Kitabı oku: «Das große Hochstapeln», sayfa 7
14. Kapitel
Die große Projektwende
Bevor wir den Palast des Pharao erreichen, durchqueren wir im Streitwagen die mondänen Vororte für die höhere Schicht. Ich bin selten hier, höchstens mal dienstlich. Mehrere Kontrollpunkte mit bewaffneten Wachmannschaften sind zu passieren, um das auserwählte Gelände betreten zu dürfen. Im Umfeld des Palastes wohnen die hohen Staatsbediensteten, die Astrologen und Politologen und die Leibärzte des Pharao. Auch die Wesire und die hohen Priester wollen in diesem Viertel mit individueller Architektur ihre Positionen bei Hof unterstreichen. Mittels Anwesen befinden sie sich im stetigen Wettbewerb; wer hat das größte und schönste Haus. Eine neureiche Kaste von Geldverleihern ist gerade dabei, sich in diesem mondänen Wohnviertel spektakulär zu etablieren. Man ahnt den ungeheuren Wohlstand, wenn man an den neu erschlossenen Grundstücken vorbeifährt. Allein schon der Blick auf den Rohbau der neu entstehenden Stadtvillen bestätigt die These, dass sich die Geldverleihung lohnen muss. Straßen und Wege sind in einem vorzüglichen Zustand. Sie sind eingesäumt von hohen Palmen und prächtig blühenden Sträuchern. Überall sieht man nützliche Kriegsgefangene, die sich um eine bemerkenswert nachhaltige Landschaftspflege kümmern. Es gibt Streitwagenhaltestellen und Papyruskörbe an den Wegerändern. Eine normale Stadtrundfahrt hätte ich sehr genießen können. Doch schnell kommen wieder die realen Ängste, denn das hier ist keine Vergnügungsfahrt.
Jetzt können wir den Haupteingang zum Pharaopalast erkennen. Die Zuführung durch die Soldaten wird bald beendet sein. Was wird bald wohl noch beendet sein? Die Mitwirkung am Projekt, die berufliche Karriere oder gar das Leben? Im Streitwagen herrscht Stille. Unsere Sinne und Nerven sind zum Zerreißen angespannt. Gefesselt haben sie uns nicht und ein Haftbefehl liegt nicht vor. Es bleibt ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass das Ärgernis überschaubar bleibt.
Wir betreten die Vorräume zum Audienzsaal. Diener wischen uns den Straßenstaub vom Gesicht und bieten uns Kämme an, um die vom Fahrtwind zerzausten Frisuren in Ordnung zu bringen. Eine gespannte Atmosphäre herrscht in den Räumen. Es ist jetzt soweit, die Tür zum Audienzraum öffnet sich, wir treten gemeinsam vor den Pharao und fallen auf die Knie. Cheops fragt mit gelassen ruhiger Stimme: „Kennt ihr die Sportart, wo es darum geht, kleine weiße Bälle in ein Erdloch zu schlagen? Ich würde das gern mit euch gemeinsam machen“. Seine Augen zeigen keinerlei Spuren von hinterhältiger List. Niemand ist in der Lage, zu antworten. Wir verstehen die Frage und die Situation nicht. „Was ist los, warum bekomme ich keine Antwort? Ihr könnt jetzt aufstehen.“
Cheops geht zu einem Tisch mit einer großen Landkarte und winkt uns heran. „Meine Herren, die Karte zeigt den Nahen Osten.“ Er tippt mit seinem rechten Zeigefinger auf eine bestimmte Stelle der Karte. „Hier, gleich hinter meiner Sommerresidenz, befindet sich eine wunderbare Golfplatzanlage. Dort kann man in herrlicher Umgebung, bei frischem Meereswind und einer großen Auswahl an leckeren Cocktails die Sportart bestens betreiben.“ Wir sind alle fassungslos. Echt-Natron fängt sich zuerst und stottert fast im Flüsterton: „Wir wollten schon immer mal diese populäre Sportart betreiben, aber die Projektaufgabe seiner pharaonischen Sonnengleichheit fesselt uns Tag und Nacht an die Reißbretter.“ Cheops unterbricht ihn und bestimmt: „In drei Wochen führe ich den ersten Bauherren-Jour-fixe auf dieser Anlage durch“. „Mit uns?“ fragt San Rah vorsichtig. „Mit wem sonst?“ ist die Antwort des Pharao. Gleichzeitig bedeutet er mit einer Handgeste, dass wir Platz nehmen sollen. Seine Diener bringen schwere Tabletts mit Früchten und Getränken. „Ihr richtet euer Arbeitspensum in den folgenden Tagen so ein, dass ihr drei Tage, zuzüglich An- und Abreise, meiner Einladung nach Südmesopotamien folgen könnt“, bestimmt Cheops. „Eurer Fahrbereitschaft vom Streitwagendienst wird in den nächsten Tagen eine effiziente Route zur Reise mitgeteilt.“ „Es gibt ein paar Besonderheiten im assyrischen Straßenverkehr, die man beachten sollte. Oft nerven Straßenkontrollen die Reisenden bei Verstößen gegen die Verkehrsregeln. Unsere diplomatischen Beziehungen zum assyrischen Reich sind zwar gut, aber es wird immer schwieriger, Verkehrssünder wieder rauszuhauen. Auch hier werden eure Leute instruiert. Zum Zeitpunkt der An- und Abfahrt finden keine Sandstürme statt, sagen meine Astrologen. Die Reisekosten übernimmt die Staatskasse, ihr seid eingeladen“, legt er fest. Abschließend verlangt Cheops, dass wir uns auf den ersten Bauherrentermin gut vorbereiten sollen.
Zwei wichtige Entscheidungen seien getroffen. Zum ersten sei die Idee vom Wüstenwürfel vom Tisch. Cheops verlangt vom Architekten die Umplanung des Bauprojektes in eine Pyramide. Die Basismaße von 440 mal 440 Königsellen (2) für die Grundfläche und die Höhe der Pyramidenspitze von 280 Königsellen (2) sollen erhalten bleiben. Die Planung der Pyramide sei so zu gestalten, dass die Wirkung in der Landschaft alle bisherigen Prunkbauten der Vorgänger des Pharaos bei weitem übertreffe und diese dann zur Bedeutungslosigkeit verurteilt wären. Zum zweiten seien Konzepte zu erarbeiten, wie die vom Pharao vorgegebenen Hohlräume in eine Grabanlage für den Pharao umfunktioniert werden können. Beide Punkte seien unwiderruflich und müssen befolgt werden. Die Umplanungsaufwendungen der Architekten und der Bauabteilung sollen honoriert werden. Ein Angebot sei bis morgen dem Wesir für Städtebauangelegenheiten vorzulegen. Die Bauzeit werde dann angeglichen, wenn die neuen Entwürfe vorgelegt und vom Pharao bestätigt werden. Die Projektsteuerung werde von Cheops selbst instruiert und in die neue Aufgabenstellung eingewiesen.

Cheops bedeutet uns, sofort an das Werk zu gehen und beendet die Besprechung. Frau Notvertrete will noch voller Dankbarkeit und Erleichterung ihre Plätzchen anbieten, doch Cheops ist schon verschwunden. Wir sitzen wie versteinert in den Audienzpolstern und sind fassungslos. Der Wesir für Städtebauangelegenheiten kommt in den Audienzsaal und bittet uns in sein Arbeitszimmer. Wir nehmen an einem großen langen Konferenztisch Platz. Der Wesir beginnt mit den ihm übertragenen weiteren Erläuterungen. „An euren Gesichtern erkennt man die Verwunderung“, teilt er uns lachend mit. „Nun, der Sinneswandel seiner Hoheit ist durch eine dem großen Cheops widerfahrene Erscheinung erklärbar“, erläutert der Wesir. „Cheops ist eine wunderschöne junge Frau erschienen, die völlig widerstandlos durch alle Sicherheitseinrichtungen, Wachmannschaften und sonstige Hindernisse direkt zu Cheops vordringen konnte. Ihre Legitimierung war allein ihr außergewöhnliches Charisma und der stolze aufrechte Gang. Wir gehen davon aus, dass sie als Gesandte eines Götterwillens zur Projektveränderung erschienen ist. In ihrem Brustschmuck und auf dem Siegelring der rechten Hand erkannte Cheops eine auffällige Pyramidenform. Er verstand dieses Zeichen der Götter und befahl seinen Polizeioffizieren, die Bauleutegruppe, also euch, umgehend in den Palast zu bringen. Ein anderes wichtiges Zeichen, ein Zeichen der Götter der Trunksucht, ist ihm zeitgleich widerfahren. Ihr seid in göttlicher Inspiration in einer kleinen Bar in einer lauen Nacht der Trunkenheit verfallen und habt verlauten lassen, dass eine Nutzung des Projektes als Bestattungsanlage dem großen Pharao gewidmet werden könnte. Das Besondere daran ist, dass die Grabkammer weit über der Erde errichtet werden solle. Welch wundervoller Gedanke, Cheops war sofort begeistert. Die Nutzung der Lüftungskanäle der Grabkammer als Pilgerweg für den toten Pharao, um zu den Gestirnen zu fahren, ist ebenfalls sehr innovativ. Das ist eine absolute Neuheit in der Totengeschichte ägyptischer Herrscher. Also, die tolle junge Frau und ihr habt dem Pharao als Erleuchtungsträger die Sinne geschärft und den Willen der Götter eindrucksvoll pflichtgemäß überbracht. Cheops hat deshalb angewiesen, euch und die junge Frau reich zu beschenken. Die Einladung, in seine Residenz zu kommen, ist erst der Anfang.“
Unsere Kinnladen hängen kraftlos in den Kiefergelenken. Wir sind immer sprachloser und haben erhebliche Schwierigkeiten, die neue Situation zu begreifen. Wir fragen den Wesir, wie Cheops Kunde von unseren Entgleisungen, oder besser gesagt, den göttlichen Visionen, aus der Bar erfahren habe. Wir fragen ihn weiter, ob er weiß, wo man die junge schöne Frau antreffen könne. Der Wesir zuckt die Schultern und antwortet diplomatisch, dass der Zuträger aus der Bar nicht mit Namen genannt werden wolle, man habe Verschwiegenheit vereinbart und will dies respektieren. Die junge Frau habe eine hübsche Wochenendresidenz am Stadtrand von Memphis erhalten und wohnt dort bereits. „Ihr Name ist äähhh … Schi heil … oder Schi bruch … oder so ähnlich, der Wesir wisse es nicht so genau.“ „Heißt sie vielleicht Schi Tot“, schreie ich in den Raum. Pause. Ich kriege kaum noch Luft, mein Puls ist am Anschlag. „Ja, genau, Schi Tot ist ihr Name“, sagt der Wesir und kann meine Aufregung nicht nachvollziehen.
15. Kapitel
Wir finden die Fassung wieder
Die jetzt netten Soldaten bringen uns zum Grillplatz zurück. Hier sind wir wieder unter uns. Der Hund hat den Grill leer gefressen, liegt zufrieden im Schatten und wedelt mit dem Schwanz. Der Mann von Frau Notvertrete möchte eine Erklärung, er habe nichts verstanden. Echt-Natron senkt den Kopf, hebt die Hand und bedeutet ihm Schweigen. Keiner soll jetzt irgendetwas Sinnloses sagen. Stille ist jetzt angesagt, fühlen wir alle. Der Hund hält sich bereits daran, selbst sein Schwanz wedelt nun nicht mehr. Wir genießen den Moment der entspannenden Ruhe.
Vor Jahren hatte ich mir ein Pulvergemisch aus Mandragora, Schlafmohn, ägyptischem Bilsenkraut und getrocknetem Stechapfel in die Nase gezogen. Ein windiger Typ einer Installationsfirma hatte mir das Gemisch geschenkt, um seine Firma bei meinen weiteren Projekten in guter Erinnerung zu behalten. Nun, in Erinnerung ist mir geblieben, dass meine Sinne schwerelos in alle Richtungen davonflogen. Alles wurde heller und farbiger. Ein angenehmer Singsang lag in der milden süßlichen Luft. Die an mir vorbeifahrenden Streitwagen hatten keine Räder, sondern Kufen, so wie die üblichen Transportschlitten für Schwerlasttransporte auf den Baustellen Ägyptens. Sie schwebten alle in der Luft. Die Streitwagenlenker waren mit dicken roten Mänteln und Mützen bekleidet. Lange weiße Bärte wehten im Fahrtwind in ihren Gesichtern. Sie schwangen Peitschen, trieben damit seltsame Pferde mit stark verzweigten Hörnen an und riefen immerzu „Hohoho Hoho“. An manchen Streitwagen hingen am Ende der Kufen kleine weiße durchsichtige Kinder mit Flügeln, die sich offensichtlich bestens vergnügten. Ihr lautes Lachen vermischte sich mit dem hellen Läuten tausender goldener Glöckchen, die um die Hälse der merkwürdigen Pferde befestigt waren. Es war wundervoll mystisch, verstärkt auch durch musikähnliche langgezogene Tonreihen, die man nur mit Fausthandschuhen spielen kann. Dann wurde mir übel, ich musste mich übergeben. Mein Hausschamane erklärte mir später auf Nachfrage meinen Zustand. Die eingenommenen Substanzen würden sich mit meinem Blut vermischen und im Hirn rauschähnliche Bilder hervorbringen, die in meinem Unterbewusstsein durch Erfahrung und Charakter fest gespeichert sind. Er ergänzte, dass derartige Erlebnisse meist freudlos auftraten. Wie auch immer, ich hatte damals das Gefühl, dass dieser Rausch nach Abklingen der Übelkeit kein Gift war, sondern ein Geschenk.
Genau jetzt befinde ich mich in einem ähnlichen Zustand. Trancehaft sinniere ich über die wesentlichen Aspekte der sich überstürzenden Ereignisse. In der Tat, es soll ein Grabsteinhaufen in Form einer Pyramide entstehen. Der Pharao lässt uns nicht hinrichten, sondern lädt uns zu einem Spiel ein. Das ist irre. Aber, dass Schi Tot wieder im Lande ist und ich davon so nebenbei erfahre, beginnt mich ein wenig zu erzürnen. Der Wesir schilderte mit überschwänglicher Begeisterung, sie sei wie ein Pfau in den Pharaopalast stolziert, hätte sich künstlich drapiert, um die Augen der Männer zu verdrehen. Sie hat sich in listiger Absicht verstellt und verleugnet. Doch halt, vielleicht hat sie auch unser Leben oder zumindest unsere Reputation gerettet? Ich bin viel zu durcheinander, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ich möchte jetzt gleich zu ihr. Ich will erfahren, was passiert ist. Ich frage Echt-Natron, ob ich gehen darf, ich hätte eine für mich wichtige Angelegenheit zu klären. Echt-Natron lacht mich an und ermutigt mich: „Ja geh zu Schi Tot, umarme und herze sie. Schließlich verdanken wir ihr alle, dass wir mit einem Schlag keine Baukostenprobleme mehr haben. Sie ist großartig“.
Starken Schrittes und fest entschlossen erreiche ich Echt-Natrons Wassergrundstückseingang. Ein Streitwagen fährt vor, obwohl ich keinen bestellt habe. Der Lenker steigt aus und fragt mich, ob ich wüsste, wo die Bauleute zu finden wäre. Er könne sich an mich wenden, ich gehöre dazu, teile ich ihm mit. Der Streitwagenlenker stellt sich vor. Sein Name ist Tack Si, eigentlich müsste ich ihn kennen. Belustigt fragt er nach, ob wir ausgenüchtert wären. Er erinnere sich an ein abendliches Gelage in der Tanzbar. Er hätte uns alle nacheinander nach Hause gefahren und obskure Dinge zu Bestattungsritualen im Todesfalle des Cheops vernommen. Auf diese Weise hat Tack Si erfahren, wie pietätlos wir Totenzeremonien erfanden und uns dabei vor Lachen bogen. Nachdem er uns alle zu Hause abgeliefert hatte, begann ihn sein schlechtes Gewissen zu plagen, denn er hatte den Architekten allein in die Dunkelheit torkeln sehen.
Also ist er zurück, den scheinbar Hilflosen suchen zu gehen. Auf einer Bank einer Streitwagenhaltestelle unweit von der Bar hat er ihn ziemlich angeschlagen gefunden und nach Hause gefahren. Unterwegs hat San Rah ihm das Versprechen abgenommen, dafür zu sorgen, dass er die gleiche Bestattung bekäme wie sein Pharao mit dem geplanten Wüstenwürfel. Schließlich hätte sein Kollege Imhotep, zwar etwas bescheidener als sein Herrscher, eben auch eine prunkvolle letzte Ruhestätte erhalten.
Als Angestellter der königlichen Fahrbereitschaft fühlte sich Tack Si verpflichtet, die Eingebungen der betrunkenen Bauleute seiner Dienststelle zu melden. Über die herkömmlichen Kanäle in der Beamtenhierarchie wurde auch Cheops informiert. Der Lenker erlebte am eigenen Leib, dass Cheops nach dieser Information ausnehmend gute Laune bekam und in Erwägung zog, dass der Wüstenwürfel als seine Grabstätte gebaut werden soll. Ebenso erfuhr der Lenker, dass die betrunkenen Bauleute ob dieser Nutzungsidee reich beschenkt werden sollen. Stünde ihm nicht als einfacher Angestellter auch ein Anteil der Beschenkung zu? Das Stückchen Kuchen aus der königlichen Küche als Belohnung für seinen inoffiziellen Mitarbeiterbericht stellte nun wahrlich kein Äquivalent seiner Treue zum Arbeitgeber dar. Denn ohne seine Indiskretion käme auch kein Reichtum zu den Bauleuten. Tack Si grinst verlegen, faltet seine Hände symbolisch für den Geldempfang und murmelt die fast schon philosophischen Worte: „Gelderwerb kenne bekanntlich kein schlechtes Gewissen“. Erleichtert ist mir sofort klar geworden, dass in unserer Gruppe kein Maulwurf tätig war. Das ist eine gute Nachricht. Trotzdem bin ich hin und her gerissen. Einerseits hat Tack Si mit der Weitergabe der Information eine glückliche Projektwendung initiiert. Anderseits, grenzt seine Forderung nicht an Erpressung? Als ich ihn moralisch mit seinem Ansinnen konfrontiere, schaue ich in ein enttäuschtes Gesicht. Ich stelle in Aussicht, dass wir seine Dienste anderweitig honorieren werden. Denunziation jedoch würden wir nicht dulden. Scherzhaft füge ich noch den Vorschlag hinzu, Tack Si solle einen Erpresserlehrgang besuchen. Seine Vorgehensweise stellt für uns keine Drucksituation dar. Sein amateurhaftes Verhalten ist einfach nur lächerlich. Ich biete Tack Si an, mich sofort nach Memphis zu bringen. Das wäre dann ein Teil der Wiedergutmachung. Er willigt verunsichert ein und wir brausen los.
16. Kapitel
Die unvollendete Reise in den Südsudan
„Komm rein“, sagt Schi Tot. „Lass die Sandalen an, der Boden ist pflegeleicht, Verschmutzungen daher kein Problem.“ Auf dem Weg zu ihr habe ich hunderte Szenarien durchgespielt, wie unser Wiedersehen ablaufen würde. Diese nüchterne Aufforderung an der Haustür war nicht dabei. Grundsätzlich gestatte ich mir nicht, Erwartungen an andere zu stellen. Meine Erfahrung besagt, dass dies oft mit Enttäuschungen verbunden ist, wobei Enttäuschungen grundsätzlich nichts Schlechtes sind. Die Täuschung hört auf, ist das Signal aus der Sprache. Richte dich darauf ein, ist die tangierende Botschaft. Das sei rational, lernte ich in meinem Beruf und von einem guten Freund. Gewinnen allerdings Gefühle die Oberhand, wird die Ratio in den einstweiligen Ruhestand geschickt, dann sind solche Begrüßungen einfach nur gruselig. Ich bemühe mich, meine Verzweiflung mir nicht anmerken zu lassen. Auch Schi Tot wirkt nervös. Sie zeigt mir ihr neues Heim und ist besonders glücklich über den großen hellen Werkstattraum. Sie sei erst dabei, sich einzurichten und spricht über die kommenden Anstrengungen bei Auswahl und Besorgung der Wohn- und Arbeitskomponenten. Sie könne unbegrenzt ihre Bedürfnisse zur Schaffung einer genehmen Arbeitswelt mit einer individuellen Wohnstruktur verbinden, wurde ihr nach ihrer unglaublichen Audienz bei Cheops versichert. Das Grundstück, mit dem in einem tadellosen Zustand befindlichen großzügigen Haus, wurde ihr zugewiesen. Sie erzählt, dass sie nicht vorhabe, den kleinen Künstlerladen im Zentrum von Memphis zu schließen. Sie plant auf Grund der exzellenten Möglichkeiten, ihr Angebot und die Vielfalt der selbst entworfenen Produkte zu erweitern und auch hier in dieser mondänen Gegend eine weitere stilvolle Filiale zu eröffnen. Eher beiläufig fragt sie mich, ob ich ihr bei der Umsetzung der Ladenpläne mit meinem Fachwissen helfe. Sie blickt mich bei dieser Frage nicht an, sondern spricht in den Raum. Nach einer kurzen Weile antworte ich betont gelassen: „Mal sehen“. Unsere Blicke treffen sich. Sie weiß nicht, wieviel Kraft und Überwindung diese Antwort mich gekostet hat. Zu groß ist der Schmerz, über ihre Rückkehr nach Memphis nur zufällig vom Wesir für Städtebauangelegenheiten erfahren zu haben.
Ich fasse allen Mut zusammen, greife nach ihrer Hand und ziehe sie behutsam zu mir. Sie lässt es zu. Ich lege den rechten Zeigefinger auf meine Lippen. Sie versteht das Zeichen, dass nun nicht gesprochen werden soll. Jetzt steht sie vor mir. Wir schauen uns an und suchen in unseren Augen den Weg zur Umarmung. „Komm schon“, lacht sie nun, die starre Situation auflösend, „ich bin auch wegen dir zurückgekommen. Glaube mir, drei Kamelstunden in die Wüste haben schon gereicht, um über eine sofortige Rückkehr nach Memphis nachzudenken“. Die Umarmung ist eine Offenbarung. In mir spielen ganze Heerscharen von Fanfarenbläsern alle nur möglichen Oktaven rauf und runter. Ich spüre wohlige Wärme in meinen Händen und in meinem Gesicht, gefühlt mehrere hundert Grad. Erleichtert und beschwingt frage ich sie, „wieso das drei lange Stunden gedauert hat?“ Sie lacht zurück und sagt: „Normal dauert das Jahre, da bist du mit drei Stunden ziemlich ungeduldig“. Ich fühle mich jetzt großartig, wie in einer betörend anderen Welt. Keine furchtbaren Strafen des Auftraggebers für unsere alkoholisierten Eskapaden, die Freundin ist zurück mit einer sehr herzlichen und innigen Umarmung. Und schließlich die Herausforderung des Projektes einer riesigen Pyramide, die meine ganze Kompetenz und engagierte Energie beanspruchen wird. Echt, in diesem Moment bin ich glücklich. Um auch die letzte Ungewissheit auszuräumen, erkundige ich mich nach eventuellen anderen Gründen für ihre Rückkehr. Statt einer Antwort nimmt sie mich bei der Hand und drückt mich auf einen bequemen Divan. Wir sitzen in einem Raum, der durch seine vorzügliche Ästhetik besticht. Ein Geruch von fabrikneuem Mobiliar liegt in der Luft.
„Also, höre mir zu“, beginnt sie zu antworten. „Die Karawane in den Südsudan machte den ersten Halt an einer Raststätte, die von sesshaften Beduinenfamilien bewirtschaftet wird. Die mitgereisten Fußballanhänger setzten diesen Halt durch, weil vor Freude auf ein großes Fußballspiel ordentlich gefeiert wurde. Die Raststätten auf den Verkehrshauptadern Ägyptens, hier in diesem Fall der Nord – Südroute, sind auf diese Anstürme bestens vorbereitet. Die Betreiber planten vorausschauend und nachhaltig, so dass die Kapazitäten der sanitären Anlagen der Menge der feiernden Schlachtenbummler standhielten. Ich nutzte die Pause in dieser Selbstbeduinenraststätte und deckte mich mit Proviant ein“, berichtet Schi Tot. „Ein wenig Zeit bis zur Abreise blieb mir noch. Ich entschloss mich, hinter der Raststätte in einem ruhigen und schattigen Dattelhain eine ausgewiesene Frauenhängematte zu einem kleinen Schläfchen zu nutzen“, berichtet Schi Tot. Sofort sei sie eingeschlafen. Im Halbschlaf sah sie sich noch auf der Weiterreise. Ihr Leihkamel beschleunigte die Reisegeschwindigkeit so heftig, dass sie sich ängstlich um den Hals des Tieres klammern musste. Und jetzt wird die Geschichte merkwürdig. „Ja, lieber Freund, nun geschahen Dinge, die ich dir nicht erklären kann. War es nur ein Traum? Oder war es eine Mischung aus Traum und Wirklichkeit? Ich war plötzlich an einem Ort, den man schlecht beschreiben kann“, fährt Schi Tot mit ihrer Erzählung fort. „Das kann nicht die Heimat der Nubier sein, nein. Dazu waren das Licht, der Duft und die Bewohner des Ortes viel zu anders. Ein freundlicher älterer Herr, mit dem Namen Albert hat mich empfangen und mir fantastische Dinge übermittelt und aufgetragen. Da waren schwierige Rechen- und Geometrieaufgaben, da war von der Drittelung eines geometrischen Würfels die Rede, um die Budgeteinhaltung abzusichern und da war diese neue Polyederform einer Pyramide, die das Ergebnis einer mathematischen Berechnung wurde. Das hat mir Albert alles erläutert und versprochen, dass all das, was ich jetzt höre und sehe, intuitiv in mein künstlerisches Schaffen einfließen wird“, führt Schi Tot weiter aus. „Und tatsächlich, wie von alleine sprudelten meine Gestaltungsideen für die Inszenierung der Pyramide auf zwei Schmuckstücken nur so aus mir heraus. Es war alles ganz leicht, ich hatte keine Mühe und keine Zweifel.“ Schi Tot unterbricht ihren Bericht und öffnet das obere Schubfach einer in der Nähe stehenden prächtigen Kommode. Sie winkt mich heran und legt ein Leinentuch beiseite. Ich erkenne eine flache Schatulle aus dunklem Holz, die Schi Tot nun vorsichtig öffnet. Fassungslos schlage ich die Hände über meinem Kopf zusammen und erstarre beim Anblick dieses blendend schönen Schmuckstückes. Ein Kunstwerk, da bin ich sicher. Ich übermittle Schi Tot gern diese ehrliche Beurteilung. „Und dann noch die Zeremonie der Überbringung der Pyramidenidee, ein echter Hingucker, meine Kleidung, die Kosmetik und mein Duft. Sämtliche Wacheinheiten an den verschiedenen Kontrollposten vor und im Palast hielten sich an ihren Lanzen fest, um nicht umzufallen. Keiner war im Stande, mich aufzuhalten. Keiner stellte irgendeine Frage zum Zweck meines Einlassbegehrens. Alle waren wie erstarrt und wichen sprachlos zur Seite. Wie ein heißes Messer durch Butter gelangte ich zu Cheops. Gut, die letzten entscheidenden Meter wurde ich von einem starken Wachsoldaten getragen, aber sonst bin ich ziemlich einfach zum Pharao gelangt. Er selbst versuchte seine staatsmännische Haltung zu bewahren. Es gelang ihm aber nicht. Er zeigte nur auf meinen Brustschmuck, wohlgemerkt nur auf den Schmuck, und rief sogleich euphorisch, dass es entschieden sei. Die junge Frau vor ihm bringe die Erleuchtung und sei ab sofort als von den Göttern auserwählt zu betrachten. Sie genieße seinen persönlichen Schutz. Cheops holte seine Diener und ein paar Staatssekretäre zu sich und befahl, dass ich ab sofort Ehrenmitglied der Palastwache bin. Ich wäre die erste Frau, der diese höchste Ehrung widerfährt, erfahre ich wenig später bei der Aushändigung der Nutzungsvertragsunterlagen und bei Übergabe des Grundstückschlüssels. Dann hat man mich hierherfahren lassen und mein Einverständnis zur kostenfreien Übernahme dieses herrlichen Wohnsitzes erbeten.“
Schi Tot hält inne und bittet mich nach einer kleinen Pause, ihr Verhalten bei den Rückkehrmodalitäten zu respektieren. Eine starke unbekannte Kraft habe sie dazu getrieben, zunächst diese höchste Staatsangelegenheit zu regeln. Nun wäre sie wieder diese einfache bescheidene Künstlerin, die jetzt sehr froh sei, zuallererst ihren Freund in diese aufregenden Entwicklungen einzuweihen. Schmunzelnd fügt sie noch hinzu, wie praktisch es sei, dass sie als Freundin des Bauleiters beim Bauherrn einen Stein im Brett habe. Einen Pyramidenstein, wie sie scherzend ergänzt.
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