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Kitabı oku: «Welt- und Lebenanschauungen; hervorgegangen aus Religion, Philosophie und Naturerkenntnis», sayfa 3

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7. Über den Ursprung der Religionen, Vorläufiges

Die Bedeutung des Wortes Religion wollen wir hier im allerweitesten Sinne fassen; also dazu auch Meinung, Erzählung, Sage, Mythe rechnen, sofern sie sich auf nicht jedem zur Verfügung stehende Kräfte und Äußerungen beziehen. So weit müssen wir gehen, wenn wir von der Religion der Naturvölker sprechen.

Religion entstammt dem Ursächlichkeitsbegriff des Menschen, das heißt der Eigenheit der Seele, alles notwendig als die Folge eines anderen anzuschauen. Es kann einen Ursächlichkeitsbegriff ohne Religionen geben, aber keine Religion ohne diesen Ursächlichkeitsbegriff. Das gilt auch für geoffenbarte Religionen, da um eine Offenbarung aufzufassen schon der Ursächlichkeitsbegriff vorhanden sein muß, indem ohne diesen nichts mit einem anderen verknüpft werden kann. Wahrscheinlich gibt es kein Lebewesen ohne den Ursächlichkeitsbegriff, wie dunkel er in manchen Lebewesen auch sein mag. Aber außer diesem Ursächlichkeitsbegriff dürfte auch der Lebenstrieb ein Großes zur Entstehung von Religionen beigetragen haben. Und da dieser Trieb sich vornehmlich äußert in Begehren und Fürchten, so werden schon am Ursprung der Religionen diese Empfindungen für ihre Richtung entscheidend sein. Wie, wann und wo die Religionen ihren Ursprung nahmen, darüber bestehen bei den Forschern noch gegenwärtig unendlich viele Meinungen. Einige sehen die Religionen als Folgeerscheinung der Sprache an. Da auch Tiere in ihrer Weise sprechen können, und wir diesen doch nicht gerne religiöse Anschauungen zuschreiben möchten, muß es sich schon um eine Sprache handeln, die den Menschen vom Tiere unterscheidet. Leider wissen wir nicht recht, wo der Unterschied beginnt. Will man aber von uns selbst rückwärts schließen, so wird man meinen, daß Namen- und Begriffsbildung die entscheidenden Momente in der Sprache waren. Max Müller, der diesen Standpunkt mit größter Konsequenz vertritt, bezeichnet es als Tatsache, daß dazu die Wortwurzeln dienten, allein dienen konnten, und – was das Wesentlichste ist – daß diese Wurzeln, „infolge der Art und Weise, in der sie zuerst ins Dasein traten, Handlungen ausdrückten, die gewöhnlichen Handlungen, die auf einer früheren Gesellschaftsstufe vollführt wurden. Der Himmel war der, der bedeckt, die Sonne die, die wärmt, der Mond der, der mißt, die Wolke die, die regnet“ usf. Sah nun der Mensch z. B. das Feuer, das für ihn eine so eminente Bedeutung hat, so fiel ihm namentlich die Ruhelosigkeit dieses Elementes auf, das Flammen, Zucken, Züngeln, Springen usf. Er bezeichnete es also mit der Wortwurzel in „bewegen“, in den indogermanischen Sprachen mit AG. Da aber diese Wurzel ein Handeln des Menschen ausdrückt, eben das „Bewegen“, so kam er allmählich zu der Anschauung, daß in der Flamme etwas Bewegendes, ein Agens sei, zu ihrer Natur gehöre, „Beweger hier“, „Beweger da“, im sanskritischen AG-ni-s, damit wäre zum Beispiel in Sanskrit der Agni gewonnen, der „Beweger“. Im Laufe der Jahrhunderte trat dann eine immer weitergehende Vergeistigung ein, erst ein beseelter Beweger, wie ein Mensch, dann ein göttlicher Beweger usf., bis zuletzt bei einigen Sekten Agni zum höchsten Gott und Schöpfer hinaufidealisiert ward. Diese Theorie des großen Sprach- und Religionsforschers hat zweifellos etwas sehr Bestechendes. Man bedarf nicht einmal der wirklichen Sprache; es genügt ja völlig, wenn der Mensch in sich selbst die Handlungen auffaßt, wenn er es auch nach außen nicht zum Ausdruck bringt. Er wird dann innerlich das Feuer so betrachten, wie er es mittelst der Sprachwurzeln nach außen kundgibt. Aber bedeuten auch die ersten Sprachwurzeln nur Handlungen des Menschen, ist das auch der Fall mit den ersten bestimmten inneren Denkregungen? Werden auch diese sich nur auf Handlungen beziehen? Fast möchte man es glauben, da das Leben des Menschen in Handlung aufgeht und die Natur ja auch in stetem Geschehen sich befindet. Dinge also, die ruhen, würden keinen Anlaß zur Entstehung religiöser Begriffe geben. Diesen Schluß zieht auch Max Müller, da er von dem bekannten Fetischismus, Animismus und der Personifikation als Grundelemente der Religion nichts wissen will. Es ist schwer auf einem Gebiete wie dieses, wo jede Tradition und jede Erfahrung mangelt, etwas Bestimmtes zu sagen; unter den Völkern, die wir kennen, befindet sich und befand sich keines mehr im Ursprung der Religionsbildung, alle hatten und haben ein schon ziemlich kompliziertes System religiöser Ansichten. Am Kinde aber zu beobachten, wie bei ihm religiöse Anschauung entsteht und wächst, würde nur ersprießlich sein können, wenn man es als Wilden, gesondert von allem kulturmenschlichen Verkehr, aufwachsen ließe. Elterliche Brutalität bringt es manchmal zuwege, daß ein Kind in dieser Weise aufwachsen könnte, wenn die Kultur es nicht an sich von allen Seiten umgäbe. Und seit dem alten Ägypterkönig, von dem Herodot erzählt, daß er, um zu erfahren, welches die eigentlich menschliche Sprache sei, ein Kind vom ersten Tage gegen jeden menschlichen Verkehr abgeschlossen habe, ist das Experiment nicht wieder gemacht worden. Also, es fehlt an Mitteln zur Entscheidung. Nur das, glaube ich, muß man sagen, daß es nicht die äußere Sprache war, die die Religionen schuf, sondern die innere, und diese wird der äußeren weit vorausgegangen sein. Wenn Max Müller nur die äußere Sprache versteht, dann ist meines Erachtens seine Theorie nicht haltbar. Begehren und Furcht, ich wiederhole es, sind die Grundpfeiler für religiöse Anschauungen. Und wahrscheinlich Furcht zuerst, dem Begehren sich später erst anschließt. Die meisten Forscher greifen, wenn es sich um religiöse Regungen oder gar Anschauungen handelt, viel zu hoch. Man muß, wenigstens wenn man Religion in so weitem Sinne faßt, wie es der Anthropolog zu tun gezwungen ist, unter Abstraktion von aller ursprünglichen Offenbarung, tief herabsteigen. Sind die Menschen aus der Reihe der Lebewesen durch fortschreitende Entwicklung hervorgegangen und haben sie ihre seelischen Fähigkeiten allmählich erreicht, so wird man in dem Auftreten religiöser Regungen gar nicht weit genug zurückgehen können. Und bekanntlich behaupten manche Naturforscher, daß Tiere wohl auch etwas haben möchten, was einer Religionsanschauung – im weitesten Sinne des Wortes – entspricht. Sicher ist ja, daß manche Tiere sich vor ungewohnten Dingen und Bewegungen fürchten, daß sie unter Umständen Gespenster sehen usf. Haben doch sogar manche gemeint, daß der Hund im Menschen eine Art göttliches Wesen (göttlich vom Standpunkte des allertiefststehenden Wilden) sehe, was freilich mit der Tatsache, daß der Hund jeden anderen als seinen Herrn auch ohne Grund anbellt und anfällt, nicht recht harmonieren will.

Nun unterscheidet Max Müller allerdings drei Stufen der Religionsanschauung: physische, anthropische (Max Müller scheut sich vor dieser Wortbildung und sagt anthropologische, ich sehe aber nicht ein, warum, um einer ungewohnten und freilich auch anfechtbaren Wortbildung zu entgehen, man zu einer anderen, bereits in anderem Sinne vergebenen greifen soll) und psychologische. Diese Stufen sind sicher für die allgemeine Entwicklung treffend gewählt, sie umfassen aber nicht alles. Man darf ferner Lippert in seinem Hauptsatze im allgemeinen beistimmen, daß Religion ohne einen gewissen, wenn auch noch so niedrigen, rohen und selbst gemeinen Kultus, nicht verstanden werden kann. Allein dieser Satz hilft nur die etwaige Religion des Tieres von der des fortgeschrittenen Menschen unterscheiden, wenn nicht vielleicht gewisse Tierklassen, wie die bekannten Ameisengattungen, auch Kultus besitzen. Die Entwicklungslehre kann aber nicht anders als annehmen, daß zuerst die religiösen Anschauungen des Menschen sich gar nicht von denen der Tiere unterschieden haben, aus welchen er hervorgegangen ist, und daß diese Anschauungen allmählich zu Höherem aufstiegen, indem sich gleichzeitig alle Greuel entwickelten, die den Namen Religion entweihten und entweihen. Wir wissen nicht, ob die geistigen Kräfte des Menschen zunahmen, weil seine animalischen Ausrüstungen mehr und mehr verloren gingen, oder ob das umgekehrte stattfand, daß seine animalische Ausrüstung zurückging, weil die geistigen Fähigkeiten stiegen. Der bequemste Ausweg wird sein, wenn wir annehmen, daß beides gleichzeitig stattfand, indem immer eins das andere nach sich zog. Dann mußte einerseits die Einsicht wachsen, andererseits der Trieb der Selbsterhaltung; und es scheint, daß zunächst die ganze zunehmende Einsicht in den Dienst der Selbsterhaltung gestellt worden ist. Deshalb hat sich der Mensch zunächst soviel furchtbarer als das furchtbarste Tier entwickelt, und seine Religionsanschauung ging keineswegs die stillen Wege, die viele so gerne annehmen, indem sie alle Greuel auf „Aberglauben“ schieben. Wir mögen über den Aberglauben des Kulturmenschen lachen, der auf die Türschwelle oder den Türpfosten seiner Behausung ein Hufeisen nagelt, wir mögen lachen, wenn gleichfalls Kulturmenschen sich vor dem 13ten und dem Freitag fürchten, und was der so zahlreichen Albernheiten noch mehr sind. Glauben die betreffenden Leute an sie, so haben sie zu der bekannten Religion noch eine andere. Verhalten sie sich neutral, so treiben sie all den Unfug aus Affennachahmung, „nützt es nicht, so schadet es nicht“. Glauben sie nicht daran, so machen sie sich eines Vergehens gegen den geistig schwächeren Teil der Menschheit schuldig. Aber dem Naturmenschen ist „Aberglaube“ seine eigentliche Religion, und was man bei ihm noch Mystisches und Höheres etwa findet, hat für ihn gar keine oder nur Erzählungsbedeutung.

Andere haben den Urgrund aller religiösen Anschauungen in dem Gefühl der Schwäche gesucht, das der Mensch der ihn umgebenden Natur gegenüber hat. Er soll eine Macht über sich empfinden und diese allmählich höher und höher einschätzen lernen. Der Trieb der Selbsterhaltung würde ihn dann zur Verehrung und Anbetung dieser Macht durch Worte und Taten führen. Irregeleitet, würde der Mensch zunächst nicht eine Macht annehmen, sondern viele Mächte, und sie in dem lokalisieren, was für ihn besondere Bedeutung hat, also in Sonne, Mond, Feuer, Sturm, Gewitter, Strom, Meer u. a. Man kann sehr vieles für diese weitverbreitete Ansicht vom Ursprung der Religion beibringen. Das Gefühl einer Übermacht über sich ist schon im Tierreich vorhanden; ein kleines schwaches Mädchen kann den stärksten Hund zum hündischen Gehorsam zwingen, wie wir ja zu unserm Vergnügen oft genug sehen; der Hund hat ein Gefühl von der Übermacht des Menschleins. Dahin gehören auch solche Tatsachen aus dem Tierleben, die mit ihrem eigenen Gesellschaftsleben zusammenhängen, wenn einem Individuum selbstverständlich die Übermacht zuerkannt wird, wie bei den Bienen. Auch das Verhalten der Blattläuse gewissen Ameisenarten gegenüber dürfte auf dem Gefühl einer Übermacht beruhen; denn ohne Widerstand zu leisten und ohne einen Fluchtversuch selbst dann zu machen, wenn sie beflügelt sind, lassen sich diese Insekten von den Ameisen in deren Heim schleppen und tragen, wo sie, wie bei den Menschen das Vieh, gehegt und aufgezehrt werden. Fast denkt man an das Verhältnis des Volkes zu wilden Häuptlingen oder sinnlosen Despoten. Ist das Gefühl der Übermacht beim Menschen nur auf dem der Furcht gegründet, so würde es sich wenig von dem der intelligenteren Tiere unterscheiden. Aber beim Menschen soll noch hinzukommen, daß er auch Hoffnung auf Gutes und Erwartung von Gutem für sich auf diese Übermacht gründet. Und das wäre freilich etwas, das im Tierreiche wohl nur selten gefunden wird. Die Beispiele von Hunden, die allerhand Künste vollführen in Erwartung einer Belohnung, von Vögelchen, die auf den Ruf eines, der ihnen Samen oder Bröckchen bietet, ihm beliebig auf Hand und Schulter fliegen, dürfen, glaube ich, hier nicht angeführt werden. Es sind Erfahrungen, denen die Tiere, namentlich im Zustand der Domestikation, folgen.

Auf dem Wege zur spiritualistischen Ansicht von der Entstehung der Religionen treffen wir die Behauptung, daß religiöse Anschauung überhaupt zur Eigenheit des Menschen gehöre, gewissermaßen apriorisch eine Kategorie, ein Regulativ seines inneren und äußeren Lebens bilde. Einen energischen Vertreter dieser Ansicht finden wir in Benjamin Constant, der sie schon im ersten Kapitel seines großen Werkes „De la réligion“ feststellt. Sofern die religiöse Anschauung in der Kategorie der Ursächlichkeit beruht, und diese allerdings eine unumgängliche Vorbedingung unseres inneren und äußeren Lebens bedeutet, könnte man letzteres auch von der religiösen Anschauung annehmen. Daß indessen der Begriff der Ursächlichkeit für sich nicht hinreicht, den Trieb zur religiösen Anschauung zu erklären, darf wohl als sicher hingestellt werden. Es ist zwar richtig, daß die religiöse Anschauung ein Regulativ unseres Lebens ist. Aber es spielt bei ihr noch etwas mit, das durchaus dem Bereiche des Fühlens angehört und für das wir im Begriff der Ursächlichkeit keinen adäquaten Ausdruck finden. Auch die Tiere und selbst die Pflanzen müssen den Begriff der Ursächlichkeit bewußt oder unbewußt (instinktiv, wie wir sagen) besitzen, sonst existierten sie nicht. Aber religiöse Anschauung schreiben wir ihnen doch nicht zu. Ferner gibt es zweifellos Menschen, die jedes religiösen Gefühls gänzlich bar sind, nicht einmal einem Aberglauben huldigen. Soll also religiöse Anschauung in der Tat eine Eigenschaft der Menschenseele sein, so muß sie außer in der Ursächlichkeit noch in anderem eine Wurzel haben, oder nur in diesem anderen. Dieses ist wohl auch die Meinung von Wilhelm Wundt, daß nämlich die Ursächlichkeit für eine rein psychische Entstehung einer religiösen Anschauung nicht hinreicht. Nun haben wir schon früher Furcht und Begehren als die Haupttriebfedern für religiöse Annahmen hervorgehoben. Von diesen Menscheneigenschaften soll aber, als unwürdig, gerade abgesehen werden. Dann würde freilich nichts übrig bleiben als die religiöse Anschauung als eigene Kategorie zu betrachten, wogegen doch sehr vieles spricht, was bei der Vorführung der einzelnen Religionsanschauungen hervortreten wird, wo wir den allerniedrigsten Meinungen begegnen, die jeder Kultur und jeder Menschlichkeit ins Gesicht schlagen. Soll sich aber jene Ansicht auf unsere Idee von Religion beziehen, so ist eben der Begriff Religion viel zu eng gefaßt, und wir brauchen darüber hier noch nicht zu diskutieren.

Endlich die rein spiritualistische Ansicht selbst sieht die Religion als von höchster Macht geoffenbart an. Das kann, absolut genommen, eigentlich nur von der einzigen wahren Religion gemeint sein, denn es ist ja ausgeschlossen, daß eine Offenbarung in mehrerer Gestalt erfolgen kann. Kein Mensch weiß, welches diese einzige wahre Religion ist, jeder gibt die seinige dafür aus. Und irgendein Kriterium zur Entscheidung haben wir nicht. Vergangene und gegenwärtige Geschichte der Religionen schneiden uns dazu jede Möglichkeit ab. Die beliebte Ausrede, daß die Menschen die Offenbarung verdorben hätten, hilft hier nichts, sondern schadet nur. Denn was eine absolute Offenbarung ist, muß mit zwingender Gewalt die Menschen leiten und kann sie nicht zu so furchtbaren Taten führen, wie die religiösen Verfolgungen sie gezeitigt haben. Anders hat eine absolute Offenbarung gar keinen Sinn, denn dem Besten im Menschen widersprechend wird man sie doch nicht gestalten wollen.

Gibt man den Standpunkt des Absoluten auf, so läßt sich über Offenbarung eher reden. Dann wären die Religionen Inspirationen einzelner Menschen oder einzelner Völkerschichten und dürfen darum unvollkommen sein. Die Offenbarung verliert dadurch freilich die Bedeutung, wegen deren sie eigentlich angenommen ist: die absolute Richtigkeit jener betreffenden Religionsanschauung unwidersprechbar zu machen. Sie geht auf den Standpunkt eines jeden menschlichen Einfalls oder Erdenkens oder Fühlens zurück. Dafür haben wir ja allerdings Beispiele, und darunter solche gewaltigster Wirkung und edelster Lehren. Viele aber auch, die absurd und höchst schädlich sich erwiesen haben.

Was ist nun das Ergebnis dieser Betrachtungen? Ich glaube, daß man bei der Untersuchung der Entstehung der Religionsanschauungen, wie in so vielen anderen Fällen, überhaupt nicht rigoros auf diesem oder jenem Standpunkt bestehen kann. Wie die Elektrizität in einem Gewitter aus allen möglichen Vorgängen entstanden sein kann und tatsächlich entsteht, so werden auch die Religionsanschauungen aus den verschiedensten Ursachen hervorgegangen sein. Der Mensch hat ein reichliches Kapital an Eigenschaften und Trieben in seinem Inneren, um sie bald so, bald anders zu kombinieren und in neue Werte umzusetzen. Mitunter ist eines, mitunter ein anderes für seine Ansicht entscheidend. Religionen werden aus allen den vorgenannten, vielleicht aus noch manchen anderen Quellen hervorgegangen sein. Die Entwicklung, die die Religionen genommen haben, weist schon darauf hin, daß sie nicht wohl auf einen Ursprung zurückgeführt werden können, sondern daß bei ihnen verschiedene und mitunter mehrere Momente wirksam gewesen sind. Auch haben sich viele Religionsforscher gezwungen gesehen, einerseits niederen Anschauungen auch höhere Momente zuzugestehen, andererseits in höheren auch niedrige anzuerkennen. Eine wirkliche „Philosophie der Religion“ müßte alle Momente in Betracht ziehen und ihren Einfluß in den einzelnen Religionen verfolgen. Aber dazu mangeln uns nur allzusehr die Kenntnisse, sobald wir aus der geschichtlichen Kulturwelt heraustreten. Es ist nicht Aufgabe dieses Buches, hierauf genauer einzugehen, auf einzelnes und auf andere Theorien wird jedoch noch oft genug hingewiesen werden.

8. Allgemeine Belebung

Gehen wir nun zu den einzelnen Religionsformen über, so scheint in der Tat die von Max Müller angenommene physische Religion die ursprünglichste zu sein, jedoch in ganz niedriger Bedeutung. Über die Stufe der stumpfen Selbstverständlichkeit erhoben, wird der Mensch in allem, was ihn umgab, etwas gesehen haben, das wir allerdings am besten unbestimmt als Agens, Tätiges, Handelndes, Wirkendes bezeichnen können. Namentlich in den Vorgängen wie Flamme, Sturm, Gewitter, Regen usf. wird dieses zunächst geschehen sein, dann auch in den Gegenständen. An den Tieren war eine derartige Betrachtung selbstverständlich, ihre Ausdehnung auf Bäume, Blumen, Gräser konnte folgen. Dann mögen fließende oder wogende Gewässer und zuletzt Berge, Felsen, Steine an die Reihe gekommen sein. Es ist mißlich, solche Serien ex post aufzustellen, da bei besonderen Völkern vieles von ihrer besonderen Umgebung abhängig gewesen sein wird. Dazu ist zu beachten, daß auf Menschen, wie übrigens auch auf Tiere, Gegenstände besonderer Art und unter besonderen Umständen auch eine besondere Wirkung ausüben, wie überhängende Felsen oder Steine in ebener Gegend, Bäume gewundener oder übermäßiger Gestalt, Dämpfe aus der Erde aufsteigend usf. Kein Hund hält einer Selterwasserflasche stand, die man vor ihm aufknallen läßt, und überhängende oder fast schwebende Steinplatten sind selbst einem beherzten Manne ungemütlich. Also mögen gewisse tote Gegenstände viel eher mit dem Etwas versehen gedacht worden sein, als harmlose Sträucher. Es ist vieles erzählt worden, woraus man schließen möchte, daß die Feuerländer sich auf dieser Stufe der Weltanschauung befinden, in der in allem ein Etwas Tätiges gesehen wird, ohne daß dieses Etwas schon mit dem, was im Menschen das Tätige ist, identifiziert wird.

Wenn der Mensch unter solchen Anschauungen seine Meinung bestimmter zu fassen lernt, so wird er in dem in den Gegenständen Handelnden etwas Lebendes sehen, sei es, daß die Gegenstände selbst leben, sei es, daß etwas in ihnen vorhanden ist, das lebt. Beides finden wir, aber das erstere kann offenbar nicht von weitem Umfange sein, da Lebloses von Lebendem zu unterscheiden selbst dem Tiere leicht fällt. Max Müller hat ein sehr lehrreiches Beispiel auf das sorgfältigste untersucht, die Bedeutung Agnis in der altindischen Religion. Wie wir sahen, scheint ihm „Agni den Begriff der lebhaften Bewegung ausgedrückt zu haben. Am nächsten verwandt würde lateinisch ag-ilis sein“. Im Lateinischen haben wir ignis, im Altslawischen ogni, im Littauischen ugnì. Das würde noch auf der ersten Stufe stehen. Aber nun kommen Namen, die offenbar einen tätigen Gegenstand ausdrücken: Dahana = der Brenner, An-ala = der Blaser (mit der Wurzel An, die auch in animus, anima, ἄνεμος enthalten ist und hauchen, wehen bedeutet). Max Müller führt noch andere Namen auf, die gleichfalls einen tätigen Gegenstand betreffen. Und er sagt allgemein: „Wenn dieser Schritt einmal getan war, wenn das Wort Agni, Feuer, einmal geprägt war, so war die Versuchung groß, ja fast unwiderstehlich, wie Agni als Agens aufgefaßt worden war, so auch ihn als etwas aufzufassen, das den einzigen anderen aktiven Subjekten, die den Menschen bekannt waren, glich, als tierischen und menschlichen Agens.“ Und darin kann man ihm lediglich beistimmen. So führt er denn auch an, daß im Rigveda von der Zunge oder den Zungen Agnis gesprochen wird, von seinen Zähnen, seinen Kinnbacken, seiner brennenden Stirne, seinem flammenden Haar, seinem goldenen Bart. Diese Sprechweisen als metaphorisch aufzufassen, würde möglich sein, wenn der erste Begriff des Agni ein höherer wäre. So aber möchten sie kaum anders als ad verbum genommen werden, als Beschreibung Agnis als eines lebenden Etwas (s. jedoch S. 25). Ich habe schon erwähnt, daß die Polynesier die Sonne auch als Ungetüm betrachten, die Eskimo nehmen Sonne und Mond als Mädchen und Knaben, wie südamerikanische Völker und wie, umgekehrt, die Australier als Mann und Frau. Algonkinindianer, die den Mond für die Frau der Sonne ansehen, erklären sogar die Finsternis dadurch, daß diese Gestirne zuweilen ihr Kind (das also dunkel sein muß) in den Armen vor sich halten. Daß man die Arme nicht sieht, kommt daher, daß sie ständig einen Bogen gespannt vor sich halten. Hübsch ist eine Sage bei den Mexikanern, die Tylor in seinem vorzüglichen Buche „Die Anfänge der Kultur“ mitteilt. Die alte Sonne war ausgebrannt und die Welt in Finsternis begraben. Da sprang ein Held in ein riesiges Feuer und stieg, zum Gott geworden, als Tonatiuh strahlend im Osten als neue Sonne auf. Nach ihm sprang ein zweiter Held in das Feuer. Aber dieses war schon matt, und so kam er nur als Mond, Metztli, empor. Hier sind also Sonne und Mond zwei Männer. Doch steht diese Sage für das Gegenwärtige schon zu hoch. Mehr paßt hierher, daß bei den Alëuten der Mond mit Steinen nach denen wirft, die ihn beleidigen. Man bedenke, daß man in der Tat früher vielfach geglaubt hat, daß die Meteorsteine Auswürflinge des Mondes seien. Auch die Sterne werden für Lebewesen, Menschen oder Tiere, gehalten, wohl auch für Teile von Lebewesen. Ich will nicht die griechischen Katasterismen anführen, die in so schönen Sagen erzählt werden und noch in der so späten Zeit der Ptolemäer zu der Versetzung des prachtvollen Haares der Berenike an den Himmel geführt haben. Aber in Afrika ist die Milchstraße ein Zug Vögel. Anderweitig sind die Sterne Menschen, welche in den Himmel geklettert sind und nun nicht herabkönnen. In Ozeanien werden die Sterne auch als Augen berühmter Häuptlinge ausgegeben, so daß diese letzteren großen Wert im Leben auf möglichst glänzende Augen legen und die ihnen von Natur verliehenen dadurch zu verbessern suchen, daß sie anderen die Augen ausreißen und sie verzehren. Daß der Regenbogen ein lebendes Ungetüm ist, das sogar Menschen frißt oder sie vergiftet, wird in Polynesien erzählt. Der Gott Perkun soll in Littauen auch den Donner selbst bedeutet haben. Stürme werden personifiziert; so sind bei den Indianern, von denen Hiawatha erzählt, Wabun, Schawondasee, Kabibonda Lebewesen, die Ostwind, Südwind und Nordwind bedeuten, deren Vater, der allgemein Sturm, Mudjeekewis, heißt. Bei den Polynesiern finden wir ähnlich personifizierte Winde, die Verwandte sind von Göttern. Der Hauptwindgott Tawhiri-matea, der den Schimpf, der seinem Vater und seiner Mutter, Himmel und Erde, durch ihre gewaltsame Scheidung geschehen ist (S. 12), rächen will, läßt seine Kinder, die Stürme, auf Meer und Land los, und er selbst wütet in ihrer Mitte, so daß die Wälder, die Kinder Tane Mahutas, gestürzt, die Länder überschwemmt und die Meere durchwühlt werden. „Den niederen Menschenstämmen,“ sagt Tylor in seinem genannten Werke, „werden Sonne und Gestirne, Bäume und Flüsse, Wind und Wolken persönliche, belebte Geschöpfe, welche ein nach Analogie des menschlichen oder tierischen gedachtes Leben führen und ihre besonderen Aufgaben im Universum mit Hilfe ihrer Gliedmaßen wie Tiere erfüllen.“ Und er weist mit Recht auf das Verhalten der Kinder hin, die zuerst gleichfalls alles beleben. Wie das Kind „schlägt der Wilde Brasiliens den Stein, über den er gestolpert ist, oder den Pfeil, der ihn verwundet hat.“ Tylor teilt noch andere Beispiele mit. So wird bei gewissen südasiatischen Stämmen der Baum gefällt und zu Spänen zerhackt, von dem jemand tödlich herabgefallen ist. Entsprechende Beispiele finden sich sogar bei Kulturvölkern, ich darf an die Gerichte erinnern, die bei den Athenern über leblose Gegenstände gehalten wurden, durch die ein Mensch umgekommen war, an die Geißelung des Hellesponts durch Xerxes und an anderes aus dem Altertum und selbst aus dem Mittelalter Bekannte. Fast möchte man an die „Tücke des Objekts“ erinnern, die Friedrich Vischer in seinem Roman „Auch einer“ so launig beschreibt. Es war früher eine Sitte in Deutschland, wenn der Hausherr gestorben war, es allem im Hause mitzuteilen, selbst dem Ackergerät und den Vorräten. Wir dürfen uns darum nicht wundern, daß der Naturmensch tatsächlich Gegenstände für lebend hält, die ihm doch tot scheinen sollten, und sich so überall von Leben umgeben fühlt, dessen Natur er nicht kennt, und das ihn infolgedessen beängstigt und bedrückt. Diese Allbelebung, der wir auf niedrigster Kulturstufe begegnen, findet sich von allem Groben geklärt in höchsten philosophischen Spekulationen wieder, wie wir sehen werden. Für die Wildenstufe hat Tylor sie als „Animismus“ bezeichnet, diesem Worte jedoch noch eine weitere Bedeutung verliehen.