelockt hatte, war für Tigerle auch kein Problem! Er legte ganz einfach den Kopf schief und blickte ihr tiiief in die Augen. „Ich habe ein wirklich, wirklich schlechtes Gewissen wegen dieses unglücklichen Missgeschicks“, hieß das in Tigerles Sprache. Da blieb Frauchen gar nichts anderes übrig, als den Kopf zu schütteln, Tigerle unterm Kinn zu kraulen und sich mit einem Seufzen daran zu machen, die Kekskrümel vom Boden aufzulesen. Tigerle war ihr bei der Beseitigung der Brösel und des Zuckerstaubs natürlich gerne behilflich. Schleck, schleck! Gern geschehen, Frauchen, keine Ursache!
Ja, ja, man musste kein Wahrsager sein, um zu wissen, was in ein paar Tagen bevorstand. Tigerle genügten die Zeichen, die er rund um sich wahrnahm. Doch das untrüglichste aller Zeichen war wohl:
Der BAUM! Groß, grün und wohlriechend! Ein Stück Natur, Freiheit, Wildheit – mitten im Wohnzimmer!
Der BAUM, der Tigerle mit allerlei glänzenden Fäden lockte, die von seinen Ästen herabhingen. Beim leichtesten Luftzug begannen sie zu tanzen! Wie schön!
Der BAUM, der große, glänzende Kugeln trug, in denen sich der Kerzenschein spiegelte. Und wenn man sie mit der Pfote ganz leicht anstupste, begannen sie, lustig auf und ab zu hüpfen! Wie lustig! Gleich noch mal! Klirr – ups! Naja, es gab ja noch viele andere von den schönen Kugeln!
Und dann war es schließlich so weit: Das Haus war voller Menschen. Beim Essen fiel das ein oder andere Stück Fisch für Tigerle ab. Danach wurden Tigerles Lieblingsschlafplätze, die Frauchen allesamt am Nachmittag noch von seinen Haaren befreit hatte, von den Menschen belagert: die Couch, der Sitzhocker, der Schaukelstuhl. Doch das machte Tigerle nichts. Zielsicher steuerte er auf den Schoß von Frauchen zu, drehte sich dreimal im Kreis und rollte sich schließlich gemütlich darin zusammen. Die Menschen hoben zum Gesang an, der Opa brummte tief, die Tante flötete hoch, alle anderen lagen irgendwo dazwischen. Warum die Menschen das Lied „Stille Nacht“ nannten, verstand Tigerle zwar nicht – von still konnte bei dem Katzenjammer nämlich gar keine Rede sein –, doch das machte ihm nichts. Er wusste nämlich, nun dauerte es nicht mehr lang. Das Fest steuerte auf den Höhepunkt zu! Der wundervollste, zauberhafteste und am heißesten ersehnte Moment des ganzen Jahres stand kurz bevor! Es mussten vorher nur noch schnell die Geschenke ausgepackt werden (Tigerle war den Menschen dabei gerne mit seinen Krallen behilflich).
Und DANN – ja DANN – war es endlich so weit: Die Torte wurde serviert! Und auf einem kleinen Glasteller, ganz für Tigerle allein: Ein riiiesiger Berg Schlagsahne! Seine Augen wurden groß, als er die schneeweiße Leckerei sah, die sich vor ihm auftürmte, und das Wasser rann ihm in seinem Schnäuzchen zusammen. Hatte ihn seine Vorahnung also tatsächlich nicht getrogen, sie war wieder da: die SCHLAGSAHNEZEIT!!!
Barbara Sokolowsky wurde 1981 in Linz (Oberösterreich) geboren. Heute lebt sie mit ihrem Partner und ihren zwei Katzen in Gmunden am Traunsee und arbeitet als Lehrerin in einer Integrationsklasse. Bereits als Kind schrieb sie in ihrer Freizeit gerne Geschichten. Vor einigen Jahren entdeckte sie ihre Liebe zum Schreiben wieder und widmet sich seitdem gerne diesem Hobby.
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Weihnachtswichteln
Ausgerechnet Jana hatte er gezogen. Jana, die er überhaupt nicht mochte. Sie war vor einigen Wochen neu in die 7a gekommen und hatte noch immer keine Freunde gefunden. Kein Wunder, so wie die aussah! Sie hatte einen hässlichen Pottschnitt und trug immer dieselben Klamotten. Außerdem redete sie fast nie. In der Pause stand sie immer in derselben Ecke und starrte auf den Boden. Und jetzt musste Jan ihr ein Geschenk im Wert von fünf Euro kaufen oder selbst etwas basteln. So hatte es die Klasse beschlossen. Gleich von Anfang an hatte Jan die Idee doof gefunden. Doch insgeheim hatte er gehofft, dass er mit etwas Glück vielleicht Emilie ziehen würde. Emilie war der Star der Klasse. Alle Jungen waren in sie verliebt. Auch er. Sie sah einfach toll aus, hatte immer diese tollen Klamotten an und hatte in der Klasse den Cupsong eingeführt. Jetzt versuchten alle Schüler, genauso zu singen wie Emilie und dabei diesen dämlichen Becher im Rhythmus zu drehen. Sogar Jan hatte sich heimlich dabei ertappt, wie er das Klatschen und das Drehen des Bechers am letzten Wochenende in der Küche geübt hatte. Der Becher war dauernd auf den Boden gefallen und er hatte das mit dem Klatschen nicht kapiert. Seine Mutter hatte ihn ausgelacht. Alles nur wegen Emilie!
Je näher die Weihnachtsfeier rückte, desto unbehaglicher fühlte sich Jan. Er hatte keine Idee, was er Jana schenken sollte, und eigentlich wollte er ihr auch gar nichts schenken. Nachher würde man ihn vermutlich auslachen und ihn immer mit Jana in Verbindung bringen. Das durfte auf keinen Fall geschehen. So hatte er beschlossen, einfach so zu tun, als hätte er das Wichtelgeschenk vergessen. War ihm doch egal, ob Jana an dem Tag ein Geschenk bekam oder nicht.
Schließlich war der 21. Dezember gekommen und die Klasse feierte Weihnachten. Zuerst wurden einige Spiele gemacht, dann trug Emilie mit ihrer besten Freundin den Cupsong vor, anschließend schaute man sich noch einen Film an und aß Chips.
„So, Kinder!“, rief schließlich Frau Meier, die Klassenlehrerin, und klatschte fröhlich in die Hände. „Es ist Zeit, dass ihr euch die Geschenke gebt und dann habt ihr Ferien!“ Durch die Klasse ging ein Raunen. Jeder wühlte in seiner Tasche und stellte das mitgebrachte Geschenk schließlich auf einen kleinen Wagen. „Vergesst die Namensschilder nicht!“, rief Frau Meier in den allgemeinen Tumult. Wenige Minuten später durfte sich jeder sein Geschenk heraussuchen. Auch Jan steuerte auf den Wagen zu. Wer ihm wohl etwas gekauft hatte? Vielleicht Emilie? Doch nachdem er alle Geschenke durchgeschaut hatte, ging er etwas enttäuscht wieder auf seinen Platz zurück.
Frau Meier hatte ihn beobachtet. „Was ist los?“, fragte sie besorgt, als sie seinen traurigen Gesichtsausdruck sah.
„Jemand hat das Geschenk für mich vergessen!“, sagte er leise. Frau Meier verdrehte die Augen. Dann klopfte sie dreimal auf den Tisch und rief: „Hört mal alle her! Wer hat jetzt nichts zum Auspacken?“ In der hinteren Ecke meldete sich jemand. Jana. „Ihr beiden kommt kurz mit mir mit!“, sagte Frau Meier, die mit vergessenen Geschenken schon gerechnet hatte. „Ich habe im Kunstraum noch zwei Notfallgeschenke!“
Widerwillig gingen Jana und Jan hinter ihrer Lehrerin her. In der Schule herrschte heute eine eigenartige Stimmung. Es war alles so anders als sonst: Es duftete nach Plätzchen, aus manchen Klassenzimmern hörte man Weihnachtsmusik, alles wirkte still und friedlich. Jan spürte eine gewisse Magie und konnte sich nicht erklären, warum.
„Ihr müsst kurz warten, ich muss erst noch suchen!“, erklärte Frau Meier und war im Kunstvorbereitungsraum verschwunden. Jan ahnte bereits, was das bedeutete.
„Das kann dauern!“, hörte er sich plötzlich sagen.
„Wieso?“, fragte Jana leise. Ihm fiel auf, dass er noch nie ihre Stimme gehört hatte.
„Frau Meier findet fast nie etwas. Schon gar nicht im Kunstvorbereitungsraum. Wenn wir hier dieses Jahr noch raus kommen, haben wir Glück gehabt!“
Jana lachte. Sie hatte ein ansteckendes Lachen. Jan lachte automatisch mit. Jana sah Jan direkt ins Gesicht. Was für schöne braune Augen sie hatte! Sie fuhr sich durchs Haar und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Frau Meier kam tatsächlich nicht zurück. Eine peinliche Stille war entstanden. Jan fühlte sich plötzlich etwas unwohl. Sein Herz schlug ungewohnt schnell.
Plötzlich stand Frau Meier vor ihnen.
„Es tut mir so leid, ich habe nur noch ein Geschenk gefunden!“, brachte sie hervor. „Könnt ihr euch das irgendwie teilen? Es ist ein Bastel-Set.“
„Du kannst es haben, Jana!“, entschied Jan.
Doch Jana schüttelte verlegen den Kopf.
„Ich muss dir etwas gestehen ...!“, sagte Jana plötzlich zögerlich. Jan wurde neugierig. „Ich habe dich gezogen und dir extra kein Geschenk gekauft, weil ich dich ziemlich doof fand!“
Jan starrte das Mädchen an. Plötzlich musste er lachen. „Mir ging es auch so!“, sagte er schließlich.
„Tut mir leid!“, sagten beide gleichzeitig. Dann lachten sie wieder.
Frau Meier klatschte vor Freude in die Hände. „Jetzt kommt mit zurück in die Klasse und dann lasst uns in die Ferien gehen!“
„Fröhliche Weihnachten!“, riefen sich alle zu.
Jans Mutter staunte an diesem Nachmittag nicht schlecht, als er am Küchentisch saß und ihren Handarbeitskorb geplündert hatte. „Übst du nicht mehr den Cupsong?“, fragte sie neugierig.
„Nein, ich mache jetzt ein Freundschaftsband!“, gestand er fröhlich und er war sich sicher, dass er im neuen Jahr auch eins bekommen würde.
Dörte Müller, geboren 1967, lebt und arbeitet zurzeit in den Niederlanden. Sie hat bereits mehrere Kurzgeschichten veröffentlicht und schreibt unter dem Pseudonym Carolyn2.
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Einst im Russland zur Zeit des Zarenreiches …
... wohnte in der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg ein junges Mädchen, die rein vom Äußeren her zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe wirkte, mit lang gelocktem Haar, dunkel wie Zartbitterschokolade, und, im Kontrast dazu, hellen, haselnussbraunen Augen. Der Name des Mädchens lautete eigentlich Darja Morosowna. Bis zu jenem Tage, an dem ihre Eltern sie zu ihrer ersten Stunde Musikunterricht begleiteten, da sie die Begabung ihrer Tochter zum Klarinettespielen erkannt hatten.
Absichtlich vermied sie dort den Augenkontakt zu den anderen Kindern ihres Alters, fühlte sich unsicher und nervös unter all den fremden Leuten. Der ungewohnt steife Kragen ihres zimtfarbenen neuen Kleides mit den weißen Knöpfen, welches sie dem Willen ihrer Mutter nach extra für diesen Anlass hatte anziehen müssen, verstärkte ihr Unwohlsein zusätzlich. Außerdem fiel ihr auf, dass unter den übrigen Kindern bloß noch zwei weitere Mädchen waren. Bedauerlicherweise, wie sie fand, da sie sich erhofft hatte, während des Musikunterrichts einige neue Freundinnen finden zu können.
Zunächst fing der Unterricht im Beisein der Eltern ganz harmlos an, der Musiklehrer ging erstmal mit seinen neuen Schülern alle Instrumente durch, indem er ihnen Bilder zeigte und jedes Mal die Frage stellte: „Weiß jemand, wie dieses Instrument heißt?“ Bei der Klarinette – ihrem Instrument – traute das Mädchen sich endlich, sich zu melden, und der Lehrer sagte freundlich zu ihr: „Und wie ist dein Name?“ Vor lauter Aufregung stammelte sie mit geröteten Wangen: „Kla-klarinette.“ Um sie herum brachen die anderen Kinder in schallendes Gelächter aus, und sie wäre am liebsten in ihrem steifen Kragen verschwunden. Seitdem haftete ihr der Beiname Das Klarinetten-Mädchen an.
Nun waren seit dieser Begebenheit schon einige Jahre ins Land gezogen, inzwischen hatte sie ihren zwölften Geburtstag gefeiert und konnte Klarinette spielen, wie keine Zweite. Mit ihren Künsten und ihrem unermüdlichen Fleiß hatte sie längst alle anderen Schüler in ihrer Musikklasse übertroffen. Sie spielte gar so gut, dass ihre Eltern entschieden, sie für eine Aufnahmeprüfung in einem jungen Orchester anzumelden, und nun befand sie sich in aller Herrgottsfrühe auf dem Weg dorthin. Zu der wichtigsten Prüfung ihres Lebens.
Obgleich sie viel zu früh dran war, eilte sie die Morskaja-Straße entlang. Über ihr erstrahlte der winterliche Himmel in kristallklarer Bläue, und nur vereinzelte Fußgänger und hin und wieder ein Pferdeschlitten zogen an ihr vorbei. Auf dem vereisten Untergrund geriet sie ins Rutschen und konnte gerade noch, bevor sie der Länge nach hingefallen wäre, schlingernd ihr Gleichgewicht zurückerlangen. Der schwarze Kasten, in dem sie ihr Instrument transportierte, drückte ihr dabei schwer auf die Schultern. Der beißende Nordwind pfiff ihr um die Ohren, doch sie war schon froh darüber, dass es nicht auch noch schneite. Sonst hatte sie es stets geliebt, bei Schneefall mit der Zunge die Flocken aufzufangen, doch an diesem Tag blieb ihr keine Zeit für derlei Nebensächlichkeiten.
Während sie lief, spürte sie das Pochen ihres Herzens, und tausend schlimme Befürchtungen schossen ihr durch den Kopf: dass sie trotz aller Bemühungen nicht rechtzeitig ankommen oder den Prüfungsraum schlicht nicht finden würde. Oder aber, es würde alles gut laufen, und die Prüfer würden sie trotzdem nicht bestehen lassen, einfach, weil sie einen schlechten Tag hatten oder bereits von den vielen Teilnehmern, die vor ihr drangewesen wären, derart gelangweilt wären. Oder aber ihre schlimmste Angst: dass sie wirklich zu schlecht wäre, dass sie mit ihren Fähigkeiten nicht bestehen könnte. Denn außer der Musik blieb ihr nichts anderes, keine andere Begabung, nichts, was sie sonst noch aus ihrem Leben machen könnte. Klarinette zu spielen war ihre Leidenschaft, in den lieblichen Tönen konnte sie sich mit geschlossenen Augen geradezu selbst verlieren, gedankenlos eine innere Zufriedenheit verspüren, einfach glücklich sein. Was sollte sie nur tun, wenn sie trotz aller Bemühungen, dem stundenlangen, verbissenen Üben, tagein und tagaus, abgelehnt werden würde?
Sie kam an einer schmalen Brücke an, unter der ein Fluss, erstarrt in seinem eisigen Winterschlaf, friedfertig in den schwachen Sonnenstrahlen glitzerte. Erst beim Näherkommen fiel dem Mädchen die seltsame Gestalt des alten Mannes auf, der da auf der Bank in der Mitte der Brücke saß. Es war der seltsamste Mann, den sie je gesehen hatte. Ganz ohne Handschuhe, Schal oder Mütze saß er da mit seinem frostgrauen, von Blautönen durchwebten Mantel, den er nicht mal bis ganz nach oben hin zugeknöpft hatte, als würde ihm der eisige Wind um ihn herum nichts ausmachen. Das sonst so schüchterne Mädchen wunderte sich über sich selbst, als sie auf der Brücke nicht einfach schnell an dem alten Mann vorüberging, sondern auf ihn zu und fragte: „Ist Ihnen nicht kalt?“ Sie fühlte sich schlecht, weil sie so warm eingepackt war mit ihrem gefütterten Mantel, der mit Schleifchen verziert und tannennadelgrün war, den dicken Stiefeln, ihren schwarzen Fäustlingen sowie dem Schal und der schwarzen Ballonmütze.
Sie hätte ihm ihren Schal oder die Mütze angeboten, doch der Mann lachte nur in seinen vollen Bart, der vom gleichen Weiß wie Gletscherspalten war, bei näherem Hinsehen geradezu aus Schneekristallen zu bestehen schien. „Da muss schon sehr viel mehr passieren, bevor ich beginne zu frösteln.“ Seine Augen glühten amüsiert auf, wie Polarlichter in finsterer Nacht.
„Nun gut. Aber was machen Sie hier?“
„Ich warte. Auf meine Enkelin, sie ist ungefähr in deinem Alter.“
„Ach so.“
„Und was tust du hier draußen bei dieser frostigen Kälte? Du wirkst nicht so glücklich, wie ein Mädchen deines Alters sein sollte. Meine Enkelin ist da anders, unbekümmert und so quietschvergnügt, dass es die Eiszapfen zum Klirren bringen kann.“
Nachdenklich kaute sie an ihrer von der Kälte rissigen Unterlippe. Durfte sie einem Fremden so einfach davon erzählen? Doch dann überwand sie sich. Was war schon dabei, wenn sie es dem alten Herrn erzählte? „Ich habe eine sehr schwierige Prüfung vor mir. Ich soll zum Vorspielen.“ Sie deutete auf ihren Klarinettenkoffer und der Mann nickte verständnisvoll.
„Na dann lass mal hören.“ Mit zittrigen Fingern holte sie ihre Klarinette hervor und setzte ihre Lippen an das Mundstück. Im nächsten Moment erfüllten zart schmelzende Klänge die Luft und wurden vom Wind getragen und herumgewirbelt. Nachdem der alte Mann eine Weile still mit geschlossenen Augen gelauscht hatte, fing er mit einem Mal an, so dröhnend zu lachen, dass sie unwillkürlich zusammenzuckte. „Also wenn die dich nicht aufnehmen, Mädchen, dann haben die Tannenzapfen in ihren Ohren stecken!“ Nun auch lächelnd packte sie ihre Klarinette wieder ein und lief weiter. Es schien ihr wie ein Wunder, doch all die Aufregung war wie weggeblasen.
Als sie wenig später in dem Prüfungsraum vor den Prüfern stand, diesmal in einem altrosa Kleid mit Spitzenbesatz an den Ärmeln und hochgeschlossenem Kragen, verspielte sie sich kein einziges Mal und ließ die alten Herrschaften aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen. Nicht weit entfernt saß Väterchen Frost nach wie vor auf der Bank und lächelte bei den Klängen, die der Nordwind zu ihm herantrug, versonnen in seinen dichten Bart.
Bianca Henseler ist 21 Jahre alt und lebt in Kronshagen bei Kiel. Bereits als Kind liebte sie es, sich Geschichten auszudenken, später begann sie dann, ihre Ideen aufzuschreiben. Außer dieser großen Leidenschaft besitzt sie noch eine weitere, die alles betrifft, was mit Asien im Allgemeinen und Südkorea beziehungsweise Japan im Besonderen zusammenhängt. Ihr größter Traum ist es, nach ihrem Abitur eine ein- bis zweimonatige Sprachreise nach Seoul unternehmen zu können, um Kultur und Leute in Südkorea kennenzulernen.
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