Kitabı oku: «Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis», sayfa 28
44. Ich, Nicht-Ich; Thesis, Antithesis, Synthesis; Naturphilosophie
Unter dieser Überschrift besprechen wir Anschauungen unmittelbarer Nach-Kantianer. Wir können aber sehr kurz sein, denn es handelt sich nicht um eine fruchtbare Fortbildung der Lehre des Meisters, sondern eigentlich um eine Verschleppung in das Gestrüpp der Dialektik. Fichte (1762–1814), in seiner ersten Philosophie, stellt sich idealistischer als Kant. Er geht allein vom Ich aus, als erstem Grundsatz; diesem muß ein Nicht-Ich als zweiter Grundsatz entsprechen, und als dritter Grundsatz steht die Reaktion des Ich gegen das Nicht-Ich. Nun haben wir eine unbedingte Wahrheit: Ich ist Ich, oder Ich bin. Das gibt die Identität oder Realität; die Thesis der Identität (Realität). Diese enthüllt alle innere Tätigkeit. Das Ich setzt sich selbst, allein durch sich selbst. Die zweite Wahrheit lautet: Nicht-Ich ist nicht Ich, also führt sie zur Verneinung (Negation). Diese Wahrheit ist nicht mehr, wie die erste, unbedingt, da außer dem Nicht-Ich ein Ich gesetzt ist, das vorhanden sein muß; sie ist aber unbedingt der Form nach, und dem Inhalt nach, sobald eben das Ich gesetzt ist. Die dritte Wahrheit gibt die Umgrenzung (Limitation), indem die Gegensätzlichkeit, die zwischen den beiden ersten Wahrheiten besteht – es wird sogar Widerspruch gesagt; ich sehe aber nicht einmal eine Gegensätzlichkeit, die Wahrheiten sind doch lediglich koordiniert und stehen in gar keiner Verbindung zueinander —, aufgehoben wird, sie lautet: Ich zum Teil Nicht-Ich, wenn Nicht-Ich zum Teil Ich. Es ist die reine symbolische Mathematik. Wert gewinnt sie nur durch die empirischen Bestimmungen, und so wird sie auch aus dem empirischen Bewußtsein entnommen und versachlicht. Das Nicht-Ich ist entweder ein eigenes Tätiges und kausal der Grund des „Leidens“ des Ich. Oder es ist an sich nicht vorhanden, aber das Ich wechselt in seiner Tätigkeit, ist begrenzt, und faßt diese Begrenztheit als Leiden durch ein Nicht-Ich auf. Der letztere Fall gibt den dogmatischen Idealismus, der erstere soll dogmatischer Realismus sein; ich vermag aber nicht einzusehen, warum er nicht den transzendentalen Idealismus soll konstruieren können. Das Gefühl der Begrenztheit (S. 338) ist wie eine Reflexion der Ich-Tätigkeit nach dem Ich zurück. Und dadurch kommt die Anschauung, als wenn außer dem Ich noch etwas wäre, gegen das das Ich nicht ausgedehnt werden kann. Indem nun Fichte sich für diese Auffassung des Idealismus entschließt, verlegt er Kants Ding-an-sich zwar in das Ich selbst, bringt aber dafür das Unbegreifliche der Begrenztheit des Ich als ein Neues, wodurch für die Vereinfachung der Anschauung nichts gewonnen ist. Außerdem fragt man vergeblich, wie ein allein bestehendes Ich je von einer solchen Begrenztheit soll Bewußtsein haben können. Wenn es allein besteht, ist es ja absolut vollkommen. Wahrscheinlich ist Fichte deshalb zuletzt ganz zum Berkeleyschen deistischen Idealismus gedrängt worden, seiner späteren Philosophie, von der schon gesprochen ist (S. 358). In seiner ersten Philosophie aber geht er in mancher Hinsicht noch radikaler vor als Kant; er sieht sogar von Gott ganz ab. „Die moralische Weltordnung ist das Göttliche, das wir annehmen.“
Von den vielen Anschauungen Schellings (1775–1854) schließt sich die erste, ganz an Fichtes Entwicklungen an. Später gestand er im Sinne Kants dem Ding-an-sich eine objektive Existenz zu, und ging sogar so weit, die Identität dieses Dinges mit der Vorstellung in uns zu behaupten. Richtete er nun die Vorstellung nach dem Ding, so kam er zum gewöhnlichen dogmatischen Realismus. Tat er das Umgekehrte, indem er das Ding der Vorstellung anpaßte, so folgte der Kantische Idealismus; verhielt er sich aber zwischen beiden indifferent, so geriet er auf Spinozas Anschauung. Er hat das letztere getan, und so in der Identitätsphilosophie auch Spinozas Anschauung, die wir noch kennen lernen werden, vertreten. Wir haben gesehen, daß Schelling in der weiteren Entwicklung sich auch dem Mystizismus und Jakob Böhmes Theosophie angeschlossen hat. Zuletzt ist er auch positiver Philosoph geworden. Aus allem darf man ihm keinen Vorwurf machen; es hat ihn eben keine Anschauung befriedigt, und selbst eine sich zu schaffen, reichte seine Begabung, die wesentlich nach dem Methodischen ging, nicht hin. Mehr kann man ihm, wie auch dem bald zu nennenden Hegel und auch Herbart, das etwas wüste Wirtschaften mit den naturwissenschaftlichen Kenntnissen und die willkürlichen Analogisierungen des Geistigen mit dem Physischen verdenken, wodurch bekanntlich diese ganze Philosophie und namentlich ihr bedeutendster Teil, die Naturphilosophie, aufs höchste in Verruf gekommen ist, so daß gerade die Naturforscher sich von ihr voll Widerwillen abwandten, und daß, fast bis in unsere Zeit, Naturphilosophie verpönt war. Wertvoll noch jetzt ist, gleichfalls nach Fichte, Schellings Unterscheidung zwischen dieser Naturphilosophie und der Transzendentalphilosophie. In jener ist die Natur zum Ersten gemacht, und es wird gefragt, wie sie in das Intelligente des Subjekts dringt; in dieser ist die Intelligenz des Subjekts das Primäre, und es ist zu entscheiden, wie aus ihr die Natur entsteht. Die Antwort für die erste Frage ist in Kants Prinzip der Urteilskraft enthalten (S. 367), die für die zweite in dessen transzendentem Idealismus. Schelling geht empirischer vor; er erhebt einen Erfahrungssatz, dessen innere Notwendigkeit erkannt ist, zu einem apriorischen Satz: „Empirismus, zur Unbedingtheit erweitert, ist Naturphilosophie“. Es wird nicht viele geben, die mit dieser Definition einverstanden sind. Oder es muß eine theoretische Naturphilosophie unterschieden werden von einer praktischen; jene ist wieder Transzendentalphilosophie, da überhaupt alles Unbedingte transzendent ist. Schelling freilich behauptet, daß man in der Natur auch das Absolute erkennen kann. Ich wüßte nicht, wie das empirisch geschehen soll. Selbst wir, die wir die Einheitlichkeit der Vorgänge und der Stoffe in der Natur so bis ins Einzelne verfolgt haben, können keine absolute Einheit in der Natur feststellen; nicht einmal für alles, das Psychische eingeschlossen, auch nur wahrscheinlich machen. Man denke, wie jetzt sogar das Trägheitsgesetz wankt, wie die allgemeine Gravitation zweifelhaft wird, selbst das Substanz- und Energiegesetz nicht mehr sichere Wahrheit ist. Wissen von der Natur kann eben nie zur Unbedingtheit gelangen; nicht etwa allein, weil die Erfahrungen immer unvollständig sind, sondern einfach, weil die Welt sich stetig wandelt und uns immer nur das Jetzt zur Verfügung steht, nicht das Vor noch das Nach. Eine Naturphilosophie kann also nur transzendent oder empirisch sein. Im ersteren Falle gehört sie mit der Transzendentalphilosophie überhaupt zusammen, im zweiten ist sie eine gewöhnliche empirische Wissenschaft. In unseren „Naturphilosophien“ vereinigen wir beide Arten, aber nur um möglichst vollständig zu sein, und wegen der Zweckmäßigkeitsmaxime der Urteilskraft, die jedoch, wie wir wissen, nichts bedingt, sondern nur leitet.
Hegels (1770–1831) Entwicklung der verschiedenen Stufen des Geistes ist sehr lehrreich, hat aber auch bei ihm mehr methodischen Wert, wie überhaupt sein ganzes philosophisches System im Grunde Methodik ist. Die reale und ideale Welt sind auch hier gesetzt. Ihr Wirken für sich und ihr Verhalten zueinander wird aber aus der logischen Idee, die der Welt zugrunde liegt, und der Entwicklung nach dieser Idee erklärt. Diese logische Idee ist nicht der Nus des Anaxagoras, noch der sonst bekannte Logos. Er wirkt in besonderer Weise, nämlich zufolge den drei Grundsätzen Fichtes, vielleicht richtiger nach denen Jakob Böhmes. Wir sahen, wie bei diesem Manne Gott sich mit sich selbst entzweite, und wie dann das Entzweite sich in der Entwicklung zur Identität wieder erheben sollte. Hegel meint ganz entsprechend, jeder Begriff entzweie sich mit sich selbst und schlage so in sein Gegenteil um, um dann in einer höheren Einheit sich mit ihm auszugleichen. Der gesetzte Begriff ist die Thesis, der durch Umschlagen erzeugte die Antithesis, die Ausgleichung in der höheren Einheit die Synthesis. So geht das Universum in stetiger Entwicklung von Thesis zur Antithesis, Synthesis, von dieser zu neuer Antithesis, Synthesis usf. Solche Kreisvorgänge sind dem Naturforscher wohl vertraut. So meinte es aber Hegel nicht. Seine Ansicht ist rein transzendent: die Idee schlägt um in Natur, ganz oder, soweit in der Natur Nichtnaturgesetzliches vorhanden ist, etwa Zufälliges, zum Teil, wobei dieses Zufällige Idee ist. Beide, Idee und Natur, vereinigen sich in der höheren Einheit Geist, der von der Natur abhängig, zur Natur im Gegensatz und die Natur erkennend ist. Der Geist bedeutet hiernach die aus ihrer Entäußerung in sich zurückgekehrte Idee. Wie, infolge der Abhängigkeit von der Idee, das Wesen der Natur Notwendigkeit und Zufälligkeit ist, so das des Geistes Freiheit, Unabhängigkeit von allem Äußeren. Er entwickelt sich aber in drei Stufen als: subjektiver Geist, hinsichtlich seines Verhaltens zur Natur (neutral, leidend, gegensätzlich); objektiver Geist, der das Allgemeine in den Äußerungen menschlichen Zusammenseins betrifft (Moral, Sittlichkeit, Recht, Verhalten zu Staat, Gesellschaft und Familie usf.), absoluter Geist, der als Anschauung auf Kunst und Wissenschaft, als Vorstellung auf Religion, als Vernunft auf Begriffsbildung (Philosophie) sich bezieht. So gut diese Distinktionen sind, so lehren sie doch für das Wesentliche nichts. Mit Sätzen wie: Die Natur ist die „Idee in der Form des Anderssein“ ist nichts anzufangen. Woher stammt die Idee? Wie ist sie aufzufassen? Als transzendentaler Grund alles Seins und Denkens, etwa wie die „Vernunft Gottes“? Wie ist ihr Umschlagen in Natur zu verstehen? Hat man dabei die gnostisch-theosophischen Vorstellungen anzuwenden oder ist das Ganze einfach ein Gesetztes? Mehr bedeutet es, wenn Religion als Denken des Absoluten, als „Inseinswissen mit Gott“ bezeichnet wird, so daß ein Wissen von Gott erfolgt. Wenn dann noch näher bestimmt wird, Religion sei „Wissen des göttlichen Geistes von sich durch Vermittlung des endlichen Geistes“, so muß der göttliche Geist in uns stecken; und wäre nicht die „Idee“, die so unvermittelt steht, so hätte man einen üblichen Pandeismus. Ich habe schon hervorgehoben, daß im Hegelschen System die Methodik die Hauptsache ist, und in dieser hat Hegel höchst Bedeutendes geleistet. Auch seine naturwissenschaftlichen Systematisierungen sind nicht von der Hand zu weisen. Das gehört aber alles nicht hierher.
Den edlen Schleiermacher (1768–1834) erwähne ich sogleich hier. Denn er spricht gleichfalls von etwas wie These und Antithese, jedoch empirischer, indem er meint, daß, da unser Denken an Wahrnehmungen gebunden ist, es sich immer in Gegensätzen bewegt und das Gegensatzlose, also die letzte Synthese in Hegels Sinn, nie erreicht. Einen transzendentalen Grund alles Seins und Denkens erkennt er mit Kant an, doch weiter mehr in der Bedeutung von Spinozas System, das er sehr hochstellt. Seine Individualitätslehre ist aber wie ein Ausschnitt aus Leibniz’ Monadologie. Jedes Individuum, jeder Mensch bedeutet ein Wesen für sich, eine „eigentümliche und ursprüngliche Darstellung der Welt“. Deshalb ist der Mensch aber auch ein „Kompendium“ seiner ganzen Gattung, der Menschheit, so daß er in dieser Menschheit „sein eigenes vervielfältigtes, deutlicher ausgezeichnetes und in allen seinen Veränderungen gleichsam verewigtes Ich anschaut“. „Der Geist ist das Erste und Einzige, die ganze Welt nur sein selbstgeschaffener Spiegel (S. 370), nur der große gemeinschaftliche Leib der Menschheit.“ Es ist schwer zu verstehen, was das besagen soll, vielleicht ist es spinozistisch zu deuten.
45. Die Welt als Wille und Vorstellung; Pessimismus, Philosophie des Unbewußten, moderner Idealismus
Arthur Schopenhauer, dieser ganz außerordentliche Mann (1788 in Danzig geboren, 1860 zu Frankfurt a. M. gestorben), ist eigentlich der einzige, der Kants System erfolgreich bereichert hat. Die Welt ist wie bei Kant ein transzendentes Objekt. Wir haben von ihr nur unsere Vorstellungen. Diesen Standpunkt glaubt Schopenhauer energischer zu vertreten als Kant. Die Vorwürfe, die er diesem macht, er hätte in der zweiten Ausgabe seiner Kritik der reinen Vernunft seinen transzendental-idealistischen Standpunkt verlassen, sind jedoch ungerechtfertigt. Auch in der zweiten Auflage des Grundwerkes ist das Ding-an-sich kein Objekt, das je an Anschauung und Kategorien gebunden ist, sondern das Transzendentale hinter den Vorstellungen, und das Wirkliche. Schopenhauer reduziert alle Kategorien auf Kausalität, Ursächlichkeit; es ist in der Tat die Grundkategorie (S. 361). Ursächlichkeit mit Raum und Zeit sind so die Bedingungen a priori aller Vorstellungen. Und die Welt ist zunächst Vorstellung unter diesen Bedingungen. „Die Welt ist meine Vorstellung“, leitet sich das Hauptwerk Schopenhauers: „Die Welt als Wille und Vorstellung“ ein. Indessen damit kann der Gegenstand nicht erschöpft sein. Der Philosoph geht als Naturforscher, der er zugleich ist, auf den Teil der Welt zurück, der unser Leib ist. Und da findet er denn, daß diesem gegenüber, außer der Vorstellung, doch noch etwas anderes vorhanden ist, wodurch er in toto genere verschiedener Art aufgefaßt wird. In meinem Buche „Philosophische Grundlagen usf.“ habe ich für diese Auffassung die Bezeichnung „Körperbewußtsein“ gewählt. Nach Schopenhauer ist es Wille. Der Körper ist durchaus dem unterworfen, was wir in uns als Wille kennen, namentlich: er bewegt sich, und Teile von ihm bewegen sich. Aber dieses ist nicht so zu verstehen, daß der Wille als Ursache die Bewegung des Körpers zur Folge hat, keineswegs, sondern beide sind absolut miteinander verbunden; Bewegung und Wille sind ein Akt. „Der Willensakt und die Aktion des Körpers sind nicht zwei objektiv erkannte verschiedene Zustände, die das Band der Kausalität verknüpft, stehen nicht im Verhältnis der Ursache und Wirkung; sondern sie sind eins und dasselbe, nur auf zwei gänzlich verschiedene Weisen gegeben: einmal ganz unmittelbar und einmal in der Anschauung für den Verstand. Die Aktion des Leibes ist nichts weiter als der objektivierte, das heißt in die Anschauung getretene Akt des Willens.“ Ja, der ganze Leib ist nichts anderes als der objektivierte, das heißt zur Vorstellung (= Anschauung) gewordene Wille. Und so erklärt Schopenhauer den Leib als die „Objektität des Willens“. Der Leib ist also ein Doppeltes: eine bloße Vorstellung in Raum, Zeit und nach Kausalität, und eine Objektität des Willens. In diese Objektität des Willens zieht Schopenhauer auch anderes hinein, denn er rechnet zu der Objektivation des Willens auch Gefühle wie Lust und Unlust, Schmerz, Behagen usf. „Man hat aber gänzlich Unrecht, wenn man Schmerz und Wollust Vorstellungen nennt: das sind sie keineswegs, sondern unmittelbare Affektionen des Willens in seiner Erscheinung, dem Leibe: ein erzwungenes augenblickliches Wollen oder Nichtwollen des Eindruckes, den dieser erleidet“. Vorher meint er: es ist „andererseits jede Einwirkung auf den Leib, unmittelbar auch Einwirkung auf den Willen: sie heißt als solche Schmerz, wenn sie dem Willen zuwider; Wohlbehagen, Wollust, wenn sie dem Willen gemäß ist“. Ich gestehe, daß ich nicht recht folgen kann; mir scheint das Nichtwollen und Wollen des Eindruckes, das zweifellos vorhanden ist, doch sehr verschieden zu sein von der Empfindung selbst, mehr eine Begleiterscheinung als der Gegenstand selbst. Doch mag das sein, da Schopenhauer offenbar Wille in einer sehr weiten Bedeutung faßt, neben Verstand, der die Vorstellungen ist, als ein Zweites im Ich. Ob die Objektität zwischen Leib und Willen nicht auch als eine gegenseitige angesehen wird: Leib Objektität des Willens, Wille Objektität des Leibes, weiß ich nicht. Es dürfte aber wohl anzunehmen sein. Denn es heißt weiter: „Ich erkenne meinen Willen nicht im Ganzen, nicht als Einheit, nicht vollkommen seinem Wesen nach, sondern ich erkenne ihn allein in seinen einzelnen Akten, also in der Zeit, welche die Form der Erscheinung meines Leibes, wie jedes Objektes, ist: daher ist der Leib Bedingung der Erkenntnis meines Willens. Diesen Willen ohne meinen Leib kann ich demnach eigentlich nicht vorstellen.“ Und so wären Leib und Wille allerdings eines des anderen Objektität, oder doch Bedingung. Diese Erkenntnis kann nur nachgewiesen, „zum Wissen der Vernunft erhoben, oder in die Erkenntnis in abstracto übertragen werden“. Sie kann aber ihrer Natur nach nicht bewiesen werden, da sie selbst „die unmittelbarste ist“. Und sie ist um so bedeutender als sie zwei ganz inkommensurable Dinge betrifft: den Leib, der „eine anschauliche Vorstellung“ ist, und den Willen, der „gar nicht Vorstellung ist, sondern ein von dieser toto genere Verschiedenes“. Wie sonst das Verhältnis zwischen Körper und Geist. Er nennt jene Erkenntnis „die philosophische Wahrheit κὰτ’ ἐξοχήν“. Mit der Objektität des Willens bringt er auch, was Kant als Naturzweck bezeichnet hat, in Verbindung; und es ergibt sich hieraus vielleicht noch schärfer, wie gar nicht zu vergleichen Maschinen mit organisierten Wesen sind (S. 369). „Die Teile des Leibes müssen den Hauptbegehrungen, durch welche der Wille sich manifestiert, vollkommen entsprechen, müssen der sichtbare Ausdruck desselben sein: Zähne, Schlund und Darmkanal sind der objektivierte Hunger; die Genitalien der objektivierte Geschlechtstrieb; die greifenden Hände, die raschen Füße entsprechen dem schon mehr mittelbaren Streben des Willens, welches sie darstellen. Wie die allgemeine menschliche Form dem allgemeinen menschlichen Willen, so entspricht dem individuell modifizierten Willen, dem Charakter des Einzelnen die individuelle Korporisation, welche daher durchaus und in allen Teilen charakteristisch und ausdrucksvoll ist.“ Noch mehr gilt letzteres natürlich bei Übergang von Art zu Art, von Gattung zu Gattung usf.
Es ist bis jetzt von Dingen gesprochen mit Vorstellung und Willen. Wie verhält es sich mit den anderen Dingen, die wir unbelebt nennen? Dazu bedarf es einer genaueren Auseinandersetzung dessen, was „Wille“ bedeutet. Wille ist ein absolut Unbedingtes, Grundloses. Er ist weder der Kausalität noch einer Anschauung unterworfen außerhalb seiner Objektivation. „Ding-an-sich aber ist allein der Wille.“ „Er ist es, wovon alle Vorstellung, alles Objekt, die Erscheinung, die Sichtbarkeit, die Objektität ist.“ Wille ist also das Transzendente Kants. Objektiv möglichst deutlich gedacht ist er das, was wir gewöhnlich Wille nennen, Wille des Menschen. Diese Unterscheidung zwischen Willen an sich und objektivem Willen in der Objektivität gibt Schopenhauer die Möglichkeit, in der gleichen Weise wie Kant die transzendente Freiheit mit der objektiven Unfreiheit zu vereinen. Ferner, da Wille an sich grundlos ist, so wird er nicht von Vorstellungen geleitet, obzwar von ihnen begleitet. Wille-an-sich darf also nicht mit dem objektiven bewußten Willen verwechselt werden. Er ist Wille, ob in bewußten oder unbewußten Handlungen. Das ist von großer Bedeutung wenn wir bedenken, wie viel in unserem Körper unbewußt vor sich geht und selbst in unseren geistigen Tätigkeiten. Was wir also Trieb und Instinkt nennen, ist auch nur in Erscheinung getretener Wille-an-sich. Nun hat man immer den objektiven Willen mit den Kräften in der Natur verglichen. Schopenhauer kehrt das Verhältnis um und stellt die Kräfte unter die Erscheinungen des transzendenten Willens. Er will „jede Kraft in der Natur als Wille gedacht wissen“. Er meint damit ein Unbekannteres auf ein Bekannteres zurückgeführt zu haben. Das muß man ohne weiteres zugestehen. Indem nun, wiewohl beim transzendenten Willen weder von Freiheit noch von Unfreiheit gesprochen werden kann, doch bei dem objektivierten Willen Freiheit ausgeschlossen ist, da er ja das Objekt eines Anderen ist, wirken auch die Kräfte unfrei nach festen Gesetzen. Nun ist der Weg zu der übrigen Natur offen. Wie der Leib sich zu dem Willen verhält, so verhält sich die Natur überhaupt zu dem Willen, der in Erscheinung als objektiver Wille oder als Kräfte auftritt. Also die ganze Natur ist Objektität des Willens in seinen verschiedenen Erscheinungen. Und wie Leib und Wille an sich inkommensurabel sind, so auch die Natur überhaupt und Wille. „Denn in jedem Ding in der Natur ist etwas, davon kein Grund je angegeben werden kann, keine Erklärung möglich, keine Ursache weiter zu suchen ist; es ist die spezifische Art seines Wirkens, das heißt eben die Art seines Daseins, sein Wesen. Zwar von jeder einzelnen Wirkung des Dinges ist eine Ursache nachzuweisen, aus welcher folgt, daß es gerade jetzt, gerade hier wirken mußte; aber davon, daß es überhaupt und gerade so wirkt, nie.“ Ein Ding zeigt als Schwere, Undurchdringlichkeit, Magnetisierung usf. „jenes unergründliche Etwas“: „dieses (Etwas) aber, sage ich, ist ihm (dem Ding), was dem Menschen sein Wille (der transzendente) ist, und ist, so wie dieser, seinem inneren Wesen nach, der Erklärung nicht unterworfen, ja, ist an sich mit diesem identisch“. Der Philosoph vergleicht dann den Charakter des einzelnen Menschen mit der wesentlichen Qualität (forma substantialis) eines einzelnen Dinges und erklärt letztere wie ersteren. Der Wille ist nur eins, das Ding-an-sich, „das Wesen-an-sich“, sagt Schopenhauer auch; die Vielheit in unserer Anschauung, die Erscheinungen, sind aus den Anschauungsformen Raum und Zeit gegeben. Und so hat die Objektivation des Willens unzählige Stufen, die in den zahllosen Individuen ausgedrückt sind, und die „als die unerreichten Musterbilder dieser oder als die ewigen Formen der Dinge dastehen, nicht selbst in Zeit und Raum, das Medium der Individuen, austretend, sondern feststehend, keinem Wechsel unterworfen, immer seiend, nie geworden; während jene (Individuen) entstehen und vergehen, immer werden und nie sind“. Und diese Stufen der Objektivation, sagt Schopenhauer, sind nichts anderes als Platons Ideen, was er des Genauern noch ausführt. Die Stufen der Objektivation aber führen vom Tiefsten zum Höchsten, vom Leblosen durch Pflanze, Tier zum Menschen. Und die Weltordnung, im Einzelnen wie in bezug Jedes zu Jedem, rührt daher, daß es ja ein Wille ist, dem alle Stufen der Objektivation angehören, der sich in allem objektiviert. Von diesem Wesen, „was immer es auch sein möchte“, wird gesagt, daß die unendliche Ausdehnung der Welt ganz allein seiner Erscheinung angehört, „es selbst hingegen in jeglichem Dinge der Natur, in jedem Lebenden, ganz und ungeteilt, gegenwärtig ist“. Schopenhauer steht nicht weit von den drei größten Metaphysikern Platon, Spinoza, Kant. Sein unsterblicher Ruhm aber ist, daß er dem transzendenten Wesen bekanntes Leben einhauchte durch den „Willen“.
Und so ist die ganze Natur ein gewaltiges Leben, und durch und durch erfüllt von Willen zum Leben. „Alles drängt und treibt zum Dasein“, heißt es. Namentlich an der tierischen Natur wird es augenscheinlich, „daß Wille zum Leben der Grundton ihres Wesens, die einzige unwandelbare und unbedingte Eigenschaft derselben ist“. Sogar eine generatio aequivoca, nach den Kenntnissen seiner Zeit, schreibt Schopenhauer diesem ungestümen Drange, namentlich zum organischen Leben, zu. Und gleichfalls „den entsetzlichen Alarm und wilden Aufruhr desselben (des Stoffes), wenn er in irgendeiner einzelnen Erscheinung aus dem Dasein weichen soll, zumal, wo dieses bei deutlichem Bewußtsein eintritt. Da ist es nicht anders, als ob in dieser einzelnen Erscheinung die ganze Welt auf immer vernichtet werden sollte“. So ist der Wille zum Leben „das nicht weiter Erklärliche, sondern jeder Erscheinung zugrunde zu Legende“. Und dieser Wille ist weit entfernt, „wie das Absolutum, das Unendliche, die Idee und ähnliche Ausdrücke mehr, ein leerer Wortschwall zu sein“. Er ist das „Allerrealste“, das wir kennen, ja der „Kern der Realität selbst“. Aber grundlos wie der Wille, ist auch dieses Streben und Hasten zum Leben. Und so wirkt die Lebenswut nie befriedigt, nie zu befriedigen, und blind drängend durch die Flut der Erscheinungen. Daher ist die Welt unvollkommen. Noch mehr, sie ist ein Übel, nicht die beste, nach Leibniz, sondern die allerschlechteste. So tönt diese Philosophie in den so eigenartigen Pessimismus Schopenhauers aus, in seinen Lebenshaß. Er ist scheinbar durch sein System begründet, aber doch wohl namentlich durch seine trübe Gemütsverfassung, die er ja mit so vielen Großen teilt, welche das Treiben der Welt anwidert und die darum einsam ihre Wege durch die Tage gehen. Auch seine Bekanntschaft mit den Upanishadenlehren muß zu diesem Pessimismus beigetragen haben. Er war von diesen Lehren hochbegeistert, wie jeder es sein muß, der ihre Tiefe erkennt. Aber in seinem System kann er keinen Trost gefunden haben, wie der Indier und namentlich der Buddhist. Denn wenn er auch Bekämpfung des Willens zum Leben lehrte, sein System zeigt, daß diese Bekämpfung aussichtslos ist. Die Welt ist eben Wille zum Leben, von je in je. Und das „Wunder“, das diesen Willen zur Ruhe brächte, kann nur die Vernichtung des Willens selbst sein, die ja bei einem transzendenten Ding-an-sich ohne ein noch höheres Wesen, davon Schopenhauer aber die Welt nicht abhängen läßt, unmöglich ist.
Die Schopenhauersche Lehre ist Identitätsphilosophie, aber kein wirklicher Monismus. Beziehungen zu Fichtes Philosophie, die behauptet worden sind, kann ich überall nicht finden. Auch ist bekannt, wie ablehnend sich Schopenhauer zur Trias Fichte-Schelling-Hegel verhalten hat und mit seiner Leben-Philosophie gegenüber der fast inhaltleeren Dialektik dieser Vorgänger, über die er oft genug spottet, sich verhalten mußte. Der gewaltige Richard Wagner darf als Schopenhauerianer bezeichnet werden.
In Fr. Nietzsches (1844 zu Röcken geboren, gest. 1900) System spielt bekanntlich der Wille eine sehr hervorragende Rolle. Aber wie dieser Dichter unter den Philosophen fast ausschließlich sich mit dem Menschen und dem Leben beschäftigt, hat der Wille bei ihm nur Bedeutung mit Bezug auf den Menschen und mit Bezug auf das Leben. Und selbst hier betrifft er nur das Verhalten des Menschen im Leben und das Verhalten der gesamten Menschheit. Was der Große hier Außerordentliches gedichtet hat, gehört jedoch nicht zu unserem Thema. Im rein Philosophischen rechnet man Nietzsche wohl auch zu den Phänomenalisten und zu den Naturalisten, von denen wir später sprechen werden. Er hat sogar die innere Welt für phänomenalistisch (S. 356) erklärt, falls das nicht bildlich dichterisch gemeint ist. Mir jedoch scheint er mehr zu den Mystikern nach indischer Art, namentlich in der Auffassung Schopenhauers, zu neigen. Was er von der periodischen Wiederholung der Welt sagt, klingt dahin. Freilich nicht ganz in dem Sinne der Indier, den wir kennen, denn nach ihm soll die Welt sich in genau derselben Weise ständig wiederholen, so daß alles die gleiche Existenz innerhalb der Ewigkeit immer und immer würde durchmachen. Auf seinem eigentlichen Gebiete wird ihm Max Stirner (für Kaspar Schmitt, gest. 1856) als Vorläufer zugewiesen.
In der Einleitung zu seiner „Philosophie des Unbewußten“ sagt Eduard v. Hartmann (geboren zu Berlin 1842, gestorben 1906): „Ich bekenne freudig, daß die Lektüre des Leibniz es war, was mich zuerst zu den hier niedergelegten Untersuchungen angeregt hat“. Wenn das ad verbum zu verstehen ist, so würden wir, nach dem was auf S. 344 vom Unbewußten in Leibniz’ Lehre gesagt ist, Hartmanns Philosophie einem Mißverständnis zu verdanken haben. In der Tat ist diese Philosophie auch keine Fortbildung der Leibnizschen Lehre, namentlich nicht in dem Hauptpunkte; sie ist die Lehre Schopenhauers, mit einem, allerdings bei diesem nicht enthaltenen, aber darum sie gerade sehr komplizierenden, weiteren Prinzip, dem der Zweckmäßigkeit des Ganzen, während der volle Ausdruck des Willens im Einzelnen durchaus Schopenhauerisch ist, da er ja diesen Ausdruck auch den Platonschen Ideen gleichsetzt (S. 383). Die beiden Prinzipe Schopenhauers, Vorstellung und Wille, sind auch Hartmanns Prinzipe. Nun unterscheidet er in der Welt das Bewußte und das Unbewußte und findet, daß das Bewußtsein „die Möglichkeit der Emanzipation des Intellektes vom Willen“ ist, während im Unbewußten Vorstellung und Wille „in untrennbarer Einheit verbunden“ sind. Es kann im Unbewußten „nichts gewollt werden, was nicht vorgestellt wird, und nichts vorgestellt werden, was nicht gewollt ist“. Dabei sind Wollen und Vorstellung beide unbewußt. Es bedeutet ein zweifellos hohes Verdienst Hartmanns, die Rolle des Unbewußten so sorgfältig durch die organische Welt, die ja hier hauptsächlich in Betracht kommt, verfolgt und untersucht zu haben. Alle Kenntnisse der Physiologie, Biologie, Anatomie, Physik usf. werden dabei zu Rate gezogen und mit größter Gründlichkeit verarbeitet. Das Ergebnis ist: 1. Das Unbewußte bildet, erhält und ergänzt den Organismus und leitet alle seine Tätigkeiten und den Gebrauch für den bewußten Willen. 2. Es gibt dem Lebewesen die Instinkte zur Sinneswahrnehmung, Sprach- und Staatenbildung usf., wozu ein bewußtes Denken nicht ausreicht. 3. Es erhält das Geschlecht durch den Geschlechtstrieb, paßt die Lebewesen ihren Bedingungen und den Menschen insbesondere seiner Geschichte an und führt zur möglichsten Vollkommenheit. 4. Es leitet oft die Handlungen durch Ahnungen und Gefühle. 5. Es fördert das bewußte Denken durch Eingebungen (Intuition?). 6. Es beglückt durchs Gefühl für das Schöne und durch künstlerische Produktion. Es kommt darauf an, ob dieses alles zutrifft, denn wir sind oft genug in Zweifel, was an uns unbewußt geschieht, was bewußt. Und wenn Hartmann meint, das Bewußte werde von Gedächtnis begleitet, das Unbewußte nicht, so ist das selbstverständlich ein sehr täuschendes Kriterium. Die anderen Kriterien aber können wir entweder nicht brauchen, als unkontrollierbar, wie z. B., daß das unbewußte Denken nur unsinnlicher Art sein kann. Oder sie sind nicht zutreffend, wie „das Unbewußte irrt nicht“. Es irrt sehr oft, wie wir an Fehlgeburten, Fehlbildungen, Fehlschlüssen im Traum, Fehleingebungen im Wachen usf. reichlich sehen. Ist aber gemeint: es irrt nicht unter den gegebenen Verhältnissen, so ist das zwar richtig, aber dann haben wir nur wieder ein Unkontrollierbares. Und so sind alle Kriterien nicht immer zutreffend oder nicht kontrollierbar. Und wenn nun gar gesagt wird (Philosophie des Unbewußten, 9. Aufl. Bd. II, S. 4), „das unbewußte Denken kann nur von unsinnlicher Art sein“, und dann (S. 30) „denn auch das Unbewußte muß die Form der Sinnlichkeit gedacht haben“, sonst hätte es nämlich diese Form „nicht so zweckmäßig schaffen können“, so weiß man eigentlich nicht mehr, was nun das Unbewußte ist. Sein Denken soll unsinnlich sein, und es soll doch die Form der Sinnlichkeit gedacht haben? Und so zieht Hartmann zwischen dem Bewußtsein und dem Unbewußten zuletzt die grobe materialistische Grenze: „die Gehirnschwingungen, allgemeiner die materielle Bewegung, als conditio sine qua non des Bewußtseins“. Während das Unbewußte „notwendig als ein Immaterielles angesehen werden muß“.