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Die Rechtsnatur des Hausverbots wird in Rechtsprechung[26] und Schrifttum[27] nach unterschiedlichen Kriterien ermittelt. Während Erstere auf den Zweck des Besuchs abstellt (Einreichung eines Bauantrags: öffentlich-rechtlich; Fotograf im Standesamt: privatrechtlich), rekurriert Letzteres auf den öffentlich-rechtlichen Zweck des Hausverbots, nämlich die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben im Verwaltungsgebäude sicherzustellen.
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Führen auch die vorgenannten Indizien zu keinem Ergebnis, ist im Zweifel von einer Vermutung zugunsten des öffentlich-rechtlichen Charakters des Verwaltungshandelns auszugehen. Denn mit dem öffentlichen Recht steht der Verwaltung ein Sonderrecht zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung, von dessen Gebrauchmachen so lange auszugehen ist, als der Wille, in privatrechtlicher Handlungsform tätig zu werden, nicht deutlich in Erscheinung tritt.
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Dass die Zuordnung einer Maßnahme zum öffentlichen Recht bzw. zum Privatrecht nicht stets exklusiv erfolgt, sondern u.U. ein und dieselbe Maßnahme durchaus sowohl öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich einzustufen sein kann (Doppelqualifikation), wird insbesondere von der Rechtsprechung[28] vertreten. So wird etwa das Ausstrahlen einer Sendung durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wegen der damit verbundenen Erfüllung des Programmauftrags gegenüber den Beitragszahlern als öffentlich-rechtlich, hinsichtlich der in einer solchen Sendung etwaig in ihrer Ehre gekränkten Personen dagegen als privatrechtlich qualifiziert. Diese Auffassung wird vom Schrifttum[29] nicht geteilt, könne doch ein und dasselbe Rechtsverhältnis nicht sowohl dem öffentlichen als auch dem privaten Recht angehören (Rn. 98). Eine privatrechtliche Norm könne öffentlich-rechtliches Verhalten weder ver- noch gebieten, da dies dem Sonderrechtscharakter des öffentlichen Rechts widerspreche.
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Anmerkungen
[1]
Zum gesamten Folgenden siehe Detterbeck Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 16 ff.; Ehlers in: ders./Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 3; Erbguth/Guckelberger Allgemeines Verwaltungsrecht § 5; Ipsen Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 1 ff.; Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 3 Rn. 7 ff.; Peine/Siegel Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 31 ff. sowie im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 79 ff.
[2]
Hierzu siehe im Skript „Verwaltungsprozessrecht“ Rn. 68 ff.
[3]
Hierzu siehe Baldus/Grzeszick/Wienhues Staatshaftungsrecht Rn. 90 ff. und im Skript „Staatshaftungsrecht“ Rn. 6 ff.
[4]
Hierzu zählt auch das den staatlichen Strafanspruch regelnde Strafrecht, welches sich freilich zu einem eigenständigen Rechtsgebiet entwickelt hat, siehe im Skript „Juristische Methodenlehre“ Rn. 27 m.w.N.
[5]
„Publicum ius est quod ad statum rei Romanae spectat, privatum quod ad singulorum utilitatem“.
[6]
Wolff AöR 76 (1950/51), 205 ff.
[7]
Bachof in: FG BVerwG, 1 (9 ff.); Bettermann NJW 1977, 513 (515).
[8]
Vgl. GmS-OGB NJW 1990, 1527; BVerwG NVwZ 2010, 682 (683) m.w.N.
[9]
Nach Dietlein/Dünchheim Examinatorium Allgemeines Verwaltungsrecht S. 11 und 143. Siehe auch die Beispiele in Rn. 45 und Rn. 52.
[10]
Hierzu siehe Wolff/Bachof/Stober/Kluth Verwaltungsrecht I § 23 Rn. 6 ff.
[11]
Siehe ferner Erbguth/Guckelberger Allgemeines Verwaltungsrecht § 5 Rn. 24; Jachmann/Drüen Allgemeines Verwaltungsrecht Rn. 219: „Rechtsverordnung“, „Satzung“, Androhung von Zwangsmitteln (Rn. 355) und Rechtsbehelfsbelehrung (Rn. 203) als weitere „Signalwörter“ öffentlich-rechtlicher Handlungsformen (Rn. 42).
[12]
Nach OVG Lüneburg DVBl. 1954, 292.
[13]
Vgl. Ehlers, in: ders./Schoch, Rechtsschutz im Öffentlichen Recht § 21 Rn. 65; Schenke Verwaltungsprozessrecht Rn. 113 zu § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO.
[14]
Zu deren Rechtsnatur siehe BVerwG BeckRS 2012, 53430.
[15]
Näher zur Nutzung kommunaler öffentlicher Einrichtungen: Ehlers Jura 2012, 692 ff. und 849 ff.
[16]
Ipsen Öffentliche Subventionierung Privater 1956 S. 62 ff.
[17]
Das auf der zweiten Stufe grundsätzlich bestehende Handlungsformwahlrecht (Rn. 22, 30) der Verwaltung wird mitunter gesetzlich eingeschränkt (so z.B. durch § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB zugunsten des Privatrechts, nämlich der §§ 463, 464 Abs. 2, §§ 465 bis 468 und 471 BGB; demgegenüber erfolgt das „Ob“ der Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts „durch Verwaltungsakt“, siehe § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB).
[18]
Demgegenüber werden verlorene Zuschüsse, d.h. Geldleistungen, die vom Bürger nicht zurückgezahlt werden müssen, i.d.R. einstufig durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag bewilligt und auf dieser Grundlage vollzogen, d.h. durch öffentlich-rechtlichen Realakt tatsächlich ausbezahlt, vgl. Übungsfall Nr. 4.
[19]
Nach Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 3 Rn. 38 und § 9 Rn. 13.
[20]
Vgl. BVerwGE 129, 9. Dazu siehe Burgi NVwZ 2007, 737 ff. und vgl. Druschel JA 2008, 514 ff.
[21]
„Öffentliche Einrichtungen im Sinne der Gemeindeordnung sind alle Verwaltungsressourcen (Personal- und Sachmittel), die von einer Gemeinde durch Widmungsakt der allgemeinen Benutzung durch Ortsansässige zur Verfügung gestellt und von ihr im öffentlichen Interesse unterhalten werden“, VGH München KommJur 2018, 289 (290) m.w.N.
[22]
Nach Kramer/Bayer/Fiebig/Freudenreich JA 2011, 810 (818) bestehe aufgrund von BVerfGE 128, 226 (unmittelbare Grundrechtsbindung nach Art. 1 Abs. 3 GG von durch die öffentliche Hand beherrschten [vgl. §§ 16 f. AktG] gemischtwirtschaftlichen Unternehmen in Privatrechtsform) ein Direktanspruch gegen das Unternehmen, so dass es für eine verwaltungsgerichtliche allgemeine Leistungsklage gegen die Gemeinde auf Einwirkung am notwendigen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Zu den gesellschaftsrechtlichen Grenzen der Weisungsbefugnis siehe BVerwG NJW 2011, 3735; OVG Münster NVwZ 2007, 609. Zum Vorgehen, wenn kein Leistungs-, sondern ein Störungsbeseitigungsanspruch geltend gemacht wird, siehe BVerwG NVwZ 2018, 73.
[23]
Vgl. VGH München KommJur 2018, 289 (290) m.w.N.
[24]
BGHZ 29, 38; BGH DÖV 1979, 865. A.A. Maurer/Waldhoff Allgemeines Verwaltungsrecht § 3 Rn. 31: Dienstfahrten seien nur bei der Inanspruchnahme von Sonderrechten gem. § 35 StVO als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren.
[25]
Nach OVG Münster NJW 1984, 1982.
[26]
BGH NJW 1967, 1911; BVerwGE 35, 103 (106 ff.). A.A. OVG Münster NJW 2011, 2379; OVG Hamburg NJW 2014, 1196; OVG Magdeburg NVwZ-RR 2018, 134.
[27]
Beaucamp JA 2003, 231 (233) m.w.N. Ferner siehe die Nachweise bei Hebeler JA 2014, 239 und Stelkens Jura 2010, 363. Bei Letzterem auch zur Frage der Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines Hausverbots als belastender Verwaltungsakt, falls ausdrückliche Vorschriften wie z.B. Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG, §§ 68 Abs. 3, 89 VwVfG, § 51 Abs. 1 GO NRW oder § 176 f. GVG fehlen (z.T.: Analogie hierzu; a.A.: vorkonstitutionelles Gewohnheitsrecht [so auch BVerwG NJW 2011, 2531]; a.A.: Annex zur Sachkompetenz). Gegenüber Störungen von außen kann sich der Verwaltungsträger grundsätzlich auf die privatrechtlichen Störungsabwehransprüche der §§ 861 ff., 1004 BGB als Besitzer bzw. Eigentümer berufen (str.), nach einhelliger Literaturmeinung jedoch nicht auf § 859 Abs. 1 BGB.
[28]
BGHZ 66, 182 (185 ff.); BVerwG NJW 1994, 2500.
[29]
Ehlers in: ders./Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht § 3 Rn. 51.
3. Teil Handlungsformen der Verwaltung › B. Handlungsformen der Verwaltung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
B. Handlungsformen der Verwaltung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
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Liegt eine nach dem Vorstehenden (Rn. 23 ff.) als öffentlich-rechtlich zu qualifizierende Maßnahme der Verwaltung vor, so kann im Weiteren zwischen Handlungen einerseits mit und andererseits ohne Regelungscharakter unterschieden werden. Zur letztgenannten Gruppe gehören die Realakte[1], die einen rein tatsächlichen Erfolg herbeiführen, d.h. die Wirklichkeit faktisch verändern und sich unmittelbar in der Realität auswirken (Rn. 59; z.B. Auszahlung eines Geldbetrags, Mitteilung der Verwaltung, Pflanzen eines Baumes durch einen städtischen Arbeiter). Innerhalb der Gruppe der Verwaltungsmaßnahmen mit Regelungscharakter lassen sich zum einen Rechtsakte ausmachen, deren intendierten Rechtsfolgen Außenwirkung im Verhältnis zum Bürger entfalten sollen, sowie zum anderen solche Regelungen, die nur verwaltungsintern wirken sollen (Verwaltungsvorschriften; Rn. 238 ff.). Abstrakt-generelle Rechtsakte mit Außenwirkung kommen sowohl in Gestalt der Rechtsverordnung (Rn. 12) als auch der Satzung vor (Rn. 13), wohingegen individuelle, von der Verwaltung im Außenverhältnis einseitig erlassene Regelungen in der Rechtsform des Verwaltungsakts (Rn. 39 ff.) ergehen. Wird die Verwaltung insoweit allerdings nicht einseitig, sondern vielmehr im Einvernehmen mit dem Bürger tätig, handelt es sich typischerweise um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag (Rn. 94 ff.).
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3. Teil Handlungsformen der Verwaltung › B. Handlungsformen der Verwaltung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts › I. Verwaltungsakt
I. Verwaltungsakt
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Der Verwaltungsakt (VA) ist die wichtigste Handlungsform der Verwaltung.[2] Mit ihm steht der Verwaltung ein Instrument zur Verfügung, welches es dieser ermöglicht, einseitig verbindliche Regelungen gegenüber dem Bürger zu treffen, um hierdurch schnell und wirksam (effizient) handeln zu können. Mit der im Verwaltungsakt ausgesprochenen Regelung konkretisiert die Verwaltung die abstrakt-generellen gesetzlichen Vorgaben für den Einzelfall (z.B. des Art. 9 Abs. 2 GG[3]) und bestimmt damit für den Bürger in verbindlicher Weise die Rechtslage („was rechtens ist“; Konkretisierungsfunktion des Verwaltungsakts). Diese Verbindlichkeit ist weitgehend unabhängig von der etwaigen Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der das nach der materiellen Rechtslage bestehende Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger überlagert und eine eigene, juristisch selbstständige Rechte-und-Pflichten-Beziehung zwischen (dem Rechtsträger) der Behörde und dem Einzelnen schafft (siehe das Beispiel in Rn. 251). Erfüllt dieser seine ihm im Verwaltungsakt durch die Behörde einseitig auferlegte Verpflichtung nicht, so bietet der von der Behörde erlassene Verwaltungsakt dieser zugleich die rechtliche Grundlage für die zwangsweise Durchsetzung des in ihm enthaltenen Ge-/Verbots, ohne dass es insoweit erst noch der Inanspruchnahme der Gerichte bedürfte, sog. (Vollstreckungs-)Titelfunktion des Verwaltungsakts (Rn. 335 ff.).[4]
Hinweis
„Der Begriff des VA nach § 35 VwVfG gehört gleichzeitig zum Einmaleins und zur Hohen Schule der Jurisprudenz.“[5]
1. Begriffsmerkmale des Verwaltungsakts
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Die Merkmale des Verwaltungsaktbegriffs sind in Anlehnung an Otto Mayer[6] in § 35 S. 1 VwVfG legaldefiniert (siehe ferner § 118 AO, § 31 SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt „jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“, wobei bzgl. des Merkmals „Einzelfall“ noch § 35 S. 2 VwVfG zu beachten ist. Ob diese Merkmale im konkreten Fall erfüllt sind, beurteilt sich danach, wie der Empfänger die betreffende behördliche Maßnahme „unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände verstehen musste; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung.“[7]
Verwaltungsakt
I.Maßnahme = jedes Verhalten mit Erklärungswert
II.Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts = wenn die Rechtsgrundlage der Maßnahme eine solche des öffentlichen Rechts ist
III.Hoheitlich = wenn die Behörde einseitig Gebrauch macht von den ihr zustehenden öffentlich-rechtlichen Befugnissen
IV.Behörde = jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt
V.Zur Regelung = Ziel der behördlichen Tätigkeit ist die unmittelbare Herbeiführung einer Rechtsfolge
konkludenter VA bei RealaktenRn. 59
wiederholende Verfügung ↔ ZweitbescheidRn. 62
vorbereitende MaßnahmenRn. 64
VI.Einzelfall =
•bestimmte Person (individuell) – bestimmter Sachverhalt (konkret),
•bestimmte Person (individuell) – unbestimmte Vielzahl von Sachverhalten (abstrakt)
•unbestimmte Vielzahl von Personen (generell) – bestimmter Sachverhalt (konkret) i.S.v. § 35 S. 2 VwVfG
VII.Auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet =
•Die Regelung betrifft den Rechtskreis einer außerhalb der Verwaltung stehenden natürlichen oder juristischen Person oder eines sonstigen (nur teilrechtsfähigen) Rechtssubjekts als Träger eigener Rechte (Außenwirkung)
Maßnahmen in SonderstatusverhältnissenRn. 72
Weisungen zwischen BehördenRn. 73
mehrstufige VerwaltungsakteRn. 74
•Diese Außenwirkung resultiert aus dem Entscheidungssatz („Tenor“) der Maßnahme selbst und ist nicht nur dessen – mittelbare – Nebenfolge („unmittelbar“)
•Die Maßnahme soll gerade zielgerichtet (final) eine unmittelbare Außenwirkung entfalten („auf … gerichtet“)
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JURIQ–Klausurtipp
An diesen bundesrechtlichen Verwaltungsaktbegriff des § 35 S. 1 VwVfG knüpft nach h.M.[8] auch die Verwaltungsgerichtsordnung an (z.B. in §§ 42 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) – selbst wenn im konkreten Fall eine Landesbehörde nach dem jeweiligen Landes-Verwaltungsverfahrensgesetz gehandelt hat. Aufgrund der inhaltlichen Übereinstimmung von § 35 S. 1 VwVfG mit den in den Landes-Verwaltungsverfahrensgesetzen enthaltenen Definitionen (z.B. § 35 S. 1 LVwVfG BW, Art. 35 S. 1 BayVwVfG, § 35 S. 1 VwVfG NRW; siehe aber auch § 106 Abs. 1 LVwG SH) kann in der Klausur eine Streitentscheidung jedoch dahingestellt bleiben.[9]
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Unabhängig vom Vorliegen der in § 35 S. 1 VwVfG genannten materiellen Voraussetzungen ist eine regelnde behördliche Maßnahme allerdings auch bereits dann als Verwaltungsakt zu qualifizieren, wenn sie äußerlich in die Form eines Verwaltungsakts gekleidet ist (z.B. Bezeichnung als „Bescheid“, „Verfügung“ etc., Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO[10], Androhung von Zwangsmitteln etwa nach § 13 VwVG [Rn. 355], Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 37 Abs. 6 VwVfG [Rn. 203]), sog. formeller Verwaltungsakt.[11] Denn für die Bestimmung der Rechtsnatur einer Maßnahme kommt es nicht darauf an, wie die Behörde rechtmäßiger Weise hätte handeln müssen, sondern in welcher Handlungsform sie – ggf. rechtswidriger Weise – tatsächlich gehandelt hat (vgl. Rn. 30 und Rn. 69). U.U. kann sich der Charakter einer zunächst nicht als Verwaltungsakt zu qualifizierenden Maßnahme sogar noch nachfolgend durch die widerspruchsbehördliche Bezeichnung als solcher bzw. durch den Erlass eines Widerspruchsbescheids ändern.[12]
Hinweis
„Von der Prüfung der Handlungsform, also vorliegend der Frage, ob überhaupt ein […] Verwaltungsakt vorliegt, ist die Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns zu unterscheiden. Die Rechtmäßigkeitskontrolle behördlichen Handelns setzt voraus, dass die gewählte Handlungsform bestimmt ist. Aus der Unterscheidung zwischen der Bestimmung der Handlungsform und der Rechtmäßigkeitsprüfung der Handlung folgt, dass dann, wenn eine behördliche Handlung die Begriffsmerkmale des Verwaltungsaktsbegriffs erfüllt, Verstöße gegen Vorschriften des Verfahrens- und des sachlichen Rechts und selbst besonders schwere Fehler, die den Verwaltungsakt nichtig machen und zu seiner Unwirksamkeit führen (vgl. §§ 44, 43 Abs. 3 VwVfG), nichts daran ändern, dass begrifflich ein – wenn auch rechtswidriger oder nichtiger – Verwaltungsakt vorliegt“.[13]
Beispiel[14]
Die Stadt K hat im Amtsblatt unter Beifügung einer Rechtsbehelfsbelehrung für bestimmte Zeiten an den bevorstehenden Karnevalstagen im Bereich des „Zülpicher Viertels“ ein allgemeines Verbot des „Mitführens und Benutzens von Glasbehältnissen“ bekannt gegeben; die sofortige Vollziehung wurde angeordnet, ein Zwangsgeld angedroht. Z, der im Zülpicher Viertel einen Kiosk betreibt, befürchtet erhebliche Umsatzeinbußen und beantragt daher beim zuständigen Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung seines gegen das Verbot erhobenen Rechtsbehelfs wiederherzustellen. Ist der Antrag statthaft?
Ja. In Abgrenzung zum vorläufigen Rechtsschutz nach § 123 Abs. 1 VwGO ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO dann statthaft, wenn der Antragsteller die gerichtliche Anordnung bzw. – wie hier wegen der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO der Fall – die gerichtliche Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bzw. einer Anfechtungsklage begehrt, d.h. Letztere gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die in der Hauptsache statthafte Klageart ist. Dies ist hier der Fall. Allein schon wegen der in der hiesigen Maßnahme der Stadt K gewählten Begrifflichkeiten handelt es sich bei dem Verbot um eine personenbezogene Allgemeinverfügung, nämlich um einen Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet (§ 35 S. 2 Var. 1 VwVfG) und nicht um eine ordnungsbehördliche Verordnung, welche Rechtsnormcharakter aufweist (vgl. § 25 Satz 1 OBG NRW). Denn die angefochtene Maßnahme ist von ihrer Form her als Allgemeinverfügung erlassen worden (entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Androhung von Zwangsmitteln) und soll auch in Bezug auf den jeweiligen Adressaten einen Einzelfall regeln (Benutzung und Mitführen von Glasbehältnissen durch Personen, die sich in bestimmten Bereichen zu bestimmten Zeiten aufhalten).
Ob eine Maßnahme als formeller Verwaltungsakt im vorstehenden Sinn einzustufen ist, bestimmt sich – ebenso wie die Ermittlung des Inhalts eines Verwaltungsakts (Auslegung; Rn. 55) – aus Sicht eines objektiven Dritten in der Position des Erklärungsempfängers unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (§§ 133, 157 BGB analog) sowie von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog).
a) Maßnahme
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Voraussetzung für das Vorliegen eines Verwaltungsakts ist gem. § 35 S. 1 VwVfG zunächst, dass eine „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme“ vorhanden ist.
Unter dem in § 35 S. 1 VwVfG als Obergriff für „Verfügungen“ und „Entscheidungen“ verwendeten Merkmal der „(hoheitlichen) Maßnahme“ ist jedes Verhalten mit Erklärungswert zu verstehen.[15]
Hinweis
Dem in Teilen der Literatur[16] geäußerten Vorbringen, dem Merkmal „Maßnahme“ komme gegenüber dem der „Regelung“ keine eigenständige Bedeutung zu, ist nicht zu folgen. Richtigerweise bezieht sich der Begriff „Maßnahme“ auf die Tätigkeit der Behörde (den Erlass des Verwaltungsakts), wohingegen die „Regelung“ sich auf das Ergebnis dieser Tätigkeit (den erlassenen Verwaltungsakt) bezieht.[17]
Wie aus der vorstehenden Definition folgt, handelt es sich beim Verwaltungsakt grundsätzlich um eine menschliche Willenserklärung[18], welche als solche ausdrücklich oder konkludent (z.B. Subventionsrückforderung enthält zugleich Aufhebung des Bewilligungsbescheids, siehe Übungsfall Nr. 4) erfolgen kann (vgl. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG: „in anderer Weise“), i.d.R. nicht dagegen durch bloßes Schweigen (siehe aber § 42a VwVfG).[19] Ausnahmsweise kann nach dem mit Wirkung vom 1.1.2017 neu eingefügten § 35a VwVfG ein Verwaltungsakt allerdings auch vollständig durch automatische Einrichtungen, d.h. ohne Willensbetätigung eines Menschen im jeweiligen Einzelfall,[20] erlassen werden, sofern dies durch eine gesonderte Rechtsvorschrift zugelassen ist und weder ein Ermessen (Rn. 226 ff.) noch ein Beurteilungsspielraum (Rn. 216 ff.) besteht.
Beispiel[21]
E ist Eigentümer eines Wohnhauses im unbeplanten Außenbereich. Nachdem E in den Genuss einer größeren Erbschaft gekommen ist, sieht er sich nunmehr endlich in der Lage, seinen langjährigen Wunsch nach einem eigenen Schwimmbad im Garten seines Grundstücks zu realisieren. Um keine Zeit zu verlieren, wartet E die Entscheidung der zuständigen Bauaufsichtsbehörde B über die von ihm beantragte Baugenehmigung nicht ab, sondern beginnt sogleich mit den Arbeiten. Kurz vor deren Abschluss erscheint M, eine Mitarbeiterin von B, auf der Baustelle, ohne jedoch Einwendungen gegen die Errichtung des Schwimmbads zu erheben. Ebenfalls ohne Beanstandungen verläuft deren weiterer Besuch bei E einen Monat später, als dieser im soeben fertiggestellten Schwimmbad seine Bahnen zieht. Vielmehr erklärte M auf Nachfrage des E im Gegenteil, dass das Schwimmbad sicher bald genehmigt werde. Umso verwunderter ist E sodann, als ihm kurze Zeit später eine Verfügung von B zugeht, in der ihm unter Hinweis auf die fehlende Baugenehmigung sowie die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit des Schwimmbads dessen Entfernung aufgegeben wird. E meint, diese Verfügung sei ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, da der Schwimmbadbau schließlich aufsichtsbehördlich begleitet wurde. Zu Recht?
Nein. Insbesondere können die vorgenannten Umstände nicht als aktive Duldung verstanden werden, welche die von B gegenüber E erlassene Verfügung, das Schwimmbad zu entfernen, ermessensfehlerhaft machen würde. Eine rechtsbeachtliche aktive Duldung, die nicht bereits aus langjähriger Untätigkeit der Behörde und auch nicht aus einer beanstandungsfrei verlaufenen Schlussabnahme oder aus späteren, anderen Zwecken dienenden bau-, gewerbe- oder gaststättenrechtlichen Überprüfungen hergeleitet werden kann, ist erst dann anzunehmen, wenn die zuständige Baubehörde in Kenntnis der formellen und ggf. materiellen Illegalität eines Vorhabens zu erkennen gibt, dass sie sich auf Dauer mit dessen Existenz abzufinden gedenkt. Angesichts des Ausnahmecharakters und der weit reichenden Folgen einer aktiven Duldung – die Behörde ist auf Dauer an der Beseitigung rechtswidriger Zustände gehindert – muss den entsprechenden Erklärungen der Behörde mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, ob, in welchem Umfang und ggf. über welchen Zeitraum die Duldung der illegalen Zustände erfolgen soll. Im Übrigen spricht vieles dafür, dass eine länger andauernde Duldung oder Duldungszusage, soll sie Vertrauensschutz vermitteln, schriftlich erfolgen muss. Ausgehend hiervon ist die Erklärung von M nicht als aktive Duldung zu verstehen, weil ihr nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit zu entnehmen ist, dass B die illegalen Zustände vorübergehend oder dauerhaft hinnehmen würde. Wenn das Schwimmbad „sicher genehmigt werden“ sollte, wäre es vielmehr Sache des E, die fehlende Genehmigung ggf. zu erstreiten.
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Abweichend vom Vorstehenden kommt behördlicher Untätigkeit in Form von Schweigen[22] allerdings dann Erklärungswert zu, wenn das Gesetz hieran ausnahmsweise eine Rechtsfolge knüpft. Neben derartigen bisher schon in einzelnen Fachgesetzen v.a. zwecks Verfahrensbeschleunigung getroffenen Regelungen (z.B. § 6a Abs. 1 GewO, § 10 Abs. 1 S. 3 HwO[23]) ordnet nunmehr auch der zur Umsetzung von Art. 13 Abs. 4 (Dienstleistungs-)Richtlinie 2006/123/EG am 18.12.2008 in Kraft getretene § 42a VwVfG eine solche Rechtsfolge an. Gemäß dessen Abs. 1 S. 1 gilt eine beantragte Genehmigung nach Ablauf einer für die Entscheidung festgelegten Frist als erteilt (Genehmigungsfiktion), wenn dies durch eine andere Rechtsvorschrift – wie z.B. durch den in § 54 Abs. 6 S. 2 KrWG enthaltenen Verweis – ausdrücklich so angeordnet ist.[24]
Genehmigung ist eine vor der Aufnahme oder Ausübung der betreffenden Tätigkeit einzuholende Erlaubnis.[25]
Vorbehaltlich einer abweichenden Regelung in dem auf § 42a VwVfG verweisenden Fachgesetz setzt dieser einen hinreichend bestimmten[26] Antrag („Ereignis“ i.S.v. § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB[27]) sowie das Fehlen einer diesem entweder stattgebenden oder ablehnenden Entscheidung innerhalb der dafür festgelegten Frist voraus. Diese beträgt gem. § 42a Abs. 2 VwVfG grundsätzlich 3 Monate (mit der Möglichkeit einer einmaligen, zu begründenden und rechtzeitig mitzuteilenden angemessenen Verlängerung „wegen der Schwierigkeit der Angelegenheit“ – und nicht etwa Personalmangels) und beginnt mit Eingang der vollständigen Unterlagen bei der zuständigen Behörde. Die dieser tatsächlich zur Verfügung stehende Bearbeitungszeit wird allerdings durch die Zugangsfiktion nach § 41 Abs. 2 S. 1 bzw. 2 VwVfG verkürzt, da eine ablehnende Entscheidung entsprechend früher abgesandt werden muss.[28]
Mit Ablauf der Frist tritt dann die Genehmigungsfiktion des § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG ein. Aus der systematischen Stellung von § 42a VwVfG nach § 41 VwVfG folgt, dass der Fristablauf die wirksame Bekanntgabe des fingierten (synonym: fiktiven) Verwaltungsakts gegenüber dem Antragsteller ersetzt; „die fingierte Genehmigung [ist] die Genehmigung“[29]. Im Übrigen entfaltet die Genehmigungsfiktion die gleiche Wirkung wie ein entsprechender ordnungsgemäß zustande gekommener und bekannt gegebener Verwaltungsakt (Rn. 39, 289 ff.).[30]
Hinweis
Wegen dieser verfahrensersetzenden Wirkung der Genehmigungsfiktion dürften die §§ 45, 46 VwVfG im Rahmen von § 42a VwVfG keine Bedeutung haben. „Eine verfahrensfehlerhafte fingierte Genehmigung kann es […] nicht geben“.[31]
Folglich sind nach § 42a Abs. 1 S. 2 VwVfG u.a. die Vorschriften über das Rechtsbehelfsverfahren ebenfalls auf die fingierte Genehmigung anzuwenden, d.h. diese kann mittels Widerspruch (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO) bzw. Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) angefochten werden. Mangels Rechtsbehelfsbelehrung gilt hierfür jedoch regelmäßig nicht die Monatsfrist des § 70 Abs. 1 S. 1 bzw. § 74 Abs. 1 VwGO, sondern vielmehr die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO.[32] Doch selbst an Letztere sind Personen, die an dem die Fiktion auslösenden Verwaltungsverfahren nicht beteiligt waren, nur dann gebunden, sofern ihnen gegenüber eine gesonderte Mitteilung über den Eintritt der Genehmigungsfiktion erfolgt ist. Andernfalls unterliegt der Drittwiderspruch bzw. die Drittanfechtungsklage allein den zeitlichen Grenzen der Verwirkung.[33]
Nicht von der Fiktionswirkung des § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG erfasst wird dagegen die materielle Rechtmäßigkeit der fingierten Genehmigung, so dass gem. § 42a Abs. 1 S. 2 VwVfG die Regelungen über die Bestandskraft von Verwaltungsakten, d.h. insbesondere diejenigen betreffend deren Erledigung (§ 43 Abs. 2 VwVfG), Nichtigkeit (§ 44 VwVfG), Rücknahme (§ 48 VwVfG) und Widerruf (§ 49 VwVfG), gelten (Rn. 295 ff.). Das Fehlen einer Entscheidung allein rechtfertigt die Rücknahme bzw. den Widerruf der fingierten Genehmigung regelmäßig nicht, da § 42a Abs. 1 S. 1 VwVfG ansonsten weitgehend leer liefe. Vielmehr kann es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebieten, die fingierte Genehmigung nachträglich mit einschränkenden Nebenbestimmungen (§ 36 VwVfG) zu versehen, statt sie aufzuheben. Dies kann allerdings auch nur so weit geschehen, wie dies bei einem entsprechenden Verwaltungsakt nach materiellem Recht nachträglich zulässig wäre (Rn. 77 ff.).[34]
Wenngleich die Genehmigungsfiktion mithin einem ordnungsgemäß zustande gekommenen und bekannt gegebenen Verwaltungsakt entspricht, so hat der Begünstigte gleichwohl kein Dokument in den Händen, mit dem er die fingierte Genehmigung belegen kann. Daher gewährt § 42a Abs. 3 VwVfG – insofern vergleichbar mit § 37 Abs. 2 S. 2 VwVfG – dem Begünstigten sowie allen anderen Personen, denen der entsprechende Verwaltungsakt nach § 41 Abs. 1 VwVfG bekannt zu geben wäre, einen Anspruch gegen die Behörde auf Ausstellung einer schriftlichen („Fiktions-“[35])Bescheinigung darüber, dass die Genehmigungsfiktion eingetreten ist.[36] Der Empfang dieser Bescheinigung markiert zugleich den spätesten Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Genehmigungsfiktion, was wiederum für die Frage der Zulässigkeit der Anfechtung von Bedeutung ist (s.o.).[37]