Kitabı oku: «Ferien, die bleiben», sayfa 2

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»Baby, aufstehen!«

Die schrille Stimme meiner Mom peitschte die Treppe hinauf, zerschmetterte die geschlossene Tür und schlug wie ein Donnerschlag in meinen Kopf ein.

»Ich bin schon wach«, grummelte ich leise.

»Hörst du, Schätzchen?«, schrie Mom erneut, da sie offenbar meine Antwort nicht gehört hatte.

»Ja!«, antwortete ich genervt und zog mir die Bettdecke über den Kopf.

»Das Bad ist frei, Baby«, rief jetzt auch noch Dad die Treppe hinauf, der im Gegensatz zu mir, wie immer gut gelaunt war. Dann latschte er in die Küche zu Mom.

»Guten Morgen! Konntest du nach diesem bösen Gewitter wieder gut einschlafen?«

Mom und Dad hatten so ein lautes Organ, das ich jedes einzelne Wort laut und deutlich hörte.

»Sagtest du einschlafen? Hör mir bloß auf. Kein Auge habe ich zu bekommen. Gott hat wohl eine wilde Party gefeiert. Schau mich an. Meine Augenränder sprechen für sich.«

Ohne es zu sehen, wusste ich genau, was sich zwischen Mom und Dad abspielte.

Mit einem tropfenden Abwaschlappen in der Hand, mit dem Mom soeben die letzten Gläser abgespült hatte, rannte sie erneut zur Treppe.

»Du siehst bezaubernd aus, wie immer«, rief Dad ihr nach.

»Hast du gehört, Baby, dein Vater ist fertig. Das Badezimmer wäre jetzt frei.«Moms Stimme ertönte erneut und wartete dann wohl auf meine Antwort. Statt zu antworten, strampelte ich wütend die Bettdecke fort.

Warum müssen meine Eltern immer so schreien? Sie könnten einfach die Treppe nehmen, sachte an meine Zimmertür klopfen und nicht durch das ganze Haus brüllen, dachte ich wütend.

»Baby?«

»Gottverdammt, ja Mom.«

Kopfschüttelnd schnellte sie zurück in die Küche.

»Und, ist Baby wach?«, fragte Dad nach.

»Unsere kleine Prinzessin ist schon wieder grundlos genervt. Vom wem hat sie das?«

»Ja, unser Baby hat sich verändert. Sie wird so schnell erwachsen.«

»Das Erwachsensein werde ich ihr noch austreiben. Da kannst du Gift drauf nehmen«, wetterte sie umher. Mom ließ das Wasser aus dem Spülbecken, drückte den Waschlappen aus und schlug ihn über den leicht tropfenden Wasserhahn.

»Unser Baby ist halt kein Kind mehr«, seufzte Dad. »Schön war die Zeit, als sie noch klein, lieb und artig war. Wie oft kam sie auf meinen Schoß, um zu kuscheln. Irgendwie vermisse ich das. Aber so ist der Lauf der Zeit. Denise wächst heran und auch wir werden älter, Anna Maria. «

Sie hört mir ja doch nicht zu, diese Person, dachte Ehrhard, sprach es aber nicht aus. Mom war schon wieder auf dem Weg zur Treppe.

Dann beruhigte ich mich und grübelte. Trotz der anstrengenden Nacht konnte es dennoch ein guter Morgen werden, wäre nicht diese eine Sache. Der bevorstehende Urlaub. Wie alle Sommerferien verbrachte ich den Urlaub mit meinen Eltern. Diesmal war es eine Woche Italien. Ich hasste es, genauso wie ...

»Baby, nun los, wir wollen frühstücken.«

Seitdem ich mich erinnern kann, nannten mich meine Eltern Baby. »Baby, räume dein Zimmer auf. Baby, mach dieses. Baby, mach jenes.« Was sollte das? Zum Kuckuck ich war kein Kind mehr. Ich war erwachsen. Hallo, immerhin bin ich siebzehn, fast achtzehn. Ich war gefangen in einem goldenen Käfig.

Viele meiner Klassenkameraden tummelten sich ständig auf Partys herum. Rauchten, tranken Alkohol, hatten vielleicht sogar schon Sex. Jedenfalls prahlten einige von ihnen damit, was für ein großartiges Wochenende sie hatten. Toll! Und ich? Dank meiner konservativen Eltern durfte ich nichts. Nicht auf Partys, keinen Alkohol, nicht rauchen, einfach gar nichts. Wer oder was bin ich eigentlich? Ich bin nur die gut erzogene Tochter eines Pfarrers und einer leitenden Oberschwester eines Krankenhauses. Mehr nicht! Natürlich hatte ich alles, was ich mir vorstellen konnte. Ein eigenes Zimmer mit einem eigenen Fernseher und schöne Klamotten. Mein Vater las mir jeden Wunsch von den Lippen ab. Doch wirklich frei in meinen Entscheidungen war ich nicht. Es gab Regeln, die es einzuhalten galt. Übernachtungen bei Freundinnen? Fehlanzeige! Ganz zu schweigen von Übernachtungen bei einem Freund. Ich war wohl die einzige Person auf dieser Welt, die als Jungfrau sterben wird.

Völlig erschöpft von der letzten Nacht, taumelte ich die Treppenstufen hinunter.

»Guten Morgen, Baby.«

Ich antwortete mit einer erhobenen Handgeste, ohne ein Wort der Höflichkeit. Es folgte ein »Hast du gut geschlafen?«, doch diese Worte prallten bereits gegen die von mir geschlossene Badezimmertür.

»Anscheinend nicht«, hörte ich nur Dad sagen.

Sailor Moon wäre in dieser Situation auch nicht besser gelaunt als ich und mein Spiegelbild. Ich betrachtete mich. Meine Haare waren zerzaust. Kein Wunder nach der Nacht, in der ich mich bestimmt tausend Mal hin und her gewälzt hatte. Eine Haarsträhne fiel mir ins Gesicht. Ich versuchte es mit wegpusten, doch ohne Erfolg. War das ein Pickel? Ich rückte näher an mein Spiegelbild und legte die Strähne hinter das Ohr. Tatsächlich, mitten auf der Stirn war etwas. Dann aber musste ich innerlich lachen, als ich den Irrtum erkannte. Ich konnte den Pickel mit dem Finger abwischen, der sich nun auf der Kuppe meines Zeigefingers befand. Ich betrachtete das Übel. Meine Vermutung bestätigte sich. Es war eine Leiche. Die Leiche einer zerquetschten Mücke. Hatte ich sie also doch erwischt. Mann, war ich gut! Sailor Moon wäre stolz auf mich. Ansonsten war ich mit meinem Spiegelbild zufrieden. Ich nahm meine Zahnbürste, hielt sie unter den Wasserhahn, benetzte sie mit ein paar Tropfen Wasser und strich die Zahnpaste darauf. Die Zahnbürste wanderte in meiner Mundhöhle umher, während ich zeitgleich meine Blase entleerte.

»Nicht doch!«, murmelte ich.

Angeekelt sprang ich auf. Igitt! Das Wasser aus der Toilettenspülung spritzte gegen meine Pobacken. Ich griff nach der Toilettenpapierrolle. Sie war leer. Typisch Dad. Och Mensch! Warum immer ich? Rasch zog ich mein Slip aus, der sich unterhalb meiner Knie befand, und wischte damit das Spülwasser von meinem Hintern ab. Leider musste dieser auch als Toilettenpapierersatz herhalten. Nur gut, dass ich nur klein musste. Nach einer sorgfältigen Begutachtung meiner gereinigten Zähne spülte ich die Zahnbürste aus und legte sie in den bereitgestellten Kosmetikbeutel, den Mom schon für die Reise vorbereitet hatte. Ernüchternd stellte ich fest, dass mein Shirt schon bessere Tage erlebt hatte. Es roch nicht besonders gut. Es müffelte nach Schweiß. Auch so eine unnötige Sache des Älterwerdens. Sowie die absolut überflüssige Menstruation, worauf ich gut und gerne verzichten könnte.

Es gab Zeiten, da konnte ich es nicht erwarten, endlich meine Tage zu bekommen. Das nächste Level zu erreichen, das vom Mädchen zur Frau. Tatsächlich war ich eine von den letzten Mädchen meiner Klasse, und es schien, als hätte mich Mutter Natur mich schlichtweg vergessen. Und das war es, was mich ärgerte. Ich wollte auch zu den Mädchen dazugehören, die schon ihre Tage hatten. Eine von ihnen sein. Nicht ganz so wie sie. Ich würde trotz meiner Periode und deren Beschwerden am Sportunterricht teilnehmen. Erst als ich bereits das sechszehnte Lebensjahr erreichte, war sie endlich da. Wie aus heiterem Himmel: Ich bekam endlich meine Tage. Aber jetzt wünschte ich mir, ich hätte sie nie bekommen. Die anfängliche Euphorie war verflogen. Ab jetzt war es nur noch lästig.

Was hatte sich die Natur dabei gedacht? Warum bekamen Jungs so etwas nicht? Was ist mit Gleichberechtigung? Verdammt! Erwachsen zu werden ist echt doof. Zusammen mit dem Slip legte ich das Shirt zu den anderen schmutzigen Sachen in den Wäschekorb. Barfüßig wartete ich leicht fröstelnd vor der geschlossenen Duschkabine darauf, dass der heiße Wasserdampf innerhalb der Dusche aufstieg, erst dann würde ich sie betreten. Ich hasste es, wenn nach dem Aufdrehen des Wasserhahns, minutenlang kaltes Wasser meine Füße benetzte. Nö, dann warte ich lieber, bis es schön heiß war. Allzu viel Zeit hatte ich allerdings nicht, da ich wusste, dass meine Eltern am Frühstückstisch auf mich warteten. Mit nassen Haaren, die nicht einmal ansatzweise abgetrocknet waren und nur mit einem großen Badehandtuch bekleidet, saß ich endlich am Küchentisch.

»Sorry«, entschuldigte ich mich für mein Zuspätkommen. Schweigend, schlecht gelaunt und müde harrte ich auf dem Küchenstuhl aus. Mit beiden Händen umklammert, starrte ich auf den Grund des Teeglases. Kleine Teeablagerungen tanzten umher, denen ich verträumt zusah.

»Also dein Gesicht spricht Bände«, stellte Dad fest. Mein Blick richtete sich auf.

»Wie meinst du das?«, wollte ich wissen.

»Dein Vater meint damit, dass du nicht glücklich aussiehst. So als würdest du den Urlaub schon jetzt hassen, bevor wir überhaupt losgefahren sind.«, antwortete Mom und sie wusste nicht, wie Recht sie damit hatte.

»Und Appetit scheinst du auch nicht zu haben. Zumindest eine Kleinigkeit solltest du zu dir nehmen.«

Ich atmete laut und schwer.

»Es ist noch so früh am Morgen, da habe ich halt keinen Hunger.«

»Aber irgendwas musst du essen, Baby. Ein Waffelbrot mit Erdbeerkonfitüre vielleicht? Ich mach es dir.« Mein Vater war schon im Begriff vom Stuhl aufzuspringen. Doch ich konnte ihn noch rechtzeitig bremsen.

»Nein, Dad, wenn ich etwas essen wollen würde, kann ich es mir auch selbst zubereiten. Ich bin keine sieben mehr.«

»Stimmt, aber wie siebzehn Jahre benimmst du dich auch nicht. Und warum sitzt du eigentlich hier halb nackt? Du hättest dir etwas Anständiges anziehen können.«

»Okay, okay!« Ich hob meine Arme, so, als würde ich mich geschlagen geben. »Dad, du hast Recht. Mein Vorschlag: Ich bereite mir Essen für unterwegs vor und wenn ich damit fertig bin, gehe ich nach oben und ziehe mich an.«

Dad nickte und stimmte damit meinem Angebot zu.

»Baby, deine nassen Haare tropfen den ganzen Fußboden voll«, warf Mom auch noch ein.

»Aha, den ganzen Fußboden. Ich verstehe.« Wutentbrannt stand ich auf. Der Stuhl hinter mir geriet ins Schwanken. »Planänderung. Ich werde mir kein Essen zubereiten, sondern ich gehe gleich nach oben, um mir die Haare abzutrocknen, bevor wir alle jämmerlich ersaufen.«

Genervt polterte ich die alte Holztreppe hinauf. Das Zuschlagen der Tür war in jeder Ecke des Hauses zu spüren. Aufgebracht schmiss ich mich auf das Bett und schwer atmend sprach ich leise ein Gebet.

»Lieber Gott, mach, dass der Urlaub ausfällt. Schick mir eine Seuche. Cholera oder Pest. Schenk mir Pocken oder Masern, aber lass um Himmelswillen die Reise ausfallen. Danke!«

Alles würde ich in Kauf nehmen, um nicht mit in den Urlaub fahren zu müssen. Eine Seuche käme mir gerade Recht. Ich ärgerte mich über die maßlos übertriebene »gut gemeinte« Erziehung meiner Eltern. Das ständige Bevormunden und diese nervige Stimme meiner ...

»Baby, ich mache dir ein Reisesandwich fertig. Was für einen Belag hättest du denn gerne?«

Mom! Denkt man an den Teufel, dann zeigt er sich. Oh Gott, sie nervt! Ich schnappte das Kopfkissen, drückte es mir ins Gesicht und schrie, so laut ich konnte.

»Mom!«, zog ich das Wort so lange, bis mir die Luft wegblieb.

»Bitte, ich habe es nicht verstanden.«

Ich zog das Kissen vom Gesicht und brüllte: »Käse, Mom, nur Käse.«

Mein Kopf wurde knallrot und drohte zu explodieren. Ich tobte vor Wut.

»Sagtest du Käse?«

»Ja!«, brüllte ich.

»Du musst nicht gleich so schreien.« Vermutlich schüttelte Mom ihren Kopf. »Na das kann ja heiter werden.«

»Sie wird sich schon beruhigen, alles wird gut«, hörte ich Dad sagen. Er versuchte Mom zu besänftigen.

»Hoffentlich. Dein Wort in Gottes Gehörgang.«

Nachdem die Küche in Ordnung gebracht worden war, arbeitete Mom ihre Urlaubscheckliste ab. Sie wollte keinesfalls etwas vergessen. Sorgfältig strich sie alle abgearbeiteten Dinge von ihrer Liste durch.

»Reiseapotheke, check! Papiere und Geld, check! Unterwäsche, T-Shirts, Hosen kurz/lang, Nachthemd/Schlafanzug habe ich …«

Dann wurde sie in ihrem Tun unterbrochen.

»Erhardt, es klingelt an der Tür«, rief sie durch das Haus, »…Sonnenmilch, Shampoo, Zahnbürsten, habe ich, ja, habe ich auch, dass auch. Ah, den Föhn muss ich noch einpacken.«

Erneut läutete es an der Tür.

»Wo steckt er denn wieder? Erhardt!«, fragte Mom laut und lief ins Badezimmer.

Natürlich hätte meine Mom selbst die Tür öffnen können, aber sie hatte etwas Wichtigeres zu tun.

»Erhardt!«

Moms Rufen wurde eindringlicher.

Ich stand vom Bett auf, lief zu meiner Tür, öffnete sie einen Spalt und lauschte. Wer konnte das sein? Besuch um diese Uhrzeit war sehr ungewöhnlich. Vielleicht war es Ronny, der mich überraschen wollte, um mir einen schönen Urlaub zu wünschen. Meine schlechte Laune wich. Verhext, wie sehe ich aus! Wenn Ronny mich so sieht, war mein erster Gedanke. Und ich hörte, wie Dad zu Tür eilte. Abermals klingelte es.

»Ich bin schon auf dem Weg«, versuchte er Mom zu beschwichtigen.

Enttäuscht fiel ich in den alten Gemütszustand zurück, als ich hörte, wer auf der anderen Seite der Tür stand. Es war Tante Henriette, unsere Nachbarin von gegenüber. Dann erinnerte ich mich. Sie sollte sich in unserer Abwesenheit um das Haus kümmern. Blumen gießen, Mülltonnen rausschieben und so weiter. Missgelaunt schloss ich die Tür. Tante Henriette war schwerhörig und redete deshalb sehr laut. Warum eigentlich? Weil sie ihre gesprochenen Worte selbst nicht hören konnte? Nun, keine Ahnung, ist auch egal. Ich hatte andere Sorgen. Meine Probleme häuften sich, damit auch meine Laune, die ohnehin schon auf dem Tiefpunkt war. Was sollte ich anziehen? Meine besten Klamotten waren bereits im Reisekoffer verstaut, stellte ich missgünstig fest, als ich vor dem geöffneten Kleiderschrank stand. Einen Slip, weiße Sneaker-Socken und ein passender BH in Körbchengröße C waren schnell zu finden. Ich betrachtete die restliche Auswahl meiner Kleidungsstücke, die sorgfältig im Kleiderschrank lagen. Nach einem kurzen Hin und Her, fiel die Wahl auf eine kurze schwarze Radlerhose. Dazu ein gelbes Trägertop mit Rundhalsausschnitt. So, fertig. Nur noch flott die Haare kämmen, zu einem Pferdeschwanz zusammenbinden und dann kann es losgehen. Die Freude stand mir ins Gesicht geschrieben, so, als gäbe es sieben Tage Regen. Nur langsam stieg ich die Treppe hinunter. Als ich unten ankam, war Dad bereits damit beschäftigt das Auto mit unserem Reisegepäck zu beladen.

»Da ist sie ja.«

»Hallo Tante Henriette«, sagte ich und die Umarmung war herzlich.

»Na, bist du schon aufgeregt?«

»Ein wenig, Tante Henriette, ein wenig«, antwortete ich laut. Mein Lächeln war nur aus reiner Höflichkeit.

»Baby, kannst du deinem Vater zur Hand gehen und die restlichen Sachen zum Auto tragen?« Und das war von meiner Mutter keine Bitte, sondern ein Befehl.

Ich gehorchte und befolgte die Anordnung meiner »bösen Stiefmutter«. Nein, natürlich war sie keine böse Stiefmutter. Mom konnte auch ganz nett sein. Leider nur manchmal. Wenn sie doch nur halb so viel nerven würde. Sie war immer so hektisch und alles musste sofort gemacht werden. Alles tanzte nach ihrer Pfeife. Also erledigte ich das, was sie mir befohlen hatte. Ich half Dad und trug zwei kleine Reisetaschen und eine Waschtasche zum Auto.

»So, Henriette, das Blumen gießen nicht vergessen und denke auch an die Blumen im Gästehaus. Die Mülltonnen bitte Donnerstagabend vor die Tür stellen. Ab und zu mal lüften.«

Ich schnappte mir die letzte Tasche, brachte sie Dad und setzte mich ins Auto. Dabei ließ ich die Tür auf, um nicht wie in einem Backofen gegart zu werden. Die aufgehende Sonne heizte den Innenraum unseres Autos langsam, aber stetig auf. Mom redete sich wieder in Rage. Sie unterhielt sich mit Tante Henriette so lautstark, dass sämtliche Nachbarn und wir nicht umhinkamen, Notiz von Ihnen zu nehmen und dass wir verreisen wollten. Und wie ich Mum kenne, sollten es auch alle mitbekommen. Mom liebte es, wenn sie im Mittelpunkt stand, im Gegensatz zu Dad, der an und für sich ein sehr ruhiger Zeitgenosse war. Und wie immer sollte ich Recht behalten. Die ersten Nachbarn traten schon vor die Tür, natürlich rein zufällig.

»Ach, ihr wollt verreisen?«, rief unsere Nachbarin. Sie stand am Gartenzaun und starrte neugierig zu uns rüber.

Unser Haus stand in einer gutbürgerlichen Wohnsiedlung. Alle Häuser hatten den gleichen Baustil. Keller, Erdgeschoss mit ausgebautem Dachgeschoss. Unter dem Dach hatte ich mein Zimmer mit angrenzenden WC. Es gab einen kleinen Garten vor dem und einen etwas Größeren hinter dem Haus.

»Ja, nach Italien. Italien ist so schön!«, rief Mom mit weit aufgerissenen Armen und schmiss sich in Pose. Jetzt waren alle anderen auch wach.

»Mom!«, ermahnte ich sie aus dem Auto heraus. Konnte sie nicht einfach die Klappe halten oder nur ein wenig leiser reden?

»Für zehn Tage.« Mom wurde immer lauter.

Was nicht stimmte. Sie übertrieb und rundete großzügig auf. Es waren nur acht Tage. Zum Glück.

Jetzt hatte sie das erreicht, was sie erreichen wollte. Alle Nachbarn im Umkreis von einem Kilometer wussten jetzt, dass wir nach Italien fahren. Für genau zehn Tage. Wie peinlich!

»Eure Tochter kommt auch mit?«, erkundigte sich unsere neugierige Nachbarin. Sie wollte Mom nun bestimmt ausfragen.

»Natürlich, meine Liebe. Es wird wie immer ein traumhafter Familienurlaub«, sagte Mom zunächst theatralisch, um dann so leise zu zischen, so dass nur ich sie hören konnte: »Neugierige Ziege. Mom stand mit Tante Henriette direkt neben mir. Das geschieht Mom ganz recht. Erst weckte sie alle mit ihrem Gebrüll auf, um sich dann im Nachhinein über die neugierigen Fragen zu beschweren. So war meine Mutter.

»Wo ist Denise eigentlich?«, fragte Mom schnell.

»Hier, direkt neben dir im Auto«, sagte ich leise.

»Sie sitzt bereits im Auto«, sagte Dad laut, sodass Mom es aufschnappte.

»Ach so!«

Dad war schon etwas ungehalten. Ihn packte das Reisefieber, war aber zu höflich, um die Verabschiedung zu beschleunigen, und ließ Mom ihren Spaß.

»Hier ist der Schlüssel Henriette, gut darauf aufpassen. In zehn Tagen sind wir wieder hier.«

»Acht Tage, Mom«, versuchte ich sie zu verbessern. Natürlich hörte Mom mir nicht zu. Tante Henriette nickte.

»Ach, hätte ich das gewusst, dass Sie verreisen, hätte ich auch Ihre Blumen gießen können, Frau Nachbarin.«

Das war zu viel. Entsetzt schaute Mom zur schaulustigen Nachbarin herüber. Es hätte nicht viel gefehlt und sie wäre in Ohnmacht gefallen. Sie war empört. Was nahm sich dieser ungebetene Zaungast heraus?

»Um Gottes willen nein«, schrie Mom ein Stoßgebet in den Himmel und stieg ins Auto.

»Erhardt, lass uns losfahren«, zischte sie Dad zu, der einen letzten prüfenden Blick zum Haus und zum Grundstück nahm, »Du weißt, wir haben eine lange Fahrt vor uns. Los, nun komm, steig endlich ein.«

Mom knallte die Beifahrertür zu. Dad wuchtete seinen Körper ins Auto, steckte den Schlüssel in das Zündschloss und startete den Wagen.

»Diese Person macht mich wahnsinnig«, fauchte Mom.

Dads Körpersprache sagte, dass nicht er es war, der hier den ganzen Verkehr aufgehalten hatte, sondern sie. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wären wir schon vor einer Viertelstunde losgefahren.

»Haben wir auch an alles gedacht? Hast du noch einmal nachgeschaut, Erhardt?«

»Ja, habe ich.«

»Den Mülleimer. Hast du ihn geleert?«

»Ja, Anna Maria.«

»Das Wasser abgestellt und alle Netzstecker gezogen?«

»Ja habe ich. Alle Elektrogeräte sind aus. Heizung, Herd, Kühlschrank. Fenster und Türen sind verschlossen. Und alle Lichter sind ebenfalls aus. Ich habe an alles gedacht.«

Dann nickte Mom zufrieden und schnallte sich an.

»Nun fahr endlich los, ich kann die Alte nicht mehr ertragen.«

»Wenn irgendetwas sein sollte, geben Sie mir Bescheid, Frau Nachbarin. Meine Telefonnummer haben Sie ja«, rief uns die Schnepfe von nebenan zum Abschied zu. Sie wusste ganz genau, wie sie Mom zur Weißglut bringen konnte. Und nur deshalb lächelte sie Mom so freundlich zu.

»Nein danke. Frau Henriette wird sich um alles kümmern«, schrie Mom aus der geöffneten Fensterscheibe heraus, als Dad endlich losfuhr.

Das war also der traumhafte Start in den Urlaub. Na, das kann ja was werden!

Kapitel 2

Unsere vorlaute Nachbarin beschäftigte Mom noch die ganze Autofahrt. Beide waren wie zwei Kampfhähne mit ihren aufgesetzten lächelnden Gesichtern. Ständig auf Konfrontation aus und jederzeit bereit der anderen ein Auge auszuhacken. Mom zog fast immer den Kürzeren. Sie könnte platzen vor Wut, wenn sie ein Ballon wäre.

Kauften wir uns neue Gartenstühle, gab es sofort neugierige Blicke der Nachbarin, mit den Worten: »Die sind aber schön, wo haben Sie die denn her? Über Quelle bestellt?«

Fünf Tage später standen die gleichen Gartenstühle im Nachbarsgarten.

Drei Wochen, nachdem wir unsere Küche renoviert hatten, stand vor ihrer Auffahrt ein Firmenwagen mit der Aufschrift, »Malermeister Pünktchen. Wir renovieren ihre Wohnung«.

Dad bestellte Außenjalousien für unsere Fenster und die blöde Schnepfe von nebenan hatte zwei Wochen später ebenfalls neue Jalousien. Mom könnte jedes Mal dabei eskalieren. Dazu stets diese dummen Kommentare unserer Nachbarin.

»Ach, Sie haben sich für die günstige Variante entschieden. Bei der Beratung hatten sie uns davon abgeraten. Wir haben uns für die Luxusvariante der Außenjalousien entschlossen. Na ja, es kann halt nicht jeder einen Mercedes fahren«, waren ihre Worte gewesen.

Ich könnte wetten, dass unsere und ihre Wohnungseinrichtung fast identisch waren. Und genau das machte es in Moms Augen so schrecklich, so dass sie sich tagelang darüber aufregen musste. Besser gesagt, sie regte sich tagelang darüber auf und wetterte Dad damit zu.

»Kannst du dir das vorstellen Erhardt, diese unmögliche Person bei uns im Haus. Sie soll unsere Blumen gießen? Oh mein Gott!« Ich hörte ein klatschendes Geräusch. Mom schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Das ist undenkbar. Lieber schmeiß ich alle Blumen weg und kauf mir nach dem Urlaub Neue.« Das war die Ruhe, was nun folgte, war der Sturm.

»Sie würde in jedem Zimmer, in jeder Ecke, in jedem Schrank, in jeder Schublade herumschnüffeln. Nein, nur über meine Leiche kommt diese Person in mein Haus.«

Moms stark gestikulierende Arme sausten haarscharf an Dads Kopf vorbei. Fast hätte sie ihn getroffen.

»Nun ist aber gut, Anna Maria. Beruhige dich bitte.«

Dad ließ die Straße zu keiner Zeit aus den Augen. Er schaute stur geradeaus, ohne Mom eines Blickes zu würdigen.

»Ich soll mich beruhigen? Nicht bei dieser Person.«

»Ich glaube, sie würde sich in unserer Wohnung sehr gut zurechtfinden«, gab ich meinen Senf ungefragt dazu und streute ein wenig Salz in Moms Wunde. Ihr Gesichtsausdruck hätte man aufnehmen sollen – sie war nun der Teufel in Person.

Daraufhin redete sie sich noch mehr in Rage. Dad schaltete nach einer Weile ab. Nur sein Kopf nickte wie ein Wackeldackel, der bei uns auf der Hutablage des Autos seinen Platz gefunden hatte. Bis es ihm doch zu viel wurde.

»Jetzt ist aber mal Schluss. Ich kann es nicht mehr ertragen. Wenn du nicht umgehend damit aufhörst, Anna Maria, fahre ich auf der Stelle wieder zurück. Mir reicht’s. Ich habe Urlaub und möchte mich ein wenig erholen.«

Mom schaute Dad verdutzt an und bekam den Mund nicht zu. Sie konnte es nicht glauben, Dad hatte sie tatsächlich in die Schranken gewiesen. Selbst ich war überrascht. Ob das allerdings eine gute Idee gewesen war, bezweifelte ich. Vom Donnerwetter überwältigt, guckte Mom ab jetzt starr nach vorne und schwieg. Aber mal ehrlich, sie konnte einen mit ihrem vorlauten Mundwerk wirklich bis zur Weißglut bringen. Und, bis Dad etwas sagte, musste schon viel, sehr viel passieren. Mom war glatt die Spucke weggeblieben und hielt endlich die Klappe. Schweigend fuhren wir weiter in Richtung Urlaub. Und ich verlor mich in meinen Gedanken.

Wie jedes Jahr freuten wir uns auf den Urlaub innerhalb der Sommerferien. Sorry, meine Eltern freuten sich darauf. Urlaub in Italien. Okay, ich musste zugeben, als ich noch kleiner war, fand ich es auch großartig, mit meinen Eltern zu verreisen. Bis auf die ellenlangen Fahrten mit dem Auto, die megalangweilig waren. Ansonsten fand ich den gemeinsamen Urlaub schön. Allerdings war es in diesem Jahr anders. Ich hatte mich verliebt. Nicht etwa in eine Boygroup. Nein, es war ein Junge aus meiner Schule. Sein Name klang wie Musik. Ich hatte mich in Ronny verschossen. Er war der heißeste Typ der ganzen Schule.

Und das Dumme dabei war, dass ich Ronny für eine ganze Weile nicht sehen würde. Drei Wochen ohne ihn, das würde die grausamste Zeit meines Lebens werden. Wenn wir nach acht Tagen wieder zu Hause fuhren, wäre Ronny mit seiner Familie schon einen Tag unterwegs für seinen Urlaub in Bulgarien. Für genau zwölf Tage. Wie sollte ich das bloß ohne ihn aushalten? Ich musste ständig an ihn denken und mein Herz freute sich schon auf das Wiedersehen. Seine braunen Augen, das Zahnpasta Lächeln, seine vollen Lippen und sein Grübchen am Kinn, machten ihn zuckersüß. Ich musste nur aufpassen, dass meine Eltern es nicht erfuhren. Sie würden einen Freund nicht dulden. Scheiße, sie waren so konservativ. Wenn sie wüssten, dass wir genau drei Tage vor unserer Abreise das erste Mal geknutscht haben, würden sie ausflippen. Und, wenn die anderen Mädels meiner Schule mitbekommen, dass ich und Ronny zusammen waren, würden die Schnepfen vor Neid platzen. Alle wollten mit ihm gehen und ich hatte das große Los gezogen.

Aber der erste Kuss war so ... scheiße! Voll ekelhaft! Ronny schob mir mit seiner Zunge irgendwelche Krümel in den Rachen. Nüsse oder so ein Zeug. Dabei hatte ich eine Nussallergie und mir schwollen sofort die Lippen an. Ich bekam Atemnot und fing an zu sabbern. Na ja, das konnte Ronny nicht wissen. Ansonsten war es schon aufregend, zumal es mein erster Freund war und ich wusste, dass er es sein wird, an den ich meine Unschuld verlieren wollte. Noch in diesen Sommerferien sollte es passieren. Ich war fest entschlossen, denn er sollte derjenige welcher sein.

Unsere erste Begegnung war nicht allzu lange her. Ich hatte ihn schon des Öfteren auf dem Schulhof gesehen, aber er mich nicht. Und miteinander geredet hatten wir vorher auch nicht. Doch vor zehn Tagen war alles anders. Es war der Nachmittag unseres letzten Schultages und der Beginn unserer Ferien. Ronny war mit ein paar Jungs am See gewesen, als ich mit meinen Freundinnen dazu kam. Sie hatten dort einen liegenden Schwimmbagger gekapert. Seit mehreren Monaten war der Bagger nicht mehr in Betrieb. Wahrscheinlich war er defekt und der Schaden zu groß, um schnell repariert zu werden. Nun diente er als Sprungturm. Es war das perfekte Badewetter und alle tummelten sich im Wasser. Nur ich nicht. Ich lag auf der angrenzenden Wiese und sonnte mich. Ich machte es mir auf meinem Handtuch bequem. Zuvor hatte ich mich selbstverständlich mit Sonnenschutz eingerieben. Und das Ganze sorgfältig, darauf legte Mom sehr viel wert. Gelangweilt beobachtete ich die Schäfchenwolken. Wie sie wohl entstehen, fragte ich mich. In manchen Wolkenformationen konnte ich Figuren erkennen. Nur einmal auf solch einer Wolke schweben, das wäre cool, war mein letzter Gedanke, als ich unerwartet aus meiner Verträumtheit gerissen wurde. Anfänglich dachte ich, dass eine größere Wolke den Himmel zu verdunkeln schien und einen Schatten auf mein Gesicht warf. Ich erkannte aber schnell den Irrtum. Eine selbst in Schatten gehüllte Silhouette stand plötzlich vor mir. Es war Ronny, der mir die Sonne nahm. Er fragte mich, ob alles gut sei und ich nicht Lust hätte, mit ins Wasser zu kommen. Dass es mir meine Eltern verboten hatten, im Baggersee zu baden, wollte ich ihm nicht sagen. Es war mir zu peinlich.

Meine Eltern hielten es für zu gefährlich. Sie hatten Angst, dass ich ertrinken könnte. Es war schon einige Jahre her, als zwei Personen im See ums Leben gekommen waren. Und es waren keinesfalls alte Leute oder Babys. Nein, im Gegenteil. Es waren alles gute Schwimmer. Vermutlich gab es am Grund des Sees irgendwelche Strudel oder Hohlräume, die eine plötzliche Erdsenkung herbeiführten und somit einen Sog erzeugten, der sehr gefährlich war. Ich durfte nur dort baden, wo auch Rettungsschwimmer die Badegäste beaufsichtigten. Also erfand ich eine unglaubwürdige Notlüge, die Ronny mir abkaufte.

»Aber wenn du Lust hast, lade mich doch zum Eisessen ein«, sagte ich frech.

Kaum ausgesprochen blieb mir die Luft weg. Verdammt, was war los mit dir, Denise? Ermahnte ich mich selbst. Hatte ich das tatsächlich gesagt. Oh, wie peinlich. Du hast ihn gerade angebaggert. Mein Mundwerk war wieder einmal schneller als mein Verstand. Das passierte mir in letzter Zeit öfter. Was gar nicht meine Art war. Noch vor einem Jahr wäre mir das nie passiert. Ich wäre schon im Erdboden versunken, wenn er mich nur angelächelt hätte. Da musste ich jetzt durch und einen Korb kassieren. Aber nein, stattdessen stotterte Ronny umher und war alles andere als selbstbewusst. Dass ihn ein Mädchen anmacht, damit hatte er nicht gerechnet. Und ich am allerwenigsten. Dann aber, kam ein Kurzes und Knackiges:

»Okay.«

Hatte ich mich gerade verhört oder sagte er »Okay«? Das konnte nicht sein. Der, Ronny Schönfeld, lud mich zum Eisessen ein? Nein, nicht er. Warum sollte er? Oder hatte er »Oh je« gesagt? Ich war mir unsicher. Was machte ich jetzt? Ich dachte nach. Ich konnte ihn schlecht darum bitten, sich zu wiederholen. Ich war in einer Zwickmühle. Jetzt aufzustehen wäre blöd. Also blieb ich liegen und sagte nichts.

»Jungs, ich bin kurz weg«, rief er den anderen zu.

Wahrscheinlich war ich ziemlich rot angelaufen, als ich die erhoffte Bestätigung bekam. Ups! Ich versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen, dass ich ein wenig nervös war.

»Na, dann, lass uns gehen«, gab er den Startschuss.

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