Kitabı oku: «Der Aufstand Der Drachen », sayfa 5
„Warum versuchen wir es dann nicht?“, schlug sie vor.
Maltren blinzelte sie überrascht an. Mit dieser Reaktion hatte er offensichtlich nicht gerechnet/
„Warum?“, schnaubte er. „Damit du zu deinem Vater rennen und Schutz suchen kannst?“
„Ich brauche weder den Schutz meines Vaters, noch den von irgendjemand anderem“, gab sie zurück. „Das ist zwischen dir und mir – egal was geschieht.“
Maltren sah Anvin an. Ihm war offensichtlich unbehaglich, als hätte er sich in etwas hineingeritten, aus dem er jetzt nicht wieder herauskam.
Anvin sah ihn nicht minder irritiert an.
„Wir kämpfen mit hölzernen Schwertern hier“, rief er. „Ich lasse nicht zu, dass jemand unter meiner Aufsicht verletzt wird – und schon gar nicht die Tochter unseres Anführers!“
Maltrens Miene verfinsterte sich.
„Wenn das Mädchen will Waffen echte“, sagte er mit fester Stimme, „soll sie echte Waffen bekommen. Vielleicht lernt sie so ja was fürs Leben.“
Ohne abzuwarten ging Maltren über das Feld, zog sein Schwert klirrend aus der Scheide und stürmte zurück. Die Anspannung lag in der Luft und alle schwiegen, unsicher, was zu tun war.
Kyra stand Malten gegenüber. Ihre Hände schwitzten trotz der Kälte und des Windes, der die Fackeln seitwärts brennen ließ. Sie spürte wie der Schnee zu Eis wurde und unter ihren Stiefeln knirschte, und sie zwang sich dazu, sich zu konzentrieren, denn sie wusste, dass das kein normaler Trainingskampf war.
Maltren stieß einen spitzen Schrei aus, mit dem er sie einschüchtern wollte und riss sein Schwert in die Höhe. Es glänzte im Licht der Fackeln. Sie wusste, dass Maltren anders kämpfte als die meisten anderen, unberechenbarer. Er scherte sich wenig um Ehre im Kampf für ihn ging es ums Überleben, weniger um den Sieg. Sie war überrascht, als er direkt nach ihrer Brust hieb.
Kyra wich aus und die Klinge ging ins Leere.
Die Männer keuchten aufgebracht, und Anvin, Vidar und Arthfael traten vor.
„Maltren!“, schrie Anvin wütend, bereit, ihn aufzuhalten.
„Nein!“, rief Kyra, ohne den Blick von Maltren abzuwenden, als er sie erneut angriff. „Lasst uns kämpfen.“
Maltren wirbelte sofort herum und schlug wieder zu – wieder und wieder. Jedes Mal duckte sie sich, trat zurück, oder sprang über seine Hiebe hinweg. Er war stark, doch er war deutlich langsamer als sie.
Dann riss er sein Schwert hoch und ließ es senkrecht heruntersausen. Er rechnete offensichtlich damit, dass sie den Schlag blocken würde und er damit ihren Stab entzwei schlagen konnte.
Doch Kyra sah es kommen, wich aus und schwang ihren Stab zur Seite. Sie traf das Schwert auf der breiten Seite der Klinge und lenkte es ab, während sie ihren Stab schützte. In derselben Bewegung nutzte sie seine offene Deckung, wirbelte herum und rammte ihm die Spitze ihres Stabs in die Magengrube.
Er keuchte und fiel auf die Knie. Das Horn erklang.
Die Männer jubelten und sahen sie voller Stolz an, als sie als Siegerin über Maltren stand.
Maltren blickte zu ihr auf – und anstatt sich geschlagen zu geben wie all die anderen, die sie besiegt hatte, sprang er auf und griff sie plötzlich wieder an. Er riss sein Schwert hoch und holte aus.
Damit hatte Kyra nicht gerechnet, da sie davon ausgegangen war, dass es ein fairer Kampf war, den sie fair gewonnen hatte. Als sie ihn bemerkte, erkannte sie, dass sie nicht viel tun konnte. Sie konnte ihm nicht rechtzeitig ausweichen.
Kyra ließ sich fallen und rollte beiseite, während sie gleichzeitig den Stab herumwirbelte und Maltren in die Kniekehlen schlug und ihm die Beine unter dem Körper wegzog.
Er landete im Schnee auf dem Rücken und sein Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft, Kyra sprang auf, stellte sich über ihn und drückte die Spitze ihres Stabs gegen seine Kehle. Gleichzeitig kam Leo herbeigerannt und knurrte Maltren ins Gesicht, nur Zentimeter entfernt. Sabber tropfte aus seinem Maul auf Maltrens Wange während er auf Kyras Befehl wartete, zuzubeißen.
Mit blutigen Lippen, geschockt und endlich demütig blickte Maltren auf.
„Du bringst Schande über die Männer meines Vaters“, zischte Kyra, immer noch wütend. „Was denkst du jetzt über mein kleines Stöckchen?“
Eine angespannte Stille legte sich über den Platz, und ein Teil von ihr wollte gerne zuschlagen und Leo auf ihn hetzen. Keiner der Männer hielt sie auf oder kam ihm zu Hilfe.
Als er bemerkte, dass er allein war, sah Maltren sie mit echter Angst in den Augen an.
„KYRA!“
Eine strenge Stimme hallte plötzlich durch die Stille.
Alle wandten sich um, als ihr Vater begleitet von einem Dutzend Männern plötzlich auftauchte und den Kreis betrat. Er trug einen Fellmantel und sah sie missbilligenden an.
Er blieb vor ihr stehen und starrte sie an, und sie konnte sich schon die Predigt vorstellen, die gleich folgen würde. Als sie einander ansahen, kroch Maltren unter ihr hervor und machte sich davon, was Vater und Tochter allein im Ring ließ. Sie fragte sich, warum er nicht Maltren an ihrer Stelle tadelte. Das machte sie wütend, und sie starrte ihn an.
Schließlich drehte sich ihr Vater wortlos um, und ging gefolgt von seinen Männern zurück zum Fort. Er wusste, dass sie ihm folgen würde. Die Anspannung verflog, als die Männer ihm folgten und Kyra sich widerwillig anschloss. Sie trottete langsam durch den Schnee zurück zum Fort. Sie wusste, dass er ihr die Leviten lesen würde – doch es war ihr egal.
Ob er sie nun akzeptierte oder nicht, heute hatten die meisten seiner Männer sie als eine der Ihren akzeptiert – und das war alles, was für sie zählte. Sie wusste, dass von heute an alles anders werden würde.
KAPITEL SIX
Kyra ging neben ihrem Vater einen Flur von Fort Volis hinunter, durch die große Festungsanlage mit glatten Steinwänden, Tonnendecken, dicken, geschnitzten Holztüren, eine alte Redoute, die den Hütern der Flammen schon seit Jahrhunderten als Unterkunft diente. Für das Königreich war es ein wichtiges Bollwerk, das wusste sie, doch es war auch ihre Heimat, die einzige Heimat, die sie je gekannt hatte. Oft schlief sie begleitet vom Gesang der Krieger ein, die unten in den Sälen feierten. Sie liebte das Zischen des Feuers im Kamin, wenn der Wind hineinfuhr und die Glut anfachte.
Sie liebte die Festung mit all ihren Macken.
Während Kyra Mühe hatte, mit ihrem Vater mitzuhalten, fragte sie sich, was ihn bedrückte. Sie gingen schnell und schweigend nebeneinander her. Sie waren bereits spät dran für das Festmahl. Als sie an ein paar Wachen vorbeikamen, nahmen diese schnell Haltung an. Ihr Vater ging schneller als sonst, und auch wenn sie spät dran waren, war es untypisch für ihn. Normalerweise ging er Seite an Seite mit ihr, lächelte sie hinter seinem Bart an und legte ihr den Arm um die Schulter. Manchmal scherzte er auch mit ihr oder erzählte ihr von seinem Tag.
Doch jetzt ging er mit starrem Gesicht ein paar Schritte vor ihr, und auf seinem Gesicht lag ein missbilligender Ausdruck. Sie nahm an, dass es nur wegen der Ereignisse des heutigen Tages sein konnte – der leichtsinnige Jagdausflug ihrer Brüder, die Männer des Lords, die praktisch ihren Eber gestohlen hatten – und vielleicht sogar, weil Kyra mit den Männern trainiert hatte. Zuerst hatte sie angenommen, dass er in Gedanken beim Fest war – Gelage zu besonderen Tagen wie heute waren immer anstrengend für ihn, da er so viele Krieger und Gäste bis weit nach Mitternacht bewirten musste, so wie es die Tradition wollte.
Sie hatte gehört, dass als ihre Mutter noch lebte und die Gastgeberin dieser Gelage war, für ihn alles viel leichter gewesen war. Er war kein soziales Wesen, und er tat sich schwer mit den höfischen Umgangsformen.
Doch als er immer noch schwieg, fragte sich Kyra, ob es einen ganz anderen Grund hatte. Wahrscheinlich hatte es damit zu tun, dass sie mit seinen Männern trainiert hatte. Ihre Beziehung zu ihrem Vater, die so einfach gewesen war, war immer komplizierter geworden, je älter sie wurde. Er schien sich zutiefst unsicher zu sein, was er mit ihr anfangen, und was er von ihr erwarten sollte. Einerseits brachte er ihr oft bei, was es hieß ein Krieger zu sein, wie ein Ritter denken, und wie sie sich benehmen sollte. Sie führten endlose Gespräche über Tapferkeit, Ehre, Mut und oft blieb er bis spät in die Nacht wach, um ihr die Geschichten von den Schlachten ihrer Vorfahren zu erzählen, Geschichte, die sie so gerne hörte.
Doch gleichzeitig bemerkte Kyra, dass er oft plötzlich verstummte, wenn er mit ihr über solche Dinge sprach, als ob er dachte, dass er nicht darüber sprechen sollte, als ob er bemerkt hatte, dass etwas in ihr geweckt hatte, und es lieber zurücknehmen wollte.
Über schlachten und Ehre zu sprechen war ganz natürlich für ihn, doch jetzt, wo Kyra kein Kind mehr war, jetzt, wo sie zur Frau wurde, und selbst eine aufblühende Kriegerin, schien ein Teil von ihm darüber überrascht zu sein, als ob er nicht erwartet hatte, dass sie erwachsen wurde. Er schien sich nicht sicher zu sein, wie er mit seiner heranwachsenden Tochter umgehen sollte, besonders weil sie eine Kriegerin werden wollte, als ab er nicht wusste, zu welchem Pfad er sie ermutigen sollte. Sie erkannte, dass er nicht wusste, was er mit ihr anfangen sollte, und in gewisser Weise schien er sich in ihrer Gegenwart unbehaglich zu fühlen. Doch sie spürte, dass er insgeheim stolz auf sie war. Er konnte es nur nicht zeigen.
Kyra konnte das Schweigen nicht länger ertragen – sie musste den Grund erfahren.
„Machst du dir Sorgen wegen dem Fest?“, fragte sie.
„Warum sollte ich mir Sorgen machen?“, antwortete er, ohne sie anzusehen – ein Zeichen dafür, dass er wegen irgendetwas verärgert war. „Alles ist bereit. Wir sind nur spät dran. Wenn ich nicht nach Fighter’s Gate hätte kommen müssen, um dich zu holen, würde ich jetzt schon am Tisch sitzen“, schloss er erbost.
Das war es also, dachte sie: das Training. Die Tatsache, dass er deswegen böse war, verärgerte sie. Schließlich hatte sie diese Männer geschlagen und sie hatte sein Lob verdient. Stattdessen tat er so, als wäre nichts geschehen, nein, er schien es vielmehr zu missbilligen.
„Hast du nicht gesehen, dass ich deine Männer geschlagen habe?“, fragte sie. Sie wollte das Lob erzwingen, das er ihr verweigerte.
Sie sah zu, wie sich sein Gesicht rot färbte, doch er schwieg, was sie nur noch wütender machte.
Sie gingen weiter, vorbei am Saal der Helden, an der Kammer der Weisheit, und als sie schon fast am großen Saal angekommen waren, konnte sie es nicht mehr ertragen.
„Was ist Vater?“, wollte sie wissen. „Wenn du missbilligst, was ich tue, sag es einfach.“
Schließlich blieb er vor den großen Bogentüren des Festsaals stehen und sah sie mit versteinertem Gesicht an. Der Anblick tat ihr weh. Ihr Vater, der eine Mensch, den sie mehr als alles andere auf der Welt liebte, der immer ein Lächeln für sie übrig gehabt hatte, sah sie an, als wäre sie eine Fremde. Sie konnte es nicht verstehen.
„Ich will dich nicht noch einmal auf dem Trainingsgelände sehen“, sagte er mit kalter Wut in der Stimme.
Sein Tonfall verletzte sie noch mehr als seine Worte, und sie fühlte sich verraten. Von jedem anderen hätte sie es nicht gekümmert – doch aus seinem Mund, aus dem Mund des Mannes den sie so liebte, zu dem sie aufblickte, der immer so liebevoll mit ihr umgegangen war, ließ es ihr das Blut gefrieren.
Doch Kyra war niemand, der einfach kampflos aufgab – ein Zug, den sie von ihm gelernt hatte.
„Und warum nicht?“, wollte sie wissen.
Seine Miene verfinsterte sich.
„Ich muss dir keinen Grund geben“, sagte er. „Ich bin dein Vater. Ich bin der Kommandant dieses Forts, dieser Männer. Und ich will nicht, dass du mit ihnen trainierst.“
„Hast du Angst, dass ich sie schlagen könnte?“, sagte Kyra. Sie wollte ihn provozieren, sie weigerte sich, seine Entscheidung zu akzeptieren.
Er wurde rot, und sie konnte sehen, dass ihre Worte ihn verletzten.
„Hybris ist für Normalsterbliche“, schalt er sie, „nicht für Krieger.“
„Aber Vater, hast du nicht gerade klargemacht, dass ich kein Krieger bin?“, provozierte sie.
Er kniff die Augen zusammen und wusste nicht, was er sagen sollte.
„Ich bin jetzt 15 Jahre alt, Vater. Willst du, dass ich mein Leben lang gegen Bäume und Zweige kämpfe?“
„Ich will, dass du überhaupt nicht kämpfst“, herrschte er sie an. „Du bist ein Mädchen – nein eine Frau. Du solltest tun, was auch immer Frauen tun: kochen, nähen, was immer deine Mutter dir beigebracht hätte, wenn sie noch am Leben wäre.“
Jetzt verdunkelte sich Kyras Miene.
„Es tut mir leid, dass ich nicht das Mädchen bin, das du dir wünschst“, antwortete sie. „Es tut mir leid, dass ich nicht wie die anderen Mädchen bin.“
Er sah gequält aus.
„Doch ich bin die Tochter meines Vaters“, fuhr sie fort. „Ich bin das Mädchen, das du großgezogen hast. Und wenn du mich ablehnst, lehnst du dich selbst ab.“
Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt, und glitzerte ihn aus ihren hellgrauen Augen an, in denen die Stärke eines Kriegers lag. Er erwiderte ihren Blick und schüttelte den Kopf.
„Heute begehen wir ein Fest“, sagte er. „Ein Festmahl nicht nur für Krieger, sondern auch für Gäste und Würdenträger. Es kommen Leute aus ganz Escalon und aus fremden Ländern.“ Er musterte sie missbilligend von unten bis oben. „Du trägst die Kleider eines Kriegers. Geh in deine Kammer und zieh dir ein Kleid an wie alle anderen Frauen am Tisch es tragen.“
Sie wurde rot, und er beugte sich zu ihr vor und hob einen Finger.
„Und ich will dich nicht mehr da draußen auf dem Feld mit meinen Männern sehen“, zischte er.
Er drehte sich abrupt um, und als die Diener die schweren Türen für ihn öffneten, schlug ihm eine Welle von lautstarkem Gerede entgegen, begleitet vom Duft des gegrillten Fleischs, dem Gestank der Jagdhunde und der prasselnden Feuer. Musik hallte durch den Flur und der Krach, der aus dem Festsaal kam, übertönte alles. Kyra sah zu, wie ihr Vater durch die Türen trat.
Die Diener blieben unsicher stehen und hielten die Türen auf, unsicher, ob Kyra ihm folgen würde. Diese jedoch kochte vor Wut und überlegte, was sie tun sollte. Sie war noch nie so wütend gewesen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hasste sie ihren Vater. Sie hatte gedacht, dass er anders war, sich nicht auf dieses Niveau herablassen würde; doch jetzt erkannte sie, dass er ein weitaus kleinerer Mann war, als sie gedacht hatte – und das tat ihr mehr weh als alles andere. Ihr das zu nehmen, was sie am meisten liebte – ihre Besuche auf dem Trainingsgelände – war wie ein Dolchstoß in ihr Herz. Der Gedanke, ein Leben in Kleidern eingesperrt bei Stickerei und Tratsch führen zu müssen, weckte in ihr ein Gefühl der Verzweiflung.
Sie wollte Volis verlassen und nie wieder zurückkommen.
*
Kommandant Duncan saß am Kopfende des Banketttischs im riesigen Festsaal von Fort Volis, und ließ schweren Herzens den Blick über seine Familie, Krieger, Untergebene, Ratgeber und Gäste schweifen – mehr als hundert Menschen, die sich für den Festtag an seinem Tisch eingefunden hatten.
Von all den Menschen an seiner Tafel versuchte er, diejenige, die ihm am meisten am Herzen lag, nicht anzusehen: seine Tochter. Kyra. Duncan hatte immer eine besondere Beziehung mit ihr gehabt, hatte immer geglaubt, sowohl Vater als auch Mutter für sie sein zu müssen, um den Verlust ihrer Mutter wettzumachen. Doch er spürte, dass er als Vater versagte und noch viel mehr als Mutter.
Duncan hatte immer großen Wert darauf gelegt, über sie zu wachen. Sie war schließlich das einzige Mädchen in einer Familie von Jungen in einem Fort voller Krieger – und ganz besonders, weil sie anders als andere Mädchen und ihm viel zu ähnlich war. Sie war ziemlich allein in dieser Männerwelt, und er gab sich die größte Mühe mit ihr, nicht nur aus Verpflichtung, sondern auch weil er sie von ganzem Herzen liebte, mehr als er es auszudrücken vermochte, vielleicht sogar noch mehr als seine Söhne, auch wenn er das nur ungern zugab. Denn von all seinen Kindern sah er ausgerechnet in ihr, einem Mädchen, viel von sich selbst. Ihr Eigensinn; ihre wilde Entschlossenheit; ihr Kriegergeist; ihre Weigerung, nachzugeben; ihr Furchtlosigkeit und ihr Mitgefühl. Sie setzte sich immer für die Schwachen ein, besonders für ihren jüngeren Bruder, und sie setzte sich immer für die Gerechtigkeit ein, egal, was es kostete.
Das war ein weiterer Grund, warum ihr Gespräch ihn so wütend gemacht und seine Laune verdorben hatte. Als er sie an diesem Abend auf dem Trainingsgelände beobachtet hatte, wie sie mit ihrem Stab mit unglaublichem Talent gegen diese Männer gekämpft hatte, hatte sein Herz vor Stolz und Freude einen Sprung gemacht. Er konnte Maltren nicht leiden, er war ein Aufschneider, ein Dorn im Auge, und er war hocherfreut, dass ausgerechnet seine Tochter ihn zurechtgewiesen hatte. Er war mehr als stolz, dass sie, ein Mädchen von gerade einmal 15 Jahren, mit seinen Männern mithalten und sie sogar schlagen konnte. Er wollte sie dafür in den Arm nehmen und sie vor allen anderen mit Lob überschütten.
Doch er war ihr Vater und konnte es nicht tun. Duncan wollte das Beste für sie und tief im Inneren spürte er, dass sie einen gefährlichen Weg beschritt, den Weg der Gewalt in einer Männerwelt. Sie wäre die einzige Frau unter vielen gefährlichen Männern, Männern mit fleischlichen Begierden, Männern, die bis zum Tod kämpfen würden, wenn das Blut kochte. Sie wusste nicht, was ein echter Kampf war, wie sich Blutvergießen, Schmerz und Tod anfühlten. Das war nicht das Leben, das er sich für sie wünschte – selbst wenn ihre Traditionen es zuließen. Er wollte, dass sie hier in der Sicherheit des Forts ein friedliches und komfortables Leben führte. Doch er wusste nicht, wie er sie dazu bringen konnte, es selbst zu wollen.
All das hatte ihn verwirrt. Er hatte angenommen, dass er sie davon abbringen konnte, indem er ihr das Lob verweigerte. Doch tief im Inneren fürchtete er, dass er sie nicht davon abbringen konnte – und dass es sie nur weiter von ihm entfremden würde. Es gefiel ihm nicht, wie er heute Abend gehandelt hatte und es gefiel ihm nicht, wie er sich damit jetzt fühlte. Doch er wusste nicht, was er sonst tun sollte.
Was ihm jedoch noch mehr bestürzte, war etwas, was in seiner Erinnerung widerhallte: die Prophezeiung vom Tag ihrer Geburt. Er hatte ihr nie viel Beachtung geschenkt, sie als Unsinn abgetan, als Altweibergeschwätz. Doch sie heute so zu sehen, all ihre Können, ließ ihn erkennen, wie besonders sie war, und er fragte sich, ob an der Prophezeiung doch etwas Wahres dran war. Und der Gedanke daran machte ihm mehr Angst als alles andere. Ihr Schicksal kam mit großen Schritten auf sie zu, und er konnte es nicht aufhalten. Wie lange noch, bis alle die Wahrheit über sie herausfanden?
Duncan schloss die Augen und schüttelte den Kopf; dann nahm er einen langen Schluck aus dem Weinschlauch und verscheuchte die Gendanken. Heute war schließlich eine Nacht zum Feiern. Der Tag der Wintersonnenwende war gekommen, und als er die Augen öffnete, sah er den Schneesturm vor dem Fenster toben. Während draußen der Wind heulte, waren sie alle sicher hier im Fort, gewärmt von den prasselnden Feuern, vom Essen und vom Wein.
Als er sich umsah, sahen alle glücklich aus – Jongleure, Barden und Musikanten machten ihre Runden, und die Männer tauschten lachend und scherzend Kriegsgeschichten aus. Duncan betrachtete wohlwollend die reiche Tafel vor sich, die vor Essen überquoll. Er war stolz, als er all die Schilde betrachtete, die hoch oben an den Wänden hingen – jedes von Hand gehauen mit einem anderen Wappen; jedes Zeichen repräsentierte ein anderes Haus seines Volkes, einen anderen Krieger, der gekommen war, um an seiner Seite zu kämpfen. Und er betrachtete auch all die Trophäen, die an den Wänden hingen, Erinnerungen an ein Leben des Kampfes für Escalon. Er wusste, dass er sich glücklich schätzen konnte.
Und doch, so gerne er es auch ignorierte, musste er zugeben, dass das Königreich besetzt war. Der alte König, Tarnis, hatte sein Volk der Schande ausgeliefert, die Waffen kampflos niedergelegt, und Pandesia erlaubt, einzumarschieren. Sicher hatte er damit viele Leben und die Städte geschont – doch er hatte ihnen ihren Geist genommen. Tarnis hatte immer schon behauptet, dass man Escalon nicht verteidigen konnte, dass selbst, wenn sie das Südliche Tor, die Brücke der Sorgen halten konnten, Pandesia sie einfach umrunden und vom Meer aus angreifen würde. Escalon war gesegnet mit einer schroffen Küstenlinie und Klippen, die mehr als 30 Meter hoch waren und vorgelagert waren zerklüftete Felsen, an denen sich die Wellen brachen. Kein Schiff konnte der Küste nahe kommen, und keine Armee ins Land eindringen, ohne einen hohen Preis zu zahlen. Pandesia hätte sie vom Meer aus angreifen können, doch der Preis dafür wäre viel zu hoch gewesen, selbst für ein so großes Reich. Zu Land war der einzige Weg, was nur den Engpass am Südlichen Tor übrigließ, von dem ganz Escalon wusste, dass er leicht zu verteidigen war. Die Kapitulation war ein Zeichen der persönlichen Schwäche gewesen, nichts sonst.
Nun waren er und die anderen großen Krieger ohne König in seiner eigenen Provinz, in seiner eigenen Festung, auf sich selbst gestellt und dazu gezwungen einem Lord Regenten zu folgen, den das pandesische Reich eingesetzt hatte. Duncan konnte sich immer noch an den Tag erinnern an dem er gezwungen worden war, den neuen Lehenseid zu schwören und an das Gefühl, das ihn beschlichen hatte, als er sich verbeugen musste – der Gedanke daran machte ihn krank.
Duncan versuchte an die frühen Tage zurückzudenken, als er in Andros stationiert gewesen war, als alle Ritter aller Häuser zusammen gewesen waren, vereint unter einem Ziel, einem König, einer Hauptstadt, einem Banner, mit einer Armee zehnmal so groß wie die Männer, die er jetzt hier hatte.
Jetzt waren sie alle in alle Ecken und Winkel des Königreichs verstreut und Duncan musste ganz neu anfangen. Als oberster Kommandant des Königs war es seine Aufgabe gewesen, ihn zu verteidigen, selbst wenn er es nicht verdient hatte. In gewisser Weise hatte es Duncan nicht überrascht, dass der König kapituliert hatte – doch er war überrascht, wie schnell alles geschehen war. All die großen Ritter hatten sich in alle Winde verstreut, waren zu ihren eigenen Familien zurückgekehrt – schließlich gab es keinen König mehr, der sie führte und all die Macht war an Pandesia abgetreten worden. Das Gesetz des Landes zerfiel zu Asche und Staub und ihr Königreich, einst so friedlich, war zu einer Brutstätte für Verbrechen und Unzufriedenheit geworden. Es war nicht einmal mehr sicher, auf den Straßen zwischen den Festungen zu reisen, die einst so sicher gewesen waren.
Stunden verflogen und als sich das Festmahl dem Ende zu neigte, wurden die Tafeln abgeräumt und frisches Bier aufgetragen. Duncan nahm ein paar Pralinen und ließ sie sich schmecken als süße Delikatessen zum Anlass des Wintermondes serviert wurden. Krüge mit königlicher Schokolade wurden mit dicker Sahne darauf herumgereicht, und Duncan, in dessen Kopf sich vom Trinken alles drehte, nahm einen und wärmte sich daran die Hände. Er trank ihn in einem Zug aus und genoss die Wärme in seinem Bauch. Draußen tobte der Schneesturm, der immer stärker zu werden schien, und der Hofnarr spielte Spielchen mit den Gästen, während die Barden Geschichten sangen und die Musikanten spielten. Es war Tradition am Tag des Wintermondes bis weit nach Mitternacht zu feiern, um den Winter willkommen zu heißen wie einen alten Freund. Man sagte, dass der Winter nicht lange bleiben würde, wenn man nur lange genug feierte.
Ohne es zu wollen, sah Duncan schließlich zu Kyra hinüber; sie saß mit gesenktem Kopf da und wirkte trostlos, gerade so, als ob sie alleine wäre. Sie hatte sich nicht umgezogen, wie er es verlangt hatte, und einen Augenblick lang entfachte es seinen Zorn von neuem, doch dann entschied er sich, es zu ignorieren. Er konnte sehen, dass auch sei bestürzt war; sie ließ die Dinge viel zu sehr an sich heran, genau wie er.
Duncan entschied, dass es an der Zeit war, Frieden mit ihr zu schließen und sie zumindest zu trösten, wenn er schon nicht zustimmen konnte. Er wollte gerade aufstehen und zu ihr gehen, als plötzlich die Türen zum Festsaal geöffnet wurden.
Ein Besucher eilte in den Raum, ein Mann von kleiner Statur, gekleidet in einen Fellumhang, der ihn als fremdländisch auswies. Sein Haar und sein Umhang waren voller Schnee als die Diener ihn zur Tafel führten.
Duncan war überrascht, so spät in der Nacht noch einen Besucher zu empfangen, besonders in diesem Sturm.
Als der Mann seinen Mantel ablegte, bemerkte Duncan, dass er Violett und Gelb trug, die Farben von Andros. Er musste den ganzen Weg von der Hauptstadt hierhergekommen sein, eine gut dreitägige Reise.
Die ganze Nacht über waren Reisende angekommen, doch keiner so spät, und keiner aus Andros. Die Farben erinnerten Duncan an den alten König und bessere Tage.
Die Gäste im Raum verstummten, als der Gast vor ihm stehen blieb, sich verbeugte und darauf wartete, aufgefordert zu werden, Platz zu nehmen.
„Vergebt mir Mylord“, sagte er. „Ich wollte viel früher kommen, doch der Schnee hat das leider verhindert. Ich wollte nicht respektlos erscheinen.“
Duncan nickte.
„Ich bin kein Lord“, korrigierte er ihn, „nur ein Kommandant. Und wir sind alle gleich hier, egal ob von hoher oder niederer Geburt, Männer und Frauen. Alle Gäste sind willkommen, egal wann sie ankommen.“
Der Gast nickte dankbar und wollte sich gerade hinsetzen, als Duncan die Hand hob.
„Unsere Tradition verlangt, dass Gäste, die eine besonders weite Anreise haben, einen Ehrenplatz bekommen. Komm, setz dich zu mir.“
Der überraschte Gast sah ihn überrascht an, nickte dankbar und ließ sich von den Dienern zu seinem Platz in Duncans Nähe führen. Der Mann war von kleinem Wuchs, dünn, mit hagerem Gesicht und wachen Augen. Er musste um die Vierzig sein, doch er wirkte viel älter. Duncan betrachtete ihn und bemerkte eine gewisse Unruhe in seinen Augen; der Mann schien zu nervös zu sein für einen Besucher, der zu einem Fest kam. Er spürte, dass etwas nicht stimmte.
Als der Gast mit gesenktem Kopf Platz genommen hatte, und die freudige Stimmung im Raum wieder aufbrandete, aß er hungrig eine Schale Suppe mit einem großen Stück Brot und trank den Krug mit der Schokolade aus, die vor ihn hingestellt wurden.
„Erzähle“, sagte Duncan neugierig, als der Mann aufgegessen hatte, „Welche Neuigkeiten bringst du aus der Hauptstadt?“
Langsam schob der Gast seine Schale von sich und wich Duncans Blick aus. Als die Leute an seinem Tisch den grimmigen Ausdruck auf seinem Gesicht sahen, verstummten sie und warteten auf seine Antwort.
Schließlich drehte er sich um und sah Duncan mit geröteten und wässrigen Augen an.
„Keine Nachrichten, die irgendjemand überbringen müssen sollte“, sagte er.
Duncan hatte es gespürt.
„Dann raus damit, sagte Duncan. „Schlechte Neuigkeiten werden nur schlimmer, je länger man sie für sich behält.“
Der Mann senkte den Blick wieder auf den Tisch und rieb sich nervös die Hände.
„Ab dem Wintermond wird ein neues pandesisches Gesetz in unserem Land durchgesetzt: puellae nuptias.“
Duncan spürte, wie sein Blut bei diesen Worten gerann, und empörtes Keuchen erklang überall am Tisch – eine Empörung die er mit den anderen teilte. Puellae Nuptias. Das war unfassbar.
„Bist du sicher?“, fragte Duncan.
Der Gast nickte.
„Vom heutigen Tag an, kann der jeweilige Lord Regent die erste unverheiratete Tochter eines jeden Mannes, Lords, oder Kriegers in unserem Königreich, die das fünfzehnte Lebensjahr erreicht hat, zur Vermählung einfordern – für sich, oder für wen auch immer er möchte.
Duncan sah sofort Kyra an, und er sah den überraschten und empörten Ausdruck in ihren Augen. Auch die anderen Männer, besonders die Krieger im Raum, drehten sich nach Kyra um, denn sie verstanden, wie schwer diese Nachricht wog. Im Gesicht jedes anderen Mädchens hätte man Angst gesehen, doch in ihrem Blick schien nichts als Rachedurst zu liegen.
„Sie werden sie nicht bekommen!“, rief Anvin empört, und war der erste, der das Schweigen brach. „Sie werden keines unserer Mädchen bekommen!“
Arthfael zog seinen Dolch und rammte ihn in den Tisch.
„Sie können unseren Eber haben, doch wir kämpfen bis zum Tod, bevor sie auch nur eines unserer Mädchen holen!“
Die Krieger stießen zustimmende Rufe aus, und ihr Zorn wurde vom Wein und Bier nur angefacht. Die Stimmung im Raum kippte sofort.
Als Duncan langsam aufstand, verstummten alle, und die anderen Krieger standen ebenso auf – ein Zeichen des Respekts.
„Das Festmahl ist beendet“, verkündete er mit ernster Stimme. Als er die Worte aussprach, bemerkte er, dass es noch nicht einmal Mitternacht war, ein schlechtes Omen für den Wintermond.
Duncan ging in der angespannten Stille hinüber zu Kyra, vorbei an Reihe von Kriegern und Würdenträgern. Neben ihrem Stuhl blieb er stehen und sah ihr in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick mit Stärke und Trotz in ihren Augen, voller Stolz. Auch Leo, der neben ihr lag, blickte zu ihm auf.
„Komm, Tochter“, sagte er. „Du und ich haben viel zu besprechen.“