Kitabı oku: «Der Einzige und sein Eigentum», sayfa 3
§ 2. Die Besessenen
Hast du schon einen Geist gesehen? »Nein, ich nicht, aber meine Großmutter.« Siehst du, so geht mir's auch: ich selbst habe keinen gesehen, aber meiner Großmutter liefen sie aller Wege zwischen die Beine, und aus Vertrauen zur Ehrlichkeit unserer Großmutter glauben wir an die Existenz von Geistern.
Aber hatten wir denn keine Großväter, und zuckten die nicht jederzeit die Achseln, so oft die Großmutter von ihren Gespenstern erzählte? Ja, es waren das ungläubige Männer und die unserer guten Religion viel geschadet haben, diese Aufklärer! Wir werden das empfinden! Was läge denn dem warmen Gespensterglauben zugrunde, wenn nicht der Glaube an das »Dasein geistiger Wesen überhaupt«, und wird nicht dieser letztere selbst in ein unseliges Wanken gebracht, wenn man gestattet, daß freche Verstandesmenschen an jenem rütteln dürfen? Welch einen Stoß der Gottesglaube selbst durch die Ablegung des Geister- oder Gespensterglaubens erlitt, das fühlten die Romantiker sehr wohl, und suchten den unheilvollen Folgen nicht bloß durch ihre wiedererweckte Märchenwelt abzuhelfen, sondern zuletzt besonders durch das »Hereinragen einer höheren Welt«, durch ihre Somnambulen, Seherinnen von Prevorst usw. Die guten Gläubigen und Kirchenväter ahnten nicht, daß mit dem Gespensterglauben der Religion ihr Boden entzogen werde, und daß sie seitdem in der Luft schwebe. Wer an kein Gespenst mehr glaubt, der braucht nur in seinem Unglauben konsequent fortzuwandeln, um einzusehen, daß überhaupt hinter den Dingen kein apartes Wesen stecke, kein Gespenst oder – was naiverweise auch dem Worte nach für gleichbedeutend gilt – kein »Geist«.
»Es existieren Geister!« Blick umher in der Welt und sage selbst, ob nicht aus allem dich ein Geist anschaut. Aus der Blume, der kleinen, lieblichen, spricht der Geist des Schöpfers zu dir, der sie so wunderbar geformt hat; die Sterne verkünden den Geist, der sie geordnet, von den Berggipfeln weht ein Geist der Erhabenheit herunter, aus den Wassern rauscht ein Geist der Sehnsucht herauf, und – aus dem Menschen reden Millionen Geister. Mögen die Berge einsinken, die Blumen verblühen, die Sternenwelt zusammenstürzen, die Menschen sterben – was liegt am Untergang dieser sichtbaren Körper? Der Geist, der »unsichtbare«, bleibt ewig!
Ja, es spukt in der ganzen Welt! Nur in ihr? Nein, sie selber spukt, sie ist unheimlich durch und durch, sie ist der wandelnde Scheinleib eines Geistes, sie ist ein Spuk. Was wäre ein Gespenst denn anders als ein scheinbarer Leib, aber wirklicher Geist? Nun, die Welt ist »eitel«, ist »nichtig«, ist nur blendender »Schein«; ihre Wahrheit ist allein der Geist; sie ist der Scheinleib eines Geistes.
Schau hin in die Nähe oder in die Ferne, dich umgibt überall eine gespenstische Welt: du hast immer »Erscheinungen« oder Visionen. Alles, was dir erscheint, ist nur der Schein eines inwohnenden Geistes, ist eine gespenstische »Erscheinung«, die Welt dir nur eine »Erscheinungswelt«, hinter welcher der Geist sein Wesen treibt. Du »siehst Geister«.
Gedenkst du dich etwa mit den Alten zu vergleichen, die überall Götter sahen? Götter, mein lieber Neuer, sind keine Geister; Götter setzen die Welt nicht zu einem Schein herab und vergeistigen sie nicht.
Dir aber ist die ganze Welt vergeistigt und ein rätselhaftes Gespenst geworden; darum wundere dich nicht, wenn du ebenso in dir nichts als einen Spuk findest. Spukt nicht dein Geist in deinem Leibe, und ist nicht jener allein das Wahre und Wirkliche, dieser nur das »Vergängliche, Nichtige« oder ein »Schein«? Sind wir nicht alle Gespenster, unheimliche Wesen, die auf »Erlösung« harren, nämlich »Geister«?
Seit der Geist in der Welt erschienen, seit »das Wort Fleisch geworden« ist, seitdem ist die Welt vergeistigt, verzaubert, ein Spuk.
Du hast Geist, denn du hast Gedanken. Was sind deine Gedanken? – Geistige Wesen. – Also keine Dinge? – Nein, aber der Geist der Dinge, die Hauptsache an allen Dingen, ihr Innerstes, ihre – Idee. – Was du denkst, ist mithin nicht bloß dein Gedanke? – Im Gegenteil, es ist das Wirklichste, das eigentlich Wahre an der Welt: es ist die Wahrheit selber; wenn ich nur wahrhaft denke, so denke ich die Wahrheit. Ich kann mich zwar über die Wahrheit täuschen und sie verkennen; wenn ich aber wahrhaft erkenne, so ist der Gegenstand meiner Erkenntnis die Wahrheit. – So trachtest du wohl allezeit die Wahrheit zu erkennen? – Die Wahrheit ist mir heilig. Es kann wohl kommen, daß ich eine Wahrheit unvollkommen finde und durch eine bessere ersetze, aber die Wahrheit kann ich nicht abschaffen. An die Wahrheit glaube ich, darum forsche ich in ihr; über sie geht's nicht hinaus, sie ist ewig.
Heilig, ewig ist die Wahrheit, sie ist das Heilige, das Ewige. Du aber, der du von diesem Heiligen dich erfüllen und leiten lässest, wirst selbst geheiligt. Auch ist das Heilige nicht für deine Sinne, und niemals entdeckst du als ein Sinnlicher seine Spur, sondern für deinen Glauben oder bestimmter noch für deinen Geist: denn es ist ja selbst ein Geistiges, ein Geist, ist Geist für den Geist.
Das Heilige läßt sich keineswegs so leicht beseitigen, als gegenwärtig manche behaupten, die dies »ungehörige« Wort nicht mehr in den Mund nehmen. Werde ich auch nur in einer Beziehung noch »Egoist« gescholten, so bleibt der Gedanke an ein anderes übrig, dem ich mehr dienen sollte als mir, und das mir wichtiger sein müßte als alles, kurz ein Etwas, worin ich mein wahres Heil zu suchen hätte, ein – »Heiliges«. Mag dies Heilige auch noch so menschlich aussehen, mag es das Menschliche selber sein, das nimmt ihm die Heiligkeit nicht ab, sondern macht es höchstens aus einem überirdischen zu einem irdischen Heiligen, aus einem Göttlichen zu einem Menschlichen.
Heiliges existiert nur für den Egoisten, der sich selbst nicht anerkennt, den unfreiwilligen Egoisten, für ihn, der immer auf das Seine aus ist, und doch sich nicht für das höchste Wesen hält, der nur sich dient und zugleich stets einem höheren Wesen zu dienen meint, der nichts Höheres kennt als sich und gleichwohl für Höheres schwärmt, kurz für den Egoisten, der kein Egoist sein möchte, und sich erniedrigt, d.h. seinen Egoismus bekämpft, zugleich aber sich selbst nur deshalb erniedrigt, »um erhöht zu werden«, also um seinen Egoismus zu befriedigen. Weil er ablassen möchte, Egoist zu sein, sucht er in Himmel und Erde umher nach höheren Wesen, denen er diene und sich opfere; aber so viel er sich auch schüttelt und kasteit, zuletzt tut er doch alles um seinetwillen und der verrufene Egoismus weicht nicht von ihm. Ich nenne ihn deswegen den unfreiwilligen Egoisten.
Sein Mühen und Sorgen, von sich loszukommen, ist nichts als der mißverstandene Trieb nach Selbstauflösung. Bist du an deine vergangene Stunde gebunden, mußt du heute plappern, weil du gestern geplappert hast8, kannst du nicht jeden Augenblick dich umwandeln: so fühlst du dich in Sklavenfesseln und erstarrst. Darum winkt dir über jede Minute deines Daseins hinaus eine frische Minute der Zukunft, und, dich entwickelnd, kommst du »von dir«, d.h. dem jeweiligen Du, los. Wie du in jedem Augenblicke bist, so bist du dein Geschöpf, und eben an dieses »Geschöpf« magst du dich, den Schöpfer, nicht verlieren. Du bist selbst ein höheres Wesen, als du bist, und übertriffst dich selbst. Allein, daß du der bist, der höher ist als du, d.h. daß du nicht bloß Geschöpf, sondern gleicherweise dein Schöpfer bist, das eben verkennst du als unfreiwilliger Egoist, und darum ist das »höhere Wesen« dir ein – Fremdes. Jedes höhere Wesen, wie Wahrheit, Menschheit usw., ist ein Wesen über uns.
Fremdheit ist ein Kennzeichen des »Heiligen«. In allem Heiligen liegt etwas »Unheimliches«, d.h. Fremdes, worin wir nicht ganz heimisch und zu Hause sind. Was mir heilig ist, das ist mir nichteigen, und wäre mir z.B. das Eigentum anderer nicht heilig, so sähe ich's für das meine an, das ich bei guter Gelegenheit mir zulegte, oder gilt mir umgekehrt das Gesicht des chinesischen Kaisers für heilig, so bleibt es meinem Auge fremd, und ich schließe dasselbe bei seinem Erscheinen.
Warum ist eine unumstößliche mathematische Wahrheit, die nach dem gewöhnlichen Wortverstande sogar eine ewige genannt werden könnte, keine – heilige? Weil sie keine geoffenbarte, oder nicht die Offenbarung eines höheren Wesens ist. Wenn man unter geoffenbarten nur die sogenannten religiösen Wahrheiten versteht, so geht man sehr irre, und verkennt gänzlich die Weite des Begriffes »höheres Wesen«. Mit dem höheren Wesen, welches auch unter dem Namen des »höchsten« oder être suprême verehrt wurde, treiben die Atheisten ihren Spott und treten einen »Beweis von seinem Dasein« nach dem andern in den Staub, ohne zu merken, daß sie selber aus Bedürfnis eines höheren Wesens das alte nur vernichten, um für ein neues Platz zu gewinnen. Ist etwa nicht »der Mensch« ein höheres Wesen als ein einzelner Mensch, und werden die Wahrheiten, Rechte und Ideen, die sich aus seinem Begriffe ergeben, nicht als Offenbarungen eben dieses Begriffes verehrt und – heilig gehalten werden müssen? Denn sollte man auch manche Wahrheit, welche durch diesen Begriff manifestiert zu sein schien, wieder abschaffen, so zeugte dies doch allein für ein Mißverständnis von unserer Seite, ohne im geringsten dem heiligen Begriffe selbst Eintrag zu tun oder denjenigen Wahrheiten, welche »mit recht« als Offenbarungen desselben angesehen werden müssen, ihre Heiligkeit zu nehmen. Der Mensch greift über jeden einzelnen Menschen hinaus und ist, obgleich »sein Wesen«, in der Tat doch nicht sein Wesen, welches vielmehr so einzig wäre als er, der Einzelne, selber, sondern ein allgemeines und »höheres«, ja für die Atheisten »das höchste Wesen«. Und wie die göttlichen Offenbarungen nicht von Gott eigenhändig niedergeschrieben, sondern durch die »Rüstzeuge des Herrn« veröffentlicht wurden, so schreibt auch das neue höchste Wesen seine Offenbarungen nicht selbst auf, sondern läßt sie durch »wahre Menschen« zu unserer Kunde gelangen. Nur verrät das neue Wesen eine in der Tat geistigere Auffassung als der alte Gott, weil dieser noch in einer Art von Beleibtheit oder Gestalt vorgestellt wurde, dem neuen hingegen die ungetrübte Geistigkeit erhalten und ein besonderer materieller Leib nicht angedichtet wird. Gleichwohl fehlt ihm auch die Leiblichkeit nicht, die sich sogar noch verführerischer anläßt, weil sie natürlicher und weltlicher aussieht und in nichts geringerem besteht, als in jedem leibhaftigen Menschen oder auch schlechtweg in der »Menschheit« oder »allen Menschen«. Die Spukhaftigkeit des Geistes in einem Scheinleibe ist dadurch wieder einmal recht kompakt und populär geworden.
Heilig also ist das höchste Wesen und alles, worin dies höchste Wesen sich offenbart oder offenbaren wird; geheiligt aber diejenigen, welche dies höchste Wesen samt dem Seinen, d.h. samt den Offenbarungen desselben anerkennen. Das Heilige heiligt hinwiederum seinen Verehrer, der durch den Kultus zu einem Heiligen wird, wie denn gleichfalls, was er tut, heilig ist: ein heiliger Wandel, ein heiliges Denken und Tun, Dichten und Trachten usw.
Was als das höchste Wesen verehrt wird, darüber kann begreiflicherweise nur so lange der Streit bedeutungsvoll sein, als selbst die erbittertsten Gegner einander den Hauptsatz einräumen, daß es ein höchstes Wesen gebe, dem Kultus oder Dienst gebühre. Lächelte einer mitleidig über den ganzen Kampf um ein höchstes Wesen, wie etwa ein Christ bei dem Wortgefecht eines Schiiten mit einem Sunniten oder eines Brahminen mit einem Buddhisten, so gälte ihm die Hypothese von einem höchsten Wesen für nichtig und der Streit auf dieser Basis für ein eitles Spiel. Ob dann der einige oder dreieinige Gott, ob der Luthersche Gott oder das être suprême oder Gott gar nicht, sondern »der Mensch« das höchste Wesen vorstellen mag, das macht für den durchaus keinen Unterschied, der das höchste Wesen selbst negiert, denn in seinen Augen sind jene Diener eines höchsten Wesens ingesamt – – fromme Leute: der wütendste Atheist nicht weniger als der gläubigste Christ.
Obenan steht also im Heiligen das höchste Wesen und der Glaube an dies Wesen, unser »heiliger Glaube«.
Mit den Gespenstern gelangen wir ins Geisterreich, ins Reich der Wesen.
Was in dem Weltall spukt und sein mysteriöses, »unbegreifliches« Wesen treibt, das ist eben der geheimnisvolle Spuk, den wir höchstes Wesen nennen. Und diesem Spuk auf den Grund zu kommen, ihn zu begreifen, in ihm die Wirklichkeit zu entdecken (das »Dasein Gottes« zu beweisen), – diese Aufgabe setzten sich Jahrtausende die Menschen; mit der gräßlichen Unmöglichkeit, der endlosen Danaidenarbeit, den Spuk in einen Nicht-Spuk, das Unwirkliche in ein Wirkliches, den Geist in eine ganze und leibhaftge Person zu verwandeln, – damit quälten sie sich ab. Hinter der daseienden Welt suchten sie das »Ding an sich«, das Wesen, sie suchten hinter dem Ding das Unding.
Wenn man einer Sache auf den Grund schaut, d.h. ihrem Wesen nachgeht, so entdeckt man oft etwas ganz anderes als das, was sie zu sein scheint: eine honigsüße Rede und ein lügnerisches Herz, pomphafte Worte und armselige Gedanken usw. Man setzt dadurch, daß man das Wesen hervorhebt, die bisher verkannte Erscheinung zu einem bloßen Scheine, zu einer Täuschung herab. Das Wesen der so anziehenden, herrlichen Welt ist für den, der ihr auf den Grund sieht, die – Eitelkeit: die Eitelkeit ist = Weltwesen (Welttreiben). Wer nun religiös ist, der befaßt sich nicht mit dem trügerischen Schein, nicht mit den eitlen Erscheinungen, sondern schaut das Wesen an, und hat in dem Wesen – die – Wahrheit.
Die Wesen, welche aus den einen Erscheinungen sich ergeben, sind die bösen Wesen, und umgekehrt aus andern die guten. Das Wesen des menschlichen Gemütes z.B. ist die Liebe, das Wesen des menschlichen Willens ist das Gute, das seines Denkens das Wahre usw.
Was zuerst für Existenz galt, wie Welt und dergl., das erscheint jetzt als bloßer Schein, und das wahrhaft Existierende ist vielmehr das Wesen, dessen Reich sich füllt mit Göttern, Geistern, Dämonen, d.h. mit guten oder bösen Wesen. Nur diese verkehrte Welt, die Welt der Wesen, existiert jetzt wahrhaft. Das menschliche Herz kann lieblos sein, aber sein Wesen existiert, der Gott, »der die Liebe ist«; das menschliche Denken kann im Irrtum wandeln, aber sein Wesen, die Wahrheit, existiert: »Gott ist die Wahrheit« usw.
Die Wesen allein und nichts als die Wesen zu erkennen und anzuerkennen, das ist Religion: ihr Reich ein Reich der Wesen, des Spukes und der Gespenster.
Der Drang, den Spuk faßbar zu machen, oder den nonsens zu realisieren, hat ein leibhaftiges Gespenst zuwege gebracht, ein Gespenst oder einen Geist mit einem wirklichen Leibe, ein beleibtes Gespenst. Wie haben sich die kräftigsten genialsten Christenmenschen abgemartert, um diese gespenstische Erscheinung zu begreifen. Es blieb aber stets der Widerspruch zweier Naturen, der göttlichen und menschlichen, d.h. der gespenstischen und sinnlichen: es blieb der wundersamste Spuk, ein Unding. Seelenmarternder war noch nie ein Gespenst, und kein Schamane, der bis zu rasender Wut und nervenzerreißenden Krämpfen sich stachelt, um ein Gespenst zu bannen, kann solche Seelenqual erdulden, wie Christen sie von jenem unbegreiflichen Gespenst erlitten.
Allein durch Christus war zugleich die Wahrheit der Sache zutage gekommen, daß der eigentliche Geist oder das eigentliche Gespenst – der Mensch sei. Der leibhaftige oder beleibte Geist ist eben der Mensch: er selbst das grauenhafte Wesen und zugleich des Wesens Erscheinung und Existenz oder Dasein. Fortan graut dem Menschen nicht eigentlich mehr vor Gespenstern außer ihm, sondern vor ihm selber: er erschrickt vor sich selbst. In der Tiefe seiner Brust wohnt der Geist der Sünde, schon der leiseste Gedanke (und dieser ist ja selber ein Geist) kann ein Teufel sein usw. – Das Gespenst hat einen Leib angezogen, der Gott ist Mensch geworden, aber der Mensch ist nun selbst der grausige Spuk, hinter den er zu kommen, den er zu bannen, zu ergründen, zur Wirklichkeit und zum Reden zu bringen sucht: der Mensch ist – Geist. Mag auch der Leib verdorren, wenn nur der Geist gerettet wird: auf den Geist kommt alles an, und das Geistes- oder »Seelenheil« wird alleiniges Augenmerk. Der Mensch ist sich selbst ein Gespenst, ein unheimlicher Spuk geworden, dem sogar ein bestimmter Sitz im Leibe angewiesen wird (Streit über den Sitz der Seele, ob im Kopfe usw.).
Du bist mir und ich bin dir kein höheres Wesen. Gleichwohl kann in jedem von uns ein höheres Wesen stecken und die gegenseitige Verehrung desselben hervorrufen. Um gleich das Allgemeinste zu nehmen, so lebt in dir und mir der Mensch. Sähe ich in dir nicht den Menschen, was hätte ich dich zu achten? Du bist freilich nicht der Mensch und seine wahre und adäquate Gestalt, sondern nur eine sterbliche Hülle desselben, aus welcher er ausscheiden kann, ohne selbst aufzuhören; aber für jetzt haust dieses allgemeine und höhere Wesen doch in dir, und du vergegenwärtigst mit, weil ein unvergänglicher Geist in dir einen vergänglichen Leib angenommen hat, mithin deine Gestalt wirklich nur eine »angenommene« ist, einen Geist, der erscheint, in dir erscheint, ohne an deinen Lieb und diese bestimmte Erscheinungsweise gebunden zu sein, also einen Spuk. Darum betrachte ich nicht dich als ein höheres Wesen, sondern respektiere allein jenes höhere Wesen, das in dir »umgeht«: ich »respektiere in dir den Menschen«. So etwas beachteten die Alten nicht in ihren Sklaven, und das höhere Wesen: »der Mensch« fand noch wenig Anklang. Dagegen sahen sie ineinander Gespenster anderer Art. Das Volk ist ein höheres Wesen als ein einzelner, und gleich dem Menschen oder Menschengeiste ein in den einzelnen spukender Geist: der Volksgeist. Deshalb verehrten sie diesen Geist, und nur so weit er diesem oder auch einem ihm verwandten Geiste, z.B. dem Familiengeiste usw. diente, konnte der einzelne bedeutend erscheinen; nur um des höheren Wesens, des Volkes, willen, überließ man dem »Volksgliede« eine Geltung. Wie du uns durch »den Menschen«, der in dir spukt, geheiligt bist, so war man zu jeder Zeit durch irgendein höheres Wesen, wie Volk, Familie und dergl., geheiligt. Nur um eines höheren Wesens willen ist man von jeher geehrt, nur als ein Gespenst für eine geheiligte, d.h. geschützte und anerkannte Person betrachtet worden. Wenn ich dich hege und pflege, weil ich dich lieb habe, weil mein Herz an dir Nahrung, mein Bedürfnis Befriedigung findet, so geschieht es nicht um eines höheren Wesens willen, dessen geheiligter Leib du bist, nicht darum, weil ich ein Gespenst, d.h. einen erscheinenden Geist in dir erblicke, sondern aus egoistischer Lust: du selbst mit deinem Wesen bist mir wert, denn dein Wesen ist kein höheres, ist nicht höher und allgemeiner als du, ist einzig wie du selber, weil du es bist.
Aber nicht bloß der Mensch, sondern alles spukt. Das höhere Wesen, der Geist, der in allem umgeht, ist zugleich an nichts gebunden, und – »erscheint« nur darin. Gespenst in allen Winkeln!
Hier wäre der Ort, die spukenden Geister vorüberziehen zu lassen, wenn sie nicht weiter unten wieder vorkommen müßten, um vor dem Egoismus zu verfliegen. Daher mögen nur einige derselben beispielsweise namhaft gemacht werden, um sogleich auf unser Verhalten zu ihnen überzuleiten.
Heilig z.B. ist vor allem der »heilige Geist«, heilig die Wahrheit, heilig das Recht, das Gesetz, die gute Sache, die Majestät, die Ehe, das Gemeinwohl, die Ordnung, das Vaterland usw. usw.
Mensch, es spukt in deinem Kopfe; du hast einen Sparren zu viel! Du bildest dir große Dinge ein und malst dir eine ganze Götterwelt aus, die für dich da sei ein Geisterreich, zu welchem du berufen seiest, ein Ideal, das dir winkt. Du hast eine fixe Idee!
Denke nicht, daß ich scherze oder bildlich rede, wenn ich die am Höheren hangenden Menschen, und weil die ungeheure Mehrzahl hierher gehört, fast die ganze Menschenwelt für veritable Narren, Narren im Tollhause ansehe. Was nennt man denn eine »fixe Idee«? Eine Idee, die den Menschen sich unterworfen hat. Erkennt ihr an einer solchen fixen Idee, daß sie eine Narrheit sei, so sperrt ihr den Sklaven derselben in eine Irrenanstalt. Und ist etwa die Glaubenswahrheit, an welcher man nicht zweifeln, die Majestät z.B. des Volkes, an der man nicht rütteln (wer es tut, ist ein – Majestätsverbrecher), die Tugend, gegen welche der Zensor kein Wörtchen durchlassen soll, damit die Sittlichkeit rein erhalten werde usw., sind dies nicht »fixe Ideen«? Ist nicht alles dumme Geschwätz, z.B. unserer meisten Zeitungen, das Geplapper von Narren, die an der fixen Idee der Sittlichkeit, Gesetzlichkeit, Christlichkeit usw. leiden, und nur frei herumzugehen scheinen, weil das Narrenhaus, worin sie wandeln, einen so weiten Raum einnimmt? Man taste einem solchen Narren an seine fixe Idee, und man wird sogleich vor der Heimtücke des Tollen den Rücken zu hüten haben. Denn auch darin gleichen diese großen Tollen den kleinen sogenannten Tollen, daß sie heimtückisch über den herfallen, der ihre fixe Idee anrührt. Sie stehlen ihm erst die Waffe, stehlen ihm das freie Wort, und dann stürzen sie mit ihren Nägeln über ihn her. Jeder Tag deckt jetzt die Feigheit und Rachsucht dieser Wahnsinnigen auf, und das dumme Volk jauchzt ihren tollen Maßregeln zu. Man muß die Tagesblätter dieser Periode lesen, und muß den Philister sprechen hören, um die gräßliche Überzeugung zu gewinnen, daß man mit Narren in ein Haus gesperrt ist. »Du sollst deinen Bruder keinen Narren schelten, sonst usw.« Ich aber fürchte den Fluch nicht und sage: meine Brüder sind Erznarren. Ob ein armer Narr des Tollhauses von dem Wahne besessen ist, er sei Gott der Vater, Kaiser von Japan, der heilige Geist usw., oder ob ein behaglicher Bürger sich einbildet, es sei seine Bestimmung, ein guter Christ, ein gläubiger Protestant, ein loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch usw. zu sein – das ist beides ein und dieselbe »fixe Idee«. Wer es nie versucht und gewagt hat, kein guter Christ, kein gläubiger Protestant, kein tugendhafter Mensch usw. zu sein, der ist in der Gläubigkeit, Tugendhaftigkeit usw. gefangen und befangen. Gleichwie die Scholastiker nur philosophierten innerhalb des Glaubens der Kirche, Papst Benedikt XIV. dickleibige Bücher innerhalb des papistischen Aberglaubens schrieb, ohne je diesen Glauben in Zweifel zu ziehen, Schriftsteller ganze Folianten über den Staat anfüllen, ohne die fixe Idee des Staates selbst in Frage zu stellen, unsere Zeitungen von Politik strotzen, weil sie in dem Wahne gebannt sind, der Mensch sei dazu geschaffen, ein Zoon politikon zu werden, so vegetieren auch Untertanen im Untertanentum, tugendhafte Menschen in der Tugend, Liberale im »Menschentum« usw., ohne jemals an diese ihre fixen Ideen das schneidende Messer der Kritik zu legen. Unverrückbar, wie der Irrwahn eines Tollen, stehen jene Gedanken auf festem Fuße, und wer sie bezweifelt, der – greift das Heilige an! Ja, die »fixe Idee«, das ist das wahrhaft Heilige!
Begegnen uns etwa bloß vom Teufel Besessene, oder treffen wir ebensooft auf entgegengesetzte Besessene, die vom Guten, von der Tugend, Sittlichkeit, dem Gesetze, oder irgend welchem »Prinzipe« besessen sind? Die Teufelsbesitzungen sind nicht die einzigen. Gott wirkt auf uns und der Teufel wirkt: jenes »Gnadenwirkungen«, dieses »Teufelswirkungen«. Besessene sind auf ihre Meinungen versessen.
Mißfällt euch das Wort »Besessenheit«, so nennt es Eingenommenheit, ja nennt es, weil der Geist euch besitzt und von ihm alle »Eingebungen« kommen, – Begeisterung und Enthusiasmus. Ich setze hinzu, daß der vollkommene Enthusiasmus – denn bei dem faulen und halben kann man nicht stehen bleiben – Fanatismus heißt.
Der Fanatismus ist gerade bei den Gebildeten zu Hause; denn gebildet ist der Mensch, so weit er sich für Geistiges interessiert, und Interesse für Geistiges ist eben, wenn es lebendig ist, Fanatismus und muß es sein; es ist ein fanatisches Interesse für das Heilige (fanum). Man beobachte unsere Liberalen, man blicke in die sächsischen Vaterlandsblätter, man höre, was Schlosser sagt9: »Die Gesellschaft Holbachs bildete ein förmliches Komplott gegen die überlieferte Lehre und das bestehende System, und die Mitglieder derselben waren ebenso fanatisch für ihren Unglauben, als Mönche und Pfaffen, Jesuiten und Pietisten, Methodisten, Missions- und Bibelgesellschaften für mechanischen Gottesdienst und Wortglauben zu sein pflegen.«
Man achte darauf, wie ein »Sittlicher« sich benimmt, der heutigestags häufig mit Gott fertig zu sein meint, und das Christentum als eine Verlebtheit abwirft. Wenn man ihn fragt, ob er je daran gezweifelt habe, daß die Vermischung der Geschwister eine Blutschande sei, daß die Monogamie die Wahrheit der Ehe sei, daß die Pietät eine heilige Pflicht sei usw., so wird ein sittlicher Schauder ihn bei der Vorstellung überfallen, daß man seine Schwester auch als Weib berühren dürfe usw. Und woher dieser Schauder? Weil er an jene sittlichen Gebote glaubt. Dieser sittliche Glaube wurzelt tief in seiner Brust. So viel er gegen die frommen Christen eifert, so sehr ist er dennoch selbst Christ geblieben, nämlich ein sittlicher Christ. In der Form der Sittlichkeit hält ihn das Christentum gefangen, und zwar gefangen unter dem Glauben. Die Monogamie soll etwas Heiliges sein, und wer etwa in Doppelehe lebt, der wird als Verbrecher gestraft; wer Blutschande treibt, leidet als Verbrecher. Hiermit zeigen sich diejenigen einverstanden, die immer schreien, auf die Religion soll im Staate nicht gesehen werden, und der Jude Staatsbürger gleich dem Christen sein. Ist jene Blutschande und Monogamie nicht ein Glaubenssatz? Man rühre ihn an, und man wird erfahren, wie dieser Sittliche eben auch ein Glaubensheld ist, trotz einem Krummacher, trotz einem Philipp II. Diese fechten für den Kirchenglauben, er für den Staatsglauben, oder die sittlichen Gesetze des Staates; für Glaubensartikel verdammen beide denjenigen, der anders handelt, als ihr Glaube es gestatten will. Das Brandmal des »Verbrechens« wird ihm aufgedrückt, und schmachten mag er in Sittenverbesserungshäusern, in Kerkern. Der sittliche Glaube ist so fanatisch als der religiöse! Das heißt dann »Glaubensfreiheit«, wenn Geschwister um eines Verhältnisses willen, das sie vor ihrem »Gewissen« auszumachen hätten, ins Gefängnis geworfen werden. »Aber sie gaben ein verderbliches Beispiel«! Ja freilich, es könnten andere auch darauf verfallen, daß der Staat sich nicht in ihr Verhältnis zu mischen habe, und darüber ginge die »Sittenreinheit« zugrunde. So eifern denn die religiösen Glaubenshelden für den »heiligen Gott«, die sittlichen für das »heilige Gute«.
Die Eiferer für etwas Heiliges sehen einander oft gar wenig ähnlich. Wir differieren die strengen Orthodoxen oder Allgläubigen von den Kämpfern für »Wahrheit, Licht und Recht«, von den Philalethen, Lichtfreunden, Aufgeklärten usw. Und doch wie gar nichts Wesentliches enthält die Differenz. Rüttelt man an einzelnen althergebrachten Wahrheiten (z.B. Wunder, unumschränkte Fürstengewalt usw.), so rütteln die Aufgeklärten mit, und nur die Altgläubigen jammern. Rüttelt man aber an der Wahrheit selbst, so hat man gleich beide als Gläubige zu Gegnern. So mit Sittlichkeiten: die Strenggläubigen sind unnachsichtig, die helleren Köpfe sind toleranter. Aber wer die Sittlichkeit selbst angreift, der bekommt's mit beiden zu tun. »Wahrheit, Sittlichkeit, Recht, Licht usw.« sollen »heilig« sein und bleiben. Was man am Christentum zu tadeln findet, das soll nach der Ansicht dieser Aufgeklärten eben »unchristlich« sein; das Christentum aber muß das »Feste« bleiben, an ihm zu rütteln ist frevelhaft, ist ein »Frevel«. Allerdings setzt sich der Ketzer gegen den reinen Glauben nicht mehr der früheren Verfolgungwut aus, desto mehr aber gilt es jetzt dem Ketzer gegen die reine Sitte.
* * *
Die Frömmigkeit hat seit einem Jahrhundert so viele Stöße erfahren und ihr übermenschliches Wesen so oft ein »unmenschliches« schelten hören müssen, daß man sich nicht versucht fühlen kann, noch einmal sich gegen sie auszulegen. Und doch sind fast immer nur sittliche Gegner auf der Mensur erschienen, um das höchste Wesen anzufechten zugunsten eines – andern höchsten Wesens. So sagt Proudhon ungescheut10: »Der Mensch ist bestimmt, ohne Religion zu leben, aber das Sittengesetz (la loi morale) ist ewig und absolut. Wer würde es heute wagen, die Moral anzugreifen?« Die Sittlichen schöpften das beste Fett von der Religion ab, genossen es selbst und haben nun ihre liebe Not, die daraus entstandene Drüsenkrankheit loszuwerden. Wenn wir deshalb darauf hinweisen, daß die Religion noch bei weitem nicht in ihrem Innersten verletzt wird, solange man ihr nur ihr übermenschliches Wesen zum Vorwurfe macht, und daß sie in letzter Instanz allein an den »Geist« appelliert (denn Gott ist Geist), so haben wir ihre endliche Eintracht mit der Sittlichkeit genugsam angedeutet, und können ihren hartnäckigen Streit mit derselben hinter uns liegen lassen. Um ein höchstes Wesen handelt es sich bei beiden, und ob dasselbe ein übermenschliches oder ein menschliches sei, das kann mir, da es jedenfalls ein Wesen über mir, gleichsam ein übermeiniges ist, nur wenig verschlagen. Zuletzt wird das Verhalten zum menschlichen Wesen oder zum »Menschen«, hat es nur erst die Schlangenhaut der alten Religion abgestreift, doch wieder eine religiöse Schlangenhaut tragen.
So belehrt uns Feuerbach, daß »wenn man die spekulative Philosophie nur umkehre, d.h. immer das Prädikat zum Subjekt, und so das Subjekt zum Objekt und Prinzip mache, man die unverhüllte, die pure, blanke Wahrheit habe«11. Damit verlieren wir allerdings den beschränkten religiösen Standpunkt, verlieren den Gott, der auf diesem Standpunkte Subjekt ist; allein wir tauschen dafür die andere Seite des religiösen Standpunktes, den sittlichen ein. Wir sagen z.B. nicht mehr: »Gott ist die Liebe«, sondern »die Liebe ist göttlich«. Setzen wir noch an die Stelle des Prädikats »göttlich« das gleichbedeutende »heilig«, so kehrt der Sache nach alles Alte wieder zurück. Die Liebe soll danach das Gute am Menschen sein, seine Göttlichkeit, das was ihm Ehre macht, seine wahre Menschlichkeit (sie »macht ihn erst zum Menschen«, macht erst einen Menschen aus ihm). So wäre es denn genauer gesprochen so: die Liebe ist das Menschliche am Menschen, und das Unmenschliche ist der lieblose Egoist. Aber gerade alles dasjenige, was das Christentum und mit ihm die spekulative Philosophie, d.h. Theologie als das Gute, das Absolute offeriert, ist in der Eigenheit eben nicht das Gute (oder, was dasselbe sagt, es ist nur das Gute), mithin würde durch die Verwandlung des Prädikats in das Subjekt das christliche Wesen (und das Prädikat enthält ja eben das Wesen) nur noch drückender fixiert. Der Gott und das Göttliche verflöchte sich um so unauflöslicher mit mir. Den Gott aus seinem Himmel zu vertreiben und der »Transcendenz« zu berauben, das kann noch keinen Anspruch auf vollkommene Besiegung begründen, weil er dabei nur in die Menschenbrust gejagt und mit unvertilgbarer Immanenz beschenkt wird. Nun heißt es: das Göttliche ist das wahrhaft Menschliche!
Daß man komme, nur ja plappre, wie gestern, so heut.
Scheltet mir nicht die Pfaffen! Sie kennen des Menschen Bedürfnis:
Denn wie ist er beglückt, plappert er morgen, wie heut.