Kitabı oku: «Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis», sayfa 29
Die Sache wird aber noch dadurch verwickelter, daß „Wille und Vorstellung“ zwar im Unbewußten sind, aber nicht das Unbewußte. Es wird angenommen, daß Wille und Vorstellung „das unbewußter und bewußter Vorstellung Gemeinschaftliche“ sind. Die Form des Unbewußten wird als „das Ursprüngliche“ gesetzt, „das des Bewußtseins aber als ein Produkt des unbewußten Geistes und der materiellen Einwirkung auf denselben“. Hartmann entscheidet sich aus einer Alternative für diese Annahme. Das zweite Glied dieser Alternative ist: „daß zwar der unbewußte Geist ein von der Materie unabhängiges selbständiges Dasein habe, der bewußte aber ein ausschließliches Produkt materieller Vorgänge ohne jede Mitwirkung unbewußten Geistes sei“. Dieses Glied lehnt er ab, wegen der „Wesensgleichheit der bewußten und unbewußten Geistestätigkeit“, übersieht aber, daß er dafür Materie auf ein Immaterielles wirken läßt. Wenn er dann später die „Wesensgleichheit von Geist und Materie“ dartut, so hebt er eben jeden wirklichen Unterschied zwischen Bewußtem und Unbewußtem, außer in Worten, auf. Es ist, wie ich glaube, nicht möglich, in diese Distinktionen Hartmanns Konsequenz und Schärfe hineinzubringen; das System läuft im Kreise in sich zurück. Und das folgt eben, weil das Unbewußte für das Bewußte und das Bewußte für das Unbewußte als Kriterium benutzt werden muß. Läßt man also das alles fort, so bleibt nur der transzendente „unbewußte Geist“ als, im Schopenhauerschen Sinne, weltbildend. Aber während bei Schopenhauer für diesen Geist nur Wille steht, ist ihm hier Vorstellung hinzugenommen, die, bewußt oder unbewußt, kaum anders als sinnlich gedacht werden kann. Vielleicht ist das der Grund, daß Hartmann sein System als transzendentalen Realismus ausgibt. Nach Kant ist solcher Realismus dogmatisch.
Es wäre damit eine ganz bedeutende Verschlechterung des Schopenhauerschen Systems herbeigeführt, wenn es sich nicht um die „Zweckmäßigkeit“ und den „Zweck“ der Welt handelte. Für Hartmann ist zwar die Welt auch so schlecht als möglich, sie ist eine „unselige“. Allein sie ist hervorgetreten, wenn auch nicht als Selbstzweck, doch als Zweck, und zwar das zu erreichen, was, wie wir gesehen haben, im Schopenhauerschen System nicht möglich ist, nämlich, „den Willen von der Unseligkeit seines Wollens zu erlösen“. Es wird nämlich im Willen selbst ein Blindes, ein „Alogisches“ gesehen, im Vorstellen dagegen ein „Logisches“, das in der höchsten Potenz als bewußte Vernunft die höchste Intelligenz wird. Der Weltprozeß erscheint hiernach „als ein fortdauernder Kampf des Logischen mit dem Unlogischen, der mit der Besiegung des letzteren endet“. Diese Besiegung kann aber erst „mit dem zeitlichen Ende des Weltprozesses, dem jüngsten Tage, zusammenfallen“. Die Weltdauer ist begrenzt; am Ende der Tage kommt die Welterlösung, das Ende der Illusion, „die Aufhebung alles Wollens ins absolute Nichtwollen“. Dazu ist erforderlich, daß möglichst viel Menschheit vorhanden sei, weil diese allein imstande ist, Willensverneinung durchzuführen, die Vernunft über den Willen zu erheben. Und ferner, daß diese Menschheit mehr und mehr „von der Torheit des Wollens und dem Elend des Daseins durchdrungen sei, daß dieselbe eine so tiefe Sehnsucht nach dem Frieden und der Schmerzlosigkeit des Nichtseins erfaßt habe“, und so alles für Wollen und Dasein Sprechende als Eitelkeit und Nichtigkeit erkannt werde. Das ist alles offenbar aus der Menschheit selbst entnommen. Wie das auf den transzendentalen unbewußten Geist Anwendung finden soll, kann man nicht einsehen, wenn man nicht die ganze Lehre in die reine pandeistische Theosophie überträgt, aus dem unbewußten Geist Gott macht und aus Wille und Vorstellung zwei Manifestationen von ihm, über die er besonders schaltet. Sobald der Welt ein Ende gegen ein Anderes vorausgesagt wird, muß eben etwas da sein, das dieses Ende herbeiführt. Außerdem bemerkt man übrigens, daß, wenn nicht die Welt zuletzt ganz aus vernünftigen Wesen besteht, alles Leblose überhaupt in Vernunftbegabtes übergegangen ist, ein solches Ende nicht möglich ist. Oder soll das Ende der Welt ein gemeiner Kadaver sein? Dann wäre diese ganze Philosophie überhaupt nur auf die belebte Welt zu beziehen. Im letzten Kapitel aber werden wir das Ende der Welt von ganz anderen Gesichtspunkten betrachten und sehen, daß eine allmähliche Entwicklung des Alls nach reiner Beseelung in der Tat nicht ausgeschlossen ist (S. 479 f.). Die Hartmannsche Philosophie aber ist inkonsequent und im ganzen keine Verbesserung der Schopenhauerschen, in mancher Hinsicht sogar eine Trübung dieser.
Auf dem Boden des Idealismus stehen auch viele von den modernen Philosophen, wir werden sie im folgenden kennen lernen. Ihr Verfahren ist ein mehr naturwissenschaftlich-induktives, das, im Gegensatz zu dem analytischen, deduktiven Vorgehen der älteren Metaphysiker, Kant schon eingeleitet und oft angewendet hat. Gleichwohl wird dem Geist, wie z. B. von R. Eucken geschieht, eine außerordentliche Vormacht eingeräumt, vermöge deren er zum Absoluten aufsteigt, als ein Selbständiges in der Welt.
SIEBENTES KAPITEL.
Spinozismus und Neuspinozismus sowie Neuidealismus
Der Spinozismus ist im Wesen aufs äußerste getriebener Idealismus. Er hat trotz seiner Bezeichnung als Pantheismus mit religiösen Überzeugungen nichts zu tun. Gott ist hier allein das transzendente Ding-an-sich. Und wenn man sich vor dem Spinozismus als einem Atheismus gefürchtet hat und von gewissen Seiten noch fürchtet, so hat das seine Berechtigung für diejenigen, welche sich Gott nur mit persönlichen Eigenschaften begabt denken konnten und nur denken können. Der Spinozismus in seiner reinen Form schließt einen persönlichen Gott völlig aus. Aber gerade deshalb konnte sich ihm die moderne Naturwissenschaft anpassen. Und so hat er in unserer Zeit eine Bedeutung erlangt, die in Verbindung mit Kants und Schopenhauers transzendenten Anschauungen die aller anderen Philosophien weit überragt und in der Form des Neuspinozismus allmählich sich zur wissenschaftlichen Herrschaft aufschwingt. Dieses ist auch mit ein Grund, warum der Spinozismus erst an dieser Stelle behandelt wird. Außerdem wollte ich ihn auch äußerlich vom Cartesianismus ablösen, mit dem er, wie früher ausgeführt (S. 337), gar keine Beziehung hat, außer etwa, daß er auf ihn folgt und daß der Urheber sich mit ihm eifrig beschäftigt hat und seiner öfter gedenkt und seiner Nomenklatur sich bedient.
Der Neuidealismus ist vom Spinozismus schwer zu trennen, er ist darum mit diesem zusammen behandelt.
46. Spinoza und der Pantheismus
Baruch (Benedikt) Spinoza ist 1632 in Amsterdam geboren und 1677 im Haag gestorben. Er ist Sohn eines portugiesisch (oder spanisch, aus Espinoza stammend?) -jüdischen Mannes und gehört zu den nicht vielen, von denen Eugen Dühring in seiner zwar sehr scharfsinnigen, aber mitunter überscharfen Geschichte der Philosophie mit hoher Achtung auch vor dem Menschen spricht. Das für uns in Betracht kommende Hauptwerk (ich benutze die Ausgabe von Berthold Auerbach) Spinozas ist die „Ethik“; sie ist nach seinem Tode von seinem Lebensfreunde, dem Arzt Ludwig Meyer, herausgegeben und enthält eine Darstellung seines Systems in völlig mathematischer Form. Sie beginnt mit Definitionen der wichtigsten Begriffe. Ursache seiner selbst ist das, dessen Wesen das Dasein in sich schließt, oder das, dessen Natur nicht anders als daseiend begriffen werden kann. Substanz ist, was in sich ist und aus sich begriffen wird, das also keines anderen bedarf, um daraus gebildet zu werden. Attribut ist, was der Verstand von der Substanz als ihr Wesen ausmachend erkennt. Modi sind die Affektionen der Substanz, oder das was in einem Anderen ist, wodurch man dieses Andere auch begreift. Gott ist das schlechthin unendlich Seiende, „das heißt die Substanz, die aus unendlichen Attributen besteht, von denen jedes ein ewiges und unendliches Wesen ausdrückt.“ Das sind die fünf Hauptbegriffe des Spinozaschen Systems. Was unendlich ist, wird negativ durch das, was endlich ist, festgestellt: dasjenige heißt in seiner Art endlich, was durch ein anderes von gleicher Natur begrenzt werden kann. Ewigkeit ist das Dasein selbst, sofern es allein aus der Definition des ewigen Dinges begriffen wird. Die Attribute Gottes sind hiernach durch nichts begrenzt, und ewig aus dem Sein Gottes. Frei ist ein Ding, wenn es allein aus der Notwendigkeit seiner Natur da ist, und allein von sich zum Handeln bestimmt wird; unfrei, was von einem anderen zu sein, oder in bestimmter Weise zu sein und zu wirken gezwungen ist. Nach den Definitionen folgen Axiome; eines enthält den Satz der Kausalität: Eine bestimmte Ursache hat notwendig eine Wirkung, eine Wirkung ohne Ursache kann nicht erfolgen. Die Erkenntnis der Wirkung schließt die Erkenntnis der Ursache in sich. Von den Sätzen müssen wir gleichfalls einige anführen. Dinge, die nichts miteinander gemein haben, können nicht gegenseitige Ursache sein. Eduard v. Hartmann, wenn er diesen so klaren Satz beachtet hätte, wäre nie zu seiner so inkonsequenten Weltendetheorie gekommen. Zu der Natur einer Substanz gehört notwendig das Dasein und die Unendlichkeit (Nicht-Begrenztheit durch ein anderes gleicher Natur). Attribute einer Substanz können nur aus sich begriffen werden.
Gott ist notwendig da. Außer Gott kann es keine Substanz geben und läßt sich keine begreifen. Alles was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein oder begriffen werden. Gott ist absolut frei, handelt nur aus den Gesetzen seiner Natur. Gottes Dasein, Gottes Macht und Gottes Wesenheit sind ein und dasselbe, Gott ist nicht nur die wirkende Ursache des Daseins, sondern auch der Wesenheit der Dinge. Die Welt ist notwendig so wie sie ist, kein Ding ist frei, nichts in der Welt geschieht frei, noch zufällig. Alles ist aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf gewisse Weise da zu sein und zu wirken. Die Dinge sind die Modi, Existenzweisen Gottes, nach zwei Attributen: Ausdehnung (Körperlichkeit) und Vorstellung (Geist), die ihre formale Wesenheit sind. Diese gesperrt gedruckten Sätze enthalten das gewaltige, so konsequente und darum in seiner Starrheit fast unheimliche System Spinozas. Es ist, wie der Leser sieht, in der Tat pantheistisch; ein jedes Ding wird nur begriffen aus den Attributen Gottes, und bedeutet nur eine Existenzweise Gottes. Dabei handelt es sich um ein Zwangsystem; daß nichts anders ist als es sein muß, nichts anders wirkt als es wirken muß; und die Kette der Ursachen wird ins Unendliche geführt. Ein Zweck findet in der Welt nicht statt. Die Ordnung und Verknüpfung der Vorstellungen ist dieselbe wie die Ordnung und Verknüpfung der Dinge. Aus diesem wichtigen Satz ergibt sich die Parallelität zwischen Körper und Geist. Es ist an sich kein Zusammenhang zwischen den beiden formalen Wesenheiten der Welt und des Menschen vorhanden, außer daß die entsprechenden Attribute, deren Existenzweisen die Dinge sind, Attribute Gottes, der einen und einzigen Substanz, sind. Weil sie aber dieser einen Wesenheit angehören, können sie nur in paralleler Art Existenzweisen sein. Und so sind Körper und Geist parallele Erscheinungen und wirken parallel. Dieses ist so streng ausgedrückt, daß sogar gesagt wird: „Der Körper kann den Geist nicht zum Denken, noch der Geist den Körper zur Bewegung oder Ruhe, noch zu etwas anderem bestimmen“. Nur die Parallelität zeigt Körper und Geist als in Abhängigkeit voneinander. An sich ist der Geist nur Geist, der Körper nur Körper. Aber vermöge der Parallelität und der Zugehörigkeit der Attribute zu dem Einen, sind im Geiste adäquate Vorstellungen von dem Körper und der Körperwelt vorhanden. Darum konnte Spinoza auch behaupten: der Gegenstand der Vorstellung, welche den menschlichen Geist ausmacht, ist der Körper, oder ein gewisser, in der Wirklichkeit vorhandener Modus der Ausdehnung. Und darum konnte er weiter feststellen, daß alles wirklich da ist, insbesondere auch unser Körper da ist, wie wir ihn wahrnehmen. Hier berührt sich Spinozas Philosophie mit der der Positivisten, der Wirklichkeitsphilosophen. Und wenn Spinoza weiter folgert: Der menschliche Geist faßt einen äußeren Körper nur durch die Vorstellungen der Affektionen seines Körpers als wirklich daseiend auf, so haben wir einen Hauptsatz der Sensualisten vor uns. Auch das Transzendentale finden wir in diesem System, sofern die Vorstellungen in Gott der Existenzweisen als Essenzen (essentia) von den tatsächlichen Existenzweisen als Existenzen (existentia) und damit Idealdinge von Realdingen getrennt werden. Die Dinge unterscheiden sich in der formalen Wesenheit gar nicht voneinander, sondern nur in ihren Existenzweisen. So ist also der Geist überall wie der menschliche, der Körper überall wie der menschliche; nur die Weise, wie beide die Dinge ausmachen, ist von Ding zu Ding abweichend. Also ist die Welt an sich durchaus einheitlich. Spinozas System ist hiernach ein Monismus. Es werden zwar Körper und Geist unterschieden und sogar absolut auseinandergehalten; sie sind jedoch Parallel-Existenzweisen des gleichen einen Urwesens, um so zu sprechen, nach absoluten Gesetzen, so daß sie durchaus wie eine Einheit bilden, und ihre formalen Wesenheiten fließen aus den Attributen des gleichen einen Urwesens. Auch ist der Mensch nur ein Teil der Natur und leidet auch als ein solcher, und lebt und stirbt als ein solcher. Nur aus sich heraus sich zu verändern, ist ihm nicht gegeben, da er ja bloß eine Existenzweise bedeutet.
Spinozas System ist die einleitende Begründung zu seinem eigentlichen Thema, eben der Ethik. Von dieser zu sprechen, ist nicht unsere Aufgabe. Sie ist viel angegriffen und viel geschmäht worden, wegen des kühlen Verstandes, der in ihrer Auffassung herrscht. In seinem stillen Kämmerlein wird aber kaum jemand umhin können, zu gestehen, daß sie das enthält, was eine von Phrasen und leeren Einbildungen freie Menschenethik enthalten muß. Eher kann man ihr den Vorwurf machen, daß sie dem System selbst nicht immer folgt und aus dem Pantheismus zuweilen in einen Deismus übergeht. Wer hat in solchen Dingen je ganz konsequent gedacht? Für uns von Bedeutung ist, daß Spinoza auch die Unsterblichkeit lehrt. Er sagt: „Der menschliche Geist kann mit dem Körper (d. h. mit dem Leben des Körpers) nicht gänzlich vernichtet werden, sondern es bleibt etwas von ihm übrig, das ewig ist“. Dieses folgt schon daraus, daß eben der Geist, wenn auch nur eine Existenzweise, doch jedenfalls in einem Attribut, in einer Vorstellung Gottes enthalten ist. Und es gilt selbstverständlich ebenso für den Körper. Weil aber der Geist im Dasein eben nur eine Existenzweise ist, kann er sich dessen, was er vorher gewesen, nicht erinnern können. „Die Vorstellung,“ sagt Spinoza, „welche die Wesenheit des Körpers unter der Form der Ewigkeit ausdrückt, ist ein gewisser Modus des Denkens, der zum Wesen des Geistes gehört und notwendig ewig ist. Demnach ist es unmöglich, daß wir uns erinnern, vor dem Körper dagewesen zu sein, da es ja in dem Körper keine Spuren davon geben, noch die Ewigkeit durch die Zeit definiert werden oder irgendeine Beziehung auf die Zeit haben kann“. Das hebt die persönliche Unsterblichkeit auf. Aber „nichtsdestoweniger denken und erfahren wir, daß der Geist ewig ist. Denn der Geist bemerkt diejenigen Dinge, die er durch den Verstand begreift, nicht minder als diejenigen, die er im Gedächtnis hat. Denn die Augen des Geistes, womit er die Dinge sieht und beobachtet, sind eben die Beweise. Wenn wir uns daher auch nicht erinnern, vor dem Körper dagewesen zu sein, so bemerken wir doch, daß unser Geist ewig ist, insofern er die Wesenheit des Körpers unter der Form der Ewigkeit enthält, und daß dieses sein Dasein (des Körpers) nicht durch die Zeit definiert oder durch Dauer erklärt werden könne“. Es ist nicht leicht, sich in diesen Gedankengang hineinzufinden. Er soll aber wohl besagen, daß, weil wir den Begriff der Ewigkeit der Materie als zu ihrem Wesen gehörig in uns haben, auch die Ewigkeit des Geistes gewährleistet ist, wohl aus dem Parallelverhalten der zwei in Einem zusammenlaufenden Attribute in den Existenzweisen. Die Ethik faßt auch Gott persönlicher auf, als dem System entspricht. Sie hat jedoch aus den Grundlagen recht, wenn sie alle Erkenntnis auf die Erkenntnis Gottes richtet und diese Erkenntnis als wahr ansieht. Wir sind ja Existenzweisen Gottes, die Seele ist eine begrenzte Weise des allgemeinen Denkens als Attribut Gottes.
47. Neuspinozismus und Neuidealismus
Spinozas System hat wegen seiner unerbittlichen Strenge und Konsequenz, wie bemerkt, der Menschheit lange widerstrebt. Es ist wohl auch nicht immer recht verstanden worden. Daß aber große Geister zu ihm neigten, sehen wir an Goethes Beispiel, der schon früh sich mit ihm beschäftigte. Lavater erzählt (Gespräche Goethes, Bd. I, S. 75) vom 28. Juni 1774, wie eifrig Goethe ihn von Spinoza und Spinozismus unterhalten und wie bedeutend er von ihm gesprochen habe. Später hat Goethe dem Spinozismus mehr und mehr seine interessierte Aufmerksamkeit geschenkt, so daß er sogar als Spinozist bezeichnet worden ist. In der neuesten Zeit hat der Spinozismus großen Zuzug aus den Kreisen namentlich der Naturforscher und seltsamerweise auch aus den Kreisen der Materialisten unter ihnen erfahren. Ich kann hier nur auf einiges eingehen, da Entscheidendes dem letzten Kapitel vorbehalten bleiben muß. Schon von Schleiermacher habe ich erwähnt, daß er in wesentlichen Anschauungen Spinozist gewesen ist. Der Neuspinozismus aber knüpft sich vor allem an die Namen Fechner, Wundt und Häckel. Zuerst jedoch ein spiritualistischer Spinozist.
Lotze (1817 in Bautzen geboren, gestorben in Berlin 1881) ist, als Naturforscher und Mediziner, Atomistiker und Physiker, jedoch nur, soweit es sich um die Körper, auch unseren Körper, und die Vorgänge zwischen und in ihnen handelt. Die Seele ist aber vom Körper durchaus verschieden, obzwar Körper und Seele aufeinanderwirken. Letzteres müßte unverständlich bleiben, wenn die Dinge nicht Modi einer Allsubstanz, eines Weltgeistes wären. Dessen Verhalten zu den Dingen entspricht unserem Verhalten zu unseren inneren Tätigkeiten; es ist also immanent, Eigenheit des Weltgeistes. Der Weltgeist ist in sich folgerichtig, und dieses bedeutet in der Welt der Erscheinungen die Ordnung. So ist die Einheit der Dinge trotz der Vielheit ihrer Eigenschaften in dem Gesetz begründet. Das wäre alles allenfalls noch Spinozistisch. Spinozistisch ist auch noch die Korrespondenz der Zustände und Änderungen in den Dingen an Stelle der Abhängigkeiten, denn sie erinnert an Spinozas Parallelismus, zumal auch alle einheitlichen Dinge als Seelen oder Geister aufgefaßt werden. Abweichend wird jedoch einerseits der Weltgeist, Gott, über die Dinge erhoben, und andererseits werden die Dinge mehr verselbständigt. So geht der straffe Monismus Spinozas fast in einen theistisch-deistischen Dualismus über. Und indem noch Leibniz’ Monadenlehre Verwendung findet, haben wir mehr einen geistvollen Eklektizismus von Materialismus, Spinozismus, Cartesianismus und Monadenlehre als ein einheitliches festes System. Aber alles ist innig und fein verarbeitet. Das zeigt sich namentlich darin, daß die Monaden einerseits mehr physikalisch aufgefaßt werden mit wirklichen Wechselwirkungen zwischen ihnen, die bei den Leibnizschen Monaden als wirklich nicht vorhanden sind, auch nicht bei Spinozas Modi, andererseits sie in Spinozas Art als Modi der Allsubstanz betrachtet werden, so daß sie nach drei Richtungen strahlen würden. In jeder Monade sind beide Attribute der Allsubstanz zu erkennen. Die Seele ist nur eine Monas, der Körper besteht aus vielen Monaden. Aus der teilweisen Unabhängigkeit der Monaden von der Allsubstanz – wie diese Unabhängigkeit entsteht, soll eine nicht zu beantwortende Frage sein – ergibt sich eine gewisse Freiheit des Willens und damit eine freiere Ethik, die in Verbindung mit einer Zwecklichkeit der Welt den teleologischen Idealismus bildet. Die Einheit wird dadurch gegeben, daß alles sich auf die Ethik beziehen soll, selbst Logik und Metaphysik. Darin spricht sich der Zug der modernen Zeit aus.
G. Th. Fechner (1801–1887) ist Naturforscher, induktiver Idealist, Spinozist und Mystiker in einer Person. Mit dem als Astrophysiker so bedeutenden Zöllner hat er eine Zeitlang auch dem Spiritismus gehuldigt. Das tut nichts. Er war ein hervorragender Forscher und hat die Wissenschaft der Psychophysik begründet und mit einem berühmt gewordenen Gesetz bereichert. Seele und Körper sind Formen einer Substanz, eines Realen. Er führt aber diesen Spinozismus in das Kant-Schopenhauersche Transzendentale. Die Welt ist für uns nicht die Modi selbst, sondern die Erscheinungen dieser in unserem Bewußtsein. Spinoza hatte schon zwischen Essenzen und Existenzen unterschieden. Die letzteren wären die Erscheinungen. Gleichwohl ist die Welt nicht etwa ein Traumbild, ein Phantom, sondern eine Wirklichkeit, wenn auch eine transzendente. Das wird erwiesen durch die in unserem Bewußtsein von der Welt vorhandene Ordnung und Gesetzmäßigkeit. Ordnung und Gesetz sind das Wesen der Erscheinungen. Das Bewußtsein davon ist das höhere Bewußtsein, die Vernunft. Und da wir in Spinozas Sinn Existenzweisen Gottes sind, so ist Gott das höchste Wesen, dessen Bewußtsein alle Erscheinungen und alle Zusammenhänge umfaßt. In der von Fechner verfolgten Wechselbeziehung von Körper und Seele, die auch Wilhelm Wundt (S. 399) lehrt, sehen manche einen Widerspruch gegen Spinozas System. Das ist nicht der Fall, da ja eine solche Wechselbeziehung als Parallelsein von Körper und Seele gerade nach Spinozas Anschauung, eben der psychophysische Parallelismus, unvermeidlich ist. Es ist nur ein Streit um Worte, wenn man Wechselbeziehung von Parallelbeziehung unterscheiden und trennen will. Ist jene so unveränderlich wie diese, so gelten beide gleich viel. Spinozas Theorie hat ja gerade darin ihren Vorzug, daß wirkliche Beziehungen zwischen zwei absolut verschiedenen Attributen nicht angenommen werden, sondern Parallelbeziehungen, aus der Zugehörigkeit der Attribute zu dem All-Einen. Fechner freilich bezeichnet seine Lehre wegen dieser Wechselbeziehungen auch als materialistisch. Überdem soll nicht nur kein Geist ohne Körper sein, sondern auch kein Gott ohne Welt, ein Gedanke, dem wir schon öfter begegnet sind. Sein Mystizismus drückt sich in der Annahme von Wesen höher als der Mensch aus, von Geistern. Solche sollten zum Teil mit den Weltkörpern Wesen bilden, oder noch höher, mit den Weltsystemen. Die Erde als großes Tier hat auch der französische Astronom Flammarion angesehen. Man bemerkt aber, daß man so zuletzt überhaupt die Welt als Ganzes, wie ein Lebewesen betrachten würde, mit untergeordneten Weltsystemen, Welten usf. als Einzel-Lebewesen, die die Welt zusammensetzen, wie ja die organischen Wesen in der Tat aus Lebewesen, sichtlich oder verborgen, aufgebaut sind. Diese Konsequenz hat, auf die Erde, auch Fechner gezogen; und weiter, daß immer die umfassendere Seele von den eingeschlossenen Seelen weiß, während sich ausschließende Seelen voneinander ohne Wissen sind. Die Bedeutung einer Seele aber richtet sich nicht nach dem Umfang, und so bleibt die Menschenseele auf ihrer Höhe auch den umfangreicheren Seelen gegenüber. Denn entscheidend ist die Größe des Bewußtseins, im Leibnizschen Sinne: ihre Deutlichkeit, und diese braucht mit dem Umfang nicht zusammenzuhängen. Es kommt hier die Lehre von der Schwelle des Bewußtseins in Betracht, aus der eine Art Bewußtseinsleiter, wie eine Tonleiter aufgebaut wird. Fechner hat auch über die Pflanzenseele eine Schrift: „Nanna oder über das Seelenleben der Pflanzen“ verfaßt, deren Ideen sich gerade jetzt mehr und mehr Bahn brechen. Aber den kleinsten Teilen der Materie, den Atomen, hat Fechner Leibniz’ Monadenleben doch abgesprochen.
Wilhelm Wundt (geb. 1832 zu Neckarau), der geistvolle Führer in der Psychophysiologie, den wir schon genannt haben, steht, abgesehen vom Mystizismus Fechners, ungefähr auf gleichem Boden. Er ist als Physiolog und Psycholog sehr ins Einzelne gegangen und hat in allen Seelenfunktionen nachzuweisen versucht, daß sie mit Körperfunktionen zusammenhängen. Persönlich halte ich einen solchen Nachweis nur im Gröbsten für möglich, und namentlich den Hauptnachweis, als Ursache und Folge, überhaupt nicht für erbringbar, da in solchen transzendenten Fragen die Zeit ausscheidet. Für die Erfahrung ist aber sehr viel durch solche Untersuchungen gewonnen, und der Nachweis, daß Körper und Geist als Erscheinungen in der Tat untrennbar sind, ist von höchster Bedeutung. Wir kommen im letzten Kapitel noch darauf zu sprechen. Das gesamte Leben sieht Wundt als nie rastendes inneres Geschehen an, das kein Beharrendes besitzt. Zum Beharrenden glaubt er, kommen wir lediglich durch Projektion der Außenwelt in unsere innere Welt; zum Bewußtsein wie für die Außenwelt zum Raum, indem wir für das aus jener Projektion fälschlich gewonnene Beharrende einen Ort brauchen und ihn uns einbilden, eben das Bewußtsein. An sich drückt Bewußtsein nichts aus, als daß wir ein inneres Leben führen, und es ist nicht von den anderen inneren Erscheinungen des Lebens verschieden. Kaum daß der Wille herausgehoben wird. Offenbar kann ebenso auf das ganze Gebiet dessen, was auf S. 222 f. als regulative oder kategorische Seele bezeichnet ist, geschlossen werden. Eine solche Seele wäre also nicht ein Besonderes, und wir hätten eine assoziative Psychologie (S. 359). Die Verneinung alles Beharrenden ist heraklitisch. Ich weiß aber nicht, wie sie sich für das innere Leben soll durchführen lassen, ohne dieses in ein völliges Schattenspiel aufzulösen, denn mit der Verneinung des Bewußtseins als eines Beharrenden – ich glaube eines Organs für die innere Welt, wie die Sinnesorgane für die äußere – ist auch die Verneinung der Individualität gegeben, damit auch die Verneinung der Anschauungsformen. Und so wäre auch die Welt zu verneinen. Dann bliebe nur noch die indische Maja. Wir haben auch davon noch zu sprechen. Gleichwohl wird die Welt als eine Totalität aufgefaßt, nämlich als Ganzheit der Willenstätigkeiten. Diesen entsprechen die Vorstellungstätigkeiten und ordnen sich nach ihnen. Der Gedanke ist spinozistisch mit genauerer Angabe der Attribute. Allein die Gottesidee scheint gesondert behandelt zu sein. Von Bedeutung ist noch Wundts Unterscheidung zwischen einer quantitativen Transzendenz, wie wenn der Umfang eines Gegenstandes oder einer Vorstellung über die Grenzen hinaus erweitert wird, und der qualitativen Transzendenz, wenn das Hinausgehen zu überhaupt Verschiedenem erfolgt. In allen metaphysischen Problemen haben wir es mit beiden Transzendenzen zu tun. Offenbar hängen sie mit den Attributen zusammen. Die große Bedeutung Wundts als Ordner der philosophischen Wissenschaften habe ich nur zu erwähnen. Zu den Neu-Spinozisten ist wohl auch A. Riehl (geb. 1844) zu rechnen, jedoch mit einer starken Neigung zum Transzendental-Idealistischen, da er die „gemeinsame Quelle von Natur und Verstand“ für transzendent erklärt und außerdem die psychische Welt durchaus von der physischen scheidet. Aber der Parallelismus vermittelt ihm einen „philosophischen Monismus“. Ähnlich verhält es sich mit dem freundlichen Adolf Lasson (geb. 1832). Über Häckels Spinozismus kann ich nur im Zusammenhange mit dem Energismus reden.