Kitabı oku: «Eine Frau - Ihr Leben und was sie dafür opferte», sayfa 2
„Die Welt ist, wie sie ist. Und das Leben hält für jeden eine geraume Anzahl von Überraschungen bereit, woraus sich wieder unheimlich viele Möglichkeiten ergeben... Man sollte nur bereit sein, das Leben anzunehmen und manche Veränderungen nicht einfach akzeptieren, sondern nach besseren Möglichkeiten für sich suchen“.
Schüchtern enthielt er sich jeden Kommentars und schaute nur in ihr frisches, lebendiges Gesicht mit den strahlend blauen Augen. Herr K. war von diesem einzigartigen Moment völlig erfüllt und über alle Maßen glücklich! Konnte er doch ohne Angst in ihrem Gesicht lesen und sich an allen Einzelheiten erfreuen. „Ich konnte mich bisher nicht beklagen“, setzte sie in forschem Ton hinzu und schaute mit einer spürbaren Genugtuung auf ihre zahlreichen Notizen. Hierbei strich sie mit der Handfläche fürsorglich über diese ansehnliche Blättersammlung.
Hilflos, wie ein dummer Junge, starrte Herr K. auf den Stapel Blätter neben ihr, der von ein paar ausgefransten Buchdeckeln zusammengehalten wurde. Dabei nickte er anerkennend mit dem Kopf und zollte ihr für die erbrachte Arbeit seinen aufrichtigen Respekt. „Was für eine Lebensgeschichte musste dort auf diesen Seiten schlummern, wenn es die Notizen dieser Frau, Anfang fünfzig gewesen waren“, trieb der Gedanke wie ein Blitz durch seinen Kopf. Allzu gerne hätte der Autor einen Blick hineingeworfen! Doch es war keine Tageszeitung, die man eben Mal so einem Fremden zur Einsicht preisgibt!
Der schüchterne Mann schwieg beharrlich – allerdings mehr aus Verlegenheit und dem Mangel an sinnvollen Erwiderungen! Hierzu legte sich eine freundliche Mine auf sein Gesicht. Er hätte leidenschaftlich gerne weiter geredet, jetzt wo eine angenehme Vertrautheit zwischen den beiden herrschte. Doch ihn, überfiel ein eigenartiges Unbehagen. Ihm war so, als wäre diese Frau unendlich weit von ihm selber entfernt, einerlei was der schüchterne Mann auch antworten, noch tun würde. Selbst seine Anwesenheit stünde im deutlichen Gegensatz zu ihrer Welt. Entsetzliche Zweifel plagten ihn ohne Unterlass: „Vermutlich, verfüge ich nicht über den gleichen Erfahrungsschatz, wie die aufgeweckte Dame mir gegenüber. Meine Kommentare würden sie bestimmt langweilen...Und ich mache mich dabei nur lächerlich!“
Einen kurzen Moment lang zog eine dunkle Wolke der niederschmetternden Ernüchterung durch sein Oberstübchen: „Diese attraktive Person musste ein Leben führen, das ich nicht annähernd, in meinen dreiundfünfzig Lebensjahren erfahren, noch gelebte habe! Und somit wäre eine anregende Diskussion, noch ein belebender Erfahrungsaustausch überflüssig und sicherlich auch äußerst einseitig gewesen“. Da waren sie wieder gewesen, diese Ängste und Bedenken, die ihm einen sorglosen Umgang mit fremden Menschen nahezu unmöglich machten.
Stattdessen stierte er auf Raps - Monokulturen, die am Fenster im Eiltempo vorbeizogen.
Seine Ungeschicklichkeit war wirklich legendär und kaum noch zu überbieten! Wie ein Mensch, ohne die geringste Sozialkompetenz ließ er die Unterhaltung einfach absterben – wegen ein paar unbewiesenen Befürchtungen! Ein kultivierter Bürger hätte Herrn K`s. Verhalten als eine grobe Respektlosigkeit betrachtet. „Sich einer attraktiven Dame gegenüber so unhöflich zu benehmen, sei nicht normal“. Doch für die Frau schien diese krankhafte Zurückhaltung nicht so dramatisch gewesen zu sein. Sie sah den Vorfall als einfaches, belangloses Gespräch, welches wegen mangelnder Argument, soeben beendet wurde. Herr K. dagegen bekam einen trockenen Hals und wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher, als das Ende dieser Bahnreise! Diese angenehme Art der Fortbewegung, die er so sehr herbeigesehnt und zu Fahrtbeginn noch lobend erwähnt hatte, wurde ihm plötzlich zu einer ungeheuren Last. Dabei waren es doch gerade die sozialen Kontakte, die ein Reise lebendig werden lassen. Der rege Austausch mit fremden Mensch erweitert den Horizont! Zudem war er von ihrer Gegenwart unheimlich angetan und fühlte sich wie ein Magnet von ihrer Attraktivität angezogen!
Verzweifelt suchte dieser Mann nach einem Thema, während er durch die Scheibe starrte. Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich die Dame weiterhin den vielen Artikeln der Tagespresse widmete.
Es brachte ihn auf und er ärgerte sich mächtig über sich selber. In dieser völlig entspannten Situationen das Gegenteil von dem getan zu haben, was eigentlich richtig gewesen wäre!
Ein paar einfache Sätze, nur um ein Gespräch in Gang zu halten! Das Autorenhirn mühte sich redlich, aber es bekam keine zündende Idee. Jede Sekunde die wortlos verstrich, erhöhte seinen seelischen Druck ungeheuer. Und Kilometer für Kilometer entwickelte sich die Bahnfahrt zu einem feurigen Höllenritt.
Wo es ihm an trefflichen Worten mangelte, glichen ständig kreisenden Gedanken seine Ungeschicklichkeit aus. Wieder und wieder schweiften seine Blicke an ihr vorbei in das Abteil, oder in eine andere, unbestimmte Richtung. Jedes Mal genoss der seltsame Charmeur ihre ansprechende Erscheinung – er suchte zudem völlig hilflos nach einem neuerlichen Anlass für einen Kontakt. Er stellte mit großem Erstaunen fest, dass diese Fremde nicht nur umgänglich, sondern offensichtlich ebenso verständnisvoll war. Sie machte den Eindruck, als hätte sie das absonderliche Verhalten K`s nicht besonders tragisch genommen. Immer wieder strich sein Blick an der Frau entlang. Ihm gefiel ihre sportlich - elegante Kleidung. Zudem, soweit vom ungeübten Auge eines seltsamen Autors zu erfassen, schien sie an allen Stellen des Körpers wundervoll proportioniert. Sie war die Art von Frau, die ganze Bibliotheken mit Lektüre füllte und dennoch niemals ganz treffend beschrieben werden konnte. Ihre Ausstrahlung blieb auf ewig unergründbar! Sie bestach keinesfalls durch makellose Schönheit und vollkommenem Körperbau. Es war ein Komposition aus dem Wesentlichen, was einen interessanten Menschen ausmacht – und das in seiner natürlichsten Form. Dabei empfand Herr K. die kleinen Gegensätze anziehender, als die üblichen Schönheitsideale, die sonst bei griffigen Beschreibungen von attraktiven, charismatischen Menschen verwendet werden.
Geblendet von solch einer Anmut, haderte er weiter mit sich und der Suche nach einer unverfänglichen Gelegenheit für eine sinnvolle, der Gegebenheit entsprechenden Bemerkung.
„Meine Helden, in vielen meiner Geschichten können es doch auch...Warum gelingt es mir jetzt nicht“, schrie er verzweifelt in sich hinein.
„Die Wirklichkeit ist deiner Helden Tod“, klang es nüchtern und dumpf zurück. „ Dir fehlt einfach der Mut zu einem gefährlichen Abenteuer... Dein Leben ist das Papier und die Worte die darauf geschrieben stehen. Dein Geschick ist deine Phantasie und deine erfolgreichste Waffe bleibt der Stift“, rief eine andere Stimme in ihm ernüchternd zu.
Jetzt wäre der rechte Moment gewesen sich zu erheben, den inneren Kampf aufzunehmen und seine Dämonen alle Lügen zu strafen! Aber er schwieg beharrlich weiter! Er nickte lediglich zustimmend. Und weil ihm wirklich der Mut fehlte, tröstete er sich mit der bequemen Ansicht: „Dieses Zusammentreffen hat sich vollkommen zufällig ergeben und es wird für meine Zukunft ohne weiteren Belang sein“! Zudem war es nur noch eine gute Stunde Fahrtzeit – dann wäre alles vorbei. Jeder der beiden ginge nach dem Ende der Bahnfahrt seiner Wege – und Herr K. würden dieser attraktiven Dame wahrscheinlich nie mehr begegnen!
Erleichtert schaute er aus dem Fenster und lächelte dabei zufrieden, so als hätte er einen grandiosen Einfall gehabt, der ihn von allen Sorgen in der nahen Zukunft befreit habe.
Während sich die kleinen Geister der Bequemlichkeit und lästigen Mutlosigkeit in ihren Ecken wieder einmal schamlos freuten und jubilierend Siegestänze aufführten, stieg das Gewissen von beiden unentdeckt empor und zog mit kalter, nüchterner Art durch Herrn K. hindurch. In unterkühlter, fast frostiger Atmosphäre, die auf den Autor sehr großen Eindruck machte, wiederholte es stets nur diese beiden Sätze:
„Du Narr, worüber freust du dich?... Willst du dieser Dame wirklich niemals mehr begegnen“?
Das zufriedene Gesicht des Autors, mit diesem erlösenden Lächeln verschwand bald darauf. Und den Lachfalten folgten lange, hässliche Sorgenfalten. Wirklich erstaunlich, Herr K. fand auf diese Fragen keine eindeutige Antwort. Es war einfach zum verzweifeln!
„Reisen sie oft mit der Bahn“?
Diese unerwartete Frage, verbunden mit dem warmen Blick aus ihren blauen Augen – und mit einem Mal war die Kälte in dem verschlossenen Autor vertrieben. Eine wohlige Wärme trat mit den übrigen Lebensgeistern zurück in sein Wesen.
„Nein, wenn ich ehrlich bin nicht sooft, wie ich es gern würde“, erwiderte er mit einer überraschenden Wendigkeit. Es schien plötzlich so, als wollte er diese Frau unbedingt wiedersehen, oder wenigstens den Rest der Reisezeit mit ihr in einem vergnüglichen Gespräch bleiben!
„Und wie ist es mit ihnen?...Reisen sie oft mit dem Zug“, gab er die Frage anschließend zurück – und dabei klang seine Stimme frisch und interessiert. Sie schüttelte den Kopf und ein leises „Nein“, klang aus ihrem Mund. Hierbei wirkte sie abwesend, während ihre Hände bewegungslos auf den Oberschenkeln ruhten. Schlagartig war die erfrischende, gute Laune aus ihrem Körper völlig entschwunden – das Verhalten wirkte kühl. Einige Atemzüge lang wirke der gesamte Körper vollkommen zurückgezogen und an einem völlig anderen Ort – als wäre ihr Geist auf einer kurzen Reise durch ihre Vergangenheit geflogen. Herr K. wurde von diesem unerklärlichen Verhalten völlig überrascht.
„Habe ich sie vielleicht mit der Frage verärgert“, quälte ihn dieser Vorwurf. Ratlos suchte er weiterhin nach den passenden Worten, aber er konnte die verschlossene Fremde nur ansehen. Wie sie so dasaß, völlig entrückt und zu keinem weiteren Wortwechsel fähig, spürte der verschrobene Autor eine starke Kraft, die ihn zu ihr hinzog. Er wollte sich neben sie setzten und einzig mit seiner Nähe trösten – vielleicht sogar mit seiner Hand berühren. In dieser Sekunde, als sie so weit entfernt schien, war sie ihm dennoch unheimlich nah. „Ist es etwa eine Seelenverwandtschaft, zu dieser fremden Frau“, jubelte er still. Diese traurig, hilflos wirkende Dame war ihm jetzt gerade unheimlich sympathisch. Ohne weitere Scheu und Angst ließ er die Zeit vergehen und genoss jede Sekunde davon. Als er seinen Entschluss, sich neben die Fremde zu setzten beherzt umsetzten wollte und genügend Mut hierfür aufgebracht hatte, verringerte der Zug deutlich seine Geschwindigkeit. Das Verkehrsmittel schien nur noch mit seiner Restenergie träger dahinzurollen. Nach wenigen Kilometern, auf der ebenen Strecke, reichte es nur noch für Schrittgeschwindigkeit.
„Nein, ich bin sonst mit meinem Auto unterwegs“, antwortete sie wie selbstverständlich, als sei die letzte Minute nichts gewesen. Danach schaute sie etwas irritiert aus dem Fenster, als der Zug endgültig zum Stehen gekommen war. Minutenlang geschah nichts mehr. Es herrschte, bis auf ein leichtes Säuseln der Klimaanlage, gespannte Stille.
Auf einer Bahnstrecke, die zu beiden Seiten von Mais und Raps Pflanzungen gesäumt wurde, saßen jetzt alle Passagiere in diesem Zug fest. Ohne eine Information zu diesem unfreiwilligen Halt, blickten die Fahrgäste zumeist verloren aus den Fenstern, oder wechselten ein paar Worte mit anderen Passagieren. Nach wenigen Minuten machte sich, unter den verschiedenen Fahrgästen, doch ein stärkeres Unbehagen breit. Denn das Gemurmel der Passagiere wurde deutlicher und übertönte bald sogar das Säuseln der notleidenden Technik. Es ist in solchen Fällen nichts ungewöhnliches, denn eine große Zahl der Fahrgäste fürchteten zu Recht um ihre Anschlussverbindung! Einige Reisende erhoben sich nun ungeduldig von ihren Plätzen und spähten verloren nach dem Bahnpersonal umher. Andere schauten weiter verstört aus dem Fenster und suchten zu ihrer Orientierung in der Gegend nach vertrauten Anhaltspunkt.
Aus dem vorderen Abteil bahnte sich der Schaffner mühsam seinen Weg, durch den langen Gang, an den Sitzreihen vorbei. Immer wieder wurde er dabei von überraschten Fahrgästen aufgehalten, die ihn mit allerlei Sorgen und Bedenken überschütteten. In sich ruhend erstattete der Bahnangestellte pflichtgetreu und geduldig einen kurzen Bericht zur aktuellen Lage und dem genauen Grund des unvorhergesehen Halts. Nach ersten Erkenntnissen gab es ein technisches Probleme, welches zu der unplanmäßigen Fahrtunterbrechung geführt hatte. Doch in Kürze werde die Fahrt wie gewohnt fortgesetzt, versicherte der Bahnangestellte immer wieder dem einen oder anderen verunsicherten Pendler. Diese ersten vagen Information des freundlichen Zugbegleiters brachten sodann ein wenig Ruhe in das Abteil und unter die aufgeregten Fahrgäste.
„Haben sie eigentlich Familie“, fragte die Unbekannte, als sei in den letzten zehn Minuten nichts außergewöhnliches passiert.
„Nur meine Eltern“, antwortete der Autor knapp. Herr K. schaute ihr dabei in die Augen und trieb bei leichter Strömung in dem erfrischenden Blau dahin. Gerne hätte er die Aufzählung weiterer Personen, wichtiger Angehörige, oder engerer Familienmitglieder fortgesetzt. Doch er schwieg, denn sein Kreis von engen Verwandten und Familienangehörigen war in den letzten Jahren erheblich geschrumpft. Und kein erfreulicher Anlass, noch ein magischer Umstand hatte ihn größer werden lassen.
„Geschwister“, schob sie neugierig mit einem kecken Blick nach, während der Zug sich mit einem aufdringlichen Brummen langsam wieder in Bewegung setzte. Herr K. schüttelte den Kopf und fügte mit bitterer Mine hinzu, dass er geschieden sei und keine Kinder habe. Aber bevor er über ihren Familienstand umfangreiche Erkundigungen einholen konnte, huschte der Schaffner mit froher Mine durch den Gang. Dabei informierte dieser wahrheitsgemäß, dass der Zug in Kürze die maximale Reisegeschwindigkeit von siebzig Stundenkilometer erreicht haben werde und nicht schneller fahren wird. Die Ankunftszeiten verschieben sich daher um zirka eineinhalb Stunden.
Ein verhaltenes Raunen waberte durch das Abteil. Zahlreiche Wortmeldungen über fehlende Anschlussverbindungen wurden von dem perfekt geschulten Schaffner geschickt zerstreut. Mit fester Stimme versicherte er den betroffenen Fahrgästen einen reibungslosen Weitertransport am Zielbahnhof.
Der Zug trieb mit erheblich eingeschränkten Kräften zum Zielort voran. Trotz der zu erwartenden Verspätung und den sich daraus ergebenden Unannehmlichkeiten schien es so, als seien die meisten Passagiere froh, dass es trotz eines technischen Defektes, mit gefühlter Schrittgeschwindigkeit voran geht – einschließlich dieser wundervollen Unbekannten und des nun redselig gewordenen Autors. Dieses unerwartete technische Malheur setzte eine Menge an ungeahnten Fähigkeiten in dem schüchternen Mann frei und ermöglichte dadurch eine angenehme und flüssige Unterhaltung. Die kurze Phase von Traurigkeit, die seine Gesprächspartnerin kurz vorher offenbarte, gab dem Autor einen enormen Vertrauensschub. Ihm war plötzlich so, als würde er diese Frau schon ewig lange kennen. Sie hatte seine Ängste, jedenfalls für kurze Zeit vertreiben können. Zunächst blieben diese Wortwechsel durch schmeichelhafte Nettigkeiten und viel belangloses Gerede geprägt. Es lag den beiden sehr an einer flüssigen Unterhaltung, welche die drohende Langeweile von ihnen fernhalten sollte.
„Was machen sie beruflich“?
Obwohl Herr K. diese Frage schon früher erwartet hatte und sie mit Leichtigkeit beantworten konnte, hielt er dennoch einen ausgiebigen Atemzug lang inne.
„Ich schreibe“. Und da diese Antwort wie eine Selbstverständlichkeit geklungen hatte, fügte er noch ergänzend „Geschichten, Artikel und Bücher“, hinzu.
„Sie sind ein Schriftsteller“?!
Bei der Gelegenheit schaute sie ihm mit feurigen, erwartungsvollen Augen ins Gesicht. Es war anregend, das gesteigerte Temperament gemeinsam mit ihrer verstärkten Körperspannung zu beobachten. Bei dem wohlvertrauten Begriff “Schriftsteller“, wurde in ihr rasch eine kindliche Neugier wach – die bei vielen Menschen häufig ausgelöst wird. Hierbei kommt, in den meisten Vorstellungen, leider die Realität gegenüber der Romantik oft zu kurz. So schüttelte der schüchterne Herr denn auch seinen Kopf und dämpfte die Erwartung damit etwas.
„Ich bin ein schlichter Autor“. Dieser Einwand schien ihr Interesse an seiner Tätigkeit jedoch kaum zu trüben. Und so folgte Welle auf Welle mit verschiedensten Fragen, welche der schüchterne Schreiber daraufhin bereitwillig und mit großer Genugtuung beantwortete. Es machte ihm keine Mühe, sondern große Freude. Seit Jahren hatte er zum ersten Mal wieder die Möglichkeit, einer fremden Person, über seine wundervolle und abwechslungsreiche Arbeit zu berichten.
Alsbald entwickelte sich zwischen den beiden eine angeregte, fast schon vertrauliche Unterhaltung. Wobei diese überaus wortgewandte Dame es glänzend verstand, mit gezielten Fragen Herr K. munter zum ständigen antworten zu zwingen. Endlich bekam er nun die Gelegenheit, sich in der Kunst der flüssigen Unterhaltung zu üben. Vor allem aber half es, von seiner unbeholfenen Art abzulenken und den wortkargen und unhöflichen Mann darzustellen. Er war jetzt in seinem Element und vergaß alles andere darüber vollkommen. So zum Beispiel, dass die schöne Fremde die Kunst des Redens so trefflich beherrschte, ohne etwas wirklich wichtiges über sich selber gesagt zu haben. Aber mit ihren ständigen Fragen zu seinen schriftstellerischen Arbeiten erfuhr sie alles, was sie über seine Person wissen wollte.
Aber es sei angemerkt, vor allem ihre warme und herzliche Art machte es dem Befragten wesentlich leichter sich mitzuteilen. Sie wirkte an jedem gesprochen Wort interessiert und bei keinem Detail jemals gelangweilt. Ihre Ruhe und Geduld gab dem Sprecher genug Zeit sich erschöpfend mitzuteilen. Kurz gesagt, sie war eine unheimlich angenehme Zugbegleitung – und zudem gefällig anzuschauen. Trotz der mäßigen Geschwindigkeit dieses modernen Reisezugs, folgte schon bald darauf der erste planmäßige Aufenthalt an einer Bahnstation.
Der Zug rollte behäbig an den Haltepunkt und blieb dann einfach stehen.
Menschen eilten hernach aus allen Richtungen des Bahnhofs heran und drängelten sich an den Abteilfenstern des Zuges vorbei. Rollkoffer wurden über den Bahnsteig gezogen. Die kleinen Plastikrollen krächzten dabei über den aufgerauten Betonboden und waren schon von weitem nicht zu überhören. Eine ungemütliche Atmosphäre breitete sich überall aus. Wie aus dem Nichts entwickelte sich, innerhalb und außerhalb des Zuges ein hektisches Treiben. Einige Reisende zupften ihre Gepäckstücke zurecht und verließen zügig den Wagon. Neue Fahrgäste stiegen einfach hinzu. Hierzu wallte immer wieder unverständliches Stimmengewirr auf und dumpfe Geräusche von verstautem Gepäck waberten durch das enge Abteil. Flüche wurden ausgestoßen und zwischen polternden Gepäckstücken verabschiedeten sich einige Fahrgäste von ihrer Begleitung. Das ungleiche Pärchen ließ sich nicht von diesem Wirrwarr um sie herum irritieren und blieb weiterhin im angeregten Gespräch vertieft.
Mit jedem gesprochenen Wort verging die Zeit sehr angenehm und das Verhältnis ,zwischen diesen sehr unterschiedlichen Charakteren, wurde immer vertrauter. Immer wieder bekam der verschlossene Mann den Eindruck, es sei seine Partnerin und diese aufreizende Dame wäre seit einer Ewigkeit mit ihm zusammen. Etwas geheimnisvolles in ihrer Art ließ ihn glauben, es sei niemals anders gewesen. Ob es ihr sanftes Lächeln war, dass eine familiäre herzliche Bindung vermuten ließ, oder ihre warme Stimme, die echtes Interesse an dem anderen signalisierte. Doch bei aller gefühlten Vertrautheit fehlte der Name – wenigstens der Vorname!
Bisher hatte es ihn nicht gestört – aber mit zunehmender Vertrautheit verlangte es seiner Meinung nach der Anstand. Es interessiert ihn jetzt ungemein zu erfahren, welchen wohlklingenden Rufnamen ihre Eltern seiner Gesprächspartnerin einstmals gaben. Als zwischen den beiden unvermittelt eine kurze Redepause entstanden war, schien sich eine günstige Gelegenheit zu bieten. Beherzt nutzte der schüchterne Autor diese Sekunde und flink stellte er sich mit seinem Namen vor. Als er sie darauf hin nach ihrem Namen fragen wollte, warf sie nebenbei einen fahrigen Blick aus dem Fenster.
„Die Station...ich muss hier aussteigen“, rief sie völlig entsetzt, aus heiterem Himmel aus.
Herr K starrte völlig erschrocken in ihr Gesicht. Diese Reaktion kam für ihn vollkommen unerwartet. Mit einem flinken Satz erhob sie sich von ihrem Platz, raffte ihre spärliche Habe zusammen und warf ihm noch einen letzten freundlichen Blick zu. Als sie sich mit einem kurzen Abschiedsgruß von dem überraschten Autor trennte, saß dieser wie gelähmt auf seinem Sitz. Er hatte mit so einem übereilten Aufbruch kaum gerechnet. Doch er fasste sich schnell wieder und warf der Dame einen wehmütigen Blick nach, als sie durch den engen Gang zum Ausstieg strebte. Der Schaffner, der schon alles für die bevorstehende Weiterfahrt vorbereiten wollte, schaute ebenso entgeistert, wie verstört. Das fluchtartige Verlassen der Dame hatte diesen unermüdlichen Angestellten vollkommen überrascht – rechnete er doch nicht mehr mit einem verspäteten Passagier, der den Zug so eilig verlassen wollte. Doch er trat sofort höflich von der Tür weg und grüßte dazu in seiner freundlich Art.
Aus irgendeiner Richtung, über den langen Bahnsteig hinweg, ertönte das Signal einer Pfeife. Eine unmissverständliche Mitteilung an den Lokführer zur Weiterfahrt. Kurz darauf schloss sich auch schon, mit einem leisen Zischen, die letzte Tür des Wagons. Unmittelbar darauf rollte der Zug mit unsichtbarer Kraft langsam voran.
Traurig schaute Herr K. auf den Bahnsteig hinaus. Personen und verschiedene Gegenstände zogen in langsamer Fahrt an seinem Fenster vorbei. Unbekannte Menschen liefen zum Ausgang. Andere Zeitgenossen waren in Gespräche vertieft, oder standen nur einfach in der Gegend herum.
Plötzlich tauchte die schöne Fremde noch ein letztes Mal vor ihm auf. Angestrengt suchend schaute diese den Bahnsteig auf und ab, so als würde sie an der Station von jemandem abholt. Für einen kurzen Augenblick streifte ihr Blick den Wagon und das Fenster hinter dem Herr K. saß und traurig hindurch sah. Er wollte ihr ein letztes Handzeichen zum Gruß zuwerfen, doch er ließ die Gelegenheit ungenutzt verstreichen. So hielt er sie nur mit seinen Augen fest und kostete jede Sekunde ihrer wundervollen Erscheinung aus. Gerne hätte er dort gestanden und bräsig mit ihr gemeinsam in der Mittagswärme gewartet. Sie blieb an ihrem Punkt stehen und schaute weiter suchend auf und ab. Der Zug bog in eine leichte Linkskurve ein und nach und nach rückte alles zurückliegende aus seinem Sichtfeld und wurde immer undeutlicher.
Einen kleinen Wimpernschlag später war auch sie auf einmal völlig aus seinem Blickfeld entschwunden – und damit auch aus seinem Leben!