Kitabı oku: «Pardona 3 - Herz der tausend Welten», sayfa 3

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So durchschritten sie zu zweit die Katakomben unter Baan-Bashur, natürlich nach wie vor mit einer Bedeckung aus Shakagra, die vorausging, um die offensichtlichsten Gefahren auszumerzen und mit all den magischen Annehmlichkeiten, die Amadena für solche Expeditionen vorbereitet hatte. Mindere Dämonen lösten uralte Fallen aus. Schutzzauber lagen auf den beiden fenvar. Ein stetes Licht ging von einer glosenden Kugel über Acuriëns Metallkopf aus.

»Gewöhn dich nicht zu sehr an deinen neuen Körper«, meinte Amadena beiläufig, nachdem Acuriëns Klingen eine Chimäre zerschnitten hatten, die sich aus einer Öffnung in der Decke auf sie gestürzt hatte. »Heute Nacht wirst du wieder zurück in der Fibel sein. Aber falls du dich als nützlich erweist … dies ist die 16. Ebene, die wir bisher durchsucht haben. Angeblich warten noch hundertmal mehr unter uns. Du könntest sie alle mit mir erforschen. Es ist eine Arbeit, die Jahre dauern wird. Unter uns liegen nicht nur Tunnel wie dieser, Baan-Bashur war einst viel mehr als nur ein Berg mit einem Palast darauf.«

Acuriën hatte bereits gelernt, dass er nicht antworten sollte, wenn er nicht direkt gefragt worden war und dass seine Metallstimme Amadena nicht behagte. Also hörte er weiter zu.

»Hier haben die Himmlischen vor Äonen einige wenige Kreaturen jeder Art vor dem Zorn anderer Gottheiten gerettet. Wäre es nach diesen gegangen, hätten sie alles, was lebte, ausgerottet, um neues Leben zu schaffen. Es war ihre Antwort auf das Wirken des dhaza, dem damals fast alle Kreaturen Deres verfallen waren. Verstehst du, was ich sage? Die Götter waren bereit, alles und jeden umzubringen, nur weil sich die Wesen damals den Lehren des Namenlosen zugewandt hatten. Klingt das für dich, als stünden sie auf der richtigen Seite?«

»Nein, tut es nicht«, antwortete Acuriën pflichtbewusst. Er hätte es auch ironisch meinen können, die Metallstimme ließ keine Nuancen erkennen.

»Nur einige wenige Götter, darunter Mada, die Herrin der Magie, rebellierten gegen diese Entscheidung. Sie versteckten eine Handvoll Sterblicher jeder Spezies hier und schufen ihnen ein Heim, in dem sie die Katastrophe überdauern konnten, die alles andere auslöschte. Der Berg wurde damit später zum Ursprung fast allen intelligenten Lebens in dieser Sphäre … Mit Ausnahme der fey und somit der fenvar, die von außerhalb gekommen waren, und den Wesen, deren Ursprung das dhaza war. Mit besonderer Ausnahme also von uns beiden. Wir sind nicht wie gesuchte Strauchdiebe verborgen worden, um dann aus dem Schlamm zu kriechen. Aber jede andere Kultur hat ihre Wurzeln genau hier. Was wir nicht wissen, ist, welche Rolle die Archäer dabei genau gespielt haben. Waren sie wirklich die Kinder Madas, die den Sterblichen angeblich so wohlgesonnen war, dann mögen sie auch die Verwalter dieser Brutstätte des Lebens gewesen sein.«

Acuriën wurde klar, dass es die Archäer selbst waren, für die Amadena eine besondere Faszination empfand. Man sagte, sie seien wohlmeinend gegenüber der Schöpfung gewesen, aber rebellisch gegenüber den Göttern. Sah sich Amadena selbst in diesem Bild? Hielt sie sich für eine Wohltäterin an den Sterblichen?

»Die Archäer sollen das Geheimnis der Theurgie gekannt haben«, fuhr sie fort, »die Fähigkeit, Götter zu beschwören und sie ihrem Willen zu unterwerfen.«

Es klang absurd und Acuriën stockte kurz in seinen Bewegungen. Die Götter waren so gut wie allmächtig und nur andere Götter oder Erzdämonen, vielleicht noch Giganten, konnten ihnen etwas anhaben. Jemand, der einem Gott gebietet, wäre der nicht selbst ein Gott?

Amadena wusste, dass es kein Ding der Unmöglichkeit war, und teilte noch mehr Wissen mit ihrem alten Weggefährten, während sie in den folgenden Jahren die unteren Ebenen erkundeten. Sie hatte diese Geschichten von einem der Archäer direkt gehört, als seine Seele in ihre Einzelteile zerlegt worden war. Das Wesen hatte behauptet, dass es unter seinem Volk solche gab, die selbst die Essenz der Göttlichkeit in sich trugen, auch wenn sie wie Sterbliche über Dere wandelten.

Bisher war Amadena nur das Werkzeug eines gefesselten Gottes gewesen. Doch damit würde sie sich künftig nicht mehr begnügen. Sie kannte den Platz, der ihr zustand, und sie hatte eine klare Vision, wie sie ihn erreichen könnte. Die uralten Artefakte, die sie in Baan-Bashur bergen wollte, waren die ersten Schritte auf diesem Weg.

In der untersten Ebene des Berges fand sie schließlich das, was sie am dringlichsten gesucht hatte. Acuriën war bei ihr an diesem Tag, sein metallener Körper war korrodiert und fast aufgelöst vom Blut und der Säure, die durch die Adern seiner Feinde geflossen waren. Mit jeder weiteren Ebene unter dem Berg waren die Gänge größer geworden, bis sie titanische Ausmaße erreicht hatten. Treppenstufen reichten Amadena bis zum Scheitel, die Höhlendecke war oft nur noch zu erahnen und in den fernen Schatten schrien Kreaturen aus vergessenen Zeitaltern. Im Zentrum der letzten Ebene schwebten die beiden ungleichen Gefährten schließlich über einen See aus flüssigem Gold, um eine Insel mit einer Festung darauf zu erreichen, deren Türme irgendwo in der lichtlosen Höhlenwelt mit der Decke verschmolzen und die Wurzeln des Reiches bildeten, über das sie herrschte. In dieser Festung standen ihnen ihre bisher härtesten Kämpfe bevor und Amadenas Zauberkraft hätte beinahe nicht ausgereicht, um die Wesen zu vertreiben, die hier über den größten Schatz der Archäer wachten: Gefäße der Schöpfung, in der Lage, selbst einem Gott einen Leib zu schaffen.


Amadena und ihre Alben konnten den Berg Baan-Bashur und die besetzten Gebiete fast 200 Jahre lang halten. Als die zerstrittenen Häuser Amadena endlich als die größte Bedrohung erkannten, schlossen sie sich zum Zweiten Imperium zusammen und vertrieben die Feinde zurück in den Norden, aus dem sie gekommen waren.

Amadena hätte dies niemals geschehen lassen, hätte sie zu diesem Zeitpunkt nicht längst alles gehabt, wofür sie gekommen war. Die Herrschaft über das Imperium bedeutete ihr nichts, sie hatte Größeres im Sinn. Tatsächlich hatte sie mit ihrem offenen Krieg viel mehr Aufmerksamkeit erzeugt, als es ihre Absicht gewesen war. Sie hatte die Menschen und ihren Willen, in Notsituationen zusammenzuarbeiten, unterschätzt. Diesen Fehler würde sie in Aventurien nicht wiederholen.

In den folgenden Jahrhunderten perfektionierte sie das Werk, das sie vor ihrem Sturz begonnen hatte, ihren Beitrag zur derischen Schöpfung: die Chimären. Die Wesen, die später als Gletscherwürmer bekannt werden sollten, machten erstmals tausend Jahre nach Amadenas Rückkehr aus den Niederhöllen den Norden Myranors und Aventuriens unsicher. Es waren Weiterentwicklungen der eisigen Würmer, mit denen sie bereits im Himmelsturm experimentiert hatte. Ein Herz einer solchen Kreatur hatte sie mit dem des Menschen Kilgan verschmolzen und diesen damit unempfindlich gegen Kälte gemacht. Die Gletscherwürmer waren zwar nicht die größten oder mächtigsten unter den Drachen, aber sie waren eine ausgezeichnete Ergänzung für die Truppen der Shakagra in den Nordgebieten. Sie konnten jahrzehntelang so gut wie regungslos verharren oder vom Himmel aus die Horizonte im Blick behalten. Sie waren die perfekten Wachen für Amadenas eisiges Reich.

Dass einige der fenvar sich mitsamt ihren Städten ins Verborgene zurückgezogen hatten, ließ ihr jedoch keine Ruhe. Je öfter sie sich wieder in Aventurien aufhielt, umso mehr steigerte sie sich in die Idee hinein, dass die überlebenden fey sich wieder zusammenrotten und geeint gegen sie vorgehen könnten, so wie es die Menschen in Myranor getan hatten. Sie erschuf eigens verschiedenste Kreaturen als Spione und Jäger, nur um ihre verhassten Artgenossen aufzuspüren und zu vernichten.

Nicht allen fey setzte sie mit Monstermacht zu. Viele wurden der Kriege Aventuriens überdrüssig und schworen, freiwillig ins Licht zurückzukehren. Doch das war Amadena nicht genug. Sie nutzte jede Gelegenheit, um selbst diese »Feiglinge« für ihre Zwecke einzusetzen. Statt sie ins Licht gehen zu lassen, lockte sie immer mehr von ihnen ins mahlende Nichts des dhaza. Sie sorgte dafür, dass Acuriën die Schreie ihrer gepeinigten Seelen vernahm.

»Ohne dich wären sie jetzt alle im Licht und für meinen Herren verloren. Ich danke dir.«

An jenem Tag, als dies geschah, belohnte sie Acuriën für seine tausend Jahre Dienst und verschmolz seinen Geist für einige Stunden wieder mit dem eines sterblichen Wesens, sodass er Nahrung kosten konnte. Sie hatte dafür eigens eine amphibische Art der Neunaugenfische geschaffen und setze dem erbärmlichen, egelartigen Wesen einen Trog mit Blut vor. Elfenblut, da war sich Acuriën sicher. Er trank es trotzdem.

Nachdem Amadena sich die Vorherrschaft über die Polarregionen gesichert und die Reste der fenvar in ihre Schranken verwiesen hatte, begann sie sich wieder mehr für das südliche Aventurien zu interessieren. Dort waren inzwischen neue Völker angekommen, Siedler aus Myranor, die am Meer der Sieben Winde die Stadt Bosparan gegründet hatten und schnell mit dem Volk der Tulamiden in Krieg gerieten. Acuriën konnte nie herausfinden, ob Amadena den Güldenländern, wie sie sich später nannten, die Idee der Besiedlung des neuen Kontinents in den Geist gepflanzt hatte oder ob es deren natürlicher Expansionsdrang gewesen war. Was Acuriën aber sicher wusste, war, dass Amadena und ihre Spione die neuen bosparanischen Kaiser, die Horanthes, nicht aus den Augen ließen, denn diese Herrscher waren in der Tradition ihrer güldenländischen Herkunft oft Zauberwirker und hielten sich für Halbgötter. Und an Göttern, die unter Sterblichen wandeln, ob nun wahre oder eingebildete, hatte Amadena seit ihrer Zeit in Baan-Bashur ein besonderes Interesse entwickelt.

So war es denn auch Baan-Bashur, wo – einige Jahrhunderte vor dem Fall Bosparans in Aventurien – ebensolche leibhaftig auftauchten. Die Oberhäupter der Häuser Melarythor und Ennandu waren fleischgewordene Prinzipien von magischer Macht und Weisheit und löschten sich gegenseitig in einem Jahrzehnte währenden Krieg aus. Der Oberste des Hauses Melarythor wurde als Alveraniar des Verbotenen Wissens verehrt, als Himmlischer Gesandter, der die Sterblichen in bester Tradition der Archäer mit dem Geschenk der Magie betraute, nebst all den Risiken, die dies barg.

Amadena hatte diesen Konflikt zu spät bemerkt – sie war zu sehr in ihre Experimente vertieft gewesen. Erst als die Sphären ob des Kampfes der beiden Himmlischen zu beben begannen, richtete sie ihren Blick auf sie. Melarythor hatte die Kraft, Kontinente einzuebnen und Sterbliche verfielen ihm, wenn er sie nur ansah. Er trug auf seinem Haupt die Dreizehnstrahlige Dämonenkrone, das Symbol für den Bund und das Werkzeug zur Herrschaft über die Niederhöllen. Einst hatte der Namenlose selbst diese Krone getragen, ja vielleicht sogar selbst geschmiedet. Dass sie nun im Besitz dieses Halbgottes war, musste ein Zeichen sein. Entweder ein Zeichen, dass ein Pakt zwischen ihm und Amadena vorherbestimmt war – oder dass sie sie ihm gemeinsam mit seiner göttlichen Macht entreißen musste.

Doch dazu kam es nicht. Amadena hatte die Heftigkeit des Konfliktes in Myranor unterschätzt. Sie konnte nur noch Zeugin der rauchenden Trümmer der letzten Schlacht werden.

Ihr Werk in Aventurien war da viel einfacher. Sie musste nicht viel tun, um den Kreislauf des Todes im Gang zu halten, wenn es um die Horaskaiser in Bosparan ging. Eine geschenkte Zauberformel hier, ein wahrer Name eines Dämonen da, die Erinnerung an eine schöne tulamidische Prinzessin oder an zu leere Staatskassen und zu reiche Bauern in den nördlichen Provinzen. Krieg folgte auf Krieg, Dekadenz auf Niedergang und andersherum. Aventuriens Boden wurde mit dem Blut der jungen Menschenvölker getränkt, Bosparan versank wieder in Trümmern – keiner seiner Herrscher war in Amadenas Augen ein genaueres Studium Wert gewesen.

Mit dem Niedergang dieses dekadenten Reiches betrachtete Amadena ihre Arbeit fürs Erste als getan. Erneut zog sie sich in den Himmelsturm zurück. Sie brauchte neue Kreaturen, neue Späher und subtilere Handlanger, wenn sie in der neuen Zeit bestehen wollte. Mit neuem Eifer wandte sie sich ihren Chimärenlabors zu – und es sollte viele Jahre dauern, bis sie dort von Entdeckern aus den Menschenreichen in ihrer Konzentration gestört wurde.

Tumbe Barbaren aus dem Norden Aventuriens waren durch Zufall über Ometheons Himmelsturm gestoßen und dort planlos umhergewandert. Amadena und ihr Volk hatten den Turm vernachlässigt und sich in die unterseeischen Städte zurückgezogen. Nur einige Gefangene waren dort untergebracht und warteten auf ihren Einsatz in verschiedenen Experimenten. Als die menschlichen Eindringlinge die Verteidigungsmechanismen des Turms aktivierten, war das ein Weckruf für Amadena. Die Menschen waren in ihrer Expansionswut bis zu ihrer Haustür vorgedrungen. Sie beschloss, sich genauer anzusehen, wer da in ihr Reich eingedrungen und offenbar an den Hinterlassenschaften der Hochelfen interessiert war, deren Untergang nun schon 3.000 Jahre zurücklag. Erneut ließ sie ihre verborgenen Festungen hinter sich und zog durch Aventurien – und ihr wurde klar, dass Veränderung in der Luft lag. Eine neue Weltzeitwende stand bevor. Das Zeitalter näherte sich bereits wieder seinem Ende und wie jedes Mal, wenn ein neues Äon bevorstand, würden Götter und Halbgötter aus ihren Reichen in anderen Sphären über die Schöpfung wandeln.

Amadena begann, ihre Fühler auszustrecken. Die Gestalt, die in Myranor vor gut anderthalbtausend Jahren als Alveraniar des Verbotenen Wissens aufgetreten war, wurde in Liedern besungen, Prophezeiungen sprachen von einer zyklischen Rückkehr. Seine Taten hatten eine Art Sekte begründet, eine fanatische Anhängerschaft aus Magiern und Nicht-Magiern, die in ihm den großen Befreier sahen, den Mann, der die Wände zwischen den Sphären einreißen und Menschen und andere Sterbliche mit Göttern gleichstellen würde. Dies war eine Person, die Amadena nützlich sein könnte. Sie trat in Kontakt mit den Menschen, die dem sogenannten Sphärenschänder nacheiferten und seine Rückkehr herbeisehnten und schmiedete Bündnisse mit einflussreichen Männern und Frauen des Mittelreiches. Ihr gemeinsamer Plan war es, einen Halbgott zu beschwören, wie es die Archäer vermocht hatten.


Rilmandra reiste, denn das war ihre Natur. Sie lernte neue Dinge, weil sie es wollte. Nach vielen geduldigen Versuchen gab sie sich geschlagen und akzeptierte, dass die Kehle ihres Körpers die Laute des Vierbeinigen nicht genau nachahmen konnte und dieser wiederum nicht in der Lage war, die singenden Töne des zweistimmigen Asdharia hervorzubringen. Die Sprache der fenvar, der aus dem Licht hervorgetretenen fey, die Städte und Schönheit in die Welt gebracht hatten, war die Sprache ihrer Schöpferin gewesen und fühlte sich auch auf den Lippen und der Zunge ihres geliehenen Leibs vertraut an. Mehr kannte sie auch nicht, sprachen die Bewohner der fernen Globulen im Nebel doch oft nur in Gedanken, Gesten und Träumen und nicht mit einer hörbaren Stimme.

Lange Zeiten, in denen in der 3. Sphäre die Jahre und Jahrhunderte vergingen, saß Rilmandra neben den in Eis Erstarrten und studierte sie. Eine der Personen hatte rötliches Haar mit einer weißen Strähne und wirkte seltsam grob. Das Gesicht der anderen war zerrissen. Beide waren, bevor das Eis sie umschlossen hatte, schwer verletzt gewesen, und so beschloss Rilmandra, nicht daran zu rühren.

»Es tut mir leid«, sagte sie zu dem Vierbeinigen. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich etwas für sie tun kann. Ich will länger darüber nachdenken.«

Er gab einen traurigen Laut von sich und sie legte eine Hand zwischen seine Ohren. »Ich ahne, was du fühlst«, sagte sie, »die Musik deiner Stimme ergibt Sinn für mich.«

Er öffnete einen Moment lang weit das Maul in einem seltsam tiefen Atemzug und drehte sich dann auf die Seite. Sie grübelte darüber nach, was das bedeuten mochte, und steuerte fort von einem Licht im Nebel, das Wächter und Ärger versprach, und hielt sich weiter an ihre verborgenen Pfade. Sie blieb lange so sitzen auf ihrem Deck, und der Nebel, der sie durchdrang und den sie im Gegenzug durchquerte, erhielt den neuen Körper ohne Bedürfnisse und Widrigkeiten.

Der Vierbeinige, ebenso von Hunger verschont, litt umso mehr an Langeweile. Bald lief er auf ihren Decks auf und ab, kratzte an ihrem Holz, kaute auf den Seilen und zeigte sich unverständig, wenn sie ihn ermahnte. Sie ließ sich treiben und versuchte zugleich, in ihrem neuen Körper mehr Verständnis für den Vierbeinigen aufzubringen. Sie zeigte auf die Schnitzereien an ihrer Reling und wiederholte immer und immer wieder die Worte, die dafür standen.

»Nachtigall«, sang sie, »Lilie, Wassertropfen, Spiegel, Feder, Hirsch, Eisvogel …«

Eine Weile später, die Sphären hatten sich bewegt und dort, wo Leben herrschte, dieses durch lange Zeiten und Zyklen begleitet, begann der andere darauf zu reagieren. Wenn sie »Efeuranke!« rief, eilte er zur entsprechenden Schnitzerei und lobte sie ihn dafür, freute er sich und sprang jubelnd umher.

Mehr Zeit verging und bald lief Rilmandras Gast in ihrem Spiel von Klängen und Symbolen von Bug bis Heck und teils unter Deck, um all die Dinge zu finden, die sie benannte. Und auch wenn er in ihrer im Limbus schwebenden kleinen Blase von Existenz keinen Hunger oder Durst verspürte, suchte er mit der Nase voran in jedem Winkel vergebens nach Essen.

Sie pflegte sein dichtes Fell sowie das Haar ihres geliehenen Leibs, indem sie geduldig mit den Fingerspitzen wieder und wieder hindurch fuhr und Knoten entwirrte. Sie lag mit dem anderen an Deck und sah zu den schimmernden Bahnen von Kraft, denen sie folgten, den glühenden Spuren vergessener Welten. Sie drückte ihn an sich, als der Nebel erzitterte und ferner Flügelschlag erklang, während sie ihre Segel drehte und floh.

Sie waren einander Anker, während die Welten weiterzogen. Sie durften nicht Halt machen, nicht rasten, während an anderen Orten Schlachten gewonnen und verloren wurden, Wälder erblühten und vergingen und Felder voll Knochen zu blühenden Ebenen wurden. Sie fanden Ruhe in der Stille der im Eis gefangenen Begleiter, in den Rhythmen des Limbus, in ihren Spielen und dem Dämmerschlaf im Nebel.

Die Welten drehten sich, folgten ihren vorbestimmten Abläufen. Zeit lief in Pulsen vom Herz der Schöpfung nach außen, versickerte und verlor schließlich am Rand, wo die Sterne wachten, ihre Bedeutung.


Borbarad hatte den Bund mit Amadena abgelehnt, ohne auch nur lange darüber nachzudenken. Er hatte genau gewusst, was ihn erwartete und was sie ihm vorschlagen wollte. Das war eine wertvolle Erkenntnis für Acuriëns Herrin gewesen. Möglicherweise hatte sie das Wesen des Göttlichen doch unterschätzt. Doch auch davon abgesehen war das Ritual nicht der Fehlschlag gewesen, als der es erscheinen mochte.

Borbarads Rückkehr stürzte den gesamten Kontinent Aventurien in den darauffolgenden Jahren ins Chaos und brachte die Sphären zum Erbeben, wie es seit dem Fall Pyrdacors nicht mehr geschehen war. Risse in die Niederhöllen taten sich auf, Helden – menschliche wie elfische – fielen. Das Weltbild der Menschen begann sich zu verändern. Hatte vielerorts blindes Vertrauen in ihre Götter in Alveran geherrscht, wandten sich jetzt immer mehr Menschen der Magie und den Erzdämonen zu – begannen sogar darüber nachzudenken, dass Göttlichkeit nicht Allmacht bedeutete und dass es nichts war, was die Schöpfung als Privileg für den Rest der Ewigkeit vergab, sondern etwas, das ein Sterblicher selbst erlangen konnte.

Dies war eine Gedankensaat, der Amadena gern beim Sprießen zusah. Borbarads Rückkehr mochte vordergründig Tausende und Abertausende von Leben gekostet haben und die Ordnung gestört haben – eine hervorragende Grundlage für das Wirken des Namenlosen. Doch die Auswirkungen in den Köpfen der Menschen würden noch in Jahrhunderten zu spüren sein und die Zahl der für die Götter verlorenen Seelen war nicht zu erfassen.

Dass Borbarad sich ihr verweigert hatte, war nicht zu ändern. Ein Teil von ihr, der immerzu Wahrscheinlichkeiten und Geschicke betrachtete und verschiedene Wege auslotete, hatte diese Möglichkeit in Erwägung gezogen. Acuriën war das einzige Geschöpf, das wahrgenommen hatte, wie sie selbst das Ritual korrumpiert hatte. Sie hatte dafür die Kräfte aller Dämonen der Niederhöllen angerufen – und natürlich die ihres Herren, des dhaza, des Gottes ohne Namen. Ihnen allen sollte Borbarads Rückkehr dienen. Doch was sie tat, als alle abgelenkt waren, das diente einzig und allein ihr selbst.

Acuriën wagte nie, seine Herrin darauf anzusprechen, aber er wusste, dass sie wusste, dass er es gesehen hatte. Ein winziger Dämon war Teil von Borbarads Leib geworden, eine Art Egel. Eine Kreatur, die von Amadena erschaffen worden war und einzig und allein ihr diente.

Als Borbarad Jahre später bezwungen und vernichtet wurde, wie es prophezeit gewesen war, blieb nichts von seinem Leib übrig. Er wurde in andere Sphären entrückt. Große Teile Aventuriens lagen zu diesem Zeitpunkt in Trümmern. Amadena hatte im Verborgenen gewartet und den Verlauf der Dinge beobachtet. Nun schickte sie ihre Handlanger aus, um Überreste von Borbarads Körper zu finden, doch diese Suche blieb erfolglos.

Mit wissenschaftlicher Akribie schrieb Amadena alles nieder, was sie über Borbarad und Halbgötter gelernt hatte, fügte dieses Wissen den langen Schriften und Abhandlungen der Archäer hinzu, die sie geplündert hatte.

Und das Erbe Borbarads, das Chaos, seine Reichtümer und die Dämonenzitadelle an der Spitze des Dämonenbaums, nahm sie mit stiller Selbstverständlichkeit an sich.


Amadena ließ sich in den Schnee fallen und wechselte die Gestalt. Flügel schmolzen zu langem, blassem Haar und Schuppen wurden zu bleicher Haut. Zwölf Berge umringten sie, himmelhoch und weißglühend vor Eispanzern, die sich an ihren Spitzen festkrallten. In respektvollem Abstand kreisten Drachen, die sie aus der Ferne beobachteten.

Der Ort schien verlassen, doch sie spürte den Blick unsichtbarer Wächter auf sich ruhen, die jenseits der greifbaren Welt ruhelos kreisten. Kaum jemand schaffte es bis hierher, noch weniger wurden dann geduldet.

Die Kälte, brutal wie der Winter am Himmelsturm, griff nach ihr und sie verwehrte sich. Sie sang, nur ein Summen, knochentief, und weder Frost noch die dünne Luft wagten sich näher heran. Um ihre bloßen Füße schimmerte die Luft an der Grenze ihrer Körperwärme zur lebensfeindlichen Umgebung.

Es gab kein höheres Gebirge auf dieser Welt; es schien, als verließe es beinahe die Sphäre. Alles wirkte zugleich verschwommen und zu scharf umrissen, immens in seinen Ausdehnungen, aber in der klaren Luft so deutlich in der Ferne, dass selbst die massiven Felswände und Gletscher Spielzeug sein mochten.

Vor ihr lag etwas, das sich vor ihrer Sicht zu verbergen versuchte, oder eher versuchte ihr Blick, darum herumzugleiten. Allein die Ahnung seiner Form bohrte sich als vager Schmerz hinter ihren Augen in ihren Schädel. Zwischen Herz und unteren Rippen regte sich etwas in ihrem Leib, ein Hauch von Unwohlsein und ein Flattern wie ein Banner im Atem eines Riesen.

Sie konzentrierte sich, richtete ihren Blick fest auf den Turm.

»Ich habe Schlimmeres gesehen«, verkündete sie sich und der Welt. Mühlsteine aus Leid und Schmerzensschreien, hungrige Mäuler, die Welten verschlingen konnten, Boshaftigkeit, die weder Ablenkung noch Langeweile kannte und immer, unablässig um sich griff, sich wand und jeden klaren Gedanken zerstören wollte.

Das hier war nur die Saat der Siebten Sphäre, nur ein Echo.

Aus dem Talgrund zwischen den zwölf Bergspitzen erwuchs etwas, das zugleich Baum, Turm, Tempel und Gerippe war. Schwarz flirrten seine Umrisse, ölige Regenbogenfarben liefen über Beulen und Bögen wie halb verfaulte Leichenteile. Zinnen wuchsen wie Zähne, Meilen über dem Boden. Das Gebäude lebte, und auch wenn keine klar erkennbaren Augen Teil der vielfältigen Oberflächen waren, beobachtete es sie ebenso wie sie es zu beobachten versuchte. Der Schmerz wurde intensiver, aber sie hieß ihn willkommen. Sie konnte dieses Ding erfassen in all seinen sichtbaren und unsichtbaren Dimensionen. Sie spürte, wie weit die Wurzeln reichten; sie berührten Bereiche der Schöpfung, die unzugänglich sein sollten.

Mit einem weiteren, gesungenen Ton sah sie noch mehr: Linien aus Purpur, die wie Ströme von Blut flossen, ein Gewebe aus zwölf solcher Bahnen, die sich im Herzen des Turms miteinander verbanden und wie Adern in Bögen und Kränzen aus einem Herz erwuchsen. Wer auf diesem immensen Instrument spielen konnte, dessen Saiten über Kontinente reichten, dessen Melodien würden die Welt umspannen. Der Turm selbst hatte dies nicht hervorgebracht, aber er wuchs daran und darum herum wie ein bösartiger Tumor, der das Gewebe seines Wirts in sein eigenes wandelte und wucherte, immerzu wucherte.

So viele Krankheiten, angeschwollene Drüsen, schwarzviolett schimmernde bösartige Klumpen aus verdorbenem Fleisch hatte sie schon in den Händen gehalten, hatte sie aus den Körpern ihrer Kinder und Experimente geschnitten oder eingepflanzt, gehegt und bewundert. Nichts davon konnte sich hiermit messen, doch sie würde auch dies nehmen, formen und beherrschen.

Sie ging auf das Gebilde zu, das zu zittern begann. Das Land im Schatten des unmöglichen Turms begann sich zu regen und zu fließen wie Öl, verlor seinen Zusammenhang in Zeit und Raum, als die Zitadelle ihren Ort wechseln wollte.

»Bleib«, befahl sie und sie war nicht allein. Der purpurne Stern, das Auge in der Leere, sprach durch sie. Ihr ganzes Leben, jahrtausendeschwer, stemmte sich gegen den Sog des dämonischen Baumes und er erstarrte.

»Gut«, murmelte sie ihm zu und näherte sich weiter, »und nun öffne dich.«

Bebend zogen sich einzelne, gigantische Fasern auseinander und gaben eine Öffnung frei, die von bleichen Knochen oder Stoßzähnen gesäumt wurde. Dahinter führte der Weg tiefer hinein und aufwärts, pulsierend und lebendig. Oben, unter dem Kranz von Elfenbeinzinnen und umringt von pochenden Adern voller Macht, wo Zweige bedeckt von schimmerndem Pelz und Insektenflügeln im Wind peitschten, wuchs ein Thron aus dem Boden, der sie erwartete.

»Lass uns Verbündete sein«, wisperte sie dem nahezu geistlosen Ding zu. »So ein wunderbares Werkzeug …«

Von hier aus ließen sich die Kraftlinien dieses Kontinents spielen wie ein Instrument mit unermesslich langen Saiten. Für so viele Dinge würde ihre körperliche Anwesenheit unwichtig werden. All die Melodien, die sie spielen würde!

Sie berührte die Wand des Ganges, die leicht nachgab wie die Haut eines Hais, rau in eine Richtung, glatt in die andere. »Ich habe noch so viel mehr mit dir vor und dem, was du bist«, wisperte sie. Dann ging sie weiter hinein in die Wucherung, die die Sphären durchbrach, in den Dämonenbaum, das Schwert, das die Welten zerteilen konnte – und ihre Zitadelle.


Rilmandra wiegte ihren Rumpf in unsichtbaren Winden und segelte durch eine weite, leere See aus Nebel. Leise erzählte sie dem Vierbeinigen in langen, langen Stunden ungestörter Fahrt, was die Symbole der Schnitzereien an ihrem Leib bedeuteten. »Die Nachtigall ist Sehnsucht«, murmelte sie ihm zu und sang ein Lied darüber, in das der andere einstimmte. »Die Lilie bedeutet Kampf und Gewandtheit, tödliche Schönheit!«

Sie sprang auf fremden Beinen über das Deck und ahmte die raschen, tänzerischen Bewegungen der Krieger nach, die sie vor langer Zeit gesehen hatte.

»Der Eisvogel ist Entschlossenheit«, verriet sie ihm und er gab ein vorsichtiges Knurren von sich. »Genau«, bestätigte sie, »Entschlossenheit, sein Ziel kennen, nicht abweichen. Deswegen ziert er auch meinen Bug.«

Ein Tor schien hell durch den Nebel, für all ihre Sinne ein Lockruf und eine Warnung. Wie immer hielt sie sich von diesem Leuchtfeuer fern, navigierte an ihm vorbei und umkreiste wehmütig goldene Welten, die sie nicht zu betreten wagte.

»Die Taube«, sagte sie und strich mit Fingerspitzen über den schlichten Vogel, im Flügelschlag festgehalten. »Die Taube, kehrt immer heim.«

Der andere presste sein Gesicht an ihr Knie und sie vergrub die Finger in seinem Fell, ließ sich neben ihm nieder. Sie sah auf die beiden Gestalten im Eis und drückte den Vierbeinigen fest an sich. »Sie weiß immer, wo sie ist, damit sie heimkehren kann«, führte sie weiter aus. Dann schwiegen sie beide.

Wenig später – oder viel später, die Jahre in der 3. Sphäre häuften sich zu immer höheren Zahlen, aber was bedeutete das ihr? – begann der andere auch ohne ihr Spiel die Schnitzereien abzusuchen und mit einem kehligen Laut und Stupsen der Nase auf sie hinzuweisen. Haselmaus und Betende Schrecke, Morgenblume und Krakenmutter und schließlich silberne Winde.

Sie folgte ihm bei diesem Tanz, den er mehrfach wiederholte, und begegnete dann seinem fragenden Blick.

»Geborgenheit und lauernde Gefahr«, sagte sie. »Hoffnung und Schutz. Dankbarkeit.«

Er gab ein bestätigendes Geräusch von sich und setzte sich hin.

Ihr Gesicht lächelte von allein und sie befühlte es nachdenklich. Die vielen, vielen kleinen Muskeln bewegten sich ihren Gefühlen nach und sie konnte selbst daran ablesen, wie sie die Bedeutung der Symbole verstand und die Freude noch größer wurde.

»Gern geschehen«, sagte sie. »Ich würde dich jederzeit wieder aus lauernder Gefahr retten. Mein Schutz ist immer dein.«

Er schnaufte zufrieden und grinste. Dann stand er wieder auf und trabte zu den beiden im Eis, stieß sie an. Er warf ihr einen Blick zu, als wolle er sichergehen, dass sie aufpasste, und lief zur Reling. Grauer Mohn war sein erstes Ziel, dann Goldginster.

»Du bist traurig und ich soll helfen?«, fragte sie. Er machte wieder das bestätigende, entschlossene Geräusch und sie seufzte. »Ich weiß nicht wie«, gab sie zu. »Ich reise und ich nehme andere dabei mit, aber für einen anderen Zweck wurde ich nicht gebaut und so habe ich auch keine Kenntnis davon. Ich bin keine Heilerin, keine Gelehrte.«

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