Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 16

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KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

Im Sonnenuntergang wanderte Merk durch Whitewood; seine Beine schmerzten, sein Magen knurrte und er versuchte, die Hoffnung nicht aufzugeben, dass der Turm von Ur irgendwo da draußen am Horizont lag und dass er ihn irgendwann erreichen würde. Er versuchte, sich auf sein neues Leben zu konzentrieren, dass er ein Wächter werden und neu anfangen würde.

Doch er konnte sich nicht konzentrieren. Seitdem er dem Mädchen begegnet war und ihre Geschichte gehört hatte, hatte es an ihm genagt. Er wollte sie aus seinen Gedanken verdrängen, doch so sehr er sich auch bemühte, es wollte ihm nicht gelingen. Er war sich so sicher gewesen, dass er sich von einem Leben der Gewalt abwenden konnte. Wenn er jedoch zurückging, um ihr zu helfen und dabei half, diese Männer zu töten – wann würde das Töten ein Ende nehmen? Würde da nicht sofort wieder eine andere Mission, ein anderer Grund folgen?

Merk wanderte immer weiter, bohrte seinen Stab in den Boden und stapfte aufgebracht durch die raschelnden Blätter. Warum hatte er ihr begegnen müssen? Es war ein riesiger Wald – warum hatten sie einander nicht verfehlen können? Warum musste ihm das Leben immer etwas in den Weg werfen?

Merk hasste schwere Entscheidungen und er hasste es, zu zögern. Sein ganzes Leben lang war er sich immer so sicher gewesen, und er hatte das als eine seiner Stärken betrachtet. Er hatte immer gewusst, was er war. Doch jetzt war er sich nicht sicher. Jetzt schwankte er.

Er verfluchte die Götter dafür, dass er dem Mädchen begegnet war. Warum konnten die Leute nicht selbst auf sich aufpassen? Warum brauchten sie ihn immer wieder? Wenn sie und ihre Familie nicht dazu in der Lage waren, sich zu verteidigen, warum verdienten sie es dann, zu leben? Wenn er sie rettete, würde nicht ein anderer sie früher oder später sowieso töten?

Nein. Er konnte sie nicht retten. Damit würde er ihnen keinen Gefallen tun. Die Leute mussten lernen, sich selbst zu verteidigen.

Und doch vielleicht, überlegte er, vielleicht gab es einen Grund, warum sie ihm über den Weg gelaufen war. Vielleicht war es ein Test.

Merk blickte zum Horizont, wo die bunten Streifen des Sonnenuntergangs kaum durch den Wald zu sehen waren, und er dachte über sein neues Schicksal nach.

Ein Test.

Es war ein mächtiges Wort, ein mächtiger Gedanke – und noch dazu einer, der ihm gar nicht gefiel. Er mochte nicht, was er nicht verstehen konnte, was sich seiner Kontrolle entzog; und getestet zu werden war so etwas. Während er weiter wanderte und mit seinem Stab auf die Blätter am Boden einstach, spürte Merk, wie seine so sorgfältig aufgebaute Welt um ihn herum zusammenbrach. Zuvor war sein Leben einfach gewesen; jetzt fühlte es sich an wie ein unbehaglicher Zustand des ständigen Infragestellens. Sich seiner Sache sicher zu sein war leicht, Dinge infrage zu stellen, war das, was schwer war. Er hatte eine schwarz-weiße Welt verlassen und hatte eine Welt betreten, die voller verschiedener Grautöne war, und die Unsicherheit machte ihn nervös. Er verstand nicht, was aus ihm wurde, und das störte ihn am meisten.

Merk stieg einen Hügel hinauf, schwer atmend vor Anstrengung. Als er den Gipfel erreichte und sich umsah, spürte er zum ersten Mal, seitdem er auf diese Reise aufgebrochen war einen Funken Hoffnung. Er konnte kaum fassen, was er sah.

Da stand er am Horizont und leuchtete in der Sonne. Keine Legende, kein Mythos, sondern ein realer Ort: der Turm von Ur.

Auf einer kleinen Lichtung gelegen, mitten in einem riesigen dunklen Wald, erhob sich der alte Turm. Aus Stein gemauert, maß er vielleicht Fünfzig Meter im Durchmesser und erhob sich weit über die Bäume hinaus. Er hatte noch nie ein so altes Gebäude gesehen – es schien noch älter zu sein als die Burgen, in denen er gedient hatte. Es hatte eine geheimnisvolle, undurchdringliche Aura. Er konnte spüren, dass es ein mystischer Ort war. Ein Ort der Macht.

Merk atmete erschöpft und erleichtert auf. Er hatte es geschafft. Den Turm zu sehen war wie ein Traum. Endlich hatte er einen Ort auf der Welt, an dem er bleiben konnte, einen Ort, den er sein Zuhause nennen konnte. Das war seine Chance, ein neues Leben zu beginnen, eine Chance zur Umkehr. Er würde ein Wächter werden.

Er wusste, dass er sich freuen sollte, dass er schneller laufen und den letzten Abschnitt seiner Reise bis zum Einbruch der Nacht hinter sich bringen sollte. Und doch, so sehr er es auch wollte, er konnte den ersten Schritt nicht machen. Er stand wie angewurzelt da und etwas nagte an ihm.

Merk drehte sich um. Von seinem Gipfel aus konnte er den Horizont in alle Richtungen sehen, und in der Ferne, gegen den Sonnenuntergang, konnte er schwarzen Rauch aufsteigen sehen. Es traf ihn wie ein Schlag in die Magengrube. Er wusste, wo der Rauch herkam: das Mädchen. Ihre Familie. Die Mörder setzten alles in Brand.

Als er der Spur des Rauchs folgte, sah er, dass sie den Hof noch nicht erreicht hatten. Sie waren erst am Rand ihrer Felder. Bald jedoch würden sie sie erreichen, doch in diesem Augenblick, in diesen letzten kostbaren Minuten, war sie sicher.

Merk streckte seinen Nacken, so wie er es immer tat, wenn ein innerer Konflikt ihn zerriss. Ein starkes Gefühl des Unbehagens überkam ihn, und er konnte nicht weitergehen. Er drehte sich um und sah zum Turm von Ur hinüber, dem Ziel seiner Träume, und er wusste, dass er einfach weitergehen sollte. Er war kurz vor dem Ziel, und er wollte sich entspannen und feiern.

Doch zum ersten Mal in seinem Leben machte sich eine Sehnsucht in ihm Breit – eine Sehnsucht, selbstlos zu handeln, nur um der Gerechtigkeit willen. Ohne Bezahlung und Lohn. Merk hasste dieses Gefühl.

Er warf den Kopf in den Nacken und schrie im Kampf mit sich und der Welt. Warum? Warum ausgerechnet jetzt?

Und dann, auch wenn ihm sein Verstand das Gegenteil riet, wandte er sich vom Turm ab und dem Hof zu. Zuerst ging er, dann verfiel er in einen Trab – dann rannte er.

Im Rennen wurde etwas in ihm freigesetzt. Der Turm konnte warten. Es war an der Zeit, dass Merk etwas Gutes tat. Es war an der Zeit, dass diese Mörder ihrem Meister begegneten.

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

Kyra lehnte an der kalten Steinmauer, die Augen blutunterlaufen, und betrachtete wie die ersten Sonnenstrahlen des neuen Morgens durch die eisernen Gitterstäbe fielen und den Raum in ein blasses Licht tauchten. Wie der Lord Regent vorhergesagt hatte war sie die ganze Nacht lang wach gewesen und hatte über die schrecklichen Dinge nachgedacht, die sie erwarteten. Sie fragte sich, was sie Deirdre angetan hatten, und versuchte nicht daran zu denken, was diese grausamen Männer versuchen würden, um sie zu brechen.

Kyra dachte darüber nach, wie sie sich ihnen widersetzen und fliehen konnte. Der Krieger in ihr weigerte sich, sich brechen zu lassen – sie würde lieber sterben. Doch als sie über all die Möglichkeiten nachdachte, wie sie Widerstand leisten oder fliehen konnte, beschlich sie immer wieder ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.

Dieser Ort war besser bewacht als jeder andere Ort, den sie gesehen hatte. Sie war mitten in der Festung des Lord Regenten, einer Hochburg der Pandesier, einer riesigen militärischen Anlage mit Tausenden von Kriegern. Sie war weit weg von Volis, und selbst wenn es ihr irgendwie gelingen sollte zu fliehen, wusste sie, dass sie es nie zurückschaffen würde ohne dass sie sie unterwegs aufspürten und töteten. Angenommen, dass Volis überhaupt noch existierte. Und was noch viel schlimmer war, war die Tatsache, dass ihr Vater nicht wusste wo sie war – und er würde es nie erfahren. Sie war vollkommen allein.

„Kannst du nicht schlafen?“, riss eine leise Stimme sie aus ihren Gedanken.

Kyra sah Deirdre an, die an die gegenüberliegende Wand gelehnt saß. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf ihr viel zu blasses Gesicht mit den dunklen Ringen unter den Augen. Sie schien völlig niedergeschlagen, und starrte Kyra mit gehetzten Augen an.

„Ich hab auch nicht geschlafen“, fuhr Deirdre fort. „Ich habe die ganze Nacht über das nachgedacht, was sie dir antun werden – dasselbe, was sie auch mir angetan haben. Doch seltsamerweise tut es mir mehr weh, wenn ich daran denke, dass sie es dir antun werden. Ich bin schon kaputt; von meinem Leben ist nichts mehr übrig. Doch du bist noch perfekt.

Kyras Angst wuchs als sie über ihre Worte nachdachte. Sie konnte sich kaum vorstellen, welchen Schrecken ihre neue Freundin erlebt haben musste, und sie in diesem Zustand zu sehen, ließ ihre Entschlossenheit zu kämpfen nur noch weiter wachsen.

„Es muss einen anderen Weg geben“, sagte Kyra.

Deirdre schüttelte den Kopf.

„Hier gibt es nichts für uns außer unserer erbärmlichen Existenz. Der Tod erscheint einem hier wie eine Gnade.“

Plötzlich wurde die Tür zum Kerker aufgerissen und Kyra sprang auf, bereit, sich allem zu stellen, was auf sie zukommen würde, bereit, auf Leben und Tod zu kämpfen, wenn es sein musste.

Auch Deirdre sprang auf, eilte zu ihr und packte sie am Ellbogen.

„Bitte versprich mir eines“, sagte sie flehend.

Kyra sah die Verzweiflung in ihren Augen und nickte.

„Bevor sie dich holen“, sagte sie, „töte mich. Erwürg mich, wenn es sein muss. Aber lass mich nicht so weiterleben. Bitte. Ich flehe dich an.“

Während Kyra sie ansah kochte die Entschlossenheit in ihr Hoch. Sie schüttelte ihr Selbstmitleid und all ihre Zweifel ab. In diesem Augenblick wusste sie, dass sie Leben musste. Wenn schon nicht für sich selbst, dann für Deirdre. Egal wie aussichtslos ihre Lage zu sein schien, sie wusste, dass sie nicht aufgeben durfte.

Die Krieger kamen näher, ihre Schritte hallten durch den Kerker, ihre Schlüssel klirrten, und Kyra, die wusste, dass ihr nicht viel Zeit blieb, drehte sich um und fasste Deirdre mit festem Griff bei den Schultern und sah ihr in die Augen.

„Hör mir zu“, flehte Kyra. „Du wirst leben. Verstehst du mich? Du wirst nicht nur leben, sondern du wirst auch mit mir entkommen. Du wirst ein neues Leben anfangen und es wird ein schönes Leben sein. Wir werden Rache an diesem Abschaum üben, der dir all das angetan hat – gemeinsam. Hörst du mich?“

Deirdre sah sie unsicher an.

„Du musst stark sein“, beharrte Kyra, und richtete die Worte auch an sich selbst. „Das Leben ist nichts für die Schwachen. Sterben, Aufgeben, das ist für die Schwachen – Leben ist für die Starken. Willst du schwach sein und sterben? Oder willst du stark sein und leben?“

Kyra starrte sie intensiv an, als das Licht der Fackeln die Zelle erhellte und die Krieger eintraten – und endlich glaubte sie eine Veränderung in Deirdres Augen wahrzunehmen. Es war ein winziger Hoffnungsschimmer, gefolgt von einem kaum merklichen Nicken.

Schlüssel klirrten im Schloss, und die Tür wurde geöffnet. Grobe, schwielige Hände packten ihre Handgelenke und zerrten sie hinaus. Als die Zellentür hinter ihr zugeschlagen wurde, ließ sie sich hängen. Sie musste ihre Kräfte schonen. Jetzt war nicht die Zeit, sich zu wehren. Sie musste sie unvorbereitet treffen, den perfekten Augenblick finden. Sie wusste, dass selbst ein mächtiger Feind einen Augenblick der Verwundbarkeit hatte.

Zwei Krieger hielten sie fest und der Sohn des Regenten trat durch die Tür.

Kyra blinzelte verwirrt.

„Mein Vater hat mich geschickt, um dich zu holen“, sagte er als er sich ihr näherte, „doch ich werde dich zuerst haben. Natürlich wird ihm das nicht gefallen – doch was soll er dann schon tun?“

Das Gesicht des Sohns verzog sich zu einem bösen, kalten Lächeln.

Kyra spürte kalte Angst, als sie diesen Wahnsinnigen ansah, der sich die Lippen leckte, während er sie anstarrte.

„Weißt du“, sagte er, und trat einen Schritt auf sie zu, während er seinen Fellumhang ablegte und sein heißer Atem weiße Wolken hinterließ. „Mein Vater muss nicht alles wissen, was in dieser Festung vor sich geht. Ich nehme mir gerne als erster, was hier so durchkommt – und du, meine Liebe, bist ein besonders feines Exemplar. Mit dir werde ich viel Spaß haben. Dann werde ich dich foltern. Doch ich werde dich am Leben lassen, dass noch etwas übrig ist, das ich ihm bringen kann.“

Er grinste und kam ihr so nah, dass sie seinen stinkenden Atem riechen konnte.

„Du und ich, meine Liebe, werden einander sehr gut kennenlernen.“

Der Sohn nickte den Wachen zu, und sie war überrascht, als sie sie losließen und an die Wand zurückwichen.

Sie stand da, und ihre Hände waren frei; verstohlen sah sie sich im Raum um. Da waren zwei Wachen, jeder mit einem Langschwert bewaffnet und der Sohn, der viel größer und breiter war als sie selbst. Sie konnte sie nicht alle überwältigen, selbst wenn sie bewaffnet gewesen wäre.

In der Ecke des Raumes entdeckte sie ihre Waffen – ihren Stab, ihren Bogen und den Köcher mit den Pfeilen – und ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Was sie nicht alles gegeben hätte, sie jetzt in Händen zu halten.

„Ah“, sagte der Sohn lächelnd. „Du hast deine Waffen gefunden. Du glaubst immer noch, dass du das hier überleben wirst. Ich sehe den Trotz in deinen Augen. Mach dir keine falschen Hoffnungen. Den werde ich dir schon bald austreiben.“

Unerwartet holte er aus und ohrfeigte sie so heftig, dass es ihr den Atem nahm und ihre Wange brannte. Kyra stolperte und fiel auf die Knie. Blut tropfte aus ihrem Mund und ihr Ohr klang. Sie kniete auf ihre Hände gestützt am Boden, rang nach Luft und begriff, dass das nur ein kleiner Vorgeschmack dessen war, was auf sie zukommen würde.

„Weißt du, wie wir unsere Pferde zähmen, meine Liebe?“, fragte er, und lächelte grausam auf sie herab. Eine Wache warf ihm Kyras Stab zu. Er fing ihn und schlug ohne zu zögern auf Kyras Rücken ein.

Der Schmerz war unerträglich. Sie schrie auf und fiel mit dem Gesicht voran zu Boden. Es fühlte sich an, als hätte er jeden Knochen in ihrem Rücken gebrochen. Sie konnte kaum atmen und wusste, dass sie zum Krüppel werden würde, wenn sie nicht bald etwas unternahm.

„Hör auf“, schrie Deirdre . „Tu ihr nicht weh! Nimm mich stattdessen!“

Doch er ignorierte sie.

„Es beginnt mit dem Stab“, sagte er zu Kyra. „Wilde Pferde wehren sich, doch wenn du sie immer wieder gnadenlos schlägst, Tag für Tag, geben sie eines Tages den Widerstand auf. Sie gehören dir. Es gibt nichts Besseres, als einem anderen Wesen Schmerzen zuzufügen, oder doch?“

Kyra spürte eine Bewegung und aus dem Augenwinkel sah sie, wie er den Stab mit einem sadistischen Ausdruck im Gesicht hob und zu einem noch heftigeren Schlag ausholte.

Kyras Sinne erwachten und die Zeit begann, langsamer abzulaufen. Das Gefühl, das sie auf der Brücke zum ersten Mal gespürt hatte kam zurück, zusammen mit der Wärme, die in ihrer Magengrube begann und sich durch ihren ganzen Körper ausbreitete. Sie spürte die Energie und fühlte sich stärker denn je.

Bilder blitzten vor ihren Augen auf. Sie sah, wie sie mit den Männern ihres Vaters trainierte, erinnerte sich an die Trainingskämpfe, wie sie gelernt hatte Schmerz zu empfinden ohne davon abgelenkt zu werden, wie man gegen mehrere Angreifer gleichzeitig kämpft. Anvin hatte sie gnadenlos stundenlang trainiert, Tag für Tag, bis sie ihre Technik perfektioniert hatte, bis sie ihr endlich in Fleisch und Blut übergegangen war. Sie hatte darauf bestanden, dass die Männer ihr alles beibrachten, egal wie schwer es war, und nun stürmten alle Erinnerungen auf sie ein. Genau für Zeiten wie diese hatte sie trainiert.

Während sie am Boden lag, den Schock des Schmerzes hinter sich gelassen hatte, und die Wärme sich in ihrem Körper ausbreitete, blickte sie zum Sohn des Regenten auf und spürte, wie ihre Instinkte die Kontrolle übernahmen. Sie würde sterben – doch nicht hier und nicht heute – und nicht von der Hand dieses Mannes.

Sie erinnerte sich an eine ihrer ersten Lehrstunden: In einer Position unter dem Gegner zu sein, kann ein Vorteil sein. Je größer ein Mann ist, desto verwundbarer ist er. Die Knie sind ein leichtes Ziel, wenn du am Boden liegst. Schlag zu, tritt zu. Dein Gegner wird fallen.

Als der Stab auf sie zu rauschte, stützte Kyra sich plötzlich mit den Händen ab, schwang schnell ihr Bein herum und zielte auf die Kniekehlen des Mannes. Sie trat mit aller Kraft zu und zog ihm die Füße unter dem Körper weg; seine Knie gaben nach und er fiel auf den Rücken. Der Stab flog in hohem Bogen durch die Luft und fiel klappernd zu Boden. Sie konnte kaum fassen, dass es funktioniert hatte. Als er auf den Boden aufschlug, fiel er auf den Schädel und es krachte so furchtbar, dass sie sich sicher war, dass sie ihn getötet hatte.

Doch sie hatte sich getäuscht, denn er richtete sich sofort auf und sah sie mit dem hasserfüllten Blick eines Dämonen an, bereit, sich auf sie zu stürzen.

Kyra wartete nicht. Sie sprang auf und hechtete in Richtung ihres Stabes, der kaum mehr als ein paar Meter von ihr entfernt am Boden lag. Sie wusste dass sie, wenn sie ihre Waffe erreichen konnte, eine echte Chance gegen diese Männer hatte. Doch der Sohn des Regenten sprang ihr in den Weg und wollte sie packen.

Doch wie eine Katze wich sie ihm aus, sprang über ihn, rollte geschickt ab und ergriff in derselben Bewegung ihren Stab. Sie stand da und hielt den Stab vor sich, so dankbar, ihre Waffe zurückzuhaben, die so perfekt in ihren Händen lag. Die beiden Wachen zogen ihre Schwerter und gingen um sie herum. Schnell sah sie sich um. Sie wusste, dass sie Glück gehabt hatte, dass die Wachen so langsam waren.

Der Sohn des Regenten stand auf, wischte das Blut von seiner Lippen und sah sie böse an.

„Das war der größte Fehler deines Lebens“, sagte er. „Ich werde dich nicht nur foltern…“

Doch Kyra hatte genug von ihm, und sie hatte nicht vor darauf zu warten, dass er zuerst angriff. Bevor er ausgesprochen hatte, sprang sie auf ihn zu und stieß zu wie eine Schlange, direkte zwischen seine Augen. Es war ein perfekter Treffer und er schrie auf, als seine Nase brach.

Fluchend und wimmernd fiel er auf die Knie und hielt sich die Nase.

Dann griffen die Wachen an und hieben mit den Schwertern nach ihrem Kopf. Kyra schwang ihren Stab herum und wehrte eine Klinge ab, dann wirbelte sie herum und blockte die andere; Funken flogen. So ginge es hin und her und sie wehrte einen Hieb nach dem anderen ab, während die beiden sie so schnell angriffen, dass sie kaum Zeit hatte, zu reagieren.

Einer der Wachen holte zu heftig aus und Kyra fand eine Lücke in seiner Deckung: sie hob ihren Stab, schlug ihn auf sein Handgelenk und zertrümmert es. Klappernd fiel sein Schwert zu Boden und Kyra rammte dem anderen ihrem Stab gegen den Hals, dann wirbelte sie herum und schlug ihm heftig gegen die Schläfe, woraufhin er bewusstlos zu Boden ging.

Kyra riskierte nichts. Als einer der Wachen, der auf dem Boden lag, versuchte, sich aufzurappeln, sprang sie hoch in die Luft und rammte ihm den Stab in den Magen – als er sich aufrichtete, trat sie ihm ins Gesicht und schickte ihn ins Land der Träume.

Plötzlich spürte Kyra grobe Arme, die sie von hinten umschlossen und erkannte, dass es der Sohn des Regenten war; er versuchte, sie zu quetschen und sie dazu zu bringen, den Stab fallen zu lassen.

„Netter Versuch“, flüsterte er ihr ins Ohr, sein Mund so nah, dass sie seinen heißen Atem in ihrem Nacken spürte.

Eine Welle der Energie schoss durch ihren Körper, genug, um mit ihren Armen ausholen und sich aus dem Griff des Mannes befreien zu können. Sie wirbelte herum und schwang ihren Stab aufwärts zwischen die Beine ihres Angreifers.

Er stöhnte und fiel auf die Knie. Sie sah ihn an, und er blickte geschockt und mit schmerzverzerrtem Gesicht zu ihr auf.

„Richte deinem Vater Grüße von mir aus“, sagte sie, hob ihren Stab und ließ ihn auf seinen Kopf heruntersausen, sodass er bewusstlos zu Boden fiel.

Kyra, schwer atmend und immer noch wütend, betrachtete ihr Werk: drei Männer, alle ausgezeichnete Krieger, lagen regungslos am Boden. Und sie, ein wehrloses Mädchen, hatte es getan.

„Kyra!“, schrie eine Stimme.

Deirdre fiel ihr wieder ein, und ohne Zeit zu verschwenden riss sie die Schlüssel vom Gürtel der Wache und schloss die Zelle auf. Deirdre fiel um den Hals und umarmte sie.

Kyra sah ihr in die Augen.

„Es ist Zeit“, sagte Kyra fest. „Bist du bereit?“

Deirdre stand da, immer noch geschockt, und betrachtete Kyras Werk.

„Du hast ihn geschlagen“, sagte sie, und starrte die Männer ungläubig an. „Ich kann es nicht fassen. Du hast ihn geschlagen.“

Sie sah, wie sich etwas in Deirdres Augen veränderte. Alle Angst schien zu verfliegen und Kyra sah, wie tief aus ihrem Inneren eine starke Frau emporkam, eine Frau, die sie vorher noch nicht bemerkt hatte. Die Angreifer bewusstlos vor sich zu sehen, hatte etwas in ihr ausgelöst und ihr große Kraft gegeben.

Deirdre ging zu einem der Schwerter hinüber, das auf dem Boden lag, hob es auf, und ging zum Sohn des Regenten hinüber. Sie blickte mit böser Miene auf ihn herab.

„Das ist für all das, was du mir angetan hast“, sagte sie.

Mit zitternden Händen hob sie das Schwert und Kyra konnte sehen, wie sie einen Kampf mit sich selbst ausfocht als sie zögerte.

Deirdre“, sagte Kyra leise.

Deirdre sah sie mit ungezügeltem Leid im Blick an.

„Wenn du es tust“, sagte Kyra leise, „ bist du nicht besser als er.“

Deirdre stand mit zitternden Armen da, gebeutelt von einem Sturm der Gefühle bis sie schließlich das Schwert senkte und es auf den Boden fallen ließ.

Sie spuckte dem Sohn des Regenten ins Gesicht, dann holte sie aus und versetzte ihm mit ihrem Stiefel einen heftigen Tritt ins Gesicht. Kyra begann zu erkennen, dass Deirdre viel stärker war, als sie gedacht hatte. Sie sah Kyra mit glänzenden Augen an und das Leben schien in sie zurückgekehrt zu sein, gerade so, als wäre die alte Deirdre zurückgekehrt.

„Lass uns gehen“, sagte sie mit plötzlich fester Stimme.

*

Kyra und Deirdre brachen bei Sonnenaufgang aus dem Kerker aus und fanden sich mitten in Argos, der Hochburg der Pandesier und sitz des Lord Regenten wieder. Kyra blinzelte ins Licht, glücklich, wieder Tageslicht zu sehen, auch wenn es draußen kalt war. Sie versuchte, sich in dem weitläufigen Komplex steinerner Wohntürme zu orientieren, der von einer hohen Mauer mit einem massiven Tor umgeben war. Die Männer des Lords wachten langsam auf und begannen, ihre Posten einzunehmen; es müssen Tausende gewesen sein. Es war eine professionelle Armee und das war eher eine Stadt als ein Dorf.

Die Krieger nahmen ihre Posten entlang der Mauer ein und hielten in Richtung Horizont Ausschau; keiner verschwendete einen Blick in den Innenbereich. Offensichtlich rechneten sie nicht damit, dass zwei Mädchen fliehen konnten, und das gab ihnen einen Vorteil. Es war immer noch dunkel genug, um ihnen Deckung zu geben und als Kyra den gut Bewachten Eingang am anderen Ende des Hofs sah, wusste sie, dass sie es jetzt versuchen mussten, wenn sie die Chance zur Flucht nutzen wollten.

Doch dafür mussten sie einen weitläufigen Platz überqueren und sie war sich nicht sicher, ob sie es schaffen konnten – und selbst wenn sie es schafften, mussten sie noch durch den Torbogen laufen, wo sie sicher geschnappt werden würden.

„Da!“ zischte Deirdre.

Kyra folgte ihrem Finger und sah ein Pferd in der Nähe, das von einem Krieger an den Zügeln gehalten wurde, der ihnen den Rücken zugekehrt hatte.

Deirdre sah sie an.

„Wir brauchen ein Pferd“, sagte sie. „Nur so können wir es schaffen.“

Kyra nickte, überrascht, dass sie dasselbe gedacht hatte und das Deirdre ein so waches Auge hatte. Deirdre, von der Kyra zuerst befürchtet hatte, dass sie eine Last war, entpuppte sich als intelligent, schnell und entscheidungsfreudig.

„Kannst du ihn erledigen?“, fragte Deirdre und nickte in Richtung des Kriegers.

Kyra nahm ihren Stab und nickte.

Gemeinsam huschten sie aus dem Schatten und rannten leise über den Hof. Kyras Herz pochte ihr bis zum Hals während sie sich auf den Krieger konzentrierte, der ihr immer noch den Rücken zugekehrt hatte. Sie schickte ein Stoßgebet gen Himmel, dass sie nicht entdeckt werden würden, bevor sie ihn erreichen konnten.

Kyra rannte so schnell, dass sie kaum atmen konnte, wobei sie darum bemüht war, auf dem vom Schnee glatten Boden nicht ausrutschte. Sie fror nicht mehr, denn das Adrenalin rauschte durch ihre Adern.

Schließlich erreichten sie den Krieger, der sie im letzten Augenblick hörte, und herumfuhr.

Doch Kyra hatte bereits ihren Stab gehoben und rammte ihn ihm in den Magen. Als er grunzend auf die Knie fiel, wirbelte sie ihn herum und schlug ihm mit aller Kraft auf den Schädel. Mit dem Gesicht voran viel er in den Schnee und blieb bewusstlos liegen.

Kyra schwang sich in den Sattel während Deirdre den Knoten löste, mit dem es angebunden war, und sich hinter Kyra auf den Rücken des Pferdes schwang.

Beide gruben ihre Fersen in seine Flanken und sie ritten los.

Kyra spürte den kalten Wind in ihren Haaren als das Pferd über den verschneiten Hof auf das Tor am anderen Ende zu ritt, das vielleicht hundert Meter entfernt war. Das Hufgetrappel zog die Aufmerksamkeit der müden Männer auf sich und sie drehten sich nach ihnen um.

„Los!“, schrie Kyra dem Pferd zu, und trieb es auf das Tor zu.

Der große steinerne Torbogen lag direkt vor ihnen, das Fallgitter hochgezogen, dahinter eine Brücke, die sie direkt aufs flache Land führen würde. Kyras Herz schlug schneller.

Verzweifelt trieb sie das Pferd an und sah, dass die Krieger am Tor sie bemerkt hatten.

„HALTET SIE AUF!“, rief ein Krieger hinter ihnen.

Mehrere Männer eilten zu den großen eisernen Kurbeln, und begannen, sehr zu Kyras Schrecken, das Gitter zu senken. Kyra wusste, dass ihr Leben vorbei war, wenn es den Männern gelang, das Tor zu schließen, bevor sie es erreicht hatten. Sie waren kaum mehr zwanzig Meter weit entfernt und ritten schneller, als sie je in ihrem Leben geritten war – doch das Fallgitter schloss sich gnadenlos Zentimeter um Zentimeter.

„Duck dich!“, rief sie Deirdre zu und verbarg selbst ihren Kopf in der Mähne des Tiers.

Ihr Herz pochte in ihren Ohren, und das Gitter senkte sich immer weiter, während sie darauf zu ritten, so weit, dass sie fürchtete, dass sie es nicht schaffen würden. Dann, in als sie schon glaubte, alles wäre vorbei, wieherte das Pferd und ritt durch den Bogen. Das Gitter war so tief, dass sie es streiften, als sie darunter durch ritten, und sich unter lautem Poltern hinter ihnen schloss.

Einen Augenblick später hatten sie die Brücke hinter sich gelassen und vor ihnen lag, sehr zu Kyras Erleichterung, das weite Land.

Hörner erklangen hinter ihnen und einen Augenblick später zuckte Kyra zusammen, als sie einen Pfeil vorbeizischen hörte.

Sie warf einen Blick über die Schulter und sah, wie die Männer des Lords ihre Positionen auf den Zinnen einnahmen, und auf sie schossen. Sie ließ das Pferd wilde Hake schlagen und trieb es an, schneller zu reiten.

Sie waren fast fünfzig Meter von der Mauer entfernt, weit genug, um außer Reichweite der meisten Schützen zu sein – als plötzlich zu ihrem großen Schrecken ein Pfeil in den Hintern des Pferdes einschlug. Es scheute und stieg auf und warf beide Mädchen ab.

Kyras Welt stand Kopf. Atemlos schlug sie auf den Boden auf und rollte ab. Mit dröhnendem Kopf rappelte Kyra sich auf und sah Deirdre neben sich. Sie warf einen Blick zurück und sah, wie in der Ferne das Fallgitter geöffnet wurde. Hunderte von Kriegern warteten darauf, ihnen zu folgen, eine Armee, die es nicht abwarten konnte, sie zu töten. Sie konnte nicht fassen, wie sie sich so schnell hatten sammeln können, doch dann fiel es ihr ein: sie waren schon dabei gewesen, sich zu sammeln, um ihren Angriff auf Volis zu starten.

Sie warf dem toten Pferd einen Blick zu und blickte dann auf die weite Eben vor ihnen hinaus. Sie wusste, dass ihre Zeit gekommen war.

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Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
292 s. 5 illüstrasyon
ISBN:
9781632912299
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