Kitabı oku: «Eine Frau - Ihr Leben und was sie dafür opferte», sayfa 3
Nach dieser zufälligen Begegnung
Der moderne Intercity - Express zog sich mühsam aus dem Bahnhof heraus – immer weiter, mit gemäßigter Geschwindigkeit, in Richtung seines endgültigen Reiseziels.
Im Nu hatte den Autor wieder eine innere Leere ergriffen. Diese sehr vertraute Empfindung, welche bisher sein treuer Begleiter war, hatte niemals zuvor in ihm einen Zustand ernsthafter Bedrückung, oder schmerzhafter Belästigung hervorgerufen. Doch als die attraktive Fremde sich immer weiter von ihm entfernte, in jenem Augenblick als sie auf dem Bahnsteig unerreichbar war, löste es eine eine ungekannte Niedergeschlagenheit aus. Ihm wurde unheimlich und sehr seltsam zumute, als hätte er sich vor wenigen Minuten schweren Herzens von einem vertrauten, sehr geliebten Menschen trennen müssen. Schwermütige Gedanken lagen wie Bleigewichte auf seiner zarten Seele. Der Körper ruhte hierbei in völliger Teilnahmslosigkeit auf dem Platz.
Die Frau, deren Namen Herr K. noch nicht einmal kannte, war einfach so aus seinem Blickfeld verschwunden, aber immer noch in dessen Gedächtnis lebhaft präsent.
Im Kopf schritt er jede einzelne Szene, jede Einzelheit, jede Geste dieser Begegnung, genau ab. Es verblieb noch genug Zeit sich die letzten neunzig Minuten Gespräch, mit der Dame, genau ins Gedächtnis zurück zurufen. Die lebendige Vorstellung erfrischte sein Herz und aus dieser Freude erwuchs ein herrliches Gefühl, in dem fahrenden Zug endlich angekommen zu sein. Doch es dauerte nicht lang und schon hatte ihn seine Betrübtheit erneut eingeholt und er machte sich nun wieder große Vorwürfe.
„Wie konnte mir diese Person ohne Namen je so nah kommen, sodass ich ab dem Augenblick der Trennung das Bedürfnis verspürte der Fremden unbedingt folgen zu wollen. Ja, sogar ihren Namen, der bis vor wenigen Stunden noch völlig belanglos für mich war, wollte ich jetzt in Erfahrung bringen. Obwohl ich bei Antritt der Reise froh war ungestört und alleine diese Fahrt machen zu können, vermisste ich ihre Gesellschaft“! Er begann sich zu quälen und bittere Vorwürfe über die grandiose Unfähigkeit geißelten sein Hirn.
„Jeder Kilometer der mich dieser Zug von ihr wegbringt, jede Sekunde die tatenlos verstreicht, ohne ein Wort mit ihr gesprochen zu haben, ohne Hoffnung jemals in meinem Leben nochmal den angenehmen Duft ihrer Haut zu erleben, ihre klangvolle Stimme vernehmen zu können, noch ihre Gegenwart zu spüren, reißt mich in ein tiefes Loch der vollkommenen Verzweiflung“!
Hier und Jetzt wurde ihm bewusst, dass er mit seinen erfundenen Geschichten und der mühseligen Schreiberei in einer verhängnisvollen Blase gelebt hatte. Eine völlig abgeschottete Welt, in der dieser Autor niemals allein hätte existieren können. Doch diese zwei Stunden lebendiger Wortwechsel mit der fremden Dame, eröffnete ihm eine neue ungewöhnliche Art des Lebens. Dieses Leben hätte es sein sollen, davon war er nun fest überzeugt, das er hätte leben müssen!
Bei all diesen anstrengenden Überlegungen schaute er, wie schon zu Beginn seiner Bahnfahrt, lediglich aus dem Fenster. Doch dieses Mal war es vollkommen anders. Seine Sinne kreisten nur noch um diesen besonderen Menschen, der wie ein heller Blitz in sein normales Leben geschlagen war – und der ihm genauso schnell wieder entrissen wurde. Herr K. empfand den Ausgang des Treffens als schrecklich ungerecht und in seiner ichbezogenen Einfalt ungeheuer grausam. Kein noch so idyllisches Landschaftspanorama, was sich vor dem Fenster auftat, konnte ihn mehr aufheitern. Die Sonne mit ihren grellen Strahlen wurde ihm plötzlich lästig – die Helligkeit schmerzte in den Augen entsetzlich.
Es fiel ihm schwer seine Lider zu schließen. Herr K. hätte sich dann nichts sehnlicher gewünscht, als das die wundervolle Fremde den verschlafenen Autor mit ihrer feinen Stimme erneut aus seinem Traum holt. So jedoch verging der Rest dieser langsamen Fahrt mit einem großen Bedauern und den endlosen, zermürbenden Zweifeln an sich selber.
Nach einer Stunde kündigte sich das bevorstehende Ende der Bahnfahrt an. Durch die Panoramafenster empfing den Zugreisende zeitgenössische Zweckarchitektur, die sich rechter Hand mächtig in den Himmel streckte und eng aneinandergeschmiegt Spalier stand. Dem Einheimischen kamen sie selbstverständlich vertraut vor, denn dieser wusste, dass sich Meter für Meter seine Bahnreise nun dem Ende näherte. Der Bahnhof, dieser großartigen und lebendigen Metropole, kündigte sich mit weit verzweigten Schienen- und Gleisanlagen auf dem Boden an. Reger Zugverkehr zu beiden Seiten zog an den Fenstern vorbei. Wohn- und Bürogebäude ragten nach und nach auf und warfen ihre Schatten auf die verwobenen Schienenstränge. Das laute Scheppern, auf der alten Eisenbahnbrücke aus Stahl und Metall, rüttelte jeden noch so verträumten Fahrgast wie ein Gewitterdonner aus seiner Lethargie heraus. Doch bei dem trübsinnigen Autor hatte das Rattern der Radreifen keinen erlösenden Effekt. Dafür haftete das Bild von dieser unvergesslichen Frau, klebrig wie Honig an dessen Gehirn.
Um ihn herum stieg eine aufdringliche Unruhe hoch. Auf allen belegten Sitzen herrschte rege Betriebsamkeit. Ein paar sperrige Gepäckstücke wurden aus den Fächern hinunter auf den Boden gestellt – kleinere Taschen eilig mit Habseligkeiten vollgepackt. Viele Kleinigkeiten verschwanden, mit wenigen Handgriffen, in freien Jackentaschen. Suchende Blicke wanderten noch ein letztes Mal über den Sitzplatz. Angespannte Fahrgäste hatten sich schon zeitig an der Tür versammelt und waren bereit zum hastigen Ausstieg. Ihnen war durch die herbe Verspätung nur wenig Zeit zum Umsteigen verblieben.
Der Zug fädelte sich wie von selbst in den Bahnhof ein und blieb auf ein schrilles Signal endgültig am Bahnsteig stehen. Mit einem Seufzer betrachtete Herr K. noch einmal den Sitzplatz, auf dem vor zwei Stunden seine Gesprächspartnerin gesessen hatte. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und unter einem wehmütigen Gedankenblitz erhob er sich schließlich.Ein letzter Blick zur Sitzreihe gegenüber!
Etwas steckte doch merkwürdig gequetscht zwischen den beiden Sitzen. Von seinem Platz aus betrachtet, hatte er es die ganze Zeit für seine Tageszeitung gehalten. Aber jetzt im Stehen und bei genauerem Hinsehen traute er seinen Augen kaum.Eine innere Stimme zweifelte leise:
„Konnte es denn wahr sein? War das Glück heute mein treuer Gefährte, oder ein Schelm, der seinen Schabernack mit mir treibt“?
Zögerlich an die Stelle gebeugt zog er mit seinen Fingern behutsam die zerfransten Buchdeckel, mit samt Notizblättern, aus dem Zwischenraum heraus.
„Doch“, rief die gleiche innere Stimme freudig aus, „ es waren ihre Aufzeichnungen und gut gehüteten Notizen“!
Mit zittrigen Händen, ohne jede weitere Bewegung, ohne ein Wort zu sagen verharrte Herr K. in dieser andächtigen, seltsam anmutenden Position.
Wie viel Zeit in dieser unüblichen Haltung verstrichen war konnte der glückliche Finder in seinem inneren Freudentaumel nicht genau beurteilen. Aber irgendwann trat der Schaffner besorgt an den versteinerten Fahrgast heran.
„Mein Herr, geht es ihnen nicht gut“? Der Angesprochene schaute ihn verwundert an und erwiderte wie selbstverständlich ein,“ Aber ja doch“! Mit großer Erleichterung in seinem Gesicht mahnte der Bahnangestellte den letzten Fahrgast zum Ausstieg, da der Zug hier endete und schon bald einem neuen Einsatzziel zugeführt würde. Herr K. solle bitte zügig seine Sachen an sich nehmen und diesen Zug umgehend verlassen. Der Autor nickte zustimmend, drückte das Notizbuch an seine warme Brust und schickte einen Blick der Dankbarkeit an den Himmel über sich.
Zügig verließ der letzte Passagier das Abteil und betrat den Bahnsteig mit teigigen Beinen. Voller Aufregung, angefüllt mit unendlicher Neugier, steuerte dieser auf eine nahegelegene Bank zu und ließ sich dort für einen Moment nieder.
Mit Freude und einem breiten Lächeln betrachtete er das Kleinod zwischen seinen Händen. Nun wurde Herr K., durch einen unverhofften Zufall der Träger ihrer Geheimnisse – im wahrsten Sinne des Wortes. Doch der ehrliche Finder schwor, das Werk mit ihren privaten Notizen nur oberflächlich durchzusehen, um einen Anhaltspunkt über die Identität zu bekommen. Der Autor war zu diesem Zeitpunkt fest entschlossen diese attraktive Fremde ausfindig zu machen, um ihr das Eigentum wiederzugeben!
Unentwegt blätterten flinke Finger durch die unübersichtlichen Schriften – emsig suchten seine Augen in den Seiten nach verräterischen Anhaltspunkten herum. Doch die Hoffnung auf eine Anschrift, gar einer bestimmten Person, zerstreute sich jedoch ziemlich schnell. Eine erfolgreiche Suche war schwerer als gedacht! Nicht zuletzt sah er sich gezwungen tiefer in das schriftlich Niedergelegte einzutauchen, um zu verwertbaren Hinweisen zu kommen.
Er traute seinen Sinnen kaum, aber da lagen die wichtigsten Stationen eines Menschenlebens, unmittelbar vor seinen Augen. Seite für Seite, in allen Einzelheiten und mit persönlichen Gedanken und Erklärungen von Gefühlen angefüllt und unheimlich echt und ergreifend beschrieben.
Die lodernde Neugier hatte von diesem faden Autor einen teuflischen Besitz ergriffen. Und so fing dieser fremde Mann an, getrieben von flammender Hoffnung, die ersten Seiten genauer zu studieren. Immer wieder schimmerte das Gesicht der schönen, faszinierenden Frau als Bild vor seinen Augen herum. Seine irritierte Nase glaubte den Geruch ihres “Eau de Toilette“ riechen zu können. Aber trotz des belebenden Zusammenspiels seiner bildhaften, fast filmischen Erinnerung und den schriftlichen Ausführungen, konnte Herr K. weder eine Anschrift noch einen vollständigen Namen finden.
Nur ein Vorname – und eine bewegte Vergangenheit dazu, wie sich vermuten ließ. Begierig las er weiter, denn die Geschichte zog ihn, wie durch einen Zauber, in seinen Bann. Darüber hinaus vergaß er alles. Die Uhrzeit, wo er sich befand, und warum er eigentlich hier in diesem Bahnhof war!
„Da bist Du ja! Wieso sitzt Du hier herum? Geht es Dir nicht gut?...Ich warte schon seit einer dreiviertel Stunde am Ausgang auf dich“. Und damit holte diese strenge, dunkle Männerstimme den Leser prompt in die Gegenwart zurück.
„Meinen alten Schulfreund, den hatte ich ganz vergessen! Er wollte mich abholen“, fiel es dem zerstreuten Autor schreckhaft in die Glieder
„Nein danke, es geht mir gut“,antwortete dieser ganz verlegen. Dazu hob er entschuldigend die Hand. Umgehend sprang er von der Bank auf und grüßte seinen Freund herzlich, als sei nichts besonders gewesen. Jedoch spürte der zerstreute Mann mit einem Schlag, dass ihn die Begegnung mit der Dame im Zugabteil doch mehr umtrieb, als er wahr haben wollte. Eilig raffte Herr K. alle seine Sachen zusammen – doch auf das fremde Notizbuch gab er dabei ganz besonders Acht!
Der guter alter Freund!
Auch nach all den Jahren hatte er sich nicht geändert – und Herr K. wahrscheinlich genauso wenig! Damals wie heute, war es dem schüchternen Autor unmöglich etwas lange genug vor ihm zu verheimlichen – er konnte sich noch so bemühen, aber wenn sein Freund T. einen Verdacht hatte, presste er geschickt das Geheimnis aus Herrn K. heraus. Komischerweise ging es ihm dann nach der Beichte wesentlich besser! Also berichtete der Autor knapp, während beide die Straße entlangliefen, von der überraschenden Begegnung mit der attraktiven Dame auf der Bahnfahrt hierher. Zudem fügte er den Schilderung seinen dringenden Wunsch bei, das Tagebuch der rechtmäßigen Besitzerin zurück geben zu wollen. Denn schließlich fühlte er sich irgendwie an dem Malheur mitschuldig – wären beide nicht so vertieft in dem Gespräch gewesen, hätte sie die Station rechtzeitig bemerkt!
„An welcher Station ist sie eingestiegen“, wollte sein neugieriger Freund wissen.
Als dieser ihm weder den Namen der Stationen des Zu - und Ausstiegs nennen konnte, noch ihren genauen Namen, lachte T. langanhaltend und laut. Seine ausgelassene Fröhlichkeit unterhielt dabei die ganze Umgebung. Er nickte immer wieder munter mit dem Kopf dazu und feixte:
„So kenne ich Dich...Du bist immer noch derselbe Draufgänger, wie früher“!
Herr K. wusste mit Gewissheit, diese Bemerkung war keineswegs als Kompliment gemeint, aber dieser besonderen Freundschaft tat es deshalb keinen Abbruch. Schon früher war der Freund mit seiner Art wesentlich erfolgreicher – neidisch war Herr K. deswegen nicht.
Jedoch mit seinem Vorschlag, das Buch im Fundbüro abzugeben und zu hoffen, dass die Besitzerin es irgendwann abholt, wollte der schüchterne Finder sich keinesfalls zufrieden geben. Doch er signalisierte vage seine Zustimmung um endlich seine Ruhe zu bekommen, vor den bohrenden Fragen seines heiteren Bekannten.
Und irgendwann, zwischen Bahnhofshalle und der Haustür seines Freundes, verlor sich dann auch das ungewöhnliche Thema im Getümmel des Straßenverkehrs. T. kannte das Wesen seines stillen Freundes nur zu gut. Er wusste, dass es ihn innerlich sehr beschäftigte und eine einfache Lösung war für diesen komplizierten Fall, in wenigen Minuten nicht zu erwarten. Und daher ließ der Gastgeber das Geschehene, für die Dauer des Aufenthalts, erst mal auf sich beruhen – beide Herren hatten schließlich Besseres zu tun! Sobald der zerstreute Autor wieder in seinen eigenen vier Wänden weilen würde, könnte er sich über das Fahrgastcenter der Bahn möglichst genaue Erkundigungen einzuholen. Oder falls es nichts nützt, eine besondere Suchanzeige in der Zeitung schalten!
Der Aufenthalt war trotz einiger Wehmut ein voller Erfolg. Herr K. hatte jede Minute mit seinem besten Freund ausgiebig genossen. Seine erfrischenden, ehrlichen Worte und zahlreichen Anregungen, sowie die aufregenden Erlebnisse aus der bewegten Vergangenheit waren wirklich ein ganzes Buch wert – und K. fühlte sich bestens aufgehoben und pudelwohl. Trotz der Rücksicht von T. haderte sein Gast zeitweise mit der zurückliegenden Begegnung auf der Bahnfahrt heftig. Dann verbarg er geschickt seine unangenehme Pein, vor dem herzlichen Gastgeber.
Aber insgeheim freute er sich auch wieder auf die bevorstehende Heimreise. Diese Frau hatte es ihm wirklich angetan und jede Minute untätig zu verbringen, ohne ihre genau Identität zu kennen, versetzte den ruhigen Autor immer mehr in Unruhe!
Als er nach einer Woche endlich wieder zu Hause war, macht er sich voller Zuversicht ans ersehnte Werk. Doch nach wenigen Wochen kam die lähmende Ernüchterung, denn sämtliche Vorhaben führten keineswegs zu dem gewünschten Ergebnis – noch nicht einmal ansatzweise gab es einen Fortschritt.
Nach zwei zähen Monaten, ohne nennenswerte Hinweise, nahm er sich die Einträge der fremden Frau genauer vor und forschte noch gewissenhafter als bisher in ihren Aufzeichnungen weiter.
Je tiefer dieser Suchende in die zahlreichen Lebenserinnerungen der fremden Dame eintauchte, desto mehr wurde er von ihnen magisch erfasst und in einen wilden Strudel hineingezogen. Zeitweise hatte sich der Autor in die Lektüre so verbissen, dass aller anderen Projekte in dieser Zeit vollkommen still standen.
Aber alles bisher Gewünschte und eine unbestimmte Hoffnung in die nahe Zukunft nützten ihm wenig. Es musste langsam eine wichtige Entscheidung gefällt werden. Einige Tage trug sich sein Kopf mit einer heiklen Idee. Dennoch, allen Bedenken zum Trotz: An einem trüben Vormittag im September fasste er den unumkehrbaren Entschluss, diese Erlebnisse in einem Buch zu verfassen. Dabei wollte der Autor gewissenhaft, wie ein Detektiv, aus dem Geschriebenen seine eigenen Schlüsse ziehen und hoffte so auf einen Geistesblitz, der ihm am Ende die wahre Identität enthüllen würde.
Als der naive Schreiberling mit der Arbeit begann, eröffnete sich erneut eine sehr schöne und lebendige Welt. Fast so wunderbar und einzigartig, wie die Stunden mit der Unbekannten im Zugabteil. Mit dieser Frau – ihrem Leben und was sie dafür opferte“!
Ein Bild aus glücklichen Tagen?
„Was hatte ich mir da nur angetan“, grummelte Herr K. mit schwerem Kopf vor sich hin.
Er hatte sich auf der Couch eine bequeme Ecke vorbereitet und ließ all seinen Zweifeln und Gedanken hierzu freien Raum. Seine Augen schauten müde aus einem fahlen, fast geisterhaften Gesicht. Die feurige Energie der vergangenen Tage war einer alles lähmenden Nüchternheit gewichen. Neben ihm lag das Konvolut an Blättern und Notizen. In seiner puren Verzweiflung nahm der Autor das wundervolle Meisterwerk, dieser geheimnisvollen verschwiegenen Fremden, immer wieder in seine Händen. Aus den lebhaften Schilderungen wollte er ihre Geschichte schriftlich niederlegen! Obwohl er bisher keine Möglichkeit gefunden hatte, wie er am elegantesten anfangen sollte. Seite für Seite fuhr sein Daumen fast beschwörend das Papier ab, in der stillen Hoffnung auf einer zündenden Eingebung.
„Was wusste ich schon von ihrem Leben, ihrem Leiden und den unterschiedlichen Empfindungen, denen diese Frau in ihrem Leben ausgesetzt war“?
Beim ziellosen Durchblättern der vielen Seiten, den gefühlvollen Worten auf jedem Blatt, das der Mann bisher gelesen hatte, trieb dieser von einem aufregenden, ja ergreifenden Erlebnis zum nächsten hinüber. Je länger er sich durch die Seiten und ihren Inhalt kämpfte, desto hoffnungsloser wurde er zum Ende hin, dieser Person auch nur mit einem seiner Wort gerecht werden zu können.
Als wollte er seine erdrückenden Selbstzweifel vertreiben, hoben die Hände den ganzen Konvolut an Blättern fast beschwörend in die Höhe.
„ Ihr Worte, sprecht zu mir und gebt euer Geheimnis endlich Preis“, rief er voller Verzweiflung aus. Bei diesem ungeschickten Akt einer völligen Hilflosigkeit, fiel plötzlich ein dickeres Stück Papier heraus und landete direkt auf dem Boden, neben seinen Füßen.
Das kleinere Blatt hatte zwischen zwei Seiten, ganz eng in dem Innersten des Buchrückens, festgesteckt.
Herr K. nahm es auf und drehte es langsam und vorsichtig um. Es war aber kein Notizblatt, sondern es handelte sich um ein Foto aus einer Sofortbildkamera. Auf dieser leicht verblassten Oberfläche posierte ein Paar in ausgelassener Stimmung. Im Hintergrund lag das blaue Meer, weißer Sandstrand und einige Palmen bogen ihre grünen Kronen in den wolkenlosen Himmel. Am Bildrand schaute der Teil einer Veranda, mit Schaukel, oder einer stabileren Hängematte heraus.
Dieses Foto enthielt eine handschriftliche Notiz auf der Rückseite :
„Unser zweites gemeinsames Haus... Wenn Träume endlich wahr werden“!
Für Herrn K. war dieses Photo nicht neu. Er hatte es schon des Öfteren beim Durchblättern zur Kenntnis genommen, aber immer wieder an die Stelle zwischen den Seiten eingefügt. Diese Situation war ihm peinlich. Er fühlte sich in diesem Moment als Fremder, der in einem sehr privaten Moment ein Paar bei ihrer gemeinsamen Freude störte. Er hielt es für einen sehr persönlichen Eindruck, der ihn, als Fremden überhaupt nichts anginge. Zudem quälte Herrn K. der glückliche Ausdruck in ihrem Gesicht, mit dem Mann an ihrer Seite – seine Eifersucht konnte er in diesem Moment nicht völlig leugnen!
Das Motiv schien zudem völlig belanglos und es hatte bisher für den Autor keinen besonderen Wert dargestellt. Denn er war bisher auf der Suche nach einer außergewöhnlichen Eintragung, gar einem schriftlichen Hinweis gewesen.
Aber wie einfältig musste der Betrachter in dem Moment gewesen sein?!
Natürlich war es für ihn ein schlichtes Urlaubsmotiv! Doch für die Besitzerin dieses Notizbuchs musste es einen ganz besonderen Wert gehabt haben – und ebenso musste der Anlass ein sehr wichtiger in ihrem Leben gewesen sein. Würde sie sonst auf der Rückseite eine Bemerkung eintragen?! Und es handelte sich um das einzige Bild!
Die Ecken des Papiers waren unansehnlich geworden und, vermutlich durch häufigen Gebrauch, etwas zerfranst. Denn dunkle Stellen säumten an den Rändern die Fotografie – viele Hände schienen diese gehalten, viele Augen das Motiv betrachtet zu haben.
Mit Sicherheit ist bei jedem Betrachter, wie auch bei dem Autor der Eindruck entstanden, dass es eine sehr glückliche und unbeschwerte Zeit der Menschen gewesen sein musste – auch ohne die handschriftliche Notiz.
In den Gesichtern des jungen Paares, voller grenzenloser, ausgelassener Freude war der Wunsch deutlich zu erkennen: „ Niemals soll dieser Augenblick vergehen“!
Auf den Anlass dieser besonderen Freude, jetzt noch neugieriger geworden, lass der Autor die nachfolgenden Seiten ganz gewissenhaft durch. Nach einigen Sätzen, der unbekannten Autorin, ließ der Leser endlich entspannt seine Arme sinken. Er fing an sich dazu ein phantasievolles Bild an die Tapete der Wand gegenüber zu malen. Hierzu verschmolzen alle Farben der Natur eigenwillig miteinander und fügten sich wieder sinnvoll zusammen. Durch Licht und Schatten bildete das Urlaubsmotiv eine besondere Atmosphäre. Personen, Gegenständen und Orte, fügten sich vor seinem geistigen Auge zu spannenden Szenen zusammen. Ein Paradies war so entstanden, in dem dieser fremde Mann jetzt einen Moment lang ein willkommener Gast sein durfte.
Mit einem Mal hatte Herr K. den Anfang dieser Geschichte, ihrer Geschichte gefunden!
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