Kitabı oku: «Arena Eins: Die Sklaventreiber », sayfa 12
VIERZEHN
Ich muss wieder den Flur entlang marschieren, immer noch in Handschellen. Auf dem Weg kann ich nicht anders, als mich zu fragen, ob ich die falsche Entscheidung getroffen habe. Nicht hinsichtlich des Verzichts auf mein Leben – aber, das von Bree aufzugeben. Hätte ich ihretwegen „Ja“ sagen sollen?
Indem ich abgelehnt habe, habe ich tatsächlich ihr Todesurteil ausgesprochen. Ich fühle mich von Reue zerrissen. Aber im Ende kann ich nicht anders, als zu denken, dass auch Bree eher sterben würde, als zu sehen, dass unschuldige Menschen verletzt werden.
Ich fühle mich benommen, als ich von hinten geschoben werde, zurück den Gang entlang, aus dem ich gekommen bin, und ich frage mich, was jetzt aus mir wird. Werden sie mich in die Arena bringen? Wie wird es sein? Und was wird aus Bree? Werden sie sie wirklich töten? Haben sie sie bereits ermordet? Werden sie sie versklaven? Und am schlimmsten: Werden sie auch sie zwingen, in der Arena zu kämpfen?
Und dann ein noch schlimmerer Gedanke: Werden sie sie zwingen, gegen mich zu kämpfen?
Wir biegen um die Ecke, eine Gruppe von Sklaventreiber marschiert auf uns zu und treibt jemanden vor sich her. Ich kann es nicht glauben. Es ist Ben. Erleichterung durchflutet mein Herz. Er ist am Leben.
Seine gebrochene Nase ist geschwollen, er hat Verletzungen unter seinen Augen, aus seinen Lippen tropft Blut, und er sieht aus, als hätte man ihn verprügelt. Tatsächlich sieht er genauso schwach und ausgelaugt aus wie ich. Ich hoffe, ich sehe nicht so schlimm aus wie er. Auch er stolpert durch den Flur, und ich nehme an, sie bringen ihn zu ihrem Anführer. Ich nehme an, er wird das gleiche Angebot bekommen. Ich frage mich, wie er sich entscheiden wird.
Als wir aufeinander zugehen, nur noch wenige Meter voneinander entfernt sind, hängt sein Kopf nach unten und er sieht mich nicht einmal kommen. Entweder ist er zu schwach oder zu demoralisiert, um auch nur einen Blick nach oben zu werfen. Es scheint, er hat sein Schicksal schon akzeptiert.
„Ben!“, rufe ich aus.
Er hebt seinen Kopf, gerade, als sich unsere Wege kreuzen, und seine Augen öffnen sich weit vor Hoffnung und Aufregung. Er ist deutlich erschüttert, mich zu sehen. Vielleicht ist er auch überrascht, dass ich am Leben bin.
„Brooke!“, sagt er. „Wo bringen sie Dich hin? Hast Du meinen Bruder gesehen?“
Bevor ich antworten kann, werden wir beide von hinten geschoben. Ein Sklaventreiber verschließt mir mit seiner ekelhaften, stinkenden Hand den Mund, erstickt meine Worte, als ich versuche zu schreien.
Eine Tür wird geöffnet, und ich werde zurück in meine Zelle gestoßen. Ich stolpere hinein und die Tür wird hinter mir zugeknallt, das Metall hallt nach. Ich drehe mich um und schlage gegen die Tür, aber es nützt nichts.
„Lasst mich raus“, schreie ich und schlage gegen die Tür. „LASST MICH RAUS!“
Ich weiß, dass es keinen Sinn hat, aber irgendwie kann ich nicht aufhören, zu schreien. Ich schreie die Welt an, diese Sklaventreiber, Brees Fehlen, mein Leben – und ich höre nicht auf, zu schreien, ich weiß nicht, für wie lange nicht.
Irgendwann verliere ich meine Stimme, habe mich müde geschrien. Schließlich finde ich mich zusammengesunken auf dem Boden wieder, zusammengerollt an eine Wand.
Meine Schreie werden zu Schluchzern, und schließlich weine ich mich in den Schlaf.
*
Ich erwache mehrmals und schlafe wieder ein. Ich liege zusammengerollt auf dem Metallboden, meinen Kopf in meinen Händen, aber es ist so unbequem, dass ich mich dauernd umdrehe. Ich habe so schnelle, unruhige Träume – von Bree, die als Sklavin gepeitscht wird, von mir selbst, die in der Arena gequält wird –, dass ich lieber wach wäre.
Ich zwinge mich, zu sitzen, starre in die Dunkelheit, halte meinen Kopf in meinen Händen. Ich nehme mir vor, mich auf alles zu konzentrieren, wie ich vielleicht von hier wegkommen kann.
Ich stelle fest, dass ich an das Leben vor dem Krieg denken muss. Ich versuche immer noch, genau zu verstehen, warum Papa weggegangen ist, wann, und warum er nie zurückgekommen ist. Warum Bree und ich weggegangen sind. Warum Mama nicht mit uns gekommen ist. Warum sich die Dinge über Nacht so sehr geändert haben. Ob es irgendetwas gibt, das ich anders hätte machen können. Es ist wie ein Puzzle, zu dem ich immer wieder zurückkehre.
Ich stelle fest, dass ich wieder an einen Tag im Besonderen denke, bevor der Krieg begann. Der Tag, an dem sich alles änderte – zum zweiten Mal.
Es war ein warmer Tag im September, und ich lebte noch mit Mama und Bree in Manhattan. Papa war schon seit über einem Jahr weg, und jeden Tag warteten wir auf ein Zeichen von ihm. Aber da war nichts.
Und während wir alle warteten, Tag für Tag, wurde der Krieg schlimmer. An einem Tag wurde die Blockade erklärt; Wochen später wurde Wasser als schützenswürdig erklärt, und dann kamen die Lebensmittelrationierungen. Schlangen für Lebensmittel wurden die Norm. Und dann wurden die Dinge noch schlimmer, weil die Leute immer verzweifelter wurden.
Es wurde gefährlicher und gefährlicher, durch die Straßen von Manhattan zu gehen. Die Menschen begannen, alles zu tun, um überleben zu können, um Essen und Wasser zu finden, Medizin zu horten. Plünderungen wurde die Norm, und die Ordnung zerfiel jeden Tag mehr und mehr. Ich fühlte mich nicht mehr sicher. Und noch wichtiger, ich hatte auch nicht mehr das Gefühl, dass Bree sicher war.
Mama hielt sich an ihrer Verleugnung fest. Wie die meisten Menschen beteuerte sie, bald würden die Dinge wieder normal sein.
Aber sie wurden nur noch schlimmer. Die Schlachten rückten immer näher. Eines Tages hörte ich Explosionen. Ich rannte auf das Dach und sah am Horizont Schlachten auf den Klippen von New Jersey. Panzer gegen Panzer. Kampfflugzeuge. Helikopter. Ganze Stadtviertel in Brand.
Und dann, eines entsetzlichen Tages, sah ich am fernen Horizont eine gewaltige Explosion, eine, die anders war als die anderen, eine, die unser ganzes Gebäude erschütterte. Eine Pilzwolke erhob sich. Das war der Tag, an dem ich wusste, dass es niemals besser werden würde. Dass der Krieg nie enden würde. Eine Grenze war überschritten worden. Wir würden langsam und sicher hier sterben, gefangen auf der blockierten Insel von Manhattan. Mein Vater würde für immer in den Kämpfen sein. Und er würde nie mehr zurückkehren.
Die Zeit des Wartens war zu Ende. Ich wusste, dass Papa, zum ersten Mal in seinem Leben, sein Wort nicht halten würde, und da wusste ich, was ich zu tun hatte. Es war Zeit, einen mutigen Schritt zu unternehmen, damit der Rest unserer Familie überlebte. Zu tun, was er wollen würde, dass eine Tochter tat: Uns von dieser Insel herunterzubekommen, weit weg, und in die Sicherheit der Berge.
Schon seit Monaten hatte ich Mama angebettelt, die Tatsache zu akzeptieren, dass Papa nicht mehr nach Hause kommen würde. Aber sie bestand darauf, dass wir nicht fortgehen konnten, dass dies unser Zuhause wäre, dass das Leben außerhalb der Stadt noch gefährlicher wäre. Und vor allem, dass wir Papa nicht aufgeben konnten. Was, wenn er nach Hause käme und wir wären weg?
Sie und ich stritten uns jeden Tag darüber, bis wir beide rot im Gesicht waren und uns anschrien. Wir hatten eine Pattsituation erreicht. Schließlich hassten wir uns und sprachen kaum noch miteinander.
Dann kam die Pilzwolke. Aber Mama weigerte sich, unglaublicherweise, immer noch, fortzugehen. Ich jedoch wusste, was ich tun wollte. Wir würden gehen – mit oder ohne sie.
Ich ging nach unten, um Bree zu holen. Sie hatte sich rausgeschlichen, um nach Essen zu suchen. Ich hatte ihr das erlaubt, weil sie nie weit weg ging und immer innerhalb einer Stunde zurückkam. Aber dies Mal war sie zu spät. Sie war schon seit Stunden weg, das passte nicht zu ihr. Ich hatte ein schlechtes Gefühl, als ich Treppe um Treppe hinunterrannte, entschlossen, sie zu finden und hier wegzukommen, koste es, was es wolle. In der Hand hielt ich einen selbstgemachten Molotow-Cocktail. Es war die einzige echte Waffe, die ich hatte, und ich bereit, sie zu verwenden, wenn es nötig war.
Ich rannte durch die Straßen, schrie ihren Namen, suchte überall nach ihr. Ich durchsuchte jede Gasse, in der sie gerne spielte – aber sie war nirgends zu finden. Meine Angst wurde stärker.
Und dann hörte ich in der Ferne ein leises Schreien. Ich erkannte ihre Stimme, und ich rannte los.
Nach ein paar Blocks wurde das Schreien lauter. Schließlich bog ich in eine schmale Gasse ab und sah sie.
Bree stand am Ende einer Gasse, inmitten einer Gruppe von Angreifern. Insgesamt waren es sechs, männliche Jugendliche. Einer von ihnen zerriss gerade ihr Oberteil, während ein anderer sie am Pferdeschwanz zog. Sie schwang ihren Rucksack, versuchte, sie abzuwehren, aber es half nicht. Ich konnte sehen, dass sie sie innerhalb von wenigen Augenblicken vergewaltigen würden. Also tat ich das Einzige, was ich tun konnte: Ich zündete den Molotow-Cocktail an und warf ihn vor die Füße des größten Jungen, den ich sehen konnte …
Das Geräusch von knirschendem Metall holt mich aus meinen Erinnerungen, eine Tür öffnet sich langsam. Licht durchflutet den Raum, dann knallt die Tür wieder zu. Ich höre Ketten, dann Fußtritte, und fühle einen weiteren Körper in meiner Nähe in der Schwärze. Ich sehe auf.
Ich bin erleichtert zu sehen, dass es Ben ist. Ich weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, oder wie lange ich schon wieder hier bin. Langsam setze ich mich auf.
Schwache Notleuchten erhellen die Zelle, rot, in Metall eingefasst, hoch oben an der Wand. Gerade genug, um etwas sehen zu können. Ben stolpert in die Zelle, desorientiert. Er merkt nicht einmal, dass ich hier bin.
„Ben!“, flüstere ich, meine Stimme ist heiser.
Er dreht sich um und sieht mich, seine Augen weit geöffnet vor Überraschung.
„Brooke?“, fragt er zögerlich.
Ich versuche, auf die Füße zu kommen, aber alle Teile meines Körpers schmerzen, als ich nur auf einem Knie bin. Ben rennt zu mir, hält meinen Arm und hilft mir, aufzustehen. Ich weiß, dass ich für seine Hilfe dankbar sein sollte, aber stattdessen stelle ich fest, dass ich sie verabscheue: Es ist das erste Mal, dass er mich berührt, und zwar unaufgefordert, und das ist ein seltsames Gefühl. Außerdem mag ich es im Allgemeinen nicht, wenn mir Leute helfen – insbesondere keine Jungen.
Also schüttele ich seinen Arm ab und stehe allein.
„Ich kann mir schon alleine helfen“, blaffe ich ihn an, und meine Worte kommen zu hart heraus. Das bedauere ich und wünsche mit, ich hätte ihm stattdessen gesagt, was ich wirklich fühle. Ich wünschte, ich hätte gesagt: Ich bin froh, dass Du am Leben bist. Ich bin erleichtert, dass Du hier bist, bei mir.
Wenn ich darüber nachdenke, merke ich, dass ich nicht ganz verstehe, warum ich so froh bin, ihn zu sehen. Vielleicht bin ich einfach nur froh, einen anderen normalen Menschen zu sehen, einen anderen Überlebenden inmitten all dieser Söldner. Vielleicht liegt es einfach nur daran, dass wir in den letzten 24 Stunden dasselbe durchgemacht haben, oder vielleicht daran, dass wir beide unsere Geschwister verloren haben.
Oder vielleicht, frage ich mich, ist es etwas anderes.
Ben starrt mich mit seinen großen blauen Augen an, und für einen kurzen Augenblick verliere ich jedes Zeitgefühl. Seine Augen sind so sensibel, so fehl am Platze hier. Sie sind die Augen eines Dichters oder Malers – eines Künstlers, einer gequälten Seele.
Ich zwinge mich, wegzusehen. Da ist etwas an seinen Augen, dass mich daran hindert, klar zu denken, wenn ich hineinschaue. Ich weiß nicht, was es ist, und das beunruhigt mich. Ich habe mich bei einem Jungen noch nie so gefühlt. Ich kann nicht anders, als mich zu fragen, ob ich mich Ben nur wegen unserer gemeinsamen Umstände so verbunden fühle, oder ob da noch etwas anderes ist.
Natürlich gab es viele Momente, in denen ich verärgert und böse auf ihn war – und ich stelle immer noch fest, dass ich ihm die Schuld an allem, was geschehen ist, gebe. Wenn ich zum Beispiel nicht angehalten und ihn auf der Autobahn gerettet hätte, hätte ich vielleicht Bree retten können und wäre jetzt schon wieder zu Hause. Oder, wenn er nicht meine Waffe aus dem Fenster hätte fallen lassen, hätte ich sie vielleicht im Central Park retten können. Und ich wünschte, er wäre stärker, hätte mehr von einem Kämpfer. Aber zur selben Zeit ist da etwas an ihm, was macht, dass ich mich ihm nahe fühle.
„Es tut mir leid“, sagt er, einerseits nervös, andererseits ist seine Stimme schon die eines gebrochenen Mannes. „Ich wollte dich nicht beleidigen.“
Langsam werde ich sanfter. Ich erkenne, dass es nicht seine Schuld war. Er ist nicht der Böse.
„Wo haben sie Dich hingebracht?“, frage ich.
„Zu ihrem Anführer. Er hat mich gebeten, mich ihnen anzuschließen.“
„Hast Du akzeptiert?“, frage ich. Mein Herz flattert, während ich auf die Antwort warte. Wenn er Ja sagen würde, würde ich so viel schlechter von ihm denken. Tatsächlich wäre ich wohl nicht in der Lage, ihn je wieder anzusehen.
„Natürlich nicht“, sagt er.
Erleichterung und Bewunderung durchfluten mein Herz. Ich weiß, was das für ein Opfer ist. Wie ich hat er gerade sein eigenes Todesurteil unterschrieben.
„Und Du?“, fragt er.
„Was denkst Du?“, sage ich.
„Nein“, sagt er. „Ich denke nicht.“
Ich schaue zu ihm hinüber und sehe, dass er einen seiner Finger in der Hand hält, der ganz verformt ist. Es sieht aus, als hätte er Schmerzen.
„Was ist passiert?“, frage ich.
Er schaut auf seinen Finger hinunter. „Das ist von dem Autounfall.“
„Welchem?“, frage ich und kann nicht anders, als kurz und müde zu lächeln, wenn ich an all die Unfälle denke, die wir in den letzten 24 Stunden hatten.
Er lächelt zurück, trotz aller seiner Schmerzen. „Der letzte. Als Du Dich entschieden hast, in einen Zug hineinzufahren. Guter Zug“, sagt er, und ich kann nicht sagen, ob er das so meint oder ob er sarkastisch ist.
„Mein Bruder war in dem Zug“, ergänzt er. „Hast Du ihn gesehen?“
„Ich habe gesehen, wie sie ihn eingeladen haben“, sage ich. „Dann habe ich ihn verloren.“
„Weißt Du, wo der Zug hingefahren ist?“
Ich schüttele den Kopf. „Hast Du meine Schwester darin gesehen?“
Er schüttelt seinen Kopf. „Ich kann es nicht wirklich sagen. Es ging alles so schnell.“
Er schaut hinunter, abgelenkt. Eine schwere Stille folgt. Er wirkt so verloren. Der Anblick seines krummen Fingers macht mir Sorge, es geht mir zu Herzen. Ich beschließe, dass ich nicht mehr so gereizt sein will und etwas mehr Mitgefühl zeigen.
Ich nehme seine verletzte Hand in beide meine Hände. Überrascht sieht er zu mir hoch.
Seine Haut ist weicher, als ich erwartet hätte. Sie fühlt sich an, als hätte er in seinem Leben noch keinen Tag gearbeitet. Ich halte seine Fingerspitzen sanft in meinen und bin überrascht, ein leichtes Kribbeln in meinem Bauch zu verspüren.
„Lass mich dir helfen“, sage ich sanft. „Das wird wehtun. Aber es muss gemacht werden. Wir müssen das geraderichten, bevor es falsch zusammenwächst“, füge ich hinzu, hebe seinen gebrochenen Finger hoch und begutachte ihn. Ich denke zurück an damals, als ich klein war, als ich auf der Straße hingefallen bin und mit einem gebrochenen, rosa geschwollen Finger nach Hause gekommen bin. Meine Mutter hat darauf bestanden, mich in ein Krankenhaus zu bringen. Aber Papa war dagegen, er hat einfach meine Finger in seine Hände genommen und sie mit einer schnellen Bewegung in die richtige Position zurückgebracht, bevor Mama auch nur reagieren konnte. Ich habe vor Schmerzen geschrien, und sogar jetzt kann ich mich noch gut daran erinnern, wie weh es getan hat. Aber es hat funktioniert.
Ben sieht mich mit Angst in den Augen an.
„Ich hoffe, Du weißt, was Du tust –“
Bevor er weiterreden kann, habe ich seinen gebrochenen Finger bereits zurück in die richtige Position geschoben.
Er schreit auf und weicht vor mir zurück, hält seine Hand.
„Verdammt!“, schreit er, geht ein paar Schritte und hält seine Hand fest. Bald beruhigt er sich, atmet aber noch schwer. „Du hättest mich warnen sollen!“
Ich reiße einen dünnen Streifen Stoff von meinem Ärmel ab, nehme wieder seine Hand und binde den verletzten Finger an seinen Nachbarn. Es ist nur ein armseliger Ersatz, aber es wird reichen müssen. Ben steht nur wenige Zentimeter von mir entfernt, aber ich kann spüren, wie er mich ansieht.
„Danke“, flüstert er., und da ist etwas in seiner Stimme, etwas Intimes, das ich zuvor nicht gespürt habe.
Ich fühle wieder die Schmetterlinge und plötzlich auch, dass ich ihm zu nahe bin. Ich muss einen klaren Kopf bewahren, stark und gelöst bleiben. Schnell ziehe ich mich zurück, gehe in meine Seite der Zelle zurück.
Ich schaue hinüber und sehe, dass Ben enttäuscht wirkt. Er sieht auch erschöpft aus, entmutigt. Er lehnt sich an die Wand an und sinkt langsam in eine sitzende Position herunter, lässt seinen Kopf auf seinen Knien ruhen.
Das ist eine sehr gute Idee. Ich mache dasselbe, weil ich plötzlich die Erschöpfung in meinen Beinen spüren kann.
Ich setze mich ihm gegenüber in der Zelle und senke meinen Kopf in meine Hände. Ich bin so hungrig. So müde. Alles tut mir weh. Ich würde alles für Essen tun, Wasser, Schmerzmittel, ein Bett. Eine heiße Dusche. Ich will einfach nur schlafen – für immer. Ich will die ganze Sache einfach nur hinter mir haben. Wenn ich sterben muss, will ich nur, dass es schnell geschieht.
Wir sitzen da, ich weiß nicht, wie lange, beide schweigend. Vielleicht vergeht eine Stunde, vielleicht zwei. Ich habe kein Zeitgefühl mehr.
Ich höre, wie schwer er atmet durch seine gebrochene Nase, und es rührt mein Herz. Ich frage mich, ob er eingeschlafen ist. Ich frage mich, wann sie uns holen kommen, wann ich die Stiefel wieder hören werde, die uns in unseren Tod marschieren lassen werden.
Ben Stimme füllt die Luft, eine sanfte, traurige, gebrochene Stimme: „Ich will nur wissen, wo sie meinen Bruder hingebracht haben“, sagt er sanft. Ich kann den Schmerz in seiner Stimme hören, wie sehr er sich um ihn sorgt. Das lässt mich an Bree denken.
Ich habe das Bedürfnis, mich zu zwingen, stark zu sein, mich in diesem ganzen Selbstmitleid zu bremsen.
„Warum?“, blaffe ich zurück. „Wozu soll das gut sein? Es gibt doch sowieso nichts, was wir dagegen tun können.“ Aber in Wahrheit will ich dasselbe wissen – wo sie sie hingebracht haben.
Ben schüttelt traurig den Kopf, er sieht erschüttert aus.
„Ich will es einfach nur wissen“, sagt er leise. „Um meinetwillen. Einfach nur wissen.“
Ich seufze, versuche, nicht daran zu denken, daran zu denken, was gerade jetzt mit ihr geschieht. Darüber, ob sie denkt, ich hätte sie im Stich gelassen. Sie verlassen
„Haben sie Dir gesagt, dass sie Dich in die Arena schicken?“, fragt er. Ich kann die Furcht in seiner Stimme hören.
Mein Herz flattert bei dem Gedanken. Langsam nicke ich.
„Und Dich?“, frage ich, obwohl ich die Antwort schon weiß.
Grimmig nicke ich zurück.
„Sie sagen, dass überlebt niemand“, sagt er.
„Ich weiß“, blaffe ich zurück. Es ist nicht nötig, dass er mich daran erinnert. Tatsächlich will ich gar nicht darüber nachdenken.
„Also, was wirst Du tun?“, fragt er.
Ich sehe ihn an.
„Was meinst Du? Es ist nicht, als hätte ich irgendwelche Optionen.“
„Du scheinst immer einen Ausweg zu kennen“, sagt er. „Irgendeine Art, die Dinge in letzter Minute noch hinzukriegen. Wir willst Du dies Mal aus der Sache rauskommen?“
Ich schüttele den Kopf. Ich habe mich dasselbe gefragt, aber ohne Erfolg.
„Ich habe keine Möglichkeiten mehr“, sage ich. „Ich habe nichts.“
„Das war's also?“, blafft er verärgert. „Du willst einfach aufgeben? Dich von ihnen in die Arena bringen lassen? Dich umbringen lassen?“
„Was sonst?“, blaffe ich zurück, selbst verärgert.
Er windet sich. „Ich weiß nicht“, sagt er. „Du muss einen Plan haben. Wir können nicht einfach nur hier herumsitzen. Wir können uns nicht einfach von ihnen umbringen lassen. Irgendetwas müssen wir tun.“
Ich schüttele den Kopf. Ich bin müde. Ich bin erschöpft. Ich bin verletzt. Ich bin hungrig. Dieser Raum besteht aus massivem Metall. Da draußen stehen hunderte von bewaffneten Wachen. Wir sind irgendwo unter der Erde. Ich weiß nicht einmal, wo. Wir haben keine Waffen. Es gibt nichts, was wir tun können. Nichts.
Außer einer Sache, begreife ich. Ich kann kämpfend untergehen.
„Ich werde mich nicht einfach so umbringen lassen“, sage ich plötzlich, in die Dunkelheit hinein.
Er sieht zu mir hoch. „Was meinst Du?“
„Ich werde kämpfen“, sage ich. „In der Arena.“
Ben lacht, es hört sich mehr wie ein verächtliches Schnauben an.
„Du machst Witze. In der Arena Eins sind nur professionelle Killer. Und sogar diese Killer werden umgebracht. Niemand überlebt. Nie. Es ist nur ein verlängertes Todesurteil. Für ihre Unterhaltung.“
„Das heißt nicht, dass ich es nicht versuchen kann“, blaffe ich mit erhobener Stimme zurück, wütend auf seinen Pessimismus.
Aber Ben sieht einfach wieder nach unten, den Kopf in seinen Händen, und schüttelt den Kopf.
„Nun, ich werde keine Chance haben“, sagt er.
„Wenn Du so denkst, dann nicht“, blaffe ich zurück. Es ist eine Formulierung, die Papa oft mir gegenüber verwendet hat, und ich bin überrascht, dieselben Worte nun aus meinem Mund zu hören. Es verstört mich, als ich mich frage, wie viel genau ich doch von ihm übernommen habe. Ich kann die Härte in meiner eigenen Stimme hören, eine Härte, die ich bis heute nicht kannte, und ich habe fast das Gefühl, er würde durch mich sprechen. Es ist ein unheimliches Gefühl.
„Ben“, sage ich. „Wenn Du denkst, dass Du überleben kannst, wenn Du sehen kannst, wie Du überlebst, dann wirst Du auch überleben. Es geht darum, dass Du Dich selbst zwingst, Dir das in Deinem Kopf vorzustellen. Darum, was Du Dir selbst erzählst.“
„Das heißt einfach nur, sich zu belügen“, sagt Ben.
„Nein, heißt es nicht“, antworte ich. „Das heißt, Dich selbst zu trainieren. Das ist ein Unterschied. Es heißt, Deine eigene Zukunft zu sehen, wie Du sie Dir wünschst, und sie Dir in Deinem Kopf zu erschaffen, und sie dann Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn Du sie sehen kannst, kannst Du sie auch Wirklichkeit werden lassen.“
„Du klingst, als würdest Du tatsächlich glauben, dass Du überleben kannst“, sagt Ben, er klingt erstaunt.
„Ich glaube es nicht“, blaffe ich. „Ich weiß es. Ich will überleben. Ich werde überleben“, höre ich mich sagen, mich zunehmendem Selbstvertrauen. Ich hatte immer die Fähigkeit, mir etwas so sehr in den Kopf zu setzen, dass es kein Zurück mehr gab. Trotz allem stelle ich fest, dass ich gerade ein neues Vertrauen entwickle, einen neuen Optimismus.
Und plötzlich, in diesem Moment, treffe ich eine Entscheidung: Ich bin entschlossen, zu überleben. Nicht für mich. Aber für Bree. Schließlich weiß ich noch nicht, ob sie tot ist. Vielleicht ist sie noch am Leben. Und die einzige Chance, die ich habe, sie zu retten, ist, am Leben zu bleiben. Wenn ich diese Arena überlebe. Und wenn es das ist, was nötig ist, dann ist es das, was ich tun werde.
Ich werde überleben.
Ich sehe nicht, warum ich keine Chance haben sollte. Wenn es eins gibt, was ich kann, dann kämpfen. Ich bin so aufgezogen worden, dass ich gut darin bin. Ich habe vorher schon im Ring gestanden. Ich hab mir meine Prügel abgeholt. Und dadurch bin ich stärker geworden. Ich habe keine Angst.
„Und wie wirst Du gewinnen?“, fragt Ben. Dieses Mal klingt seine Frage ernstgemeint, als ob er wirklich meint, ich hätte eine Chance. Vielleicht hat etwas in meiner Stimme ihn überzeugt.
„Ich muss nicht gewinnen“, gebe ich ruhig zurück. „Das ist der Punkt. Ich muss nur überleben.“
Ich bin kaum damit fertig, diese Worte auszusprechen, als ich das Geräusch von Springerstiefeln höre, die den Gang entlang marschieren. Einen Moment später höre ich das Geräusch unserer Tür, die geöffnet wird.
Sie sind gekommen, mich zu holen.