Kitabı oku: «Buchstäblichkeit und symbolische Deutung», sayfa 21

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„An Doris.

Laß mich, o Doris, dem Gefühle

Und dir, ein Opfer weihn.

Die Muse dieser Kinderspiele

Muß eine Mutter seyn.

Sey stolz auf dieses Titels Ehre,

Den selbst der Wilde schätzt,

Und der noch mehr als wälsche Chöre

Des Weisen Ohr ergötzt.

Kein Reiz kann dein Geschlechte krönen,

Den er nicht noch erhöht;

Er mischt den sanften Blick der Schönen

Mit edler Majestät.

Ein Kind erregt in zarten Seelen

Der Menschheit reinste Lust,

Und schmückt, noch schöner als Juwelen,

Der Mutter weise Brust.

Wie manche Dame wird hier lachen!

Auch du, Geliebte? … nein;

Die Mutter der erlauchten Gracchen

Wird stets dein Muster seyn.

Einst gab ein fremdes Frauenzimmer

Ihr einen Staatsbesuch;

Ihr ganzer Leib war lauter Schimmer,

Und lauter Wohlgeruch.

Die Nymphe schwatzt von Putz und Kleide,

So pflegt es noch zu gehn;

Und endlich wünscht sie das Geschmeide

Der Römerinn zu sehn.

Cornelia ruft ihren Söhnen,

Und als sie sich genaht,

So sprach sie zu der eitlen Schönen:

Hier, dieses ist mein Staat!“31

Mit der angesprochenen Doris ist nicht eine konkrete historische Person adressiert, sondern die mythologische und mythopoetische Figur der Doris wird bei PfeffelPfeffel, Gottlieb Konrad als Repräsentantin von musterhafter Mütterlichkeit angerufen. Nach HesiodsHesiod TheogonieTheogonie ist diese „schönhaarige Doris“ (V. 241), die auch die Mutter von Doris, der „Geberin“ (V. 250), ist,32 in der griechischen Mythologie eine Okeanide (das ist eine Süßwassernymphe), Tochter des Okeanos und der Tethys. Sie ist mit Nereus verheiratet und hat 50 Kinder, die sogenannten Nereiden. Der Name Doris wird darüber hinaus auch als MetonymieMetonymie für das Meer in der Mythologie gebraucht.33 GoetheGoethe, Johann Wolfgang lässt noch in Faust IIFaust II im zweiten Akt der Klassischen Walpurgisnacht, Felsbuchten des ägäischen Meers den Nereus (V. 8346ff.), die Nereiden (V. 8043ff.) und die auf Delphinen reitenden Doriden (V. 8391ff.) auftreten, deren Vater Nereus sie „die Grazien des Meeres“ (V. 8135) nennt. Diese antworten:

„Knaben sinds die wir gerettet,

Aus der Brandung grimmem Zahn,

Sie, auf Schilf und Moos gebettet,

Aufgewärmt zum Licht heran,

Die es nun mit heißen Küssen

Treulich uns verdanken müssen;

Schau die Holden günstig an!“ (V. 8395ff.)

„Lobst du Vater unser Walten,

Gönnst uns wohl erworbene Lust,

Laß uns fest, unsterblich halten

Sie an ewiger Jugendbrust.“ (V. 8404ff.)

Zwar spricht der Verfasser PfeffelPfeffel, Gottlieb Konrad seine Doris mit den Worten „Auch du, Geliebte? …“34 an, doch ist das wohl eher poetische Fiktion als Ausdruck eines historischen Bezugs. Ist WagnersWagner, Heinrich Leopold Dorilis aus der KinderpastoraleKinderpastorale also möglicherweise eine Anspielung auf diese, nämlich Pfeffels Doris? Wenn in Pfeffels Gedicht der Name Cornelia angeführt wird, so öffnet dies folgenden historischen Bezug. CorneliaCornelia Africana Major (ca. 190 – ca. 100 v. Chr.) war die Tochter von Scipio Africanus maiorScipio Africanus maior und Aemilia TertiaAemilia Tertia. Die Römer verehrten sie als Inbegriff einer Matrona. Sie gilt als „Archetyp der röm.[ischen] Mutter“35 und war mit Tiberius Sempronius GracchusTiberius Sempronius Gracchus, der zwischen 177 und 163 v. Chr. römischer Konsul war und 154 v. Chr. starb, verheiratet. Aus der Ehe gingen zwölf Kinder hervor, von denen eine Tochter und zwei Söhne überlebten; die Söhne und späteren Volkstribunen Tiberius und GaiusGaius engagierten sich in Rom politisch und sind als die Gracchen bekannt. TacitusTacitus führt Cornelia in seinem Dialog über die RednerDialog über die Redner Cornelia als leuchtendes Beispiel an für den Inbegriff einer römischen Mutter, zugleich dient ihm das Beispiel CorneliaCornelia Africana Major auch zur Charakterisierung der in Erziehungsfragen besseren früheren Zeit. Zu den Merkmalen dieser GeschlechterstereotypieGeschlechterstereotype gehören unter anderem die persönliche Erziehung der Söhne durch die Mutter, das eigene Säugen, das nicht an eine Amme delegiert wird, und gewissenhafte Wahrung häuslicher Aufgaben. TacitusTacitus bilanziert diese ältere Art der Erziehung mit dem Hinweis, Cornelia und anderen beispielhaften römischen Müttern sei es auf diese Weise gelungen, dass sie die Erziehung „kontrollierten“ („praefuisse educationibus“), Cornelia habe so ihre beiden Söhne „zu führenden Politikern“ herangebildet; TacitusTacitus hebt die „strenge Disziplin“ hervor und die Ausrichtung der mütterlichen Erziehung an den „edlen Künsten“ wie Kriegsdienst, das Studium des römischen Rechts und die rhetorische Schulung, an deren Ende die umfassende Aneignung dieser Disziplinen stand.36 Der Vorbildcharakter wurde darüber hinaus auch in ihrem Umgang mit dem Verlust ihrer Kinder als Mater dolorosa gesehen und ihre Stärke als exemplum, also als ein beispielhaftes Vorbild, gewürdigt. Bei MartialMartial hingegen wird Cornelia in dessen EpigrammenEpigramm als ein positives, historisches Beispiel sexuellerSexualität Freizügigkeit angeführt.37 Ihre Vorbild- und ExemplumfunktionFunktion bewahrte sie auch in der Literatur des MittelaltersMittelalter und der Frühen NeuzeitFrühe Neuzeit, noch 1524 wird sie in der Abhandlung De institutione femininae ChristianaeDe institutione femininae Christianae als „Idealfigur der weiblichen Christin“38 präsentiert, und 1851 erscheint postum sogar ein Roman mit dem Titel Cornelia (1851) von Charlotte von KalbKalb, Charlotte von (1761–1843), der auch die von der Autorin gewünschte Dreiecksbeziehung mit SchillerSchiller, Friedrich und seiner Frau reflektiert.

In PfeffelsPfeffel, Gottlieb Konrad Gedicht nun wird eine namenlose Nymphe genannt, die Doris einen Besuch abstattet und Cornelias Schmuck zu sehen wünscht. Diese ruft ihre beiden Söhne und erklärt der Nymphe: „Hier, dieses ist mein Staat!“39 An die gleichnamige Vestalin, die 91 n. Chr. lebendig begraben wurde, da man ihr Unzucht vorwarf, dachte Pfeffel nicht, was unter anderem durch den Hinweis auf „die Mutter der erlauchten Gracchen“40 belegt ist. Allerdings wandelt PfeffelPfeffel, Gottlieb Konrad den historischen Gehalt etwas ab, denn bei Valerius MaximusValerius Maximus ist diese Geschichte folgendermaßen überliefert: „Als der Cornelia, der Mutter der Gracchen, eine kampanische Frau, die bei ihr zu Besuch war, ihre Schmuckstücke – die schönsten jener Zeit – zeigte, unterhielt sich Cornelia so lange mit ihr, bis ihre Kinder aus der Schule nach Hause kamen, und sagte: ‚Dies sind meine Schmuckstücke.‘“41

Nach dem Widmungsgedicht An Doris folgt die eigentliche Vorrede des Verfassers, die den Hinweis enthält, wer ein Kinderspiel schreiben wolle, müsse vor allem die kindlichen Akteure und weniger die Zuschauer vor Augen haben, denn „diese will er unter dem Scheine der Ergötzung lehren und bessern: Er muß also aus der Sittlichkeit sein Hauptwerk machen, und die zarten Gemüther mit dem gefährlichen Bilde des ungestraften Lasters verschonen.“42 Goethe wird später in den Xenien gegen die ‚Schriften für Damen und Kinder‘ polemisieren:

„Immer für Weiber und Kinder! Ich dächte man schriebe für Männer,

Und überließe dem Mann Sorge für Frau und für Kind!“43

Bemerkenswert ist sowohl an PfeffelsPfeffel, Gottlieb Konrad und WagnersWagner, Heinrich Leopold Ernsthaftigkeit und der Ablehnung GoethesGoethe, Johann Wolfgang, dass sowohl die patriarchale, lyrische Polemik als auch die aufgeklärteAufklärung KinderliteraturKinderliteratur dieselben systemstabilisierenden Effekte erzielen. Beide DiskursformenDiskurs nostrifizieren die Einschreibung des GeschlechterstereotypsGeschlechterstereotype in das bürgerlichebürgerlich Familienmuster, 1769 ebenso wie 1797, als die gemeinsam mit SchillerSchiller, Friedrich verfassten XenienXenien erstmals erschienen sind.

Die Dramatischen KinderspieleDramatische Kinderspiele wurden in der Deutschen Bibliothek der schönen WissenschaftenDeutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften 1769 besprochen. Der Rezensent liest sie als „einen neuen so vortreflichen Beytrag zur Erziehung“ und stellt sie in eine Reihe mit RousseausRousseau, Jean-Jacques Erziehungsroman Émile oder Über die ErziehungÉmile oder Über die Erziehung (1762), er lobt die „Meisterhand“ des Verfassers und fragt: „Sollte ich mich irren, wenn ich Hrn. Pfeffel muthmaßlich für den Verfasser hielt?“44 Damit war die Zuschreibung des anonymen Textes in der res publica litteraria ein Faktum. Allerdings stellt der Rezensent am Ende die Frage, ob nicht die Darstellung gesellschaftlicher TugendenTugend anstelle von Heldentugenden im Sinne von Beispielreferenzen für Kinder pädagogisch wertvoller seien. Als Medium der Darstellung sollte demzufolge nicht die Textform einer TragödieTragödie, sondern vielmehr das rührende Lustspielrührendes Lustspiel gewählt werden. Zehn Jahre später findet sich nochmals ein Hinweis auf die Verfasserschaft PfeffelsPfeffel, Gottlieb Konrad im Taschenbuch für Schauspieler und SchauspielliebhaberTaschenbuch für Schauspieler und Schauspielliebhaber, wo die Dramatischen KinderspieleDramatische Kinderspiele in seiner Werkübersicht aufgeführt sind.45 Mit WagnersWagner, Heinrich Leopold KinderpastoraleKinderpastorale kann ein Text wiederentdeckt werden, der den Nachweis erbringt, dass auch die vermeintlich kleine Literaturkleine Literatur die großen Themen der Zeit widerspiegelt und nicht zwischen der Zweckbindung als GebrauchslyrikGebrauchslyrik und dem pathetischen Utopieentwurf einer Schäferwelt zerrieben wird.

Plädoyer für eine historisch-kritische Schubart-Ausgabe

Hermann HesseHesse, Hermann schreibt in der Vossischen ZeitungVossische Zeitung vom 5. Januar 1926 über unsere, der Philologen Tätigkeit: „Man kann darüber streiten, ob das Ausgraben und Neuherausgeben alter Dichtungen und die dafür aufgebrachte mühsame Philologenarbeit wirklich etwas Wertvolles, ob es nicht bloß Tuerei und Historikerwahn sei“Heinse, WilhelmSchüddekopf, CarlSchubart, Christian Friedrich Daniel1. Hesse scheint „der Luxus sehr erlaubt, sich einige Philologen zu halten und je und je wieder etwas edleren Lesestoff aus der Vergangenheit zu holen“2. Er erkennt den „Widerspruch“ in der gesellschaftlichen Akzeptanz der Philologenarbeit, aber auch bei sich selbst, „daß ich die jahrzehntelang an einem alten Dichter kratzenden Philologen eigentlich für bedauernswert halte und wenig verehre, mir dagegen das Resultat ihrer Arbeit sehr gern gefallen lasse“.3 Nach so viel mitleidsvoller Schelte kommen wir zu den philologischenPhilologie Kratzgeräuschen. Ich gliedere den Beitrag in zwei Teile: Erstens, die textkritischen Bemerkungen zu SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel Gedicht Die FürstengruftDie Fürstengruft, die Darstellung der Recensio am Beispiel der ersten Strophe. Und zweitens, Reflexionen über die philologische Denkfigur der Zuschreibung am Beispiel von Schubart und Ludwig Philipp HahnHahn, Ludwig Philipp.

Zunächst zu den textkritischen Bemerkungen zu Schubarts Gedicht Die Fürstengruft und zur Darstellung der Recensio am Beispiel der ersten Strophe. Das Gedicht Die Fürstengruft ist mutmaßlich Ende 1779 entstanden, nachdem der Herzog seine Zusicherung, Schubart werde bald freikommen, nicht eingehalten hatte. „Die Fürstengruft entstand nicht vor, sondern während Schubarts Gefangenschaft, und zwar entweder 1779 oder, was StraußStrauß, David Friedrich wahrscheinlich zu machen gesucht hat, 1780 […]“4. Andreas Streicher, der SchillerSchiller, Friedrich auf seiner Flucht von Stuttgart nach Mannheim am 22. September 1782 begleitet hat, berichtet, Schiller habe nachts zwischen ein und zwei Uhr auf der Poststation in Enzweihingen ein Heft mit ungedruckten Gedichten von Schubart hervorgezogen und daraus vorgelesen:

„Das merkwürdigste darunter war die Fürstengruft, welches Schubart in den ersten Monaten seiner engen Gefangenschaft, mit der Eke einer BeinkleiderSchnalle, in die nassen Wände seines Kerkers eingegraben hatte. […] In manchen dieser Gedichte fanden sich Anspielungen, die nicht schwer zu deuten waren und die keine nahe Befreiung ihres Verfassers erwarten ließen“Streicher, AndreasBeethoven, Ludwig van5.

Dass SchillerSchiller, Friedrich bei Konzeption, Inhalt und Sprache seines eigenen Gedichts Die Gruft der FürstenDie Gruft der Fürsten von Schubarts FürstengruftDie Fürstengruft maßgeblich beeinflusst wurde, und nicht umgekehrt, Schubart von Schiller zu seinem Gedicht angeregt wurde, ist offensichtlich. Schillers eigener Musenalmanach, die Anthologie auf das Jahr 1782Anthologie auf das Jahr 1782, erschien im Februar 1782, die Vorbereitungszeit fiel also in den Herbst/Winter 1781/1782. Und da kannte Schiller bereits Schubarts Fürstengruft aus dem Manuskript, und die ersten beiden Drucke waren bereits erschienen, nämlich 1781 im FrankfurterFrankfurter Musenalmanach und im Leipziger MusenalmanachLeipziger Musenalmanach (s.o.). Hat Schiller Schubarts Text möglicherweise durchgestochen und zum Druck in den Frankfurter Musenalmanach vermittelt? Ohne Schubarts Wissen? Um welche Gedichte von Schubart es sich handelte, die Schiller seinem Reisegefährten auf der Poststation vorlas, ist nicht überliefert – mit Ausnahme der Fürstengruft. Auch lässt sich nicht mehr feststellen, ob diese Gedichte tatsächlich ungedruckt waren. Schiller verlässt Stuttgart am 22. September 1782. Seine eigene Anthologie auf das Jahr 1782 ist da bereits im Druck, der Almanach erscheint im Februar 1782. „Schiller hatte für die dichterischen Talente des Gefangenen, sehr viele Hochachtung. Auch hatte er ihn einigemale auf dem Asperg besucht“6, schreibt Andreas StreicherStreicher, Andreas. Im November 1781 lernt Schiller Schubart persönlich kennen, als er ihn auf dem Hohenasperg besucht.7 Schubarts Sohn LudwigSchubart, Ludwig Albrecht ist jedoch schon seit 1777 Karlsschüler. Bis Ende 1780 war Schiller selbst noch Karlsschüler gewesen. Außerdem trägt Ludwig Schubart auch zu Schillers AnthologieAnthologie auf das Jahr 1782 bei, so lautet zumindest die gängige Zuschreibung, das Gedicht gehört ins Themenfeld der Machtkritik und ist ganz dem Duktus schillerscher Jugendlyrik verpflichtet, – und trägt ausgerechnet den bezeichnenden Titel Aufschrift einer FürstengruftAufschrift einer Fürstengruft:

„Zurük! Hier ruhn die Erdenriesen,

Fern von dem Volk in ihrer Gruft –

Um mit dem Volk nicht auferstehn zu müssen,

Wenn einstens die Trompete ruft.“8

Angesichts dieser persönlichen und kommunikativen Nähe kann man daher nicht ausschließen, dass SchillerSchiller, Friedrich über Ludwig SchubartSchubart, Ludwig Albrecht unveröffentlichte Gedichte des Vaters zu lesen bekam. „Schiller ist ein groser Kerl – ich lieb’ ihn heiß – grüß ihn!“9 Das schreibt Schubart an seine Frau zu Beginn des Sommers 1782. Ist dies eine Reaktion auf die Lektüre der AnthologieAnthologie auf das Jahr 1782 oder auf Schillers Besuch auf dem Hohenasperg im Herbst des Jahres zuvor?

Auf die Parallelen zwischen SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel FürstengruftDie Fürstengruft und Schillers Gedicht Die schlimmen MonarchenDie schlimmen Monarchen ist immer wieder hingewiesen worden. Man muss Schillers Gedicht aber auch im Zusammenhang sehen mit den nur fünf Zeilen umfassenden lyrischen Fragmenten Die Gruft der KönigeDie Gruft der Könige und Triumphgesang der HölleTriumphgesang der Hölle, die vermutlich 1778 oder 1779 entstanden sind.10 Nach dem Zeugnis von (vermutlich) Karl Philipp ConzConz, Karl Philipp in der Zeitschrift Der Freimüthige oder Ernst und ScherzDer Freimüthige oder Ernst und Scherz vom 4. November 1805, einem Jugendfreund Schillers, veranlasste die Gruft der Könige Schubart, seine Fürstengruft zu dichten. Das ist aber sehr zweifelhaft, weil Ludwig Schubart 1798 ja einen anderen Anlass für Schubarts Gedicht anführt.11 Die Themen von Herrschaftskritik und absolutistischer Machtwillkür trägt Schiller im Ton radikal vor. Die Monarchen werden als Erdengötter und als Gottes Riesenpuppen bezeichnet, die mit pompendem Getöse ihren Spleen ausleben. Eine solch eindeutige Aussage lässt keinerlei Spielraum für eine parodistische Lesart zu. Im Unterschied zu SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel versöhnlichem Schluss – sofern man diesen eben nicht als Parodie lesen will – mit seinem Appell an die guten und das bedeutet die aufgeklärten Vertreter des Absolutismus, droht der junge SchillerSchiller, Friedrich in der Schlussstrophe seines Gedichts unverhüllt mit der Macht der Poesie:

„Aber zittert für des Liedes Sprache,

Kühnlich durch den Purpur bohrt der Pfeil der Rache

Fürstenherzen kalt.“12

Die Nationalausgabe spricht durchaus von einer „Abhängigkeit des Schillerschen Gedichts von dem Schubarts“13, obgleich das Thema Fürstengruft durchaus auch zum gängigen literarischen Motivinventar der Zeit gehört. Demgegenüber ist als Gegenbeispiel etwa KlopstocksKlopstock, Friedrich Gottlieb Gedicht FürstenlobFürstenlob (1775) mit folgendem Wortlaut zu nennen:

„Dank dir, mein Geist, daß du seit deiner Reife Beginn,

Beschlossest, bey dem Beschluß verhartest:

Nie durch höfisches Lob zu entweihn

Die heilige Dichtkunst,

Durch das Lob lüstender Schwelger, oder eingewebter

Fliegen, Eroberer, Tyrannen ohne Schwert,

Nicht grübelnder, handelnder Gottesleugner,

Halbmenschen, die sich, in vollem dummen Ernst, für höhere

Wesen halten als uns. Nicht alte Dichtersitte,

Nicht Schimmer, der Licht log,

Freunde nicht, die geblendet bewunderten,

Vermochten deinen Entschluß zu erschüttern.

Denn du, ein biegsamer Frühlingssproß

Bey kleineren Dingen,

Bist, wenn es größere gilt,

Eiche, die dem Orkane steht.

Und deckte gebildeter Marmor euch das Grab;

Schandsäul’ ist der Marmor: wenn euer Gesang

Kakerlakken, oder Oranutane

Zu Göttern verschuf.

Ruhe nicht sanft, Gebein der Vergötterer! Sie sinds,

Sie habens gemacht, daß nun die Geschichte nur

Denkmaal ist; die Dichtkunst

Nicht Denkmaal ist!

Gemacht, daß ich mit zitternder Hand

Die Saite von Daniens Friederich rührte;

Sie werde von Badens Friederich rühren,

Mit zitternder Hand.

Denn o wo ist der sorgsame Wahrheitsforscher,

Der geht, und die Zeugen verhört? Geh hin, noch leben die Zeugen,

Und halte Verhör, und zeih, wenn du kanst,

Auch mich der Entweihung!“14

Von SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel FürstengruftDie Fürstengruft wird im Deutschen Literaturarchiv Marbach eine Handschrift aufbewahrt, die offensichtlich eine Reinschrift (vielleicht auch die Druckvorlage?) darstellt, die aber nicht Schubarts eigene Handschrift wiedergibt. Auf dem Umschlagblatt steht das Jahresdatum „1783“; die Handschrift bildet mutmaßlich die Druckvorlage für D4. Ludwig SchubartSchubart, Ludwig Albrecht bemerkt, dass sein Vater nahezu alles diktiert habe, „selbst Gedichte dictirte er“15. Wie kam diese Reinschrift nach Marbach? Zu berücksichtigen ist auch eine Selbstauskunft Schubarts, die er im Vorbericht zum ersten Band seiner gesammelten Gedichte von 1786 niederlegt: Er schreibt im Vorbericht zum ersten Band seiner Sämtlichen GedichteSämtliche Gedichte (Schubart) von 1785: „Und doch hab ich nie ein Gedicht […] ausdrücklich für den Druck bestimmt“16. Die folgende Übersicht bietet einen für das 18. Jahrhundert vollständigen und für das 19. Jahrhundert nahezu vollständigen Überblick über die Drucke der FürstengruftDie Fürstengruft:

D1: Erster Druck unter dem Titel Die Gruft der FürstenDie Gruft der Fürsten in: Frankfurter Musenalmanach auf das Jahr 1781. Herausgegeben von H.[einrich] Wagner: Frankfurt, bey Johannes Bayrhoffer, S. 144–150, unterzeichnet mit Schubarth[!]. Wahrscheinlich ist der Almanach im Herbst 1780 erschienen.17 – Insgesamt 25 Strophen, es fehlt (nach der Zählung gemäß Reclam 1978) Strophe Nr. 13. – Der Herausgeber Heinrich WagnerWagner, Heinrich (1747–1814) wurde bis dato oft mit dem hinlänglich bekannten Dramatiker des Sturm und Drang Heinrich Leopold WagnerWagner, Heinrich Leopold (1747–1779) verwechselt.

D2: Zweiter Druck unter dem Titel Die Gruft der Fürsten in: Leipziger Musenalmanach auf das Jahr 1781. Leipzig im Schwickertschen Verlage, S. 81–85, unterzeichnet mit Schubarth[!]. Insgesamt 25 Strophen, es fehlt (nach der Zählung gemäß Reclam 1978) Strophe Nr. 13. – Dieser Almanach wurde in den Jahren 1779 bis 1781 von August Kornelius Stockmann herausgegeben.18

D3: Dritter Druck unter dem Titel Die Gruft der Fürsten in: Deutsches Museum, Dezember 1782, Bd. 2, 12. St. Leipzig: in der Weygandschen Buchhandlung, S. 496–499. Insgesamt 25 Strophen, es fehlt (nach der Zählung gemäß Reclam 1978) Strophe Nr. 13.

D4: Vierter Druck unter dem Titel Die FürstengruftDie Fürstengruft in: Chr. Dan. Friedr. Schubarts Gedichte aus dem Kerker. Erster Theil. Zürich: Orell, Geßner, Füßli und Comp. 1785, S. 181–184. Insgesamt 25 Strophen, es fehlt (nach der Zählung gemäß Reclam 1978) Strophe Nr. 2; Nr. 13 vorhanden. [Nicht autorisierter Druck! Herausgabe und Vorrede von Armbruster, S. IV: „Daß diese Ausgabe ohne Wissen des Verfassers gemacht werden mußte, wenn sie je gemacht werden sollte“, u. S. V: „feyerlich sey es hier gesagt: Schubart hat durchaus keinen Antheil daran …“. Erschienen vor Mai 1785, denn das ist das Datum von Schubarts Vorbericht, wo er u.a. über seine Gedichte schreibt: „die kürzlich herausgekommene Schweizersammlung, die alle mit sinnlosen Druckfehlern verunstaltet seyn mußten, weil man mich nicht dabei zu Rath zog, und oft die abgesudelsten Handschriften gebrauchte“ (ebd., Vorbericht, n.p.), auch würden ihm Gedichte zugeschrieben, die gar nicht von ihm seien (ebd.)].

D5: Fünfter Druck unter dem Titel Die FürstengruftDie Fürstengruft in: Christian Friedrich Daniel SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel sämtliche Gedichte. Von ihm selbst herausgegeben. Zweiter Band. Stuttgart: in der Buchdruckerei der Herzoglichen Hohen Carlsschule 1786, S. 78–83. Insgesamt 26 Strophen. [Der erste Band erschien ebd. 1785]. – Hier fasst Schubart auch kurz und präzise seine Poetik zusammen: „Ich fühle, was ich schreibe und rede“ (ebd., Vorbericht, n.p.). Nach dem Zeugnis Ludwig SchubartsSchubart, Ludwig Albrecht sollen mehr als 3000 Subskriptionen vorgelegen haben, das war ein enormer Verkaufserfolg, der Schubarts Beliebtheit und Popularität bei den Zeitgenossen unterstreicht.19

D6: Sechster Druck [= Einzeldruck] unter dem Titel Die Gruft der Fürsten. Von Schubart auf HohenasbergDie Gruft der Fürsten [!]. Berlin 1786. Es ist davon auszugehen, dass dies kein autorisierter Einzeldruck darstellt. Enthält viele Fehler.

D7: Siebter Druck unter dem Titel Die FürstengruftDie Fürstengruft in: Christian Friedrich Daniel Schubarts sämtliche Gedichte. Von ihm selbst herausgegeben. Zweiter Band. Frankfurt am Mayn, in der Hermannischen Buchhandlung 1787, S. 73–77. [Nachdruck von Stuttgart 1786, = D5 (Stuttgarter Ausgabe)]. Der Buchhändler und Verleger Johann Christian HermannHermann, Johann Christian aus Frankfurt hatte Schubarts Frau die Restexemplare der schnell vergriffenen, zweibändigen Gedichtausgabe (Karlsschulausgabe = D4 [1784] und D5 [1786]) und die Rechte daran abgekauft und eine spätere Gedichtausgabe bei Himburg (Berlin), die Ludwig SchubartSchubart, Ludwig Albrecht besorgen wollte, aus rechtlichen Gründen verhindert.20

D8: Achter Druck unter dem Titel Die Fürstengruft in: Christian Friedrich Daniel Schubart’s Gedichte. Herausgegeben von seinem Sohne Ludwig Schubart. Zweiter Theil. Frankfurt a.M.: bey J.C. Hermann 1802, S. 7–12. – Interessanterweise ist das Gedicht nicht in folgende Ausgabe übernommen worden: Chr. Fr. D. Schubart’s vermischte Schriften. 2 Tle. Herausgegeben von Ludwig SchubartSchubart, Ludwig Albrecht, Sohn. Zürich: in der Geßner’schen Buchhandlung 1812. Philologisch spricht gegen D8 vor allem eine Bemerkung Ludwigs in der Vorrede zu seiner Ausgabe von 1802. Manche Gedichte seines Vaters hätten sich weder in der Deutschen ChronikDeutsche Chronik noch unter seinen hinterlassenen Papieren gefunden, deshalb „schrieb ich sie aus dem Gedächtniß nieder“ (ebd. [D8], S. IV). Um welche Gedichte es sich bei den erinnerten Texten handelt, ist nicht (eindeutig) zu erschließen.

D9: Neunter Druck unter dem Titel Die FürstengruftDie Fürstengruft in: Gedichte von Christ. Fridr. Daniel Schubart. Zweyter Theil. Neueste Auflage. Frankfurt [ohne weitere Angaben] 1803, S. 6–12.

D10: Zehnter Druck unter dem Titel Die Fürstengruft in: Sämmtliche Gedichte von Christian Friedrich Daniel SchubartSchubart, Christian Friedrich Daniel. Zweiter Band. Frankfurt a.M.: Verlag der Hermannschen Buchhandlung 1825, S. 66–70. [Nachdruck von D7].

D11: Elfter Druck unter dem Titel Die Fürstengruft in: Sämmtliche Gedichte von Chr. Fr. Dan. Schubart. Neue verbesserte Auflage. Frankfurt a.M.: Joh. Christ. Hermann’sche Buchhandlung. G.F. Kettembeil 1829, Bd. 2, S. 66–70. [zwar mit abweichender Seitenzählung, aber identischem Druckbild wie Frankfurt a.M. 1825 = D10].

D12: Zwölfter Druck unter dem Titel Die Fürstengruft in: C.F.D. Schubart’s, des Patrioten, gesammelte Schriften und Schicksale. Stuttgart: J. Scheible’s Buchhandlung 1839, Bd. 4, S. 70–74.

D12+n: Druck unter dem Titel Die Fürstengruft in: Gustav Hauff: Chr. Fr. D. Schubarts Gedichte. Historisch-kritische Ausgabe. Leipzig o.J. [1884], S. 205–208. – Diese Ausgabe rechnet sich vor allem das Verdienst zu, Schubart als Dichter „von politischen und zeitgeschichtlichen Gedichten“21 gewürdigt zu haben. Da hatte aber die Karriere der „weltberühmte[n]“22 Fürstengruft, wie David Friedrich StraußStrauß, David Friedrich in seiner Ausgabe der Briefe Schubarts schon 1849 geschrieben hatte, als SchubartsSchubart, Christian Friedrich Daniel bekanntestes politisches Gedicht längst schon ihren Höhepunkt erreicht.

Die derzeit immer noch verbindliche Reclam-Ausgabe gibt an, die FürstengruftDie Fürstengruft nach der Stuttgarter Ausgabe von 1786 (= D5) zu drucken, nennt aber die falsche Jahreszahl „1787“ (das wäre D7), was wiederum auf den Frankfurter Nachdruck durch den Buchhändler und Verleger Hermann aus diesem Jahr verweist. Betrachten wir die editorischen Differenzen am Beispiel des Wortlauts der ersten Strophe der Fürstengruft:23


1 Da liegen sie, die stolzen Fürstentrümmer,
2 Ehmals die Gözen ihrer Welt!
3 Da liegen sie, vom fürchterlichen Schimmer
4 Des blassen Tags erhellt!


Handschrift:
H: Die Abbildung eines Handschriften-Stemmas ist nicht möglich, es gibt keine Mutterhandschrift, von der sich andere Handschriften ableiten ließen, die erhalten geblieben ist. Eine Art Urtext von Ende 1779 gibt es nicht. Auch eine klassische Coniectura palmarum, die über jeden Zweifel erhabene editionsphilologische Richtigstellung, ist kaum möglich.
h: Marbacher Abschrift (26 Strophen), 1783 [Vorlage für D4?]. Reihenfolge an einer Stelle vertauscht.

Ein Beleg für die These, dass h eine (die einzig bekannte) Druckvorlage darstellt, ergibt sich aus dem Vergleich von Strophe 9, Zeile 1, die in h lautet: „Zum morschen Ripp ist nun die Brust geworden“; das entspricht nahezu dem Wortlaut von D1 und D2: „Zur morrschen Ripp ist nun die Brust geworden“. D3 bietet: „Zur morschen Ripp’ ist nun die Brust geworden“. D4 variiert: „Zum morschen Ripp’ ist nun die Brust geworden“. Das Elisionszeichen wiederum reproduziert nur der Einzeldruck D6, was als Indiz dafür gelten kann, dass D3 die Vorlage für (den korrupten) Druck D6 („Zur morschen Ripp’“) bildet. Ab D5 hingegen lautet die Zeile: „Zum Todtenbein ist nun die Brust geworden“. In h findet sich zudem die signifikante Auffälligkeit von Strophe 13, die in D1, D2 und D3 fehlt, was wiederum ein Indiz dafür sein könnte, dass die Jahreszahl „1783“ auf der Handschrift h richtig ist und somit h als Druckvorlage, zumindest als Reinschrift, für die FürstengruftDie Fürstengruft in D5 diente. Zum Vergleich:


h: 1 Sie liegen nun, den eisern Schlaf zu schlafen
2 Die Menschengeißeln, unbetrauert
3 Im Schooße der Verwesung, wie die Sclaven,
4 In Felsen eingemauert.


D4: 1 Da liegen nun den eisern Schlaf zu schlafen,
2 Der Menschheit Geisseln, unbetraurt,
3 Im Felsengrab, verächtlicher als Sklaven,
4 In Kerker eingemaurt.


D5: 1 Sie liegen nun, den eisern Schlaf zu schlafen,
2 Die Menschengeisseln unbetraurt!
3 Im Felsengrab, verächtlicher als Sklaven,
4 In Kerker eingemaurt.

Folgende Lesarten der ersten Strophe ergeben sich im Vergleich von Handschrift und Drucken:

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
3110 s. 1 illüstrasyon
ISBN:
9783772002151
Telif hakkı:
Bookwire
İndirme biçimi:
Metin
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Metin
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Metin
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