Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 11
KAPITEL SECHZEHN
Kyra stand in der Sonne auf einem sommerlichen Feld und bestaunte die Welt um sich herum. Alles blühte in bunten Farben, die Hügel waren so grün, so lebendig, und gesprenkelt mit gelben und roten Blüten. Bäume blühten überall, und ihr dichtes Blattwerk wiegte sich im Wind, die Äste schwer von den Früchten. Die Trauben in den Weinbergen waren Reif und der Duft der Ernte lag in der Luft. Kyra fragte sich, wo sie war, wo all die anderen waren, und was mit dem Winter passiert war.
Sie hörte einen Schrei, hoch am Himmel, und als sie aufblickte, sah sie Theos über sich kreisen. Er tauchte hinab, landete wenige Meter vor ihr im Gras, und sah sie aus seinen leuchtenden gelben Augen an. Sie tauschten etwas Unausgesprochenes aus – ihre Bindung war so intensiv, dass sie keiner Worte brauchten.
Plötzlich legte Theas den Kopf in den Nacken und spie kreischend Feuer in ihre Richtung.
Doch aus irgendeinem Grund fürchtete sie sich nicht. Sie zuckte nicht, als die Flammen in ihre Richtung schlugen, denn sie wusste, dass sie ihr nichts anhaben konnten. Das Feuer teilte sich wie das Wasser um einen Felsen im Fluss und setzte das Gras in Brand, doch sie blieb wie durch ein Wunder unverletzt.
Kyra drehte sich um und sah entsetzte, wie sich das Feuer ausbreitete, und all das satte Grün, all die Ernte verkohlte. Die Landschaft veränderte sich, die Bäume verbrannten, und wo eben noch grünes Gras war, war jetzt schwarze Erde.
Die Flammen loderten immer höher und breiteten sich immer weiter und schneller aus, und geschockt musste sie mitansehen, wie sie Volis verschlangen und außer Trümmern und Asche nichts mehr übrig war.
Als Theos endlich aufhörte, drehte sich Kyra um und starrte ihn an. Sie stand im Schatten des Drachen, winzig neben seiner Größe und wusste nicht, was sie erwarten sollte. Er wollte etwas von ihr, doch sie spürte nicht, was es war.
Kyra streckte die Hand aus und berührte seine Schuppen. Plötzlich schrie er auf, hob seine Krallen und schlitzte ihr die Wange auf.
Kyra schreckt in ihrem Bett hoch, schrie und hielt sich die Wange, von der aus ein fürchterlicher Schmerz durch ihren Körper schoss. Sie schlug um sich und versuchte, vor dem Drachen zu fliegen, und war überrascht, als sie stattdessen Hände spürten, die sie sanft zurückhielten und versuchten sie zu beruhigen.
Kyra blinzelte und sah Lyrah über sich gebeugt stehen, die ihr eine Kompresse auf die Wange legte.
„Schhh“, sagte Lyra beruhigend.
Kyra sah sich verwirrt um, bis sie schließlich erkannte, dass sie nur geträumt hatte. Sie war zu Hause, in ihrer Kammer, in der Festung ihres Vaters.
„Es war nur ein Alptraum“, sagte Lyrah.
Kyra erkannte, dass sie wieder eingeschlafen sein musste, doch sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte. Sie sah aus dem Fenster und bemerkte, dass es schon dunkel war. Erschrocken richtete sie sich auf.
„Wie spät ist es?“, fragte sie.
„Spät in der Nacht, Mylady“, sagte Lyrah. „Der Mond ist schon wieder untergegangen.“
„Hat man schon etwas von der Armee gehört, die auf uns zukommt?“, fragte sie mit pochendem Herzen.
„Es ist niemand gekommen, Mylady“, antwortete Lyrah. „Das Land liegt immer noch unter einer dicken Schneedecke und als du aufgewacht bist, war der Tag schon fast um. Bei diesem Wetter kann keine Armee angreifen. Mach dir keine Sorgen, du hast nur ein paar Stunden geschlafen. Leg dich wieder hin.“
Kyra ließ sich wieder auf die Felle sinken und atmete tief durch; dann spürte sie eine feuchte Nase an ihrer Hand und sah Leo, der sie anstupste.
„Er ist nicht einen Moment von deiner Seite gewichen“, lächelte Lyrah. „Und er auch nicht.“ Lyra wies in Richtung des Feuers, und als Kyra hinübersah, war sie tief gerührt, als sie Aidan sah, der mit einem ledergebundenen Buch in der Hand eingeschlafen war.
„Er hat dir vorgelesen während du geschlafen hast“, fügte sie hinzu.
Kyra war überwältigt von Liebe für ihren kleinen Bruder- und sie sorgte sich umso mehr wegen der Gefahren, die auf sie zukamen.
„Ich kann deine Anspannung spüren“, sagte Lyrah als sie eine neue Kompresse auf Kyras Wange legte, „Du hast unruhige Träume gehabt, Das kommt vom Zeichen des Drachen.“
Kyra sah, dass sie bedeutungsschwer ihre Wange ansah, geradezu ehrfürchtig, und wunderte sich.
„Ich kann nicht verstehen, was mit mir geschieht“, sagte sie. „Ich habe nie zuvor solche Träume gehabt. Sie fühlen sich nicht wie Träume an – es ist, als wäre ich wirklich dort. Als ob ich mit den Augen des Drachen sehen könnte.“
Die Heilerin sah sie mit ihren seelenvollen Augen an, setzte sich aufs Bett, und legte ihre Hände in den Schoß.
„Es ist eine sehr besondere Sache, das Zeichen eines Tiers zu empfangen“, sagte Lyrah. „Und das war kein normales Tier. Wenn eine Kreatur dich auf diese Weise berührt, dann teilst du auf ewig eine Bindung mit ihr. Du kannst sehen, was sie sieht, hören, was sie hört und fühlen, was sie fühlt. Es kann sofort geschehen oder vielleicht erst im folgenden Jahr. Doch eines Tages wird es passieren.“
Lyrah sah sie eindringlich an.
„Verstehst du das Kyra? Du bist nicht mehr dasselbe Mädchen, das gestern aus dem Fort gegangen ist. Das ist nicht nur eine Narbe auf deiner Wange – es ist ein Zeichen. Du trägst jetzt das Zeichen des Drachen in dir.“
Kyra runzelte die Stirn, während sie versuchte, es zu verstehen.
„Doch was bedeutete das?“, fragte sie.
Lyra seufzte und atmete langsam aus.
„Die Zeit wird es dir zeigen.“
Kyra dachte an die Männer des Lords, an den kommenden Krieg, und sie spürte einen seltsamen Drang.
Sie schlug die Decke zurück, stand auf und wäre fast gestürzt, so schwach war sie auf den Beinen. Lyrah fing sie auf und stützte sie.
„Du musst dich wieder hinlegen“, drängte Lyrah. „Du hast immer noch Fieber.“
Doch Kyra verspürte einen unbändigen Drang zu helfen und konnte nicht länger im Bett bleiben.
„Es wird schon“, antwortete sie, und griff nach ihrem Umhang, denn sie fror. Als sie gehen wollte, spürte sie Lyrahs Hand auf ihrer Schulter.
„Trink zumindest das“, sagte Lyrah, die ihr einen Krug entgegenhielt.
Kyra betrachtete die rote Flüssigkeit.
„Was ist das?“
„Meine eigene Mischung“, antwortete Lyrah lächelnd. „Sie senkt das Fieber und hilft gegen die Schmerzen.“
Kyra nahm einen langen schluck von dem dickflüssigen Gebräu und schnitt eine Grimasse. Lyrah lächelte.
„Es schmeckt wie Erde“, bemerkte Kyra.
Lyrahs Lächeln wurde breiter. „Es ist nicht für seinen Geschmack bekannt.“
Doch Kyra fühlte sich sofort besser, ihr ganzer Körper schien auf einmal wärmer zu sein.
„Danke“, sagte sie. Sie ging zu Aidan hinüber, beugte sich über ihn und küsste ihn vorsichtig auf die Stirn, um ihn nicht zu wecken. Dann drehte sie sich um, und verließ die Kammer, dicht gefolgt von Leo.
Sie ging durch die endlosen Flure der Festung, die nur schwach von wenigen flackernden Fackeln an den Wänden erleuchtet wurden. Nur wenige Männer standen zu so später Stunde Wache, alles war still, alles schlief.
Kyra stieg die Wendeltreppe hinauf und blieb vor der Kammer ihres Vaters stehen, vor deren Tür ein Wächter stand. Er sah sie ehrfürchtig an und sie fragte sich, wie weit sich die Geschichte schon verbreitet hatte. Er verbeugte sich leicht vor ihr.
„Mylady“, sagte er.
Sie nickte ihm zu.
„Ist mein Vater hier?“
„Er konnte nicht schlafen. Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war er in seinem Studierzimmer.“
Kyra eilte die Flure entlang und ging eine Treppe hinunter, bis sie schließlich am anderen Ende der Festung ankam. Der Korridor endete an der dicken Holztür der Bibliothek ihres Vaters, die nur angelehnt war.
„Ich sage dir, das ist nicht was sie gesehen hat“, hörte sie die erboste Stimme ihres Vaters.
Er war aufgebracht, und sie blieb stehen, um zu hören, was hinter der Tür vor sich ging. Sie lauschte, neugierig darauf, mit wem er sprach und worüber. Sprach er etwa über sie?
„Wenn sie wirklich einen Drachen gesehen hatte“, sagte eine gebrochene Stimme, die sie sofort als die von Thonos erkannte, des ältesten Ratgebers ihres Vaters; „dann besteht wenig Hoffnung für Volis.“
Ihr Vater murmelte etwas, was sie nicht verstehen konnte, und Thonos seufzte.
„Die alten Schriftrollen“, antwortete Thonos angestrengt, „erzählen vom Aufstand der Drachen. Eine Zeit, in der wir alle von ihren Flammen vernichtet werden. Wir haben nichts, was sie aufhalten kann. Wir haben nur Hügel und den Himmel… und wenn sie gekommen sind, dann sind sie aus gutem Grund hier.“
„Doch aus welchem Grund?“, fragte ihr Vater. „Was würde einen Drachen dazu bringen, die halbe Welt zu umrunden?“
„Die bessere Frage ist vielleicht, was ihn verletzt hat“, antwortete Thonos.
Eine lange Stille folgte, in der nur das Knistern des Feuers zu hören war, bis Thonos schließlich wieder das Wort ergriff.
„Ich nehme an, dass es nicht der Drache ist, der dir die meisten Sorgen bereitet?“, stellte Thonos fest.
Wieder schwieg ihr Vater und Kyra beugte sich vor und spähte durch den Spalt, auch wenn sie wusste, dass es sich nicht schickte, zu lauschen. Ihr wurde schwer ums Herz als sie ihren Vater sah, der den Kopf in die Hände gestützt hatte und grübelte.
„Nein“, sagte er, und sie konnte die Erschöpfung in seiner Stimme hören. „Das ist es nicht“, gab er zu.
Kyra fragte sich, worüber sie sprachen.
„Du denkst über die Prophezeiung nach, nicht wahr?“, fragte Thonos. „Die bei ihrer Geburt?“
Kyra beugte sich vor. Ihr Herz pochte in ihren Ohren als sie spürte, dass sie über sie sprachen. Sie verstand jedoch nicht, um was es ging.
Ihr Vater antwortete nicht..
„Ich war hier, Duncan“, sagte Thonos schließlich. „Genau wie du.“
Ihr Vater seufzte, doch er hob seinen Kopf nicht.
„Sie ist deine Tochter. Denkst du nicht, dass es angebracht ist, ihr davon zu erzählen? Von ihrer Geburt? Von ihrer Mutter? Hat sie denn kein Recht zu wissen, wer sie ist?“
Kyras Herz raste; sie hasste Geheimnisse, besonders, wenn es um sie ging. Sie war schrecklich gespannt zu hören, was es war.
„Jetzt ist nicht die richtige Zeit dazu“, sagte ihr Vater schließlich.
„Doch wann ist die richtige Zeit?“, sagte der alte Mann.
Kyra atmete tief durch.
Plötzlich drehte sie sich um und rannte davon, ein erdrückendes Gefühl auf der Brust, während die Worte ihres Vaters in ihren Ohren klangen. Sie schmerzten wie zahllose Messerstiche, mehr als alles, was die Männer des Lords ihr je antun könnten. Sie fühlte sich verraten. Er hatte ein Geheimnis vor ihr, das er ihr ganzes Leben lang vor ihr bewahrt hatte. Er hatte sie immer angelogen.
Hat sie denn kein Recht zu wissen, wer sie ist?
Ihr ganzes Leben lang hatte Kyra das Gefühl gehabt, dass die Leute sie seltsam ansahen, als ob sie etwas über sie wüssten, was ihr selbst nicht bekannt war, als wäre sie ein Außenseiter – und sie hatte nie ganz verstanden warum. Doch jetzt verstand sie es. Sie fühlte sich nicht nur anders als alle anderen – sie war anders. Doch wie?
Wer war sie?
KAPITEL SIEBZEHN
Vesuvius marschierte, gefolgt von hundert Trollen, durch den Großen Wald, ein stark ansteigendes Gelände hinauf, zu steil, als dass Pferde hier von Nutzen gewesen wären. Er marschierte mit einem Gefühl der Entschlossenheit, und zum ersten Mal seit langem: Optimismus. Er hackte sich mit seinem Schwert durch das dichte Buschwerk, durch das er auch ohne Schwert gekommen wäre, doch er genoss es einfach, Dinge zu zerstören.
Mit jedem Schritt wurde das Brüllen des gefangenen Riesen lauter und ließ die Erde unter ihm beben. Er bemerkte die Angst in den Blicken der anderen Trolle und musste lächeln. Genau diese Angst hatte er all die Jahre zu sehen gehofft – sie bedeutete, dass er endlich, nach all den Jahren, den Riesen gefunden hatte.
Er hackte sich durch den Rest des Buschwerk und erreichte den Gipfel des Hügels, und vor ihm tat sich eine große Lichtung auf. Vesuvius blieb sehen, überrascht von dem Anblick, der sich ihm bot. Auf der anderen Seite der Lichtung lag eine riesige Höhle, deren Eingang gut dreißig Meter hoch war; an den Fels war mit dicken Ketten die größte und hässlichste Kreatur gefesselt, die er je gesehen hatte. Er war wahrlich ein Riese, grenzenlos hässlich, mindestens dreißig Meter groß mit zehn Meter breiten Schultern, mit einem Körper wie dem eines Trolls, doch mit vier Augen, ohne Nase und einem Maul, das nur aus Zähnen zu bestehen schien. Er öffnete sein Maul und brüllte – ein schreckliches Geräusch – und selbst Vesuvius, der sich vor nichts fürchtete, der schon gegen die schrecklichsten Kreaturen dieser Welt gekämpft hatte, musste zugeben, dass selbst er sich fürchtete. Der Riese riss sein Maul immer weiter auf, entblößte seine spitzen Zähne und sah dabei so aus, als wollte er die Welt verschlingen.
Es war wütend. Er brüllte immer wieder, stampfte mit den Füssen, und zerrte an den Ketten, mit denen er gefesselt war. Der Boden vibrierte, die Höhle erzitterte und der ganze Berg bebte. Es war, als ob das Monster mit all seiner Kraft, den ganzen Berg bewegen konnte – so viel Energie, die nur in die richtige Richtung gelenkt werden musste… Vesuvius grinste; das war genau das, was er brauchte. Eine Kreatur wie diese konnte den Tunnel mit einer Geschwindigkeit vorantreiben, von dem eine ganze Armee von Trollen nur träumen konnte.
Vesuvius trat auf die Lichtung und bemerkte all die toten Trolle, deren Körper auf dem Boden verstreut lagen, und hunderte anderer Trolle, die dort den Riesen bewachten, nahmen Haltung an. Er konnte die Angst in ihren Gesichtern sehen, als hätten sie keine Ahnung, was sie mit dem Riesen anfangen sollten, jetzt, wo sie ihn gefangen hatten.
Vesuvius blieb gerade außerhalb der Reichweite des Riesen stehen, denn er wollte nicht so enden, wie die getöteten Trolle. Als er ihn sah, fuhr der Riese herum, und stürmte auf ihn zu. Er schwang seine Klauen, doch von den Ketten zurückgehalten, verfehlte er Vesuvius um wenige Meter.
Vesuvius stand vor ihm und betrachtete ihn, während sein Kommandant angerannt kam und ein paar Meter hinter ihm stehen blieb.
„Mein Herr und König“, sagte der Kommandant, während er sich verbeugte. „Der Riese ist gefangen genommen worden. Er gehört euch; ihr könnt ihn zurückbringen. Doch wir wissen nicht wie – wir haben zu viele Trolle bei dem Versuch verloren. Wir wissen nicht, was wir tun sollen.“
Vesuvius stand da, die Hände in die Hüften gestemmt, und spürte die Blicke aller Trolle auf sich ruhen, während er die Kreatur betrachtete.
Der Riese war ein einzigartiges Stück Schöpfung, und als er böse auf ihn herabstarrte und anknurrte, begierig Vesuvius wie die anderen zu zerreißen, konnte dieser sehen, was das Problem war. Wie immer erkannte er sofort, wie man es lösen konnte.
Vesuvius legte die Hand auf die Schulter des Kommandanten und beugte sich vor.
„Sie versuchen, sich ihm zu nähern“, sagte er leise. „Doch ihr müsst ihn zu euch kommen lassen. Ihr müsst ihn überraschen – nur dann könnt ihr ihn fesseln. Ihr müsst ihm geben, was er will.
Der Kommandant sah ihn verwirrt an.
„Und was ist das, mein Herr und König?“
Vesuvius ging los und führte den Kommandanten weiter auf den Riesen zu.
„Was das ist? Du!“, antwortete Vesuvius schließlich, als gäbe es nichts Offensichtlicheres. Dann versetzte er dem Kommandanten einen heftigen Stoß, der den arglosen Krieger über die Lichtung stolpern ließ.
Vesuvius trat zurück, bis er wieder sicher außer Reichweite war, während der Riese überrascht blinzelte. Der Krieger sprang auf und versuchte wegzulaufen, doch der Riese reagierte sofort, schlug mit seinen Pranken zu, hob ihn auf und schloss seine Faust um die Hüften des Trolls, bevor er ihn vor seine Augen hob. Nach kurzer Betrachtung biss er dem Troll den Kopf ab.
Vesuvius lächelte, zufrieden, den unfähigen Kommandanten los zu sein.
„Wenn ich euch zeigen muss, was ihr tun müsst“, sagte er in Richtung des toten Körpers, der einmal sein Kommandant gewesen war, „für was brauche ich dann einen Kommandanten“
Vesuvius drehte sich um und betrachtete den Rest seiner Krieger, die ihn alle erschrocken und verängstigt ansahen. E deutete auf einen Krieger, der ganz in seiner Nähe stand.
„Du!“, sagte er.
Der Troll sah ihn nervös an.
„Ja mein Herr und König?“
„Du bist der nächste.“
Der Troll riss die Augen auf, ließ sich auf die Knie fallen und hob bettelnd die Hände.
„Nein mein Lord und König“, wimmerte er. „Ich flehe dich an! Nicht mich! Nimm jemand anderen!“
Vesuvius ging auf ihn zu und nickte freundlich.
„Gut“, sagte er, „das werde ich.“ Mit diesen Worten packte er den Troll und schlitzte ihm den Hals mit seinem Dolch auf.
Vesuvius wandte sich den anderen zu.
„Hebt ihn auf und werft ihn in Reichweite des Riesen. Wenn er sich nähert, habt die Taue bereit. Ihr fesselt ihn, wenn er sich den Köder holt.“
Sechs Trolle packten den Toten und warfen ihn mit Schwung in Richtung des Riesen. Die anderen Krieger nahmen auf beiden Seiten mit dicken Tauen Aufstellung.
Der Riese betrachtete den frischen Troll zu seinen Füssen, als ob er ihn nicht wollte. Doch schließlich – genau wie Vesuvius es erwartet hatte – sprang er mit seiner begrenzten Intelligenz vor und packte den Troll.
„JETZT!“, schrie Vesuvius.
Die Krieger warfen die Taue über den Riesen und rissen ihn damit zu Boden. Weitere Krieger eilten herbei und warfen noch mehr Seile, Dutzende, über seine Arme, seine Beine und seinen Hals. Sie zerrten mit aller Kraft daran, und das Monster wand und wehrte sich und kreischte wütend – doch bald war er ihnen hilflos ausgeliefert. Gefesselt mit Dutzenden von dicken Tauen, gehalten von Hunderten von Männern, lag er mit dem Gesicht nach unten im Dreck und brüllte hilflos.
Vesuvius trat dicht an ihn heran und sah auf ihn herab – was vor wenigen Augenblicken noch unvorstellbar gewesen war. Er betrachtete zufrieden seinen Fang.
Endlich, nach all diesen Jahren!
„Jetzt“, sagte er langsam, und sonnte sich in jedem Wort, „gehört Escalon mir!“
KAPITEL ACHTZEHN
Kyra stand am Fenster ihrer Kammer und sah mit einem Gefühl der Erwartung und Angst zu, wie die Sonne über den Hügeln aufging. Den Rest der Nacht war sie von Alpträumen geplagt worden, und hatte sich im Bett hin und hergeworfen nachdem sie das Gespräch ihres Vaters mitangehört hatte. Die Worte hallten immer noch in ihren Ohren:
Hat sie denn kein Recht zu wissen, wer sie ist?
Die ganze Nacht über hatte sie von einer Frau geträumt, deren Gesicht hinter einem Schleier verborgen war – einer Frau von der sie sicher war, dass sie ihre Mutter war. Sie streckte ihre Hand nach ihr aus, immer wieder, doch nie konnte sie sie erreichen.
Kyra war sich nicht mehr sicher was real und was ein Traum war, was wahr und was Lüge war. Was hatten sie ihr sonst noch alles verschwiegen? Was war es, das sie ihr nicht sagen konnten?
Bei Sonnenaufgang war sie schließlich aufgewacht und hatte sich die Wange gehalten, die immer noch von der Wunde brannte, und sie fragte sich, wer ihre Mutter war. Ihr ganze Leben lang hatte man ihr erzählt, dass ihre Mutter bei der Geburt gestorben war, und sie hatte keinen Grund gehabt, daran zu zweifeln. Kyra wusste, dass sie niemandem in der Familie oder im Fort ähnlich sah, und je mehr sie darüber nachdachte, desto mehr realisierte sie, dass alle sie anders ansahen, als gehörte sie nicht hierher. Doch sie hatte nie geglaubt, dass irgendetwas dran gewesen sein könnte, dass ihr Vater sie anlog und Geheimnisse vor ihr hatte. War ihre Mutter noch am Leben? Und warum hielten sie es vor ihr geheim?
Kyra stand innerlich bebend am Fenster und staunte, wie dramatisch sich ihr Leben innerhalb nur eines Tages verändert hatte. Sie spürte ein brennendes Feuer in ihren Adern, das von ihrer Wange durch die Schulter bis in ihre Handgelenk reichte, und sie wusste, dass sie nicht mehr dieselbe war. Sie spürte die Wärme des Drachen durch ihre Adern fließen, und fragte sich, was das zu bedeuten hatte.
Kyra sah aus dem Fenster auf die Menschen herab, die schon so früh am Morgen umhereilten und bestaunte all das Getümmel. Normalerweise war um diese Zeit noch alles still. Doch nicht heute. Die Männer des Lords waren auf dem Weg zu ihnen, wie ein Sturm, der sich am Horizont zusammenbraute, und die Leute wussten, dass sie Rache nehmen würden. Auch die Stimmung, die in der Luft lag, war anders. Ihre Leute hatten sonst immer schnell nachgegeben, doch diesmal war es anders und sie war aufgeregt zu sehen, dass sie sich auf einen Kampf vorbereiteten. Zahllose Männer sicherten die Wälle, verdoppelten die Wachen an den Toren, schlossen die Fallgitter, nahmen ihre Positionen auf den Zinnen ein, verbarrikadierten Fenster und gruben Gräben. Andere hatten die Aufgabe zugeteilt bekommen, die Waffen zu schärfen, die Köcher mit Pfeilen zu füllen, die Pferde zu satteln und bevölkerten nervös den Hof. Alle bereiteten sich auf das Unvermeidliche vor.
Kyra konnte kaum fassen, dass sie der Auslöser für all das war; sie fühlte sich schuldig und stolz zur gleichen Zeit. Doch das dominierende Gefühl war das der Angst. Sie wusste, dass ihre Leute keinen direkten Angriff der Männer des Lords überleben konnten – denn schließlich stand das ganze pandesische Reich hinter ihnen. Sie konnten sich wehren, doch wenn die Pandesier mit all ihrer Macht ankamen, würden sie sicher sterben.
„Schön zu sehen, dass du auf bist!“, hörte sie eine fröhliche Stimme.
Kyra fuhr erschrocken herum, genauso wie Leo, der neben ihr saß, und sah Anvin, der in der Tür stand. Neben seinem lächelnden Gesicht tauchten Vidar, Arthfael und ein paar andere der Männer ihres Vaters auf. Sie konnte spüren, dass sich etwas in ihrem Blick verändert hatte. Etwas Neues lag in ihren Augen: Respekt. Sie sahen sie nicht mehr als kleines Mädchen, als Zuschauerin, sondern vielmehr als eine von ihnen.
Ihre Blicke gaben ihr ein gutes Gefühl, vielleicht war es ja all die Schmerzen wert gewesen. Sie wünschte sich nichts mehr, als den Respekt dieser Männer zu verdienen.
„Dann geht’s dir also besser?“, fragte Vidar.
Kyra dachte einen Augenblick darüber nach, und als sie ihre Hände öffnete und schloss und ihre Arme streckte, bemerkte sie, dass es ihr wirklich besser ging – sie fühlte sich stärker als je zuvor. Als sie ihm zunickte, entdeckte sie noch etwas anderes in den Augen der Männer – war das etwa Angst? Als hätte sie eine Macht, die ihnen unbekannt war und der sie kein Vertrauen schenkten.
„Ich fühlte mich wie neu geboren!“
Anvin lächelte.
„Gut“, sagte er. „Wir brauchen jede Hilfe, die wir bekommen können.“
Sie sah ihn aufgeregt an.
„Soll das etwa heißen, dass ich mit euch kämpfen darf?“, fragte sie mit pochendem Herzen. Nichts hätte sie mehr gefreut.
Arthfael lächelte und legte ihr die Hand auf die Schulter.
„Erzähle es nur nicht deinem Vater“, sagte er.
Leo ließ sich von den Männern streicheln und leckte Arthfaels andere Hand.
„Wir haben ein Geschenk für dich“, sagte Vidar.
Kyra war überrascht.
„Ein Geschenk?“, fragte sie.
„Betrachte es als Willkommensgeschenk“, sagte Arthfael. „Nur eine Kleinigkeit, die dir helfen soll, den Kratzer auf deiner Wange zu vergessen.“
Er drehte sich um und bedeutete ihr, ihm zu folgen. Es gab nichts was sie lieber wollte. Sie lächelte die Männer an, und war glücklich.
„War es das, was nötig war, um eine von euch zu werden?“, fragte sie neugierig. „Ich musste nur diese fünf Männer des Lords töten?“
„Drei“, korrigierte Arthfael, „wenn ich mich recht erinnere hast du gesagt, dass Leo zwei von ihnen getötet hat.“
„Ja“, sagte Anvin. „Und die Begegnung mit einem Drachen zu überleben ist auch durchaus etwas wert/“
*
Kyra folgte den Männern mit Leo durch das Fort ihres Vaters. Der Schnee knirschte unter ihren Stiefeln, und sie fühlte sich inspiriert von der Energie und Betriebsamkeit um sie herum. Alle Menschen waren so geschäftig am frühen Morgen und endlich schien alles einen Sinn zu haben. Sie ging an Tischlern, Schustern, Sattlern und Maurern, vorbei, die alle bereits schwer beschäftigt waren, während zahllose Männer Schwerter und Dolche an den Schleifsteinen schärften. Kyra spürte die Blicke der Männer auf sich, als sie an ihnen vorbeigingen; ihre Ohren brannten. Sie mussten wissen, warum die Männer des Lords kamen und was sie getan hatte. Sie hatte das Gefühl, dass alle sie anstarrten und fürchtete, dass die Leute sie hassen würden.
Doch sie war überrascht, als sie die Bewunderung in ihren Blicken sah – und noch etwas anderes – vielleicht Furcht? Sie mussten gehört haben, dass sie eine Begegnung mit einem Drachen überlebt hatte, und schienen nicht zu wissen, was sie davon halten sollten.
Kyra blickte zum Himmel auf und suchte die Wolken ab, in der Hoffnung, Theos wiederzusehen. Sie hoffte, dass er sich erholt hatte und sie ihn über sich kreisend sehen würde. Doch da war nichts. Wo war er nur? Hatte er überlebt? Würde er jemals wieder fliegen? War er womöglich schon wieder nach Hause zurückgekehrt?
Als sie die Festungsanlage durchquerten, wurde Kyra neugierig, wo sie sie hinführten und was sie mit ihr vorhatten.
„Wo gehen wir hin?“, fragte sie Anvin, als sie eine enge gepflasterte Gasse hinuntergingen. Sie gingen an den Bewohnern vorbei, die den Schnee beiseite schaufelten, während immer wieder Schnee und Eislawinen von den Dächern der Gebäude rutschten. Rauch stieg aus den Kaminen auf und der Duft eines kalten Wintermorgens lag in der Luft.
Sie bogen in eine weitere Straße ein und Kyra sah ein breites, flaches, schneebedecktes Gebäude aus Stein mit einer roten Eichenholztür, das ein wenig von den anderen entfernt stand. Sie erkannte es sofort.
„Ist das nicht die Schmiede?“, fragte sie.
„Ja, das ist sie“, antwortete Anvin.
„Aber was wollen wir denn hier?“, fragte sie.
Sie kamen zur Tür. Vidar öffnete sie und trat beiseite.
„Du wirst schon sehen.“
Kyra betrat das Gebäude, dicht gefolgt von den anderen und Leo. Die Hitze der Feuer schlug ihre entgegen. Sie sah sich um und bemerkte sofort all die Waffen, die auf den Ambossen lagen. Voller Bewunderung betrachtete sie die Schwerter und Äxte, an denen noch gearbeitet wurde, manche steckten rotglühend im Feuer.
Der Schmied saß mit seinen drei Gesellen da, über und über mit Ruß beschmiert, und sah sie ausdruckslos an. Die Schmiede war vollgepackt mit Waffen, die überall herumlagen und hingen, und es schien, dass Dutzende andere in Arbeit waren. Kyra kannte Brot, den Schmied. Er war ein kleiner, dicklicher Mann, mit wolligem schwarzen Bart und einer hohen Stirn, die permanent konzentriert gerunzelt war. Er war ein ernster Mann der nicht viele Worte machte und für seine Waffen lebte. Er war ein bärbeißiger Mann, der sich nicht viel aus Menschen machte.
Doch bei den wenigen Gelegenheiten, als Kyra mit ihm gesprochen hatte, hatte sich Brot als warmherziger Mann erwiesen, der mit Leidenschaft über seine Waffen sprach. Er musste in Kyra eine verwandte Seele erkannt haben, denn beide verband eine Passion für Waffen und Rüstzeug.
„Kyra“, sagte er, und schien erfreut zu sein, sie zu sehen. „Nimm Platz.“
Sie setzte sich ihm gegenüber mit dem Rücken zum Ofen auf eine leere Bank. Anvin und die anderen sammelten sich um sie herum, und sie beobachteten, wie Brot mit ein paar Waffen hantierte: einer Lanze, einer Sichel, einer Keule, an der er arbeitete.
Kyra sah ein Schwert, dessen Schneiden noch stumpf waren und darauf warteten, geschärft zu werden. Hinter ihm arbeiteten die Gesellen und das Klirren ihrer Werkzeuge erfüllte den Raum. Einer hämmerte an einer Axt herum, dass die Funken stoben, während ein anderer mit einer lange Zange in den Ofen griff und einen Streifen weißglühendes Metall auf den Amboss legte. Der dritte nahm mit seiner Zange den Kopf einer Hellebarde von seinem Amboss und tauchte ihn zischend und begleitet von einer Dampfwolke in eine große eiserne Wanne.
Für Kyra war die Schmiede immer einer der faszinierendsten Orte von Volis gewesen.
Als sie ihm zusah, schlug ihr Herz schneller, und sie fragte sich, was für ein Geschenk die Männer wohl für sie hatten.
„Ich habe von deinen Abenteuern gehört“, sagte Brot ohne sie anzusehen, während er ein langes Schwert hochhob und es in den Händen wog. Es war das längste Schwert, das sie je gesehen hatte, und er runzelte unzufrieden die Stirn.
Sie wusste, dass man in besser nicht bei der Arbeit unterbrach und wartete geduldig schweigend darauf, dass er fortfuhr.
„Eine Schande“, sagte er schließlich.
Kyra sah ihn verwirrt an.
„Was?“
„Eine Schande, dass du den Jungen nicht getötet hast“, sagte er. „Wenn du es getan hättest, hätten wir jetzt nicht all diesen Ärger am Hals, nicht wahr?“
Er sah sie immer noch nicht an, und wog weiter das Schwert. Sie wurde rot. Sie wusste, dass er Recht hatte, doch sie bereute nicht, was sie getan hatte.
„Lass dir das eine Lehre sein“, fügte er hinzu. „Töte sie alle. Ohne Ausnahme. Verstehst du mich?“ fragte er, und sein Ton wurde todernst als er ihr in die Augen sah. „Töte sie alle.“
Trotz seines barschen Tonfalls und seiner unverblümten Art bewunderte Kyra Bort dafür, dass er immer das aussprach, woran er glaubte – Dinge, die andere sich nicht zu sagen wagten.