Kitabı oku: «Die althochdeutschen Zaubersprüche», sayfa 2

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eine „übernatürliche Kraft“ [aufweist], die das gesamte Sein und Geschehen durchdringt, die bald in bloßen Dingen, bald in Personen oder Geistern gegenwärtig und wirksam ist, die aber niemals ausschließlich an irgendeinen bestimmten einzelnen Gegenstand oder an ein einzelnes Subjekt als ihren Träger gebunden ist, sondern sich von Ort zu Ort, von Ding zu Ding, von einer Person zur anderen übertragen lässt.126

Man kann Mana also als „Eigenschaft von Vorgängen, Dingen, Orten, Zeiten und Wesen“127 bezeichnen, die sich „als unerwartet oder außerordentlich wirkungsvoll erweisen.“128 Der Begriff Mana ist allerdings nicht nur religiösen Bereichen zuzuordnen, sondern auch in alltäglichen Zusammenhängen zu finden. Je nach Kultur benennt der Begriff auch „Autorität, Status [und] Glück.“129

Käser sieht den Begriff Mana als „wertneutral“130 an. Allerdings gibt es „gutes und böses Mana“.131 Unter gutes Mana kann ein Heilzauber fallen, unter schlechtes Mana ein Schadenszauber. Es kommt darauf an, ob die Auswirkungen als „nützlich oder schädlich erfahren werden.“132

Die Vorstellung, dass bestimmte Dinge mit Mana versehen sind, findet sich unter anderen Begrifflichkeiten auch in unserer Kultur. Wenn Käser also schreibt, dass Menschen „vom Mana eines Ortes […] Heilung von Krankheiten und Beschwerden aller Art [erwarten]“133 und „markante Steine, Felsen, Quellen, Wasserfälle, Flüsse, Berge, Haine [und] Grabstätten“134 als „Kraftorte“135 nennt, so erinnert dies stark an die von den Germanen verehrten Heiligtümer.136 Auch im frühen Mittelalter hielten die Menschen an der Verehrung von Orten, wie Seen oder Quellen, fest.137 Bei Zaubersprüchen, bei denen eine Zeitangabe als Ritusanzeige gegeben ist, ist die genaue Zeit wichtig für den Erfolg des Zauberspruchs. Hampp gibt hier „magische Zeiten wie Beerdigung und Mondnacht“138 an, „in denen die Sympathie wirkt.“139

Ein weiteres Beispiel sind Personen, die besonders viel Mana in sich tragen und deren gesprochenes Wort besondere Zauberkraft hat.140 Bei Naturvölkern können das Schamanen sein, in der dörflichen Gemeinschaft ist es eine Person, die „innerhalb dieser Lebensgemeinschaft eine Sonderstellung ein[nimmt]“,141 da sie die Fähigkeit hat, „Krankheiten zu heilen“142 und „Böses wieder gut [zu] machen.“143 Den „Beruf“ umgibt etwas Geheimnisvolles, was auch so gewollt ist:

Rekonstruktion von Altären im Opfermoor Vogtei,

Niederdorla, Thüringen.

[…] denn es ist das Geheimnis, aus dem heraus diese Gemeinschaft [die Zauberkundigen] lebt. Ihr Geheimnis muss sie wahren, um sich Anfeindungen zu entziehen und um die geheimnisvolle Atmosphäre um sich her zu schaffen, die nötig ist, damit das Volk an sie glaubt.144

Da die Anschauung herrscht, dass Zaubersprüche nur ganz bestimmten Personen überliefert werden dürfen, kann man davon ausgehen, dass „auch der Sprecher selbst, und nicht nur sein Wort an sich, von einer besonderen Kraft erfüllt sein [muss].“145 Diese Personen haben besonders viel Mana, auch wenn diese Kraft im europäischen Kulturkreis nicht so genannt wird. Käser nennt noch „das Denken christianisierter Ethnien“,146 in dem „Gebete grundsätzlich als sprachliche Ereignisse, von denen man außerordentliche Wirksamkeit im Sinne von Mana [erwartet]“,147 angesehen werden. Die Wirksamkeit der Kraft wird hierarchisch betrachtet: „Je höher das kirchliche Amt dessen ist, der betet, umso größer – so die Erwartung – wird seine Wirkung sein.“148

Mit dem Begriff Mana ist auch der des Tabus zu nennen. Der Begriff Tabu bedeutet, dass das Heilige durch bestimmte Verbote und Verhaltensregeln geschützt wird: „Für das Verbotene, ja das Vernichtende des Sakralen hat sich in der Religionsforschung das Wort ‚Tabu‘ durchgesetzt.“149 Wichtig ist für das Heilige, dass im Umgang mit ihm „bestimmte Bedingungen erfüllt [werden].“150

Ein Beispiel aus dem europäischen Raum wäre die Weitergabe von magischem Wissen:

Das Geheimnisvolle bei der Übergabe eines solchen „Berufes“, der von seinen besten Trägern als echte Berufung aufgefaßt wird, erhöht sich noch durch besondere Vorschriften, die dabei gelten; diese sind sehr verschieden und widersprechen sich oft: Einmal darf eine Frau die Kunst nur von einer Frau, ein Mann nur von einem Mann übernehmen, dann wieder ist die Verschiedenheit der Geschlechter Voraussetzung für die Weitergabe, und schließlich kommt es sogar vor, daß Ledige sich nur Ledigen, Verheiratete sich nur Verheirateten mitteilen dürfen oder daß auch hier Verschiedenheit des Familienstandes Voraussetzung ist.151

Hier gilt, dass bestimmte Bedingungen für das Erlangen des magischen Wissens erfüllt werden müssen. Im Gegensatz zum Bereich des Profanen ist der Bereich des Heiligen durch das Tabu geschützt.

4 Der Zauberspruch

4.1 Eigenschaften des Zauberspruchs

Das Lexikon des Mittelalters definiert Zaubersprüche folgendermaßen:

Zaubersprüche sind eine Form der Wortmagie, die sich gesprochener Formeln in gebundener oder ungebundener Rede bediente, um direkt oder mittelbar (durch Beschwörung vermittelnder Wesenheiten […] oder durch das Bitt-Gebet zu Heiligen bzw. Engeln) in den Ablauf des Kausalgeschehens einzugreifen.152

Der Zauberspruch kann „von Zaubergebärden begleitet, zu Zauberhandlungen (Ritualen) der Kontakt- und Entsprechungsmagie gemurmelt, skandiert oder gesungen“153 werden. Auch Simek bezeichnet Zaubersprüche als „verbale Ausformungen der magischen Handlung, die gesprochen oder gesungen werden konnten.“154

Der Zauberspruch ist „eine literarische Kleinform [mit] ausgesprochenem Gestaltenreichtum“,155 da er sich von reinen „Phrase[n] des Zauberworts bis zu mehrstrophigen Gebilden auffächert.“156 Man kann den Zauberspruch demnach zum Teil der Gattung der Lyrik zuordnen. Wie Lieder oder Gedichte weist er Reimschemata auf. Neuzeitliche, aber auch mittelalterliche Zaubersprüche haben oft ein einfach gefertigtes Reimschema, wie den Kreuz- oder Paarreim, ältere germanische weisen noch die traditionelle Stabreimform auf.157 Manche Zaubersprüche haben auch eine Nähe zu Kinderreimen.158

Die magischen Prinzipien werden auch in lyrischen Stilmitteln umgesetzt:

Das Grundprinzip des Animismus, siehe auch Kapitel 3.1.5, zeigt sich in der Personifikation. Die Krankheit, zum Beispiel die Migräne („Wohin gehst du, Schädelschmerz […]“?159) oder der Krankheitswurm, werden personifiziert und es wird zum Teil direkt mit ihnen kommuniziert. Ein Beispiel ist der imperativische Befehl „Gang ûz“160 des Wurmsegens. Ein weiteres wichtiges Stilmittel ist der Vergleich, der sich häufig durch Wörter wie „wie“ ausdrückt.

Der Trierer Pferdesegen ist ein Beispiel für den literarischen Vergleich: „Soso Krist gibuozta themo sancte Stephanes hrosse thaz entphangana, so gibuozi ihc it mid Kristes fullesti thessemo hrosse.“161 So wie Jesus Christus einst geheilt hat, so will auch der Mensch, der den Spruch benutzt, die Heilung durchführen.

In der Beschwörung erfolgt die „Aufreihung gleichartiger syntaktischer und morphologischer Elemente“,162 wie man am Beispiel der zweiten und dritten Zeile des Spruchs Pro Nessia erkennen kann: „uz fonna marge in deo adra, vonna den adrun in daz fleisk, fonna demu fleiske in daz fel, fonna demo velle in diz tulli.“163 In der dritten Zeile findet sich auch das Stilmittel des Parallelismus.

Die „zahlreiche[n] Wiederholungen [dienen] ästhetischen und pragmatischen Zwecken zugleich.“164 Naiditch betont die „pragmatische Seite des Zauberspruchs“ und seine Nähe zu Gebrauchstexten:

Die pragmatische Seite des Zauberspruchs – der Versuch, das gewünschte Ergebnis durch einen auf ganz bestimmte Weise organisierten Text zu erreichen – hat ihrerseits zwei Seiten, die zu unterschiedlichen Textsorten tendieren. Der Glaube an die Magie des Wortes und der Rede in ihrer äußerlichen Struktur (Modulation der Stimme, Rhythmus) geht hier mit der Notwendigkeit der exakten detaillierten Beschreibung der Handlung Hand in Hand. Indem das Erstere mit der magisch-poetischen Seite des Textes verbunden ist, vereinigt das Letztere den Zauberspruch mit den „Gebrauchstexten“ […].165

Der Zauberspruch hat also eine „magisch-poetische Seite“,166 aber auch eine pragmatische, nämlich „die Wirklichkeit durch einen auf ganz bestimmte Art und Weise organisierten Text zu verändern.“167 Hier ist die genaue Beschreibung des Gewünschten nötig.168 Auch Simek betont „die Bedeutung der korrekten Wiedergabe.“169 Dies ist so, da „das Wort Gegebenes erhalten, vernichten oder verwandeln [soll] und […] zur Handlung [wird].“170 Zaubersprüche sind also nicht nur gesprochene Worte, sondern „sie sind Sprachhandlung.“171 Die Aussage „Ich beschwöre dich“172 wird im Spruch auch zur Tat.

Das Prinzip des „gesagt-getan“173 findet sich auch in diesem Zauberspruch:

Ich greif an die Haut

ich greif an das Fleisch

ich greif an das Bein

ich greif an das Mark und Blut

das ist für alle Schwinden gut.174

Das Ausformulieren der Absicht wird direkt mit einer Handlung begleitet. Ziel ist auch hier „die Beseitigung des Schadens durch Wort und Tat.“175 Magische Formeln haben allerdings verschiedene Formen. Es gibt, neben klar formulierten Anliegen, auch Zaubersprüche, die nicht auf sinnvollen und verständlichen Ausdrücken beruhen, sondern mit der Onomatopoesie und der freien Kombination von Lauten spielen.176

Allen Zaubersprüchen gemeinsam ist aber, dass sie auf der Macht der Wortes beruhen.

4.2 Die Macht des Wortes

Doch wie erklärt sich die magische Kraft des Wortes?

Eine Erklärung ist, dass das Wort als Repräsentant für das bezeichnete Lebewesen oder den benannten Gegenstand steht. Dieser dient dann als pars pro toto. Für den Anwender des Zauberspruchs „fallen Zeichen und Gezeigtes zusammen“.177 Weiter heißt es bei Monika Schulz: „Für den archaischen Menschen sind die Sachen und die Worte nicht unterschieden […]“178

Wer den Namen hat, hat im Zauberspruch oftmals Macht über das gesamte Wesen, da „der Name die ‚Essenz‘ des Trägers darstellt.“179 Zwischen dem Namen und der Person besteht Sympathie.180 Im Märchen Rumpelstilzchen ist diese Denkweise ebenfalls zu finden: Der Gnom verliert seine Macht, nachdem sein Name ans Licht gekommen ist.181 Ein Beispiel aus dem Neuen Testament ist die Austreibung des Dämonen „Legion“. Jesus fragt vor der Austreibung nach dem Namen der Geister, die den Kranken heimsuchen.182

Eine weitere Erklärung ist, dass das geschriebene Wort in vorschriftlichen Gesellschaften, aber auch im Mittelalter, exklusiven Charakter hatte und sich dadurch von der Ebene des Profanen entfernt hatte.183

Das frühe Mittelalter zum Beispiel war „eine Kultur von eingeschränkter Schriftlichkeit.“184 Die Fähigkeit zu schreiben war auf die Insassen der Klöster beschränkt. Hinzu kommt, dass diese im frühen Mittelalter allerdings noch nicht überall vertreten waren.185 Deswegen kann man die „Schreibkunst als monopolisierte Technik“186 bezeichnen, die für die illiterati unzugänglich und deswegen geheimnisvoll war.187

Das Wort war auch insofern heilig, als das Schreibvermögen und auch die Schrift auf göttlichen Ursprung zurückgeführt wurden.188 Ein Beispiel dafür wäre die schreibende Hand Gottes im Alten Testament.189 Die Bibel ist die Glaubensgrundlage der christlichen Religion und wird auch Die Heilige Schrift genannt. Dass „das Buch bis tief ins Hochmittelalter hinein ein Gegenstand der Verehrung war“,190 ist auch dadurch zu erklären, dass der „Umgang mit Schrift in ausschließlich magischer und kultischer Absicht“191 viele Jahrhunderte zu den Gewohnheiten der Menschen gehörte.

Doch nicht nur das Christentum sieht das schriftliche und gesprochene Wort als machtvoll an: Trotz der hauptsächlich mündlichen Überlieferung bei den vormittelalterlichen Germanen192 hat es Formen „volkssprachlicher Schriftlichkeit“193 gegeben und auch bei diesen Volksstämmen wurde „der Schrift und dem Schreiben religiös-kultische Funktionen zugewiesen.“194 Die von den Germanen genutzten Schriftzeichen werden als Runen bezeichnet. „Rune“ (gotisch/althochdeutsch „runa“, angelsächsisch/ altnordisch „run“) bedeutet „Geheimnis“.195 Die Runen wurden nicht auf Pergament geschrieben, sondern eingeritzt.196 Alle geritzten Runen wiesen einen senkrechten Hauptstrich auf, da das Material, auf das sie geritzt wurden, „eine vorwiegend senkrechte Strichführung verlangt[e].“197 Daher wurden einzelne Zeichen auch als „Stab“ bezeichnet. Im Altsächsischen bezeichnete man sie als „stab“, im Angelsächsischen als „staef“ und im Altnordischen als „stafr“.198 In Bücher oder auf Pergament geschriebene Stäbe nannte man „Buchstaben“. Im Altsächsischen wurde der „Buchstabe“ als „bokstaf“, im Althochdeutschen als „buochstap“ bezeichnet.199 Diese Zeichen wurden allerdings nicht für schriftliche Kommunikation oder zu literarischen Zwecken genutzt, sondern hatten andere Zwecke, zum Beispiel magisch-religiöse oder memoriale.200 Die Anwendungsgebiete waren zum Beispiel „[…] Bedeutung tragende Zeichen im Loszauber, […] kurze Inschriften auf Gebrauchs- und Kultgegenständen in apotropäischer oder schädigender Absicht oder Gedenkinschriften.“201

Runenstein von Rök. Varin, der Runenmeister des Steins,

chiffrierte den Text an einigen Stellen mit Hilfe von

Geheimrunen. Dazu griff er auf zweierlei Runenalphabete

zurück, auf das altnordische mit 24 Zeichen, aber auch

auf ein spezielles Rök-Alphabet mit 16 Zeichen.

5 Form und Inhalt der Zaubersprüche

Es gibt zwei dominierende Grundformen im Zauberspruch. Die eingliedrige Stilform, den Befehl – oder auch die Beschwörung – und die zweiförmige Stilform, die aus einem narrativen Teil (historiola) und einem Befehl (Beschwörung) besteht.

5.1 Der Befehl

Mit Hilfe des magischen Befehls soll ein feindlich gesonnenes Objekt vertrieben werden.202 Diese Objekte sind zum Beispiel „elbische[] Wesen wie Riese, Zwerg und Alp, […] Dämonen in Tiergestalt wie Wurm und Gebärmuttertier [oder] personifizierte Krankheiten.“203 Es ist auch möglich, dass sich der Befehl an die Naturgewalten, gefährliche Tiere oder Menschen richtet.204

Zum Befehl, der „am eindringlichsten von dem starken Glauben an die Macht des Wortes an sich [zeugt]“, gehört „ein Verb im Imperativ“.205 Der Sprecher richtet einen Appell an das schadensverursachende Wesen, das „durch Befehl oder Bitte zu einer bestimmten Handlung aufgefordert wird.“206 Meistens werden im Befehl „Verben der Bewegung […] wie gehen, springen, reiten, fallen, fliegen, ziehen, fahren oder weichen“207 verwendet.

Ein althochdeutsches Beispiel ist der Zauberspruch Pro Nessia aus dem 9. Jahrhundert, der sich mit dem imperativischen Befehl „Gang ûz“208 an den Wurm „nesso, mit niun nessinchlînon“209 wendet. In diesem Akt wird deutlich, dass die korrekte Anwendung der Sprachformel wichtig ist: Der auszutreibende Wurm wird genannt, aber auch seine Brut, die weiteren Schaden anrichten kann, wenn sie nicht ausgetrieben wird. Die Handlungsanweisung muss korrekt ausgesprochen werden,210 damit sie wirksam werden kann, denn es besteht die „Notwendigkeit der exakten detaillierten Beschreibung der Handlung.“211 Der Zauberspruch hat in der Notwendigkeit der Genauigkeit Ähnlichkeit mit Gebrauchsanweisungen. Deshalb, weil

der Zauberspruch praktische Zwecke [hat]; um das Erwünschte zu erzielen, braucht man eine detaillierte Beschreibung der notwendigen Handlungen, so z. B. in den Beschwörungen, wo exakt angegeben wird, wer, wie und wohin entfernt werden soll.212

Der Zauberspruch, der „in erster Linie aus der magischen Kraft des Wortes“213 wirkt, kann durch „die magische Kraftquelle“214 des Sprechers ergänzt oder verstärkt werden. Dass die Kraft des Wortes von Menschen mit besonderem Status, mit besonders starkem Mana, als „außerordentlich wirkungsvoll“215 angesehen wird, ist eine Besonderheit des magischen Denkens.216 Auch in dem der Beschwörung sehr ähnlichen Exorzismus hängt der Erfolg der Handlung von „der Würdigkeit des Spenders bzw. des Handelnden ab.“217

Die zaubernde Person führt ihre „Person als ‚Ich‘ in den Zauberspruch“218 ein. Das „Ich“ des Sprechers tritt in der Beschwörung „als Autorität“219 auf. In dieser Variante der Beschwörung werden „Ich-Formeln“220 gebraucht. Hampp bezeichnet die Formeln „Ich gebiete Dir“ und „Ich beschwöre dich“ als die häufigsten Wendungen.221

Es gibt Varianten, in denen der Zaubernde seinen eigenen Namen nennt. Zwischen Name und Träger besteht Sympathie und der Sprecher will dadurch „die in seiner Person wohnende magische Kraft zur Wirksamkeit aufrufen.“222

Wenn sich der Sprecher im magischen Befehl zum Beispiel auf „Gott, Christus und Maria“223 beruft, ist „die Grenze des Magischen“224 erreicht und der Abstand zum Gebet nur noch klein.225

5.2 historiola

Die sogenannte historiola, also die kleine Geschichte, ist der narrative Teil des Zauberspruchs, an den sich eine Beschwörung anschließen kann. In der Regel besteht ein Spruch mit historiola aus drei Teilen. Er hat eine Einleitung, einen Mittelteil und einen Schlussteil.

Schulz definiert die historiola folgendermaßen: „[Die historiola ist] eine Art heilige […] Geschichte, die den meisten Beschwörungen voransteht und die folgende Formel oder die Handlungsanweisung, die Beschwörung im engeren Sinne also, legitimiert.“226 Sie dient deswegen als Legitimation, da die historiola in mittelalterlichen Zauber- und Segenssprüchen „meist […] christlich getönten Sinnbezug“227 hat, im Gegensatz zu den reinen Beschwörungsformeln, deren christlicher Bezug nicht immer offensichtlich ist.

Grundsätzlich ist die historiola, deren Existenz schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Geschichte nachweisbar ist,228 je nach kulturellem Hintergrund austauschbar. Es gibt belegte historiolae aus anderen Kulturkreisen und „eine andere Kultur wird andere Bezüge ihrer heiligen mythischen Geschichten wählen.“229 Schulz nennt in ihrem Buch Magie – oder die Wiederherstellung der Ordnung die „sogenannte Marduk-Ea-Formel“230, die eine historiola aus der sumerischen Mythologie belegt.231 In dieser historiola tritt Marduk als „Vermittler“232 zwischen Vatergott und Mensch auf und schildert, wie die Menschen unter Dämonen leiden. Bei Marduk handelt es sich um einen Mittlergott, der sich im Christentum in der Gestalt Christus wiederfindet.233 Die Bitte an den Gott wird in der christlichen Religion über „Christus als messianische Schaltstelle geleitet.“234 Die Heiligen, die in Segen und Zaubersprüchen auftreten, haben wie Christus eine Vermittlerfunktion, da sie zum Beispiel bei Gott Fürbitte leisten,235 aber auch mit seiner Hilfe Wunder und magische Heilungen ausführen können. Wichtig ist, dass die Heiligen die Macht nicht aus sich selbst heraus haben, sondern sie „von Gott verliehen“236 bekommen.

Daher ist es etwas widersprüchlich, wenn Schulz „die Existenz eines Pantheons“ als Voraussetzung „für eine solche Verbindung von Mythos, Religion und Magie“237 sieht. Man kann die Heiligen nicht wie polytheistische Götter betrachten, da sie ihre Kräfte nur von Gott verliehen bekommen haben.238

Bei der Zuordnung der „christlichen Heilsbezüge“ zu „spezifischen Beschwörungsgruppen“239 wirkt das Prinzip der Analogie, zum Beispiel ist „der Rekurs auf Longinus, […] der nach der Legende die Seitenwunde Jesu verursachte, […] typisch für die Historiola der Beschwörung zur raschen Wundheilung.“240 Es ist in Bezug auf die Zaubersprüche nicht wichtig, ob sich die historiola auf die Bibel, die Apokryphen oder das Leben der Heiligen bezieht. Wichtig ist „die allgemein sakrosankte Verbürgtheit.“241 Man kann davon ausgehen, dass die Geschichten aus der Bibel und auch die Heiligenviten – zumindest im Mittelalter – von allgemeiner Bekanntheit waren.242 Es war im Mittelalter nicht unüblich, dass „die Taten der Heiligen von umherziehenden Troubadors, Trouvères, Spielleuten und Minstrels besungen wurden.“243 Deswegen kann man davon sprechen, dass die historiola „Intertextualismen“244 aufweist.

Texte mit historiola, seien sie nun christlich oder polytheistisch, „beziehen ihren magischen Wirkanspruch vor allem aus dem Bezug auf eine göttliche Macht und deren Wirken in illo tempore […].“245 Um die Bedeutung des in illo tempore zu erklären, bedarf es zunächst einer Erklärung des Mythos. Zuvor wurde schon erwähnt, dass die Weltsicht „des archaischen Menschen“, also dem, der Magie in der Praxis anwendet, auf dem Mythos aufbaut.246 Für diesen Menschen ist der Mythos erzählte Wirklichkeit:247 „Sie [die Mythen] offenbaren wahre Geschichten, beziehen sich auf Wirklichkeit.“248 Indem der Mensch den Mythos, die Handlung eines „Gott[es] oder Kultheros“249 wiederholt, sorgt er für den „Einbruch des Heiligen in die Welt.“250 Oft schildert die historiola einen Mythos, in dem ein „uralte[s] Modell eines Aufeinandertreffens von guten und bösen Mächten“ wiederholt wird.251 Der Gott stellt sich beispielhaft bösen Kräften. So wird der Mythos, indem er „das Dasein und Wirken übermenschlicher Wesen offenbart, die sich in vorbildhafter Weise verhalten […], Modell für die ‚ganze Welt‘.“252 Der Zauberspruch oder die Beschwörung mit historiola weckt „Hoffnung auf eine zu jeder Zeit möglichen Wiederholung.“253 Indem die Worte der Beschwörung gesprochen werden, die in illo tempore gesprochen wurden, tritt der Zaubernde in die „Segenszeit“254 ein, eine Zeit, die „nicht an der Zeitlichkeit teilhat.“255 Hier ist das Wunder oder die magische Heilung jederzeit wiederholbar.256 Es ist so, dass „die Einführung des mythologischen Geschehens und der mythologischen Zeit […] im Text durch die ganze grammatisch-semantische Form der ersten Zeile“257 erfolgt. Ein Beispiel dafür wäre der Trierer Spruch mit folgender Eingangsformel: „Quam Krist endi sancte Stephan zi ther burg zi Saloniun: thar uuarth sancte Stephanes hros entphangan.“258 Diese Eingangsformel nimmt Bezug auf eine Reise, die Christus mit dem heiligen Stephan unternimmt und bei der das Pferd irgendwann zu Schaden kommt. Diese beispielhafte Heilung ist im Zauberspruch „eine Fusion von Vergangenheit und Zukunft.“259

Die magische Heilung ist gleichzeitig auch eine „Wiederherstellung der Ordnung.“260 Da „Kranksein […] ursprünglich […] mit Unordnung bzw. Unheil [gleichgesetzt wurde]“,261 stellte man mit der Heilung des Patienten auch gleichzeitig die göttliche Ordnung wieder her. Mit der Heilung wird „Chaos“ beispielhaft in „Kosmos“ verwandelt.262 Dies erfolgt, wie schon erwähnt, mit einem Bezug auf eine heilige Geschichte, in der die Ordnung schon in illo tempore wiederhergestellt wurde. Gesundheit ist also „nicht nur körperliche Heilheit, sondern auch ein kosmisch verstandenes Heil.“263 Das „ahd. heilan kann als ‚heilen‘ [aber auch] ‚erlösen‘“ übersetzt werden.264 Die sprachliche Nähe zu den Bezeichnung Christi als „Heiland“ oder „Erlöser“ ist nicht zufällig.265

Ein Zauberspruch mit historiola ist demütiger als eine Beschwörung, da sich „das Ich des Sprechers aus dem Zauberspruch [zurückzieht].“266 Das bedeutet, dass an die Stelle des Ichs „eine göttliche oder heilige Macht tritt“,267 die an die Stelle des Zaubernden tritt. Sie „beschwört […], segnet und gibt Anweisungen.“268 Die „subjektive[n] Formen des Zauberspruchs“269, die Beschwörungsformeln, werden „ins Objektive transportiert, indem sie vom Sprecher einer objektiven Macht in den Mund gelegt werden.“270 Der Zaubernde schätzt also seine Kräfte geringer als die der Gottheit ein und er „spielt nur noch die Rolle eines Vermittlers.“271

Der Vermittler hat dabei folgende Funktion:

[E]in analoges Geschehen überträgt er aus der Vergangenheit in die Gegenwart und aus dem übermenschlichen wieder in den menschlichen Bereich, indem er dieses analoge Geschehen erzählt.272

Die Gottheit selbst wirkt in der historiola. Der „Wirkanspruch“ des Zaubers „[erfährt] eine ungeheure Potenzierung“,273 da es nicht der Zaubernde ist, der in ihm wirkt, „sondern die Gottheit selbst.“274

Nach Hampp sind der „Begegnungstyp und [der] Wanderschaftstyp“ die Haupttypen in der historiola.275

5.2.1 Der Begegnungstypus

Der Begegnungstyp der historiola schildert, wie schon der Name andeutet, eine Begegnung. Einer der Akteure in der kleinen Geschichte ist die Krankheit, die zum Beispiel „als Krankheitsdämon auftritt“,276 ein anderer kann die durch sie erkrankte Person sein.277 Die anderen Akteure sind „göttliche oder heilige Personen.“278 Im narrativen Teil des Zauberspruchs kann es „maximal drei Helden“279 einer Funktionsgruppe geben: den Leidenden, den Heilenden oder den Schadenden. Die Anzahl der Akteure kann hier variieren.280

Der Begegnungstyp lässt sich in drei Gruppen unterscheiden: erstens „die Begegnung der hilfreichen Macht mit dem Krankheitsdämon“, zweitens „die Begegnung der hilfreichen Macht mit dem Kranken“, drittens „die Begegnung zweier hilfreicher Mächte.“281

Beim Begegnungstyp, in dem die personifizierte Krankheit auf den Heilenden trifft, beruht der „narrative Teil auf einem Zusammenspiel zwischen dem Heilenden und dem Schadenden.“282 Es entsteht ein kleiner Dialog, der szenisch arrangiert ist und der „sehr formelhaft gehalten“283 wird und der an Dialoge im Märchen erinnert.284 Auffällig ist auch „die Stereotypie von Begegnung, Frage und Schadensabsicht.“ Ein Beispiel ist ein Spruch gegen Migräne. Jesus trifft auf die personifizierte Migräne und fragt sie: „Wohin gehst du, Schädelschmerz […]?“285 Die Krankheit antwortet: „Wir gehen uns niederzulassen, in das Haupt des Gottesknechtes N.N.“286 Jesus zwingt die Krankheit daraufhin durch die gesprochene Beschwörung,287 sich ein anderes Ziel zu suchen: „Siehe, ziehe nicht zu meinem Diener, sondern fliehet und ziehet in die wilden Berge, in einem Stierkopf laßt euch nieder! […]“288 Diese „performative Prohibitivformel“289 und das „Wegschicken des Schadenden“290 an einen Ort, an dem er keinen Schaden anrichten kann, ist typisch für diese Art der narrativen Erzählung.291 Dies erinnert an den von Jesus durchgeführten Exorzismus, in dem er Dämonen in Schweine bannt.292

Diese Art des Spruchs ist in drei Teile aufgeteilt: In der Einleitung werden die guten und die bösen Mächte während ihrer Begegnung mit Namen vorgestellt. Der Mittelteil beinhaltet den Dialog. Hier werden die Zerstörungen aufgezählt, die der Krankheitsdämon im menschlichen Körper hervorrufen möchte. Drittens wird ein Verbot, dies zu tun, und eine Verbannung ausgesprochen. Dies geschieht in beschwörender Form.293

Die zweite Gruppe des Begegnungstyps ist „die Begegnung der hilfreichen Macht mit dem Kranken.“294

Ein Beispiel dafür ist ein Spruch aus dem 9. Jahrhundert:

Supras petras Helena sedebat,

frigulas penas patebat (patiebatur)

Sic superuenit Sancta Maria:

„Quid tibi est, Helena?“

„Domina, iam patior penas.“

„Adjuro vos frigulor etc.“ 295

Auf einem Felsen da saß die Helena,

und sie litt an einer Verkühlung.

Da erschien plötzlich die Heilige Maria:

„Was hast du, Helena?“

„Herrin, ich habe gerade eine Beschwerde.“

„Ich beschwöre Euch, Kältedämon etc.“296

In dieser Version wird nicht der Krankheitsdämon, sondern der Patient selbst angesprochen. Helena sitzt auf einem Felsen und leidet unter einer Beschwerde. Daraufhin kommt die heilige Mutter Gottes und erkundigt sich nach ihrem Befinden. Auch hier ist die Anrede „Quid tibi est?“ formelhaft.297

Der Aufbau ist erneut dreiteilig. In der Einleitung treffen eine göttliche Macht und der leidende Heilige aufeinander. Der Heilige steht stellvertretend für den leidenden Menschen. Im Mittelteil kommt es zu einem Dialog, in dem die göttliche Macht erfragt, was dem Leidenden fehle. Der Schlussteil besteht aus dem Mitteilen einer Heilmethode. Dies kann „a) eine Beschwörung, b) ein Segen, c) eine Kuranweisung“ sein.298

Die dritte Variante des Begegnungstypus ist der „Drei gute Brüder-Segen“299:

Tres boni fratres per unam uiam ambulabant.

Et obuiauit eis dominus noster Jesus Christus et interrogauit eos dicens:

„tres boni fratres, quo itis?“

Et dixerunt: „domine, nos imus ad montem oliueti colliegere he(r)

bas plagationis et percussi(n)is.“

Dixit eis dom. nr. J. Christus:

„… iurate mihi per crucifixum et per lac beate Marie,

ut non in abscondito dicatis nec merce(dem) accipiatis,

et accipite oleum oliue et lanam ouis et mitite ad plagam etc.“ 300

Drei gute Brüder spazierten einen Weg entlang.

Und es kam ihnen unser Herr Jesus Chrisus entgegen und fragte sie:

„Ihr drei Brüder, wohin geht ihr?“

Und sie sagten: „Herr, wir gehen zum Berg, um Oliven zu

sammeln, gegen Wunden und Prellungen.“

Und der Herr Jesus Christus sagte zu ihnen:

„… schwört mir beim Kreuz und bei der Milch der

heiligen Maria, dass ihr es nicht heimlich weitersagt oder

einen Lohn dafür annehmt. Nehmt etwas Olivenöl und

Schafswolle und legt es auf die Wunde etc.“301

Hier zeigt sich erneut die Dreiteilung. Erstens die Begegnung der drei guten Brüder mit Jesus Christus, zweitens der Dialog, in dem das Anliegen der drei Brüder, eine Heilmethode zu finden, berichtet wird. Jesus nimmt den Brüdern das Versprechen ab, das Wissen um die Heilmethode zu bewahren und kein Geld für die Heilung Kranker anzunehmen.302 Den Abschluss bildet „a) eine Kuranweisung [oder] b) [eine] Anweisung für einen Zauberspruch“.303

5.2.2 Der Wanderschaftstypus

Der Wanderschaftstypus zeichnet sich dadurch aus, dass „göttliche[…] oder heilige Gegenmächte“ während einer Wanderschaft handeln.304 Die Handlung, nicht der Dialog, ist „das magisch entscheidende Moment.“305

Hampp unterscheidet zwischen verschiedenen Sorten des Wanderschaftstypus. Sie nennt beispielsweise den „Drei Frauen-Segen.“306 Darüber hinaus gibt es noch den „Feuer- und Brandsegen“307, den „Lorenzsegen“308, den Segen vom „Wurmacker“309 und den „Segen mit dem Streitmotiv“.310 Darüber hinaus gibt es noch die Segen, die dem Typ des zweiten Merseburger Zauberspruchs entsprechen.311 Auf diese wird in Kapitel 8 noch eingehender eingegangen werden.

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