Kitabı oku: «Fach- und sprachintegrierter Unterricht an der Universität», sayfa 9

Yazı tipi:

2.7.2 Lernkultur als Forschungsgegenstand

Auch wenn sich zahlreiche Autorinnen und Autoren gegenseitig in ihren Beschreibungen des Lernverhaltens in Japan und dessen Begründung mit religiösen Praktiken, historischen Entwicklungen oder Sozialisationsprozessen bestätigen, so zeigt dies nur einen bestimmten Ausschnitt unterrichtlicher Realität. Und in den letzten Jahren gewinnen jene Stimmen an Gewicht, die dieser Wahrnehmung entschieden entgegentreten und eine differenziertere Sichtweise der Möglichkeiten und Grenzen eines interaktiven, aufgabenbasierten Unterrichts in Japan anmahnen.

Ein erstes Argument bezieht sich dabei auf den „Anteil der Selbsttäuschung bei der Konstruktion des Anderen“, wie Schubert (2005) es formuliert. Wenn japanische Lernende als nach Harmonie strebende, sich beständig an der Gruppe orientierende oder zu kritischem Denken unfähige Personen beschrieben werden, dann finden in diesen Attribuierungen primär die pädagogischen Ideale der Autorinnen und Autoren einen Ausdruck. Schubert (2005:161ff) stellt am Beispiel des Begriffspaares Gruppenorientierung vs. Individualismus überzeugend dar, wie durch solche binären Schematisierungen Unterschiede verabsolutiert und damit mystifiziert werden (siehe auch Kubota 1999 zum Ethnozentrismus von derartigen dichotomen Abgrenzungen).

Neben dieser Tendenz zu einer ethnozentristischen Perspektive kann auch die Idee von Kultur kritisiert werden, auf der Beschreibungen eines Gegensatzes von vermeintlich westlichen Unterrichtsmethoden und ostasiatischem Lernverhalten beruhen. Wenn auch oft unausgesprochen liegt ihnen ein essentialistischer Kulturbegriff zugrunde: Kulturen oder Kulturkreise werden hierbei als statische, prinzipiell voneinander abgrenzbare Einheiten aufgefasst. Dem lässt sich jedoch der prozesshafte Charakter und die prinzipielle Hybridität kultureller Phänomene entgegenhalten.

Ein weiterer Einwand gegen die oben angeführte Charakterisierung japanischer Lernender betrifft die Art und Weise, wie in einigen Arbeiten das Geschehen in Schulen und Universitäten einer modernen, komplexen Gesellschaft mit zum Teil weit zurückliegenden geschichtlichen Ereignissen verknüpft wird. Diese Verbindung sei, so etwa die Kritik bei Cheng (2000), Guest (2006), Hess (1999) oder Mitschian (1999) keineswegs zwingend. Beispielsweise könne man, wie Cheng (2000:440ff) kritisiert, Konfuzius auf der Grundlage seiner Texte ebenso als einen der Vordenker des entdeckenden Lernens sehen. Problematisch erscheinen historisch oder religiös argumentierende Arbeiten daher vor allem dann, wenn sie aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zu wenig Aufmerksamkeit schenken.

Und nicht zuletzt lassen sich eine Reihe empirischer Studien anführen, die den eingangs beschriebenen Ergebnisse der Studie von King (2013) widersprechen und es somit nahelegen, deren Erkenntnispotenzial nicht zu überschätzen. Zum Nachdenken regt beispielsweise das sehr gute Abschneiden japanischer Schülerinnen und Schüler bei internationalen Vergleichsstudien wie TIMSS (mathematisches und naturwissenschaftliches Grundverständnis)1 oder PISA (Kompetenzen in Mathematik, Lesefähigkeit und naturwissenschaftlichem Denken)2 an. Wenn es so etwas wie eine einheitliche japanische Lernkultur gäbe und diese zugleich jenen Charakter trüge, wie er von den weiter oben dargestellten Arbeiten beschrieben wurde, dann hätten sich diese Erfolge eigentlich nicht einstellen dürfen. Sind fehlende Kreativität, Schweigen und Apathie vielleicht nur Merkmale des Lernverhaltens im Fremdsprachenunterricht? Das wäre paradox. Aber dieser Widerspruch lässt sich leicht auflösen, und zwar indem man Lernverhalten nicht nur nach dem Augenschein beurteilt und es dann mit hypothetischen Annahmen über die Wirkung peripherer Faktoren verknüpft, sondern sich intensiv und systematisch mit dem Geschehen in einzelnen Lerngruppen auseinandersetzt. Dann verliert die Idee einer einheitlichen japanischen bzw. ostasiatischen Lernkultur sehr schnell an Überzeugungskraft.

Untersuchungen wie jene von Helmke/Schrader (1999) verdeutlichen, weshalb es so wichtig ist, das Augenmerk zunächst auf den Unterricht selbst zu lenken, um die Lernkultur einer Gruppe von Lernenden besser zu verstehen. Als ein Ergebnis ihrer longitudinal angelegten quantitativen Untersuchung, mit der sie Lernstrategien bei vietnamesischen und deutschen Studierenden vergleichen, können die Autoren zum Beispiel zeigen, weshalb westliche Kategorien zur Beschreibung von Lernverhalten mit Bedacht gewählt werden sollten. Mehrfaches Wiederholen etwa empfinden vietnamesische Studierende keineswegs als eine mechanische Tätigkeit, die ein vertiefendes Verständnis ausschließt. Solche unterschiedlichen Interpretationen derselben Situation werden auch bei anderen Aspekten beobachtet. So legt Bao (2013) dar, dass vietnamesische Lernende Stille im Englischunterricht anders deuten als ihre ausländischen Lehrenden. Und Karas (2017) erhellt durch eine Interaktionsstudie im Englischunterricht mit angolanischen und chinesischen Studierenden, weshalb Stille (silence) nicht vorschnell mit Verschlossenheit (reticence) gleichgesetzt werden sollte.

Cheng (2000) und Li (2004) beschreiben, wie verschieden der Begriff der unterrichtlichen Aktivität verstanden werden kann. Während sich die Lehrperson in der Studie von Li redlich darum bemüht, ein lerneraktivierendes Umfeld zu schaffen, erleben die Studierenden die Situation als zu spielerisch, frustrierend, infantilisierend und planlos (siehe auch Kap. 2.8.2).

Helmke/Schrader (1999) können als Ergebnis ihrer Untersuchung letztlich keine Unterschiede bei anspruchsvollen, tiefenorientierten Lernstrategien in beiden kulturellen Kontexten nachweisen, womit sie genau das bestätigen, was bereits Hu (1996) in ihrer qualitativen Studie zu den subjektiven Theorien von Fremdsprachenlernenden in Deutschland und Taiwan beschrieben hat: typische taiwanesische oder deutsche Haltungen zum Fremdsprachenlernen lassen sich in ihren Daten nicht aufzeigen. Der Einfluss der lokalen Gegebenheiten in den Institutionen erscheint Hu daher weitaus entscheidender als makrokulturelle Faktoren. Für Cheng (2000:442) ist das vermeintlich spezifische Verhalten ostasiatischer Lernender daher in erster Linie ein Artefakt der jeweiligen Situation:

“When behaviour of reticence and passivity is observed in class, it may result from unsuitable methodology, lack of required language proficiency, irrelevant or even offensive topics, lack of rapport between the teacher and the students, lack of motivation, and even student’s mood on a particular day.“ (Cheng 2000:442)

Und in gleicher Weise argumentieren auch Ellwood/Nakane (2009) und Mack (2012). Bei seiner Analyse stützt sich Cheng (2000) vor allem auf das, was die Lernenden selbst über ihre Erwartungen an den Fremdsprachenunterricht äußern. Dies steht in einem auffälligen Kontrast zu den oben beschriebenen Wahrnehmungen von Lehrenden. Auch Littlewood (2000) findet als Resultat einer vergleichenden quantitativen Fragebogenstudie mit mehr als 2000 Studierenden in acht ostasiatischen Ländern keine überzeugenden Anhaltspunkte für die mutmaßliche Passivität und Inflexibilität ostasiatischer Lernender.

“They want to explore knowledge themselves and find their own answers. Most of all, they want to do this together with their fellow students in an atmosphere which is friendly and supportive.” (Littlewood 2000:34).

Ein Befund, der von weiteren Studien bestärkt wird, die bei ostasiatischen Studierenden Kritikfähigkeit ebenso nachweisen wie originäres Denken und sehr differenzierte Vorstellungen über verschiedenen Unterrichtsmethoden (Li 2004, Littlewood 2010; McKinley 2013; Ockert 2011; Sakui/Gaies 1999; Stapleton 2002).

Natürlich sagen solche, von Lernenden geäußerten Präferenzen nur wenig darüber aus, wie diese sich im Unterricht tatsächlich verhalten. Dass Bohn (2004) bei ihrer ethnographischen Studie mit japanischen Lernenden an einer nordamerikanischen Universität auf eine große Diskrepanz in dieser Hinsicht stößt, kann kaum überraschen. Die Lernenden berichten beispielsweise, dass sie sich so aktiv am Lerngeschehen beteiligen möchten, wie ihre amerikanischen Kommilitonen, aber sie verhalten sich dann tatsächlich deutlich zurückhaltender, vermeiden Augenkontakt und liefern weniger Redebeiträge. Die Konsequenz, die Bohn aus diesem Ergebnis zieht, erscheint schlüssig: Solche Diskrepanzen lassen sich nur abwenden, indem man über die individuellen Erwartungen und Wahrnehmungen ins Gespräch kommt und dadurch gemeinsam an einer Kultur des Miteinanders im Klassenraum arbeitet (siehe auch Nunan 2009). Aber diese Art von Aushandlung ist keineswegs nur dann hilfreich, wenn in einer Unterrichtssituation Personen aus unterschiedlichen Kulturkreisen aufeinanderstoßen. Wie Zhou (2015) auf der Grundlage von Interviews mit Studierenden und Lehrenden im Bereich Englisch an einer chinesischen Universität aufzeigt, entstehen solche Differenzen auch aufgrund institutioneller Rollen und können beispielsweise die übergreifenden Bildungsziele betreffen oder den Wert, der einzelnen Kompetenzen beigemessen wird.

In den letzten Jahren wird im Zusammenhang mit der Etablierung einer kommunikativen Atmosphäre in ostasiatischen Klassenräumen verstärkt auf den Begriff der Partizipationsbereitschaft (Willingness to Communicate WtC oder Willingness to Participate WtP) Bezug genommen. Gemeint ist damit die beobachtbare Intention von Lernenden, sich auf den Austausch mit den anderen Personen in der Lerngruppe einzulassen; also gerade jene Haltung, die ostasiatischen Lernenden gerne abgesprochen wird. WtC wird dabei als ein vielschichtiges Konstrukt gedacht, das neben individuellen Dispositionen wie dem Selbstbewusstsein vor allem die Bedeutung der Lernatmosphäre in einem lokalen Kontext hervorhebt (MacIntyre et al. 1998). Und die Ergebnisse entsprechender empirischer Studien legen nahe, dass sich die Teilnahme der Lernenden an der Interaktion aktiv fördern lässt, beispielsweise durch den Aufbau vertrauensvoller Beziehungen, durch interessante Themen und Aufgaben, durch erkennbares Engagement der Lehrenden und nicht zuletzt dadurch, dass diese ihre Lehrphilosophie offen legen und zur Diskussion stellen.3

Leider mangelt es jedoch nach wie vor an Arbeiten, die den Zusammenhang zwischen individuellen und kollektiven Vorstellungen auf Seiten von Lernenden und Lehrenden mit systematischen Untersuchungen von unterrichtlicher Interaktion verbinden. Gerade deshalb ist Boeckmanns Studie zur regionalen Lehr- und Lernkultur in Japan so wertvoll (Boeckmann 2006). Er verlässt sich nicht auf die Überzeugungskraft von Erklärungsmustern, die Verhalten auf makrokulturelle Gegebenheiten zurückführen, sondern beobachtet das Geschehen in japanischen Unterrichtsräumen selbst und versucht mit Hilfe unterschiedlicher Forschungsinstrumente ein möglichst vielschichtiges Bild konkreter Praxis zu zeichnen.

Als eines der Ergebnisse seiner Analyse kann Boeckmann demonstrieren, wie flexibel sich die Lernenden auf unterschiedliche Unterrichtssituationen einzustellen vermögen. Er macht damit sehr deutlich, weshalb der Einfluss einer vermeintlich typisch japanischen Lernhaltung nicht überschätzt werden darf. Zugleich veranschaulicht Boeckmann den Zwiespalt, in dem sich viele japanische Deutschlernende befinden: Einerseits offen für kommunikative Unterrichtsformen, formulieren sie andererseits auch immer wieder ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Strukturierung. Dieser Widerspruch entsteht unter anderem dadurch, dass ihre Vorstellungen von kommunikativem Unterricht oft weniger klar umrissen sind als jene von grammatikorientiertem Unterricht. Der nicht selten geäußerte Wunsch nach mehr Grammatik kann daher als eine Metapher für den Ruf nach mehr Sicherheit interpretiert werden, wie z.B. auch Fischer (2008) in ihrer Studie mit italienischen Studierenden aufdeckt.

Wenn Unterricht partizipativ organisiert ist und nicht nur gelegentliche Angebote zur Beteiligung offeriert, so ein Fazit in Boeckmanns Studie (2006), dann sind japanische Lernende entgegen der eingangs zitierten Attribuierungen durchaus bereit, das Geschehen aktiv und kreativ mitzugestalten. Dass unter solchen Bedingungen auch Unterrichtsarrangements, die ein hohes Maß autonomen Lernens erfordern, durchgeführt werden können, veranschaulichen nicht zuletzt viele praktischer Beispiele aus dem Deutschunterricht (Arbeitsgruppe Simulationen 2005; Czyzak 2018; Schart 2013; Schlak 2003; Schütterle/Hamano 2018) oder aus dem Englischunterricht (Thomas/Reinders 2015) mit japanischen Lernenden.

Diese konkreten Unterrichtsprojekte machen zugleich deutlich, weshalb Lernkulturen nicht als stabile Erscheinungen betrachtet werden dürfen, die sich unmittelbar auf makrokulturelle Elemente wie die Religion oder die Geschichte eines Landes zurückführen lassen. Eine so verstandene Lernkultur verflüchtigt sich zusehends, sobald man versucht, sie auf der Ebene einzelner Unterrichtsstunden zu fassen. Was dagegen zu Tage tritt, ist eine Kultur des Klassenraums, die gemeinsam von den Beteiligten Individuen gestaltet wird. Dass in diesem Prozess kulturelle Selbstverständlichkeiten und Muster eine gewisse Rolle spielen und das Geschehen immer in soziale, ökonomische oder politische Prozesse eingebunden bleibt, soll damit nicht bestritten werden. Entscheidend ist gleichwohl die Frage, auf welcher Ebene nach Erklärungen gesucht wird.

Der momentane Stand der Forschung legt nahe, zunächst den Unterricht selbst in den Blick nehmen und nicht vorschnell nach Antworten in makrokulturellen Strukturen zu suchen. Und gerade für Lehrende ist es wichtig, ihren eigenen Anteil am Entstehen einer bestimmten Unterrichtskultur zu erkennen, wie das von Farrell (2004) beschriebene Beispiel eindrücklich zeigt. Farrell berichtet von einem Englischlehrer, der immer der Meinung gewesen war, sehr lernerzentriert und kommunikativ zu unterrichten – bis er seine Stunden aufnahm und sich dann die Transkripte etwas genauer ansah. Für ihn eine augenöffnende Erfahrung, denn er bemerkte, dass sein Verhalten im Klassenraum die Interaktion bislang eher verhindert als gefördert hatte. So waren die meisten Impulse für den Austausch von ihm selbst ausgegangen. Er hatte beispielsweise seine Lernenden mit Fragen überhäuft, deren Antwort er zumeist schon wusste, und ihnen wenig Spielraum für eigene Beiträge gelassen. Tatsächlich, so musste er erkennen, war sein Unterricht sehr lehrerzentriert verlaufen.

Diese Erkenntnis lässt sich unmittelbar auf die weiter oben geschilderten Wahrnehmungen von Stille, Passivität und Apathie japanischer Lernender übertragen: Anstatt aus solchen Beobachtungen auf unüberwindbare Grenzen zwischen Lernkulturen zu schließen, sollten Lehrende sich zunächst selbst in ihrem Handeln und der Deutung des Unterrichtsgeschehens hinterfragen. Und dieser Gedanke weist zurück an den Beginn dieses Kapitels und die dort beschriebene Intention für die vorliegende Studie. Meinen eigenen Ansatz zu einem besseren Verständnis dessen, was in meiner Zusammenarbeit mit japanischen Studierenden konkret passiert, möchte ich in Kapitel 4 ausführlich darlegen.

2.8 Empirische Erkennisse als Ausgangspunkt

“Does TBLT work for teachers and learners in the classroom as well as it does for SLA researchers? Is TBLT more than a fascinating pedagogical approach that looks good and convincing on paper?” (van den Branden 2006:1)

Van den Branden richtet seine Bedenken zwar gezielt auf den aufgabenbasierten Ansatz, doch dieser Skepsis müssen sich ebenso die beiden anderen zentralen Elemente des Unterrichtskonzepts stellen, die in diesem Kapitel eingehend behandelt wurden. Wie sich das Zusammenspiel von fach- und sprachintegriertem, aufgabenbasiertem und dialogischem Lernen in einem konkreten unterrichtlichen Kontext vollzieht, welche positiven Effekte mit ihm einhergehen und auch welche Schwierigkeiten es verursacht, lässt sich nicht auf theoretischer Ebene klären.

Dass van den Branden an einen wunden Punkt des akademischen Betriebs rührt, zeigt auch Swans (2005) viel zitierte Kritik, mit der er der Begeisterung für aufgabenbasierte Settings in der Fremdsprachenforschung entgegentritt und unter anderem auf den Mangel an empirischer Evidenz verweist. Sein Vorwurf einer legislation by hypothesis kann letztlich nur mit umfassenden Studien aus dem Unterrichtsalltag entkräftet werden.

Die Fremdsprachenforschung tut sich jedoch schwer damit, diese Herausforderung anzunehmen. Wie ich weiter oben am Beispiel der Aufgabenforschung demonstrierte, beschränkt sie sich lieber auf kleinteilige Untersuchungen zu einzelnen Aspekten der Gestaltung und des Einsatzes von Aufgaben und verliert dabei allzu oft den Unterricht als ein komplexes Geschehen aus dem Blick. Als Folge sei die Aufgabenorientierung, so konstatiert Norris (2015), von einer innovativen Idee zu einer Technik geschrumpft. Auch die bereits kritisierte Fokussierung auf linguistische Aspekte bei gleichzeitigem Desinteresse für das inhaltliche Lernen hat viel zur übermäßigen Selbstbeschränkung der Aufgabenforschung beigetragen (vgl. Mohan et al. 2015). Und so besteht trotz der vielfältigen Untersuchungen zur Funktion von Aufgaben beim Fremdsprachenerwerb nach wie vor eine große Unsicherheit bei der Frage, ob bzw. unter welchen Bedingungen Aufgaben als grundlegendes Prinzip bei der Gestaltung von Fremdsprachenunterricht tatsächlich funktionieren.

Ich möchte deshalb in diesem abschließenden Teil des Kapitels die verschiedenen Stränge, entlang derer das Konzept des hier untersuchten Unterrichts dargestellt wurde, zusammenführen, mit relevanten empirischen Erkenntnissen ergänzen und damit zum empirischen Teil der vorliegenden Studie überleiten.

2.8.1 Vergleichbare Programme

Sowohl zu aufgabenbasierten als auch fach- und sprachintegrierten Programmen liegen bislang kaum Arbeiten vor, die den Unterricht aus verschiedenen Perspektiven beleuchten (vgl. dazu auch die Kritik bei Edwards 2005; Norris 2015; van den Branden 2016:175). Und die Interaktionsprozesse in entsprechenden Kursangeboten wurden – soweit ich die Forschungslage überblicke – ebenfalls nur sehr selten in einem Umfang untersucht, wie es das vorliegende Projekt anstrebt. Gleichwohl lassen sich Verbindungslinien zu einigen Untersuchungen ziehen, die ich in diesem Abschnitt nachzeichnen werde.

Als wichtiges Beispiel muss in diesem Zusammenhang zunächst das Bangalore Communicational Teaching Project (CTP) als ein erster, systematisch dokumentierter Versuch genannt werden, ein aufgabenbasiertes Programm konsequent umzusetzen (Beretta 1992; Beretta/Davies 1985). Dass dieses Vorhaben gerade in einem asiatischen, wenn auch nicht konfuzianistisch geprägten Land angesiedelt war, wirft zunächst noch einmal ein bezeichnendes Licht auf die weiter oben kritisierten Attribuierungen. Trotz des bedauerlichen Schwachpunktes, dass diese Evaluation keine Einblicke in der Interaktionsprozesse ermöglicht, kann sie als eine bahnbrechende Studie bezeichnet werden. Denn sie ließ erkennen, dass Grammatikerwerb auch dann stattfindet, wenn sich die unterrichtlichen Aktivitäten konsequent auf Inhalte richten.

Die Arbeit von Markee (1997) ist eines der wenigen Beispiele für eine Studie, die sich umfänglich auf einen lokalen Kontext einlässt und ein aufgabenbasiertes Programm aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick nimmt. Interessant an dieser Untersuchung ist auch heute noch, dass Markee verdeutlicht, weshalb mit einer innovativen Veränderung der Unterrichtsgestaltung nur ein erster Schritt der Programmentwicklung getan ist. Sie muss begleitet werden von einer weitergehenden Innovationsbereitschaft, die die gesamte Institution einbezieht. Nur so lasse sich, wie Markees Studie nahelegt, gewährleisten, dass alle Beteiligten die Veränderungen auch langfristig mittrügen. Eine Erkenntnis, die im Zusammenhang mit dem Thema Lernkultur bereits zur Sprache kam und auf die ich auch im weiteren Verlauf der Darstellung noch mehrfach Bezug nehmen werde.

Was die Umstellung eines Programms auf den aufgabenbasierten Ansatz auf Seiten der Lernenden bewirkt, demonstrieren Towell/Tomlinson (1999) in ihrer Evaluation eines Französischprogramms an einer britischen Universität. Mit Hilfe von Umfragen und Tagebüchern zeichnen sie ein positives Bild der studentischen Wahrnehmung, allerdings sind auch hier die Interaktionsprozesse nicht Gegenstand der Analyse.

Dass ein aufgaben- und inhaltsbasiertes Konzept für Englischkurse an einer japanischen Universität den individuellen Interessen der Lernenden entgegenkomme, resümiert Lingley (2006). Mit seiner Studie reiht er sich ein in eine Gruppe von Arbeiten, die zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen. So zieht Pinner (2013) als Resultat einer Umfrage unter Studierenden aus CLIL-Kursen an einer japanischen Universität den Schluss, dass die Lernenden vor allem aufgrund der Inhalte das Klassenraumgeschehen als authentisch empfunden hätten. Nach ihrer Erfahrung mit CLIL-Kursen, so Pinner, werde grammatiklastiger Englischunterricht von den Studierenden mehrheitlich abgelehnt und auch künftig ein lernerzentriertes und inhaltsbasiertes Vorgehen eingefordert. Vergleichbare, optimistisch stimmende Ergebnisse zu aufgaben- und/ oder inhaltsbasierten Angeboten finden sich bei Cutrone/Beh (2014); Murphey (1997); Nunn (2006); Sampson (2010) und in mehreren der von Thomas/Reinders (2015) zusammengestellten Projekte. Als eine der wenigen Studien, die Daten aus der unterrichtlichen Interaktion einbeziehen, analysiert Stone (2012) den aufgabengestützten Austausch japanischer Studierender und zeigt dabei, wie wichtig interpersonale Beziehungen für die Performanz und den Erfolg der Aufgabenbearbeitung sind.

Insgesamt lässt sich festhalten: Bisherige Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass mit aufgaben- und inhaltsbasierten Kursangeboten auch in Japan bzw. Ostasien positive Lerneffekte einhergehen können. Die sprachliche Entwicklung wird gefördert und auch die Wahrnehmung der Lernenden spricht keineswegs gegen eine Einführung solcher Ansätze in diesem kulturellen Kontext. Allerdings, und diese Einschränkung ist gerade vor dem Hintergrund des hier untersuchten Unterrichts bedeutsam, profitieren davon anscheinend vor allem Lernende jenseits des Anfängerniveaus (vgl. Übersicht bei Lai 2015).

Es ist also durchaus mit negativen Effekten zu rechnen, wenn man die curriculare Umgestaltung zu ambitioniert vorantreibt. Diese werden von mehreren empirischen Studien beschrieben. Die Arbeiten von Watson Todd (2006) sowie McDonough/Chaikitmongkol (2007) in Thailand beispielsweise führen vor Augen, wie die Umstellung auf ein konsequent aufgabenbasiertes Konzept Abwehrreaktionen auf Seiten der Lernenden hervorrufen kann. Beide Arbeiten plädieren daher für einen Ansatz, der Elemente eher traditioneller Unterrichtsformen und Phasen aufgabengestützten Lehrens und Lernens miteinander kombiniert. Eine in diesem Sinne abgeschwächte Variante der Innovation untersucht auch Ikeda (2013). Der Fokus liegt dabei auf einem fach- und sprachintegrierten Kursangeboten für Lernende an einer japanischen Oberschule. Die Analyse richtet sich zum einen auf die schriftlichen Fertigkeiten und kommt zu dem Ergebnis, dass sich in den Essays der Lernenden eine positive Entwicklung bei Flüssigkeit und Komplexität des L2-Sprachgebrauchs (Englisch) abzeichnet, während sich bei der Korrektheit keine Verbesserungen konstatieren lassen. Damit bestätigen Ikedas Resultate den in Kap. 2.4.3 diskutierten Forschungsstand. Zum anderen nimmt diese Studie mit Hilfe von Umfragen, Interviews, Portfolios und Beobachtungen aber auch die unterrichtlichen Prozesse und Sichtweisen der Beteiligten in den Blick. Hierbei zeigt sich einmal mehr, dass die Lernenden die kognitiven Herausforderungen, den Zuwachs an inhaltlichem Wissen und die Verbesserung ihrer kommunikativen Fertigkeiten als Vorteile empfinden. Ikeda führt zudem aus, dass der Erfolg des Konzepts sehr stark von einer gezielten Vorbereitung der Lehrenden für diese Form des Unterrichts abhänge.

Damit verweist diese Studie auf eine zentrale Problematik, die in Arbeiten zum aufgabenbasierten bzw. fach- und sprachintegrierten Unterricht im ostasiatischen Kontext immer wieder genannt wird: Neben institutionellen Barrieren wie bestimmten Prüfungsformaten, großen Klassen oder der Tradition des Frontalunterrichts kommt dabei immer wieder die Rede auf die Lehrenden (Adams/Newton 2009; Butler 2011, 2017; Harada 2017). Wir wissen aus zahlreichen empirischen Studien, dass sich die Einstellung der Lehrpersonen zu ihrem Fach und ihrer Rolle im Lernprozess unmittelbar auf verschiedene Aspekte des Unterrichtsgeschehens auswirkt, die Motivation der Lernenden beispielsweise (vgl. Dörnyei/Ushioda 2011:79; Sakai/Kikuchi 2009; Zhang 2007), das Klassenraumklima oder die Interaktionsformen (siehe dazu Kap. 4).

Wie Breen (1989) bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Diskussionen um aufgabenbasiertes Lehren und Lernen ausführte, muss konsequent zwischen der Form einer Aufgabe (task as workplan) und ihrer Umsetzung im Unterricht (task as process) unterschieden werden. Zunächst wurde diese Abgrenzung vor allem mit Blick auf die Lernenden getroffen, doch sie hat natürlich für Lehrende nicht weniger Relevanz: dieselbe Aufgabe kann von Lehrpersonen sehr verschieden in unterrichtliches Handeln übersetzt werden (siehe z.B. Calvert/Sheen 2015; McDonough 2015; Samuda 2015). Und auch für fach- und sprachintegrierte Ansätze liegen vergleichbare Studien vor, die verdeutlichen, weshalb den einzelnen Lehrenden bei der Umsetzung innovativer Vorhaben eine zentrale Funktion zufällt (z.B. Cammarata 2010; Lo 2014, 2017; Pessoa et al. 2007).

Die Arbeit von Schütterle/Hamano (2018) halte ich in diesem Zusammenhang für besonders aussagekräftig. Die beiden Lehrer legen in einer autoethnografisch angelegten Arbeit am konkreten Beispiel eines Deutschprogramms an einer japanischen Universität sehr eindrücklich die Schwierigkeiten offen, auf die sie bei der Implementierung einer konsequenten Variante des aufgabenbasierten Unterrichts (analytischer Syllabus) stießen. Sie thematisieren die Irrwege und Erfolge, mit denen sie während dieses Prozesses konfrontiert wurden, wobei immer wieder erkennbar wird, von welch essenzieller Bedeutung die Lehrphilosophien der beteiligten Lehrenden sind. So ergaben sich zum Beispiel dann Probleme bei der Umsetzung, wenn Unterrichtsentwürfe von anderen Lehrenden einfach übernommen wurden, ohne zuvor gemeinsam die hinter der Aufgabenauswahl und -anordnung liegende pädagogische Idee besprochen zu haben. Zugleich wird an der Studie von Schütterle/Hamano greifbar, dass aufgabenbasierter Unterricht hohe Ansprüche an die Flexibilität und auch Kreativität von Lehrenden stellt.

Letztlich ist diese Studie ein überzeugendes Plädoyer für eine von den vor Ort tätigen Lehrenden eigenverantwortlich geplante und zugleich systematisch erforschte Implementierung einer pädagogischen Innovation. Sie macht an einem konkreten Beispiel nachvollziehbar, wie eine kontextsensitive Integration von aufgabenbasierten oder auch fach- und sprachintegrierten Konzepten in Ostasien aussehen kann (vgl. dazu auch Butler 2017, Murphey 1997). Und genau dieser Anspruch folgen auch die Forschungen im Umfeld des Intensivprogramms für Deutschlandstudien an der Juristischen Fakultät der Keio Universität, die ich – dieses Kapitel abschließend – im Folgenden überblicksartig darlegen möchte.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.