Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 15
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
Kyra stand vor den Toren von Volis und betrachtete die winterliche Landschaft. Der Himmel war von roten Streifen durchzogen wo die Sonne versuchte, durch die Wolken zu brechen. Schwer atmend ließ sie einen weiteren Stein auf die wachsende Mauer fallen. Kyra hatte sich den anderen Angeschlossen, die die Steine am Fluss sammelten um einen weiteren Verteidigungsring um Volis herum zu errichten. Während der Maurer neben ihr den Lehm auf die Steine schmierte, platzierte sie einen Stein nach dem anderen. Ihre Arme zitterten und sie brauchte eine Pause.
Kyra und hunderte andere standen entlang der Mauer und türmten sie immer höher auf. Andere, auf der anderen Seite der Mauer, gruben neue Gräben, während wieder andere Gräber für die Toten aushoben.
Kyra wusste, dass all das umsonst war, dass es die große pandesische Armee, die auf sie zukam, nicht zurückhalten würde, und dass – egal was sie taten – alle hier sterben würden. Doch sie bauten mit ungebrochener Energie weiter. Es gab ihnen etwas zu tun, gab ihnen das Gefühl, die Kontrolle zu haben, während sie dem Tod in die Augen blickten.
Während sie eine Pause machte, lehnte sie sich an die Mauer und ließ den Blick über die Landschaft schweifen. Alles war so still, der Schnee dämpfte jedes Geräusch, als gäbe es nichts auf der Welt, das den Frieden stören könnte. Doch sie wusste, dass dem nicht so war: sie wusste, dass die Pandesier irgendwo da draußen waren und den Angriff vorbereiteten. Sie wusste, dass sie zurückkommen, und alles, was ihr so viel bedeutete, zerstören würden. Was sie vor sich sah, war nicht mehr als eine Illusion, die Ruhe vor dem Sturm. Es fiel ihr schwer zu verstehen, wie die Welt in einem Augenblick so still und so perfekt sein konnte, und im anderen so voller Chaos und Zerstörung.
Kyra warf einen Blick über ihre Schulter und sah, dass die Leute langsam die Arbeiten einstellten, denn der Abend kam. Sie legten ihre Kellen und Schaufeln nieder und kehrten langsam in ihre Häuser zurück. Rauch stieg aus den Kaminen aus und Kerzen erhellten sie Fenster und Volis sah so heimelig, so sicher aus, als könnte nichts in der Welt ihnen etwas anhaben. Sie staunte über diese Illusion.
Während sie dastand hallten die Worte ihres Vaters in ihren Ohren wieder und seine Bitte, sofort zu gehen. Sie dachte an ihren Onkel, den sie noch nie gesehen hatte, und die Reise, auf die sie sich dafür machen musste – quer durch Escalon, durch Whitewood hindurch bis zum Turm von Ur. Sie dachte an ihre Mutter, an das Geheimnis, das ihr niemand erzählen wollte. Sie dachte daran, dass ihr Onkel sie trainieren würde, damit sie noch stärker wurde – und darauf freute sie sich.
Und doch, als sie sich um drehte und die Leute betrachtete, wusste sie, dass sie sie nicht in dieser Zeit der Not im Stich lassen konnte, selbst, wenn sie damit ihr eigenes Leben retten könnte. Das entsprach einfach nicht ihrer Natur.
Ein leises Horn erklang und signalisierte das Ende des Arbeitstages.
„Die Nacht bricht herein“, sagte der Maurer, der neben ihr stand und legte seine Kelle nieder. „In der Dunkelheit können wir nichts tun. Komm, lass uns essen gehen“, sagte er, während die anderen schon über die Brücke und durch die Tore zurück in die Festung gingen.
„Ich komme gleich“, sagte sie. Sie wollte noch ein wenig die Ruhe und den Frieden genießen. Sie war am glücklichsten, wenn sie draußen sein konnte, allein, in der Natur.
Leo winselte und leckte sich die Lefzen.
„Nimm bitte Leo mit, er ist hungrig.“
Leo musste sie verstanden haben, denn sofort sprang er dem Maurer hinterher.
Kyra stand vor der Festungsanlage, schloss die Augen, und verlor sich in ihren Gedanken. Endlich verstummte auch der letzte Hammer, endlich spürte sie wirklichen Frieden.
Sie sah sich um und betrachtete den Horizont, den Waldrand, der immer dunkler wurde, die dunklen grauen Wolken mit den scharlachroten Streifen und sie fragte sich – wann würden sie kommen? Mit wie vielen Männern würden sie kommen? Wie würde die Armee aussehen?
Als sie sich umsah, sah sie überrascht eine Bewegung in der Ferne. Ein einzelner Reiter löste sich vom Waldrand und ritt auf der Straße auf das Fort zu. Unbewusst griff Kyra nach ihrem Bogen und fragte sich, ob es ein Kundschafter war, oder die Vorhut der Armee.
Doch als er näher kam, erkannte sie ihn und entspannte sich. Es war einer der Männer ihres Vaters: Maltren. Er ritt und hielt dabei ein weiteres reiterloses Pferd an den Zügeln. Ein höchst seltsamer Anblick.
Maltren blieb abrupt vor ihr stehen und sah sie eindringlich an.
„Was ist?“, fragte sie alarmiert. „Kommen die Pandesier?“
Schwer atmend saß er auf seinem Pferd und schüttelte den Kopf.
„Es ist dein Bruder“, sagte er. „Aidan.“
Bei der Erwähnung seines Namens schnürte es Kyra den Hals zu. Sie wurde nervös.
„Was ist mit ihm?“, fragte sie aufgeregt.
„Er ist schwer verletzt“, sagte er. „Er braucht Hilfe!“
Kyras Herz raste. Aidan, verletzt? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und sie stellte sich die schrecklichsten Szenarien vor.
„Was ist passiert?“, wollte sie wissen. „Was hat er im Wald zu suchen? Ich dachte er war im Fort und hat bei den Vorbereitungen für das Essen geholfen“
Maltren schüttelte den Kopf.
„Er war mit deinen Brüdern draußen“, sagte er. „Sie sind auf die Jagd gegangen. Er ist vom Pferd gestürzt und hat sich die Beine gebrochen.“
Ein Adrenalinstoß schoss durch Kyras Adern. Ohne nachzudenken sprang sie auf das Pferd, das er am Zügel führte.
Wenn sie sich nur einen Augenblick Zeit genommen hätte, um im Fort nachzusehen, hätte sie Aidan sicher dort vorgefunden. Doch seine drängenden Worte brachten sie dazu, Maltren nicht infrage zu stellen.
„Bring mich zu ihm“, sagte sie.
Beide ritten gemeinsam los, weg von Volis, auf den dunklen Wald zu.
*
Kyra und Maltren galoppierten die Straße entlang über die sanften Hügel dem Wald entgegen, und sie grub ihre Fersen in die Flanken des Pferdes, bestrebt, Aidan zu retten. Zahllose Szenarien schossen ihr durch den Kopf. Wie konnte Aidan beide Beine gebrochen haben? Warum waren ihre Brüder so kurz vor Einbruch der Dunkelheit auf die Jagd gegangen, wo doch ihr Vater verboten hatte, das Fort zu verlassen. Nichts ergab einen Sinn.
Sie erreichten den Rand des Waldes und überrascht bemerkte sie, dass Maltren plötzlich sein Pferd anhielt. Sie blieb stehen und sah zu, wie er abstieg. Auch sie stieg ab und sah irritiert zu, wie er m Waldrand stehen blieb.
„Warum bleibst du stehen?“, fragte sie. „Ich dachte Aidan ist im Wald?“
Kyra sah sich um und spürte plötzlich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte – als plötzlich der Lord Regent selbst, flankiert von zwei Dutzend Männern, aus dem Wald trat. Sie hörte Schritte hinter sich und wirbelte herum, um zu sehen, dass weitere zwei Dutzend Männer sie umzingelten. Alle richteten gespannte Bögen auf sie und einer packte die Zügel ihres Pferdes. Ihr stockte der Atem als sie begriff, dass sie in eine Falle gelockt worden war.
Wütend sah sie Maltren an als sie realisierte, dass er sie verraten hatte.
„Warum?“, fragte sie, angewidert von seinem Anblick. „Du gehörst zu den Männern meines Vaters. Warum solltest du so etwas tun?“
Der Lord Regent ging zu Maltren hinüber und reichte ihm einen Sack mit Gold, während Maltren schuldbewusst den Blick abwandte.
„Du wirst sehen, dass für ausreichend Gold“, sagte de Lord Regent und wandte sich ihr mit einem hochmütigen Lächeln an, „beinahe jeder Mann zu tun bereit ist, was immer du wünschst. Maltren wird reich sein, reicher, als dein Vater es jemals war, und ihm bleibt der Tod erspart, der auf alle im Fort wartet“
Kyra sah Maltren böse an und konnte es kaum fassen.
„Elender Verräter!“, sagte sie.
Er erwiderte ihren Blick.
„Ich bin unser aller Retter“, sagte er. „Dank dir wären all unsere Leute beinahe getötet worden. Doch dank mir, wird Volis das erspart. Ich habe einen Handel geschlossen. Du darfst mir für ihre Leben danken“, grinste er zufrieden. „Und alles, was ich dafür tun musste, war dich auszuliefern.“
Kyra wurde plötzlich grob von hinten gepackt und hochgehoben. Sie versuchte um sich zu schlagen, buckelte und wand sich, doch sie konnte sie nicht loswerden und war ihnen hilflos ausgeliefert, während ihre Hände und Füße gefesselt wurden und sie in eine Kutsche geworfen wurde.
Einen Augenblick später wurde eine eiserne Gittertür zugeschlagen und die Kutsche fuhr los. Sie wusste, dass egal wo sie sie hinbrachten, niemand jemals wieder von ihr hören würde. Als sie in den Wald fuhren, war sie sich sicher, dass ihr Leben, so wie sie es bisher gekannt hatte, vorbei war.
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
Der Riese lag zu Vesuvius Füßen, gefesselt mit tausend Seilen, gehalten von hundert Trollen. Vesuvius betrachtete ihn fasziniert. Die Kreatur beugte knurrend den Nacken und versuchte ihn zu erreichen, ihn zu töten – doch er konnte sich nicht bewegen.
Vesuvius grinste erfreut. Es gefiel ihm, Macht über hilflose Wesen zu haben, und mehr als alles andere genoss er es, wenn Gefangene litten.
Den Riesen hier in seiner eigenen Höhle zu sehen, zurück auf seinem eigenen Gebiet, versetzte ihn in freudige Erregung. In der Lage zu sein, so dicht neben ihm zu stehen, gab ihm das Gefühl, allmächtig zu sein, als gäbe es nichts auf der Welt, was er nicht überwinden konnte. Endlich, nach all diesen Jahren, war sein Traum wahr geworden. Endlich war er in der Lage, sein lebenslanges Ziel zu erreichen, den Tunnel zu bauen, durch den er die Trolle unter den Flammen hindurch in den Westen führen konnte.
Vesuvius blickte auf die Kreatur herab..
„Wie du siehst, bist du nicht so stark wie ich“, sagte er. „Niemand ist so stark wie ich.“
Die Kreatur brüllte, ein schreckliches Geräusch, und wehrte sich vergeblich. Doch die Trolle, die ihn hielten schwankten dabei und die Seile rutschten, doch sie gaben nicht nach. Vesuvius wusste, dass sie nicht viel Zeit hatten. Wenn er seinen Plan umsetzten wollte, dann war jetzt die Zeit dazu gekommen.
Vesuvius drehte sich um und betrachtete die Höhle. Tausende von Arbeitern hatten mit ihrer Arbeit innegehalten, um den Riesen zu sehen. Am anderen Ende lag der unvollendete Tunnel, und Vesuvius wusste, dass der schwierige Teil erst noch kam. Er musste den Riesen dazu bringen, zu arbeiten. Irgendwie musste er ihn dazu bringen, in den Tunnel zu gehen und sich durch den Fels zu graben. Doch wie?
Vesuvius stand da und zermarterte sich das Hirn bis er eine Idee hatte.
Er drehte sich zu dem Riesen um und zog sein Schwert, das von den Feuern der Höhle zum Leuchten gebracht wurde.
„Ich werde deine Seile durchschneiden“, sagte Vesuvius zu dem Riesen, „denn ich fürchte dich nicht. Du wirst frei sein, und du wirst meinem Befehl folgen. Du wirst dich durch den Fels dieses Tunnels graben und nicht aufhören, bis du dich unter den Flammen von Escalon durchgegraben hast.“
Der Riese stieß einen trotzigen Schrei aus.
Vesuvius drehte sich um und betrachtete seine Trolle, die auf seinen Befehl warteten.
„Wenn ich mein Schwert senke“, rief er mit polternder Stimme, „werdet ihr alle gleichzeitig seine Fesseln durchschneiden. Dann treibt ihr ihn mit euren Waffen in den Tunnel.“
Seine Trolle sahen ihn nervös an. Alle hatten Angst sich auch nur vorzustellen was geschehen konnte, wenn sie ihn freiließen. Auch Vesuvius fürchtete sich davor, doch er würde es niemals zeigen. Und er wusste, dass es keinen anderen Weg gab – er musste es tun.
Vesuvius verschwendete keine Zeit. Er trat entschieden vor, hob sein Schwert und schlug das erste der dicken Taue durch, die um den Hals des Riesen lagen.
Sofort folgten hunderte von Trollen seinem Beispiel, hoben ihre Schwerter und trennten die Taue durch.
Vesuvius zog sich schnell unauffällig zurück, denn er wollte nicht, dass seine Männer sahen, dass er Angst hatte. Er huschte zurück hinter seine Männer, in den Schatten des Felsen, außer Reichweite der Kreatur. Er wollte zunächst abwarten, was geschah.
Ein schreckliches Brüllen hallte durch den Berg als der Riese sich wütend erhob und ohne zu zögern um sich schlug. Mit jeder Hand fegte er vier Trolle von den Füßen und warf sie durch die Luft an die Wand der Höhle.
Der Riese ballte seine Hände zu Fäusten, holte aus und schlug mit ihnen wie mit Hämmern auf die Trolle ein, die versuchten, ihm zu entkommen. Sie rannten um ihr Leben, doch es war zu spät. Er zerquetschte sie wie Ameisen, und die Höhle erzitterte unter jedem seiner Schlagen. Er hob seine Füße und zertrampelte die Trolle, die versuchten, zwischen seinen Beinen hindurch zu fliehen.
Wutentbrannt tötet er wahllos die Trolle um sich herum. Niemand schien seinem Zorn entkommen zu können.
Vesuvius sah mit Grauen zu. Er winkte seinem Kommandanten zu, und sofort erklang ein Horn.
Auf das Signal hin stürmten Hunderte von Trollen mit langen Speeren und Peitschen aus dem Schatten, um die Kreatur in die richtige Richtung zu treiben. Sie umzingelten sie, und gaben ihr Bestes, sie in den Tunnel zu scheuchen.
Doch Vesuvius sah mit Grauen zu, wie sein Plan vor seinen Augen wie ein Kartenhaus zusammenfiel. Der Riese holte aus, und versetzte einem Dutzend Trollen gleichzeitig einen Tritt; dann schwang er seine Arme herum und warf fünfzig von ihnen an die Wand und zerquetschte sie mitsamt ihrer Speere. Andere trampelte er nieder und tötete so schnell so viele, dass keiner an ihn herankam. Ihre Waffen waren nutzlos gegen diese Kreatur, auch wenn sie haushoch in der Überzahl waren. Vesuvius Armee löste sich vor seinen Augen in Luft auf.
Vesuvius dachte nach. Er konnte den Riesen nicht töten – er brauchte ihn lebendig, musste seine Stärke für sich nutzen. Doch er musste ihm gehorchen. Aber wie? Wie konnte er ihn dazu bringen, in den Tunnel zu gehen?
Plötzlich hatte er eine Idee: wenn er ihn schon nicht treiben konnte, vielleicht konnte er ihn locken.
Er drehte sich um und packte den nächstbesten Troll bei den Schultern.
„Du“, befahl er. „Lauf in den Tunnel, und sorg dafür, dass der Riese dich sieht.“
Der Troll starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
„Aber mein Herr und König, was, wenn er mir folgt?“
Vesuvius grinste.
„Genau das soll er tun!“
Der Troll stand mit Panik in den Augen vor ihm, zu verängstigt, um seinem Befehl zu folgen – bis Vesuvius ihm kurzerhand seinen Dolch ins Herz rammte. Dann trat er neben den nächsten Troll und hielt ihm den Dolch an den Hals.
„Du kannst hier und jetzt sterben“, knurrte er, „oder du kannst in den Tunnel rennen und hast eine Chance, zu überleben. Du hast die Wahl.“
Vesuvius sah zu, wie der er durch die Höhle eilte, und über die toten und sterbenden Trolle bahnte, durch die Beine der Kreatur eilte und auf den Eingang des Tunnels zu.
Der Riese sah ihn, trat zu, und verfehlte ihn nur knapp. Wütend folgte der Riese, ganz so, wie Vesuvius gehofft hatte, dem rennenden Troll. Er stampfte durch die Höhle, und jeder Schritt ließ die Wände erzittern. Auch wenn er hoch und breit war, endete der Tunnel trotz jahrelanger Arbeit nach nur fünfzig Metern, und der Troll stand bald vor der zerklüfteten Wand am Ende. Wütend stürmte der Riese ihm hinterher. Als er den Troll erreichte griff er mit seinen riesigen Pranken nach ihm. Der Troll duckte sich, und der Riese schlug stattdessen gegen den Fels. Der Boden erzitterte, und mit lautem Grollen brach eine Felslawine los, begleitet von einer riesigen Staubwolke.
Vesuvius Herz schlug schneller. Das war genau das, was er wollte. Davon hatte er immer geträumt, es war genau, was nötig war und was er sich von dem Tag an vorgestellt hatte, an dem er angefangen hatte, nach der Kreatur zu suchen.
Der Riese schlug wieder zu und zertrümmerte wieder ein großes Stück Fels – und grub sich mit einem einzigen Schlag mehr als fünfzehn Meter weiter in den Fels – weiter als Vesuvius Sklaven innerhalb eines ganzen Jahres vorgedrungen waren.
Vesuvius war überglücklich, denn nun war er davon überzeugt, dass sein Plan aufgehen konnte.
Doch der Riese packte den Troll und biss ihm kurzerhand den Kopf ab.
„SCHLIESST DEN TUNNEL!“, befahl Vesuvius eilig.
Hunderte von Trollen eilten vor und begannen, einen riesigen Block Altusiangesteins vor den Eingang des Tunnels zu rollen, den Vesuvius Trolle zuvor in der Höhle platziert hatten.
Der Felsblock war so dick, dass nichts und niemand, nicht einmal dieser Riese ihn zerstören konnte. Unter lautem Grollen rollten die Trolle den Brocken vor den Eingang.
Der Riese, der sah, was geschah, stürmte auf den Eingang zu, doch er konnte ihn nicht rechtzeitig erreichen. Die ganze Höhle erzitterte, als er seine Schultern gegen den Fels rammte, doch der Stein hielt.
Vesuvius lächelte; der Riese war gefangen. Er war genau dort, wo er ihn haben wollte.
„Schickt den nächsten rein!“, befahl er.
Ein menschlicher Sklave wurde mit Peitschenhieben zu einer winzigen Öffnung in dem riesigen Felsblock getrieben. Der Mensch, der begriff, was vor sich ging, weigerte sich, weiterzugehen, sträubte sich und schlug um sich; doch sie schlugen brutal auf ihn ein, bis sie ihn schließlich durch die Öffnung trieben.
Aus dem Inneren drangen die gedämpften Schreie des Sklaven durch den Fels, der um sein Leben rannte und versuchte, vor dem Riesen zu fliehen. Vesuvius lauschte erfreut, wie der wütende Riese dem Mann folgte und auf den Fels einschlug.
Schlag um Schlag grub er den Tunnel und jeder Schlag brachte Vesuvius näher an die Flammen heran – und an Escalon. Er würde alle Menschen dort zu Sklaven machen. Endlich würde der Sieg ihm gehören.
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
Kyra öffnete ihre Augen und fand sich auf einem kalten Steinboden liegend in absoluter Dunkelheit wieder. Ihr Kopf dröhnte, ihr Körper schmerzte, und sie fragte sich, wo sie war. Sie zitterte vor Kälte, ihr Hals war trocken, und sie fühlte sich, als hätte sie tagelang nichts gegessen. Sie tastete um sich herum und versuchte sich zu erinnern.
Bilder stürzten auf sie ein, und sie war sich zunächst nicht sicher, ob es Erinnerungen oder Alpträume waren. Sie erinnerte sich daran, wie sie von den Männern des Lords gefangen genommen worden und in eine vergitterte Kutsche geworfen worden war. Sie erinnerte sich an eine lange, holprige Fahrt, daran, wie sie sich gewehrt hatte, als sie die Tür geöffnet hatten, und daran, wie ihr jemand mit einer Keule auf den Kopf geschlagen hatte. Danach war sie in eine gnädige Finsternis gestürzt.
Kyra griff sich an den Kopf und fühlte die Beule an ihrem Hinterkopf – es war kein Traum gewesen. Alles war genau so geschehen. Die Wahrheit traf sie wie ein Schlag: die Männer des Lords hatten sie gefangen genommen, entführt und eingesperrt.
Kyra war wütend auf Maltren wegen seines Verrats und wütend auf sich selbst, weil sie ihm geglaubt hatte. Sie hatte schreckliche Angst und fragte sich, was als nächstes passieren würde. Sie lang alleine in der Kälte, in der Gewalt des Lord Regenten, und sie ahnte Schlimmes.
Sie war sich sicher, dass ihr Vater und ihre Leute keine Ahnung hatten, wo sie war. Vielleicht glaubte ihr Vatter, dass sie seinem Befehl gefolgt und zum Turm von Ur aufgebrochen war. Maltren würde sicher lügen und erzählen, dass er gesehen hatte, wie sie geflohen war.
Als Kyra sich durch die Dunkelheit tastete, griff sie instinktiv nach ihrem Bogen und ihrem Stab, doch man hatte sie ihr abgenommen. Sie blickte auf, und sah ein schwaches Leuchten hinter durch die Gitterstäbe der Zelle, und als sie sich aufsetzte, sah sie die Fackeln entlang der Wände des Kerkers, unter denen mehrere Krieger Wache standen. Sie sah eine große eiserne Tür, die von außen verriegelt war. Es war still hier unten, und das einzige Geräusch war das des Wassers, das irgendwo von der Decke tropfte und Ratten, die von Ecke zu Ecke huschten.
Kyra lehnte sich an die Wand, zog ihr Knie an die Brust, und versuchte, sich aufzuwärmen. Sie schloss die Augen und atmete tief durch und zwang sich dazu, sich vorzustellen, an einem anderen Ort zu sein. Plötzlich blickten ihr Theos leuchtend gelbe Augen entgegen. Sie konnte die Stimme des Drachen tief in ihrem Inneren hören.
Stärke wird nicht von Zeiten des Friedens definiert. Sie wird von Leid und Not definiert. Akzeptiere das Leid und schrecke nicht davor zurück. Nur so kannst du es überwinden.
Kyra öffnete die Augen, und sah sich erschrocken von der Vision um.
„Hast du ihn gesehen?“, sagte plötzlich die Stimme eines Mädchens in der Dunkelheit. Kyra schreckte hoch.
Sie fuhr herum, erschrocken, die Stimme einer anderen Person in der Zelle zu hören, und noch viel erstaunter, dass es die Stimme eines Mädchens war. Sie klang, als wäre sie in etwa im gleichen Alter, und als eine Gestalt aus dem Schatten trat, sah Kyra, dass sie Recht hatte: vor ihr stand ein hübsches Mädchen, vielleicht fünfzehn Jahre alt, bin haselnussbraunen Augen und langen, zerzausten Haaren, das Gesicht mit Schmutz verschmiert, die Kleider zerlumpt. Sie sah verängstigt aus, als sie Kyra ansah.
„Wer bist du?“, fragte Kyra.
„Hast du ihn gesehen?“, wiederholte das Mädchen eindringlich.
„Wen soll ich gesehen haben?“
„Seinen Sohn“, antwortete sie.
„Seinen Sohn?“, fragte Kyra verwirrt.
Das Mädchen drehte sich um und blickte ängstlich aus der Zelle, und Kyra fragt sich, was für schreckliche Dinge sie gesehen hatte.
„Ich habe niemanden gesehen“, sagte Kyra.
„Oh Gott, bitte lass nicht zu, dass sie mich töten“, bettelte das Mädchen. „Bitte. Ich hasse diesen Ort!“
Sie begann unkontrolliert zu schluchzen und hockte sich an die Wand. Kyra, der sie leid tat, stand auf, ging zu ihr hinüber und legte ihr den Arm um die Schulter um sie zu trösten.
„Schhhh“, sagte sie, um sie zu beruhigen. Kyra hatte noch nie jemanden in einem derartigen Zustand erlebt; das Mädchen hatte schreckliche Angst vor wem auch immer sie da sprach. Kyra fürchtete sich vor dem, was auf sie zukam.
„Erzähl mir von wem du sprichst“, sagte Kyra. „Wer hat dir wehgetan? Der Lord Regent? Wer bist du? Und was machst du hier?“
Sie sah die Blutergüsse im Gesicht des Mädchens, die Narben auf ihren Schultern und versuchte, nicht an das zu denken, was sie diesem armen Ding angetan hatten. Geduldig wartete Kyra darauf, dass sie zu weinen aufhörte.
„Mein Name ist Deirdre“, sagte sie. „Ich bin hier seit… ich weiß es nicht. Ich meine es war ein Mondzyklus, aber ich habe den Überblick verloren. Sie haben mich von meiner Familie weggeholt, gleich nach dem das neue Gesetz ausgerufen worden war. Ich habe mich gewehrt, und sie haben mich hierher gebracht.“
Deirdre starrte ins Leere als würde sie alles noch einmal erleben.
„Jeden Tag erwartet mich neue Folter“, fuhr sie fort. „Erst war es der Sohn, dann der Vater. Sie reichen mich weiter wie eine Puppe und jetzt… bin ich… nichts.“
Sie starrte Kyra mit einer Intensität an, die ihr Angst machte.
„Ich will einfach nur sterben“, bettelte Deirdre. „Bitte hilf mir zu sterben.“
Kyra sah sie schockiert an.
„Sag das nicht“, sagte sie.
„Ich habe gestern versucht ein Messer zu stehlen, um mich umzubringen – doch es ist runtergefallen und sie haben mich wieder eingesperrt. Bitte. Ich gebe dir alles, was ich habe. Töte mich.“
Kyra schüttelte sprachlos den Kopf.
„Hör mir zu, sagte Kyra, und spürte eine neue innere Stärke in sich aufsteigen, eine neue Entschlossenheit, ausgelöst von Deirdres Notlage. Es war die Stärke ihres Vaters, die Stärke von Generationen von Kriegern, die durch ihre Adern floss. Und mehr als das: es war die Stärke des Drachen. Eine Stärke, von der sie bis zu diesem Tag nicht gewusst hatte, dass sie sie besaß.
Sie packte Deirdres Schultern und sah ihr in die Augen.
„Du wirst nicht sterben“, sagte Kyra mit fester Stimme. „Und sie werden dir nicht wehtun. Verstehst du mich? Du wirst Leben. Dafür werde ich sorgen.“
Deirdre schien sich zu beruhigen und Kraft aus Kyras Stärke zu ziehen.
„Was immer sie dir angetan haben“, fuhr Kyra fort, „das ist jetzt vorbei. Du wirst bald frei sein – wir werden bald frei sein. Du kannst dein Leben neu beginnen. Wir werden Freunde sein und ich werde dich beschützen. Vertraust du mir?“
Deirdre starrte sie irritiert an, doch schließlich nickte sie ruhig.
„Aber wie?“, fragte Deirdre. „Du verstehst nicht. Man kann nicht von hier fliehen. Du verstehst nicht, wie sie sind…“
Beide zuckten zusammen, als die Tür krachend geöffnet wurde und der Lord Regent eintrat, gefolgt von sechs Männern und einem weiteren Mann, der große Ähnlichkeit mit ihm hatte: dieselbe Knollennase, derselbe selbstgefällig Ausdruck im Gesicht, vielleicht Anfang dreißig. Er musste sein Sohn sein. Er hatte dasselbe dümmliche Gesicht, dieselbe Arroganz wie sein Vater.
Sie gingen durch den Kerker auf ihre Zelle zu und erleuchteten sie mit ihren Fackeln. Kyras sah sich um und war geschockt, die getrockneten Blutflecke am Boden zu sehen. Sie wollte nicht daran denken, wer vor ihr hier gewesen, oder was ihnen zugestoßen war.
„Bringt sie her“, befahl der Regent seinen Männern.
Die Zellentür wurde geöffnet, die Männer marschierten hinein und zerrten Kyra auf die Beine. Ihre Arme wurden ihr hinter den Rücken gebogen und sie konnte sich nicht befreien, so sehr sie sich auch bemühte. Sie zerrten sie heraus und er musterte sie wie ein Tier von oben bis unten.
„Habe ich dich nicht gewarnt?“, sagte er leise mit bedrohlicher Stimme.
Kyra starrte ihn an.
„Das pandesische Gesetz sagt, dass ihr unverheiratete Mädchen als Frauen nehmen dürft, nicht als Gefangene“, zischte Kyra trotzig. „Du brichst dein eigenes Gesetz, indem du mich in den Kerker sperrst.“
Der Lord Regent tauschte amüsierte Blicke mit den anderen und sie brachen in Gelächter aus.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte er und sah sie böse an. „Ich werde dich zu meinem Weib machen. Immer wieder. Und zu dem meiner Frau – und zu dem jedes anderen, der mir gefällt. Und wenn wir fertig mit dir sind – das heißt, wenn du dann noch lebst, bleibst du das Ende deiner Tage hier im Kerker fristen.“
Er grinste sie böse an; offensichtlich genoss er es.
„Was deinen Vater und deine Leute angeht“, fuhr er fort. „Wir werden auch den letzten Mann töten. Bald werden sie nur noch eine Erinnerung sein. Und nicht einmal das. Ich werde dafür sorgen, dass Volis aus den Geschichtsbüchern getilgt wird. In diesem Augenblick ist eine Division der pandesischen Armee auf dem Weg, meine Männer zu rächen und euer Fort zu zerstören.“
Kyra spürte, wie die Empörung in ihr hochkochte. Sie versuchte verzweifelt, die Macht zu rufen – was immer ihr auf der Brücke geholfen hatte – doch zu ihrer großen Bestürzung passierte nichts. Sie wand sich und wehrte sich, doch sie konnte sich nicht befreien.
„Du hast einen starken Willen“, sagte er. „Das ist gut. Es wird mir ein Vergnügen sein, dich zu brechen, ein großes Vergnügen.“
Er wandte sich ab, als ob er gehen wollte, doch plötzlich wirbelte er herum und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
Damit hatte sie nicht gerechnet, und sie stürzte neben Deirdre zu Boden.
Mit schmerzendem Kiefer lag sie da und sah zu wie sie wieder gingen. Als sie die Zelle wieder verließen und hinter sich abschlossen, sah der Lord Regent auf sie herab.
„Ich werde bis morgen warten, bevor ich dich foltere“, sagte er grinsen. „Ich habe herausgefunden, dass meine Opfer am meisten leiden, wenn sie ein ganze Nacht haben, um über das nachzudenken, was auf sie zukommt.“
Er lachte amüsiert und verließ mit seinen Männern den Kerker. Die dicke Eisentür schlug hinter ihnen zu wie der Deckel eines Sarges.