Kitabı oku: «Don Quijote», sayfa 4
6. Kapitel
Von der heiteren und gründlichen Untersuchung, welche der Pfarrer und der Barbier in der Bücherei unsres sinnreichen Junkers anstellten
Der aber schlief noch immer. Der Pfarrer forderte der Nichte die Schlüssel des Gemaches ab, wo die Bücher, die Anstifter des Unheils, sich befanden, und sie gab sie ihm mit gar vielem Vergnügen. Sie traten alle hinein, und die Haushälterin mit ihnen, und fanden mehr als hundert Bände großer, gut gebundener Bücher nebst andern, kleineren; und sobald die Haushälterin sie sah, ging sie in großer Eile wieder aus dem Zimmer hinaus, kehrte bald mit einem Näpfchen Weihwasser und einem Weihwedel zurück und sagte: »Nehmet, Euer Gnaden, Herr Lizentiat, besprengt dieses Zimmer, damit kein Zauberer von den vielen, die diese Bücher enthalten, hierbleibe und uns verzaubere, um uns zu strafen für die Strafe, mit der wir sie belegen wollen, indem wir sie aus der Welt schaffen.«
Den Lizentiaten brachte die Einfalt der Haushälterin zum Lachen, und er wies den Barbier an, er solle ihm von den Büchern eins nach dem andern reichen, um zu sehen, wovon sie handelten, da es doch sein könnte, daß man einige fände, welche die Strafe des Feuers nicht verdienten. »Nein«, sagte die Nichte, »es ist kein Grund, irgendeines zu verschonen; denn sie alle sind die Unheilstifter gewesen. Am besten wird es sein, sie zum Fenster hinaus in den Vorhof zu schleudern, sie zu einem Haufen zu schichten und Feuer an sie zu legen oder, wenn nicht, sie in den großen Hof zu werfen; dort soll der Scheiterhaufen errichtet werden, und so wird der Rauch nicht beschwerlich fallen.«
Das nämliche sagte die Haushälterin, so groß war das Verlangen, das die beiden nach dem Tode dieser unschuldigen Kindlein trugen. Allein der Pfarrer wollte nicht darauf eingehen, ohne wenigstens erst die Titel zu lesen.
Das erste, was ihm Meister Nikolas in die Hände gab, waren Die vier Bücher des Amadís von Gallien, und der Pfarrer sprach: »Es scheint hierbei etwas Wundersames zu walten; denn wie ich habe sagen hören, war dieses Werk das erste Ritterbuch, das in Spanien gedruckt wurde, und alle übrigen haben ihren Ausgang und Ursprung von diesem genommen; und also ist meine Meinung, daß wir den Amadís als den Irrlehrer und Stifter einer so schlimmen Sekte, ohne Zulassung irgendeines Milderungsgrundes, zum Feuer verurteilen müssen.«
»Nein, Herr Pfarrer«, entgegnete der Barbier, »denn ich habe auch sagen hören, es sei das beste aller Bücher, die in dieser Art verfaßt worden, und so muß ihm, als einzig in seiner Kunstgattung, Gnade zuteil werden.«
»Das ist richtig«, sagte der Pfarrer, »und aus diesem Grunde wird ihm für jetzt das Leben gewährt. Sehen wir jenes andere an, das neben ihm steht.«
»Das«, sagte der Barbier, »sind die Geschichten von Esplandian, dem ehelichen Sohn des Amadís von Gallien.«
»Nun, in der Tat«, versetzte der Pfarrer, »dem Sohne soll die Trefflichkeit des Vaters nicht zugute kommen; nehmt, Jungfer Haushälterin, öffnet das Fenster dort und werft ihn in den Hof; mit ihm soll die Aufschichtung des Scheiterhaufens begonnen werden, den wir errichten wollen.«
Mit großem Behagen tat die Haushälterin also, und der gute von Esplandian nahm seinen Flug in den Hof und harrte daselbst in aller Geduld des Feuers, das ihm drohte.
»Weiter!« sprach der Pfarrer.
»Der hier kommt«, sagte der Barbier, »ist Amadís von Griechenland; ja alle auf dieser Seite, wie ich glaube, sind aus der nämlichen Sippschaft des Amadís.«
»So mögen sie alle in den Hof hinabwandern«, sprach der Pfarrer; »denn um die Königin Pintiquiniestra verbrennen zu dürfen, nebst dem Schäfer Darinel und seinen Hirtengedichten und den verteufelten und verdrehten Redensarten ihres Verfassers, würde ich mit ihnen meinen eigenen Vater verbrennen, wenn er in der Gestalt eines fahrenden Ritters aufträte.«
»Dieser Meinung bin ich auch«, versetzte der Barbier.
»Und ich auch«, fügte die Nichte bei.
»Da dem so ist«, sprach die Haushälterin, »her damit und in den Hof mit ihnen!«
Man reichte sie ihr, es waren deren viele, und sie ersparte sich die Treppe und warf sie zum Fenster hinaus.
»Wer ist jenes Stückfaß?« fragte der Pfarrer.
»Es ist dies«, antwortete der Barbier, » Don Olivante de Laura.«
»Der Verfasser dieses Buches«, sprach der Pfarrer, »war derselbe, welcher den Blumengarten schrieb, und in der Tat, ich könnte nicht entscheiden, welches von beiden Büchern wahrhafter, oder richtiger gesagt, minder lügenhaft ist; ich kann nur sagen, daß dieses, weil es ungereimt und frech, in den Hof wandern wird.«
»Dieses folgende Buch ist Florismarte von Hyrkanien«, sagte der Barbier.
»Ist der Herr Florismarte da?« entgegnete der Pfarrer. »Auf mein Wort denn, er soll baldigst seine Bestimmung im Hofe finden, trotz seiner wundersamen Geburt und seiner chimärischen Abenteuer; denn die Härte und Trockenheit seines Stils gestattet nichts anderes. In den Hof mit ihm und mit jenem andern, Jungfer Haushälterin.«
»Mir recht, Herr Pfarrer«, antwortete sie und vollstreckte mit vielen Freuden, was ihr aufgetragen worden.
»Dies ist Der Ritter Platir«, sagte der Barbier.
»Es ist ein altes Buch«, versetzte der Pfarrer, »und ich finde nichts darin, das Gnade verdiente; es begleite die andern ohne Widerrede.«
Und so geschah es.
Ein andres Buch ward aufgeschlagen, und sie sahen, daß es den Titel hatte Der Ritter vom Kreuz.
»Um eines so heiligen Namens willen, wie dieses Buch trägt, hätte man ihm seine Dummheit verzeihen können; allein man pflegt auch zu sagen: ›Hinter dem Kreuze lauert der Teufel.‹ Ins Feuer mit ihm!«
Der Barbier nahm ein andres Buch und sprach: »Dieses ist der Spiegel des Rittertums.«
»Wohl kenn ich Seine Gnaden«, sagte der Pfarrer. »Dort treten Herr Rinaldo von Montalban auf mit seinen Freunden und Gefährten, die räuberischer sind als Cacus, und die zwölf Pairs mit dem wahrheitsliebenden Geschichtsschreiber Turpin; und wirklich, ich bin geneigt, sie zu nicht mehrerem als zu ewiger Verbannung zu verurteilen, wenn es auch nur deshalb wäre, weil sie einen Anteil an der Dichtung des berühmten Mateo Bojardo haben, aus welcher hinwiederum der christliche Dichter Ludovico Ariosto sein Gewebe entnommen. Und wenn ich diesen hier finde und er in einer anderen Sprache als der seinigen redet, so werde ich ihm keinerlei Achtung bezeigen; wenn er aber in seiner eigenen Zunge spricht, dann werde ich ihm mein Haupt mit Verehrung beugen.«
»Wohl, ich habe ihn auf italienisch«, sagte der Barbier, »aber ich verstehe ihn nicht.«
»Es wäre auch nicht einmal gut, daß Ihr ihn verstündet«, antwortete der Pfarrer, »und daher hätten wir es jenem Herrn Hauptmann gern erlassen, wenn er ihn nicht nach Spanien herübergebracht und zum Kastilier umgeschaffen hätte; denn er hat ihm viel von seinem ursprünglichen Werte benommen. Und dasselbe wird jedem begegnen, der in Versen geschriebene Werke in eine andere Sprache übertragen will; denn wie viele Sorgfalt er anwende und wieviel Geschicklichkeit er an den Tag lege; nie wird er die Vollendung erreichen, die sie in ihrer ersten Gestaltung besitzen. Ich bestimme also, daß dies Buch und alle, die über jene französischen Geschichten handeln, in eine trockene Brunnengrube geworfen und verwahrt werden sollen, bis man mit mehr Überlegung beurteilen kann, was mit ihnen zu tun ist; wobei ich jedoch einen gewissen Bernardo del Carpio, der sich in der Welt herumtreibt, und ein andres Buch, des Titels Roncesvalles, ausnehme; denn diese, sobald sie in meine Gewalt gelangen, sollen sogleich in die der Haushälterin kommen und aus dieser in die des Feuers, ohne Gnade und Erbarmen.«
Dieses Urteil bestätigte der Barbier und erachtete es für recht und durchaus sachgemäß; denn ihm war wohl bewußt, daß der Pfarrer ein so guter Christ und so großer Freund der Wahrheit war, daß er um aller irdischen Dinge willen nie etwas als eben die Wahrheit gesagt hätte.
Und ein andres Buch aufschlagend, fand er, es sei Palmerin de Oliva, und nebenan stand eines, das Palmerin von England hieß. Als der Lizentiat das sah, sprach er: »Jenen Olivenbaum schlage man zu Splittern und verbrenne ihn, daß auch nicht die Asche von ihm übrigbleibe; aber jene Palme von England hebe man auf und bewahre sie als etwas Einziges, und man mache für sie ein solches Kästchen wie jenes, das Alexander unter der Beute des Darius fand und das er bestimmte, darin die Werke des Dichters Homer aufzubewahren. Dies Buch, Herr Gevatter, steht aus zwei Gründen in Hochachtung: der eine, weil es an sich ein sehr gutes Buch ist, der andere, weil der Ruf geht, daß ein geistvoller König von Portugal es verfaßt hat. Die sämtlichen Abenteuer im Schlosse der Prinzessin Miraguarda sind vortrefflich und mit großer Kunst entworfen; die Gespräche, in gutem Ton und klarem Stil, beobachten und bezwecken stets das für die sprechende Person Geziemende in angemessenster Weise und mit großem Verständnis. Ich tue sonach den Ausspruch, vorbehaltlich Eures Gutbefindens, Meister Nikolas, daß dieses Buch und Amadís von Gallien des Feuers ledig bleiben und die anderen ohne langes Probieren und Examinieren sämtlich umkommen sollen.«
»Nein, Herr Gevatter«, entgegnete der Barbier, »denn dieser, den ich hier habe, ist der weitberühmte Don Belianís.«
»Der freilich«, versetzte der Pfarrer, »mit dem zweiten, dritten und vierten Teile, bedarf einiges Rhabarbers, um seinen übermäßigen Jähzorn abzuführen, und es ist unerläßlich, aus ihnen all jenes von der Burg des Ruhms und andere Ungereimtheiten von größerem Belang fortzuschaffen. Dazu wird ihnen dieselbe Frist gewährt wie für gerichtliche Vorladungen über See, und je nachdem sie sich bessern sollten, je nachdem wird ihnen Gnade oder Recht widerfahren. Und Ihr mittlerweile behaltet sie, Gevatter, in Eurem Hause, aber lasset niemand sie lesen.«
»Dem stimme ich bei«, sagte der Barbier. Und ohne sich mehr mit dem Durchsehen von Ritterbüchern langweilen zu wollen, wies der Pfarrer die Haushälterin an, sie solle alle die großen Bände nehmen und sie in den Hof werfen. Dies war nicht tauben Ohren gepredigt; denn die alte Jungfer hatte ohnehin noch größere Lust, die Bücher zu verbrennen, als ein ganzes Stück Leinwand für den Weber zurechtzumachen, und wäre es auch noch so groß und fein; sie ergriff etwa acht auf einmal und warf sie zum Fenster hinaus.
Da sie zu viele zusammen nahm, fiel ihr eins zu den Füßen des Barbiers nieder; den überkam das Verlangen zu sehen, von wem es sei, und er fand, daß es besagte: Geschichte des berühmten Ritters Tirante des Weißen.
»Helf mir Gott!« sprach der Pfarrer mit lautem Aufschrei. »So wäre denn Tirante der Weiße auch hier? Gebt mir ihn her, Gevatter, denn ich meine, ich habe in ihm einen Schatz von Vergnügen und eine Fundgrube von Zeitvertreib gefunden. Hier finden sich Don Kyrieleisón von Montalbán, der tapfere Ritter, und sein Bruder Tomás von Montalbán und der Ritter Fonseca und der Kampf, den der Haudegen von Tirante gegen den Bullenbeißer bestand, und die klugen Einfälle des Fräuleins Meineslebenslust, nebst der Liebesmühe und der Heimtücke der Witwe Geruhsam, und die Frau Kaiserin, so in den Schildknappen Hippolyt verliebt ist. Ich sag Euch in Wahrheit, Herr Gevatter, daß es in seiner Art das beste Buch der Welt ist. Hier wenigstens essen doch die Ritter und schlafen und sterben in ihrem Bette und machen Testamente vor ihrem Tode, nebst andern Dingen, deren alle übrigen Bücher dieser Sorte ermangeln. Trotz alledem, sage ich Euch, verdiente der Verfasser, da er absichtlich so große Albernheiten geschrieben, daß man ihn, wenn auch nicht wie die andern zum Feuertode, doch wenigstens für zeitlebens auf die Galeeren schicken sollte. Nehmt ihn fort nach Hause und leset ihn, und Ihr werdet sehen, daß alles, was ich Euch von ihm gesagt habe, Wahrheit ist.«
»So soll’s geschehen«, sagte der Barbier. »Aber was werden wir mit diesen kleinen Bänden anfangen, die noch übrig sind?«
»Diese«, versetzte der Pfarrer, »dürften nicht Ritterbücher, sondern Dichtwerke sein.«
Er schlug eines auf und sah, daß es Die Diana von Georg von Montemayor war, und sagte, in der Meinung, alle übrigen seien von derselben Art: »Diese verdienen nicht, verbrannt zu werden wie die andern; denn sie stiften nicht solchen Schaden und werden ihn nie stiften, wie ihn die Rittergeschichten angerichtet haben; sie sind Bücher von Verständnis und Einsicht, die keinem Dritten schaden können.«
»Ach, Herr Pfarrer«, versetzte die Nichte, »immerhin könnte Euer Gnaden sie verbrennen lassen wie die andern; denn es wäre nicht zu verwundern, daß meinen Oheim, wenn er von der Ritterkrankheit genesen, beim Lesen dieser Bücher die Lust ankäme, ein Schäfer zu werden und singend und musizierend durch die Wälder und Wiesen zu wandeln und, was noch schlimmer wäre, ein Dichter zu werden, was, wie die Leute sagen, eine unheilbare und ansteckende Krankheit sein soll.«
»Dieses Mädchen redet die Wahrheit«, sagte der Pfarrer, »und es wird gut sein, diese Gelegenheit und Veranlassung zum Straucheln unsrem Freunde vor den Füßen wegzuräumen. Und da wir mit der Diana Montemayors angefangen haben, so bin ich des Erachtens, daß man sie nicht verbrenne, sondern ihr alles wegschneide, was von der weisen Felicia und dem verzauberten Wasser handelt, sowie die meisten Verse in längeren Silbenmaßen, und es verbleibe ihm in Gottes Namen die Prosa und die Ehre, der erste in solcherlei Werken zu sein.«
»Dies folgende«, sagte der Barbier, »ist der zweite Teil der Diana, gewöhnlich Die zweite Diana von dem Salmantiner geheißen, und dieses ist ein andres, das denselben Titel trägt und dessen Verfasser Gil Polo ist.«
»So soll die des Dichters aus Salamanca«, antwortete der Pfarrer, »die Anzahl der zum Sturz in den Hof Verurteilten begleiten und vermehren, und die des Gil Polo soll aufbewahrt werden, als wenn sie von Apollo selbst wäre; und geht weiter, Herr Gevatter, denn es wird allgemach spät.«
»Dieses Buch«, sagte der Barbier, indem er ein anderes aufschlug, »heißt Die zehen Bücher von den Schicksalen der Liebe, verfaßt von Antonio de Lofraso, einem sardinischen Dichter.«
»Bei den Weihen, die ich empfangen«, versetzte der Pfarrer, »ich sag Euch, daß, seit Apollo Apollo ist und die Musen Musen und die Poeten Poeten, ein so unterhaltendes und närrisches Buch wie dies nicht geschrieben worden, und in seiner Weise ist es das beste und erlesenste von allen, die in dieser Dichtungsart ans Licht der Welt getreten sind; und wer es nicht gelesen hat, darf wohl glauben, daß er nie etwas Ergötzliches gelesen hat. Gebt mir es her, Gevatter, denn diesen Fund schätze ich höher, als wenn man mir einen Chorrock aus florentinischen Stücken geschenkt hätte.«
Er legte es mit absonderlichem Vergnügen beiseite, und der Barbier fuhr fort: »Diese folgenden sind Der Schäfer von Iberien, die Nymphen und Hirten des Henares und die Genesung von der Eifersucht.«
»Wohl, da ist nichts weiter zu tun«, sagte der Pfarrer, »als sie dem weltlichen Arm der Haushälterin zu übergeben, und man frage mich nicht nach dem Warum; denn das hieße, niemals zu Ende zu kommen.«
»Dieses, das jetzt kommt, ist Filidas Schäfer.«
»Der ist kein Schäfer«, sagte der Pfarrer, »sondern ein höchst geistreicher Hofmann; man hebe es auf als ein kostbares Juwel.«
»Dieses große, das hier kommt«, sagte der Barbier, »betitelt sich Schatz von Gedichten verschiedener Art.«
»Wenn ihrer nicht so viele wären«, bemerkte der Pfarrer, »würden sie in höherem Werte stehen; es wäre erforderlich, ihm das Unkraut auszujäten und es von einigen ordinären Sachen zu reinigen, die sich unter seinen großartigen Schönheiten finden. Es soll aufbewahrt werden, weil sein Verfasser mein Freund ist, und aus Rücksicht auf andere, bedeutsamere und erhabenere Werke, die er geschrieben.«
»Dieses ist«, fuhr der Barbier fort, » Das Liederbuch des Lopez Maldoñado.«
»Auch der Verfasser dieses Buches«, entgegnete der Pfarrer, »ist ein großer Freund von mir, und in seinem Munde setzen seine Verse jeden, der sie hört, in bewunderndes Erstaunen, und so süß ist die Lieblichkeit seiner Stimme, daß, was aus seiner Kehle klingt, tief in die Seele dringt. Er ist etwas weitschweifig in den Hirtengedichten, aber des Guten kann man nie zuviel bringen; hebt es bei den auserwählten auf. Aber was für ein Buch ist jenes, das danebensteht?«
»Die Galatea von Miguel de Cervantes«, sagte der Barbier.
»Viele Jahre ist es her, daß dieser Cervantes mir sehr befreundet ist, und ich weiß, daß er erfahrener ist im Leid als im Lied. Sein Buch hat einiges von guter Erfindung, legt einiges an und führt nichts durch. Man muß den zweiten Teil abwarten, den er verspricht; vielleicht wird er durch nachträgliche Besserung das milde Urteil völlig verdienen, das ihm jetzt versagt wird; und mittlerweile haltet ihn eingesperrt in Eurer Wohnung, Herr Gevatter!«
»Einverstanden«, antwortete der Barbier. »Und hier kommen drei miteinander: Die Araucana von Don Alonso de Ercilla, Die Austríada von Juan Rufo, dem Stadtrat zu Córdoba, und Der Monserrate von dem valencianischen Dichter Christóbal de Virués.«
»Alle diese drei Bücher«, sagte der Pfarrer, »sind die besten, die in achtzeiligen Stanzen in spanischer Sprache geschrieben sind, und können sich mit den berühmtesten Italiens messen; sie sollen aufbewahrt werden als die reichsten Pfänder der Dichtkunst, die Spanien besitzt.«
Der Pfarrer war es müde, noch länger Bücher anzusehen, und so verlangte er, alle übrigen sollten auf einen Schlag verbrannt werden; aber schon hatte der Barbier eines aufgeschlagen, welches den Titel trug: Die Tränen der Angelika.
»Tränen würde ich selber weinen«, sagte der Pfarrer, als er den Namen hörte, »wenn ich angeordnet hätte, ein solches Buch zu verbrennen; denn sein Verfasser war einer der berühmtesten Dichter auf Erden und war auch in der Übersetzung einiger Ovidischer Erzählungen sehr glücklich.«
7. Kapitel
Von der zweiten Ausfahrt unsres trefflichen Ritters Don Quijote von der Mancha
Wie man so weit war, begann Don Quijote mit lauter Stimme zu rufen: »Hier, hier, tapfere Ritter, hier ist’s not, die Kraft eurer tapfern Arme zu zeigen; denn die Ritter vom Hofe tragen das Beste im Turnier davon!«
Um zu diesem Lärmen und Toben herbeizueilen, wurde mit der Prüfung der noch übrigen Bücher nicht fortgefahren, und so, glaubt man, wanderten sonder Untersuchung und Gehör ins Feuer die Carolea, Leon der Löwe von Spanien nebst den Taten des Kaisers, die Don Luis de Avila geschrieben, welche ohne Zweifel unter den übrigen gewesen sein mußten; und vielleicht, wenn der Pfarrer sie gesehen, hätten sie nicht eine so strenge Verurteilung erlitten.
Als sie zu Don Quijote kamen, war er schon vom Bette aufgestanden und fuhr mit seinem Geschrei und seinem Unsinn fort, führte Stiche und Hiebe nach allen Seiten und war so wach, als ob er nie geschlafen hätte. Sie umfaßten ihn mit den Armen und brachten ihn mit Gewalt ins Bett zurück; und sobald er sich ein wenig beruhigt hatte, wandte er sich zu dem Pfarrer und sagte ihm: »Sicherlich, Herr Erzbischof Turpin, ist es eine große Schande für uns, die wir uns die zwölf Pairs nennen, so mir nichts, dir nichts die Ritter vom Hofe den Sieg in diesem Turniere davontragen zu lassen, da doch wir fahrenden Ritter den Preis an den drei vorhergehenden Tagen gewonnen haben.«
»Laßt gut sein, Herr Gevatter«, sagte der Pfarrer, »Gott wird es schon gefallen, daß das Glück sich wieder ändere und morgen gewonnen werde, was heute verlorengeht; und seid für jetzt auf Eure Gesundheit bedacht; denn es bedünkt mich, daß Ihr übermäßig müde sein müßt, wenn Ihr nicht etwa wund geschlagen seid.«
»Wund geschlagen nicht«, sprach Don Quijote, »aber zerprügelt und zerschlagen; denn jener Bankert von Roldán hat mich mit einem Eichenstamme gedroschen, und all das aus Neid, weil er sieht, daß ich allein seinen hochmütigen Taten entgegentrete. Allein ich würde nicht Rinald von Montalbán heißen, wenn er, sobald ich mich von diesem Bette erhebe, mir es nicht zahlen soll, trotz all seiner Zauberkünste. Aber für jetzt bringe man mir zu essen; denn das, weiß ich, tut mir am meisten not, und was meine Rache betrifft, das bleibe mir anheimgestellt.«
Sie taten also; sie gaben ihm zu essen, und er verfiel wieder in Schlaf und sie abermals in Verwunderung über seine Torheit.
Diese Nacht vertilgte die Haushälterin mit Feuer und Brand alle Bücher, soviel deren im Hofe und im ganzen Haus waren, und manche wohl mochten mit verbrennen, die verdienten, in unvergänglichen Archiven aufbewahrt zu werden; allein ihr Schicksal und die Trägheit des Untersuchungsrichters ließ es nicht zu, und so erfüllte sich an ihnen der Spruch, daß oftmals die Gerechten für die Sünder zahlen.
Eines der Mittel, welche der Pfarrer und der Barbier für jetzt gegen ihres Freundes Krankheit anwendeten, bestand darin, daß sie ihm das Gemach, wo die Bücher gestanden, vermauerten und mit einer Lehmwand verschlossen, damit er, wenn er wieder aufstünde, sie nicht mehr fände – weil vielleicht, wenn man die Ursache beseitigte, die Wirkung aufhören würde –, und sie wollten ihm sagen, ein Zauberer habe die Bücher und das Zimmer und alles auf und davon geführt. Und so ward es in großer Eile vollbracht.
Zwei Tage nachher stand Don Quijote auf, und das erste, was er tat, war, seinen Büchern einen Besuch zu machen, und da er das Gemach nicht fand, wo er es gelassen hatte, ging er von einer Stelle zur andern, es zu suchen. Er kam dahin, wo sonst die Türe war, und tastete nach ihr mit den Händen und drehte und verdrehte die Augen überallhin, ohne ein Wort zu sagen; nach einer guten Weile indessen fragte er seine Haushälterin, wohinaus denn das Gemach mit seinen Büchern liege.
Die Haushälterin, bereits wohlunterrichtet, was sie zu antworten habe, entgegnete ihm: »Was für ein Gemach oder was für ein Ding sonst sucht Euer Gnaden? Weder Gemach noch Bücher sind mehr in unserm Hause; denn all das hat der Teufel in eigner Person geholt.«
»Es war kein Teufel«, sagte die Nichte, »sondern ein Zauberer, der auf einer Wolke daherkam, die Nacht nach dem Tage, wo Euer Gnaden sich von hier entfernte; er kam auf einer Schlange geritten, stieg ab, ging ins Gemach hinein, und ich weiß nicht, was er darin tat; denn nach einer kurzen Weile flog er durchs Dach hinaus und ließ das Haus voll Rauch; und wie wir daran dachten, nachzusehen, was er getan, fanden wir kein Buch und kein Gemach mehr. Nur ist es mir und der Haushälterin noch sehr gut in Erinnerung, daß im Augenblick seines Abscheidens der böse Alte mit schallender Stimme rief, aus geheimer Feindschaft, die er gegen den Herrn dieser Bücher und dieses Gemaches hege, habe er in diesem Hause den Schaden angerichtet, den man nachher schon finden werde. Er sagte auch, er heiße ›Der weise Muñatón‹.«
»Fristón, wird er gesagt haben«, sprach Don Quijote.
»Ich weiß nicht«, entgegnete die Haushälterin, »ob er sich Fristón oder Frißschon nannte; ich weiß nur, daß sein Name auf on ausging.«
»So ist’s«, sagte Don Quijote; »denn der ist ein weiser Zauberer, ein großer Feind von mir, der deshalb böse Gesinnung gegen mich hegt, weil er durch seine Künste und Bücher erfahren hat, daß ich im Verlauf der Zeit mit einem Ritter im Zweikampf fechten soll, den er begünstigt, und daß ich ihn besiegen werde, ohne daß er es hindern kann; und darum müht er sich, mir alle Widerwärtigkeiten zuzufügen, die er vermag. Aber ich tue ihm zu wissen, daß er schwerlich dem widerstreben und entgehen kann, was der Himmel gefügt hat.«
»Wer zweifelt daran?« sagte die Nichte. »Aber wer treibt Euer Gnaden, Herr Ohm, in all diese Streithändel hinein? Ist’s nicht besser, friedlich in seinem Hause zu sitzen und nicht durch die Welt zu ziehen, um noch besser Brot als das beste zu suchen, ohne zu bedenken: Mancher zieht nach Wolle aus und kommt geschoren nach Haus.«
»O Nichte mein«, versetzte Don Quijote, »wie wenig Begriff hast du von solchen Dingen! Ehe man sich scheren soll, hab ich allen denen den Bart gerauft und ausgerissen, denen es einfallen könnte, mir an eines einzigen Haares Spitze zu rühren.«
Sie wollten ihm nichts weiter entgegnen, weil sie sahen, daß sein Zorn aufzulodern begann.
Es geschah nun, daß er vierzehn Tage ganz ruhig zu Hause blieb, ohne irgendein Anzeichen zu geben, daß er mit seinen früheren Torheiten fortfahren wolle. In diesen Tagen führte er mit seinen beiden Gevattern, dem Pfarrer und dem Barbier, die ergötzlichsten Gespräche über seine Behauptung: wessen die Welt am meisten bedürfe, das seien die fahrenden Ritter, und in ihm werde das fahrende Rittertum wiederaufstehen. Der Pfarrer widersprach ihm ein paarmal, ein andermal stimmte er ihm zu, denn wenn er diesen Kunstgriff nicht anwendete, war es nicht möglich, mit ihm fertigzuwerden.
Während dieser Zeit suchte Don Quijote einen Ackersmann, seinen Ortsnachbar, zu gewinnen, einen guten Kerl – wenn man den gut nennen kann, dem es am Besten fehlt –, der aber sehr wenig Grütze im Kopf hatte. Und schließlich sagte er ihm so viel, redete ihm so viel ein und versprach ihm so viel, daß der arme Bauer sich entschloß, mit ihm von dannen zu ziehen und ihm als Schildknappe zu dienen.
Unter anderem sagte ihm Don Quijote, er solle sich nur frohen Mutes anschicken, mit ihm zu ziehen; denn vielleicht könnte ihm ein solch Abenteuer aufstoßen, daß er im Handumdrehen irgendwelche Insul gewänne und ihn als deren Statthalter einsetzte. Auf diese und andre solche Versprechungen hin verließ Sancho Pansa – denn so hieß der Bauer – Weib und Kind und trat in seines Nachbarn Dienst als Knappe.
Sogleich traf Don Quijote Anstalt, Geld aufzutreiben, und indem er einen Acker verkaufte und einen andren verpfändete und dabei alles verschleuderte, brachte er eine ziemliche Summe zusammen. Desgleichen versah er sich mit einem Rundschilde, den er sich von einem Freunde leihen ließ, und nachdem er seinen zerschlagenen Helm, so gut er konnte, hergerichtet, benachrichtigte er seinen Knappen Sancho von Tag und Stunde, wo er sich auf den Weg zu begeben gedachte, damit auch er sich mit allem versehe, was er am meisten zu bedürfen dächte; vor allem aber gab er ihm den Auftrag, einen Zwerchsack mitzunehmen. Sancho erwiderte, er würde allerdings einen solchen bei sich führen, und ebenso gedenke er auch einen Esel mitzunehmen, da er einen sehr guten habe; denn er für sein Teil sei nicht gewohnt, viel zu Fuße zu gehen.
In betreff des Esels hatte Don Quijote einiges Bedenken und überlegte hin und her, ob er sich irgendeines fahrenden Ritters entsinnen könne, der einen Schildknappen eselhaft beritten bei sich gehabt hätte; aber es kam ihm keiner in den Sinn. Jedoch trotz alledem entschied er sich dafür, daß Sancho ihn mitnehmen solle; nur nahm er sich vor, ihn mit einer ehrbaren Reitgelegenheit zu versehen, sobald die Möglichkeit sich böte, dem ersten ungebärdigen Ritter, auf den er stieße, das Pferd abzunehmen. Er versah sich auch mit Hemden und mit den andern Dingen, soviel ihm möglich, gemäß dem Rate, den der Wirt ihm gegeben.
Als all dies getan und zu Ende geführt war, zogen beide – Sancho Pansa, ohne von Kindern und Weib, Don Quijote, ohne von Haushälterin und Nichte Abschied zu nehmen – eines Nachts aus dem Dorfe von dannen, ohne daß jemand sie sah, und in dieser Nacht legten sie so viel Weges zurück, daß sie beim Morgengrauen sich für sicher hielten, man würde sie nicht finden, selbst wenn man auf die Suche nach ihnen ginge. Sancho Pansa zog auf seinem Esel einher wie ein Patriarch, mit seinem Zwerchsack und seiner Lederflasche und mit großem Sehnen, sich schon als Statthalter der Insul zu sehen, die sein Herr ihm versprochen hatte.
Don Quijote nahm zufällig dieselbe Richtung und Straße, die er bei seiner ersten Fahrt genommen, nämlich über das Gefilde von Montiel, das er mit minderer Beschwer als das vorige Mal durchzog, da es die Morgenstunde war und die Sonnenstrahlen sie nur schräg trafen, so daß sie von diesen nicht sehr belästigt wurden.
Hier nun sagte Sancho Pansa zu seinem Herrn: »Gnädiger Junker, fahrender Herr Ritter, sehet wohl zu, daß Euch nicht in Vergessenheit gerate, was Ihr mir von wegen der Insul versprochen habt; denn ich will schon verstehen, sie zu regieren, wie groß sie auch immer sein mag.«
Darauf erwiderte ihm Don Quijote: »Du mußt wissen, Freund Sancho, daß es ein vielfach betätigter Brauch der alten fahrenden Ritter war, ihre Knappen zu Statthaltern der Insuln oder Königreiche zu machen, die sie gewannen, und ich habe mir vorgenommen, daß durch mich ein so preisenswürdiges Herkommen nicht in Abgang geraten soll; vielmehr gedenke ich in demselben noch viel weiter zu gehen. Denn jene haben in manchen Fällen, und vielleicht in den meisten, gewartet, bis ihre Knappen alt geworden, und nachdem sie schon müde waren, zu dienen und schlimme Tage und schlimmere Nächte zu ertragen, so verliehen sie ihnen ein Amt als Graf oder wenigstens als Markgraf über irgendein Tal oder einen Gau von größerer oder geringerer Bedeutung. Allein wenn du leben bleibst und ich leben bleibe, könnte es wohl geschehen, daß, ehe ein halb Dutzend Tage um sind, ich ein großes Königreich gewänne, zu dem noch ein paar andre als Nebenländer gehörten, und die kämen gerade zupaß, um dich zum König über eines derselben zu krönen. Und das brauchst du nicht für etwas Besonderes zu halten; denn es begegnen den besagten Rittern Vorfälle und Zufälle auf so unerhörte und ungeahnte Weise, daß ich mit Leichtigkeit dir sogar noch mehr geben könnte, als ich dir verspreche.«
»Auf diese Art«, entgegnete Sancho Pansa, »wenn ich durch eines der Wunder, wie sie Euer Gnaden erwähnt, König würde, dann brächte es Johanna Gutiérrez, meine Hausehre, mindestenfalls zur Königin und meine Kinder zu Prinzen?«
»Wer zweifelt daran?« antwortete Don Quijote.
»Ich zweifle daran«, versetzte Sancho Pansa, »weil, ich habe so die Meinung, daß, wenn Gott auch Königreiche herabregnen ließe, doch keines auf den Kopf einer Gutiérrez passen würde. Wisset, Euer Gnaden, zur Königin ist sie keine zwei Pfennige wert; Gräfin stünde ihr schon besser, und selbst da müßte der liebe Himmel und guter Menschen Beistand das Beste tun.«