Kitabı oku: «Der Traum Der Sterblichen », sayfa 3

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KAPITEL FÜNF

Volusia marschierte durch die Wüste, all ihre Männer hinter sich. Die Schritte der Männer, die zum Himmel aufstiegen waren Musik in ihren Ohren, der Klang von Fortschritt, von Sieg. Sie drehte sich kurz um und war zufrieden, die Leichen am Horizont liegen zu sehen, überall auf dem getrockneten Harten Sand abseits der Hauptstadt des Empire. Tausende von ihnen, die mit schmerzverzerrtem Gesicht gen Himmel starrten, als wären sie von einer riesigen Flutwelle erfasst worden.

Volusia wusste, dass es keine Flutwelle war. Es waren ihre Zauberer, die Voks. Sie hatten einen mächtigen Zauber gesprochen und all jene getötet, die gedacht hatten, dass sie ihr einen Hinterhalt stellen und sie töten könnten.

Volusia schmunzelte, während sie ihr Werk beobachtete und sonnte sich in diesem Tag des Sieges, an dem sie wieder einmal schlauer gewesen war, als die, die sie töten wollten. Es waren alles Anführer des Empire, große Männer, Männer, die nie zuvor besiegt worden waren, und das einzige waren, das zwischen ihr und der Hauptstadt gestanden war. Doch da waren sie nun, all die Anführer, all die Männer, die gewagt hatte, sich ihr zu widersetzen, all die Männer, die geglaubt hatten, schlauer zu sein als sie – und alle waren sie tot.

Volusia ging zwischen ihnen hindurch, wich ihnen aus, stieg manchmal über sie hinweg und manchmal, wenn ihr danach war, trat sie direkt auf die toten Körper.

Sie schöpfte große Befriedigung daraus, das Fleisch ihrer Feinde unter ihren Stiefeln zu spüren. Es ließ sie sich wieder wie ein Kind fühlen.

Volusia blickte auf und sah die Hauptstadt mit ihrer riesigen goldenen Kuppel vor sich, die unverkennbar in der Ferne glänzte, sah die massiven Mauern, die sie umgaben, dreißig Meter hoch, sah den Eingang – die goldenen Bogentore – und spürte die Erregung ihres Schicksals, das sich vor ihr entfaltete.

Nun lag nichts mehr zwischen ihr und dem Sitz ihrer Macht. Keine Politiker oder Anführer oder Kommandanten würden ihr mehr im Weg stehen, niemand außer ihr würde es wagen, die Herrschaft des Empire für sich zu beanspruchen. Der lange Marsch, der sie all diese Monde von einer Stadt zur nächsten gebracht hatte, der sie von Stadt zu Stadt ihre Armee hatte ausbauen lassen – neigte sich schließlich dem Ende zu. Hinter diesen Mauern, hinter diesen glänzenden goldenen Toren, lag ihre letzte Eroberung. Bald würde sie im Inneren sein, würde sie den Thron und die Macht in Besitz nehmen, und wenn sie es erst einmal getan hatte, würde es nichts und niemanden mehr geben, um sie aufzuhalten. Sie würde das Kommando über die Armeen des Empire übernehmen, über alle Provinzen und Regionen der vier Hörner und zwei Spitzen, und endlich würde jede Kreatur des Empire sie – einen Menschen – zu ihrem Oberbefehlshaber erklären.

Und noch viel mehr – sie würden sie Göttin nennen.

Der Gedanke daran ließ sie lächeln. Sie würde Statuen von sich in jeder Stadt, vor jedem Ratsgebäude errichten, sie würde Feiertage nach sich benennen, die Menschen würden einander mit ihrem Namen grüßen, und das ganz Empire würde bald ihren Namen rühmen.

Volusia marschierter unter den frühen Morgensonnen ihren Männern voraus, betrachtete die goldenen Tore und erkannte, dass dies einer der glorreichsten Momente ihres Lebens werden würde. Während sie vor ihren Männern herging fühlte sie sich unbesiegbar – besonders jetzt, wo all die Verräter in ihren Rängen tot waren. Wie dumm sie doch gewesen sind anzunehmen, dass sie so naiv war, anzunehmen, dass sie ihnen in die Falle gehen würde, nur weil sie jung an Jahren war. Doch ihr Alter hatte die Verräter auch nicht weitergebracht. Es hatte ihnen einen frühen Tod beschwert, dafür, dass sie ihre Weisheit unterschätzt hatten, eine Weisheit, die viel grösser war als ihre.

Und doch wuchs Volusias Sorge, als sie weiter voranschritt und all die Leichen in der Wüste betrachtete. Es waren viel weniger Tote, als es sein sollten. Vielleicht ein paar Tausend, doch nicht Hunderttausende, wie sie es erwartet hatte. Nicht der Großteil der Armee des Empire. Hatten die Anführer nicht alle ihre Männer mitgebracht? Und wenn nicht, wo waren sie dann?

Sie begann sich zu fragen: Nun, wo die Anführer tot waren, würde das Empire sich immer noch selbst verteidigen?

Als Volusia sich den Toren der Hauptstadt näherte, winkte sie Vokin zu sich und ließ ihre Armee anhalten.

Die Männer blieben gehorsam hinter ihr stehen, und Ruhe legte sich über die morgendliche Wüste, nichts war zu hören als der Klang des Windes, der über sie hinwegstrich und die Dornenbüsche zum Rauschen brachte.

Volusia betrachtete die massiven geschlossenen Türen, die komplizierten Muster und Symbole, die eingraviert waren und Geschichten von alten Schlachten in den Ländern des Empire erzählten. Diese Tore waren im ganzen Empire bekannt, man erzählte sich von ihnen, dass es hundert Jahre gedauert hat, sie zu gravieren, und dass sie vier Meter dick waren. Sie waren ein Zeichen der Stärke, das alle Länder des Empire repräsentierte.

Volusia, die kaum zwanzig Meter davor stand, starrte sie staunend an und bewunderte, was sie repräsentierten. Sie waren nicht nur ein Symbol der Stärke und der Stabilität, sondern ein Meisterwerk, ein uraltes Kunstwerk. Sie sehnte sich danach, diese goldenen Tore zu berühren, ihre Hände über die Gravuren gleiten zu lassen.

Doch sie wusste, dass jetzt nicht die Zeit dazu war. Während sie sie betrachte, stieg ein ungutes Gefühl in ihr auf. Etwas stimmte nicht. Sie waren unbewacht, und es war viel zu ruhig.

Volusia blickte auf, und sah, wie auf den Zinnen langsam tausende von Empire-Kriegern Stellung bezogen und Speere oder Bögen im Anschlag hielten.

Ein General stand mitten unter ihnen und blickte zu Volusia herab.

„Du bist dumm, so nah heranzukommen“, polterte er, „Du stehst in Reichweite unserer Bögen und Speere. Mit einem Fingerzeig kann ich dich töten lassen. Doch ich will dir Gnade gewähren“ fügte er hinzu. „Sag deiner Armee, dass sie ihre Waffen niederlegen sollen, und ich werde euch alle am Leben lassen.“

Volusia blickte zum General auf, dessen Gesicht im grellen Sonnenlicht nicht erkennbar war, dieser einsame Kommandant, der übrig war, um die Stadt zu verteidigen. Sie ließ den Blick über die Zinnen schweifen, musterte die Männer, die ihre Augen und ihre Waffen auf sie gerichtet hatten. Sie wusste, dass er meinte, was er sagte.

„Ich werde dir eine Gelegenheit geben deine Waffen niederzulegen“, rief sie zurück, „bevor ich all deine Männer töte und diese Stadt in Schutt und Asche lege.“

Er kicherte, dann sah sie, wie seine Männer ihre Visiere hinunterklappten und sich auf den Kampf vorbereiteten.

Plötzlich hörte Volusia, wie tausend Pfeile abgeschossen und tausend Speere geworfen wurden, und als sie den Blick nach oben richtete, sah sie, wie sich der Himmel mit Geschossen verdunkelte, die auf sie herabregneten.

Volusia stand furchtlos und ohne auch nur mit der Wimper zu zucken da. Sie wusste, dass keine dieser Waffen ihr etwas anhaben konnten. Schließlich war sie eine Göttin.

Neben ihr hob der Vok eine Hand und eine grüne Kuppel aus Licht erhob sich wie ein Schild über Volusia.

Wenige Augenblicke später prallen die Pfeile und Speere harmlos davon ab, und landeten auf einem großen Haufen am Boden.

„Ich gebe euch noch eine letzte Chance, eure Waffen niederzulegen!“, rief sie.

Der Empire-Kommandant stand mit strenger Miene, offensichtlich frustriert und überlegte, welche Optionen er hatte, doch er wich nicht zurück. Stattdessen bedeutete er seinen Männern, sich für eine weitere Salve vorzubereiten.

Volusia nickte Vokin zu, und er winkte seine Männer vor. Dutzende Voks traten vor und hoben ihre Hände hoch über ihre Köpfe. Einen Augenblick später rasten dutzende grüner Bälle aus Feuer und Licht auf die Mauern der Hauptstadt zu.

Volusia sah erwartungsvoll zu, rechnete damit, dass die Mauern einstürzten, damit, dass die Männer vor ihre Füße stürzen würden, und damit, dass die Hauptstadt ihr gehörte. Sie konnte es nicht erwarten, endlich auf dem Thron zu sitzen.

Doch zu ihrem Erstaunen und ihrer großen Verärgerung prallten die Lichtkugeln einfach von den Mauern ab und lösten sich in einem grellen Blitz auf. Sie konnte es nicht verstehen. Sie waren wirkungslos.

Volusia sah Vokin an, der genauso sprachlos zu sein schien wie sie es war.

Der Empire-Kommandant hoch oben kicherte auf sie herab.

„Du bist nicht die einzige, der Zauberei zur Verfügung steht“, sagte er. „Diese Mauern können nicht mit Magie eingerissen werden – sie haben sich über Jahrtausende bewährt, haben Barbaren abgewehrt, ganze Armeen, die weitaus grösser als deine waren. Von Zauberei können sie nicht zu Fall gebracht werden, höchstens von Menschenhand.“

Er grinste breit.

„Du siehst also“, fügte er hinzu, „dass du denselben Fehler begangen hast, wie schon so viele Eroberer vor dir. Du hast dich auf Zauberei verlassen, um die Hauptstadt anzugreifen – und nun wirst du dafür zahlen.

Oben auf den Zinnen erklangen die Hörner, und Volusia sah sich erschrocken um und sah, wie eine riesige Armee am Horizont auftauchte, viel grösser als die, die sie hinter sich hatte. Sie hatten offensichtlich hinter der Stadt in der Wüste gewartet. Sie war nicht nur in eine weitere Schlacht marschiert, sondern in einen Krieg.

Ein weiteres Horn erklang, und die massiven goldenen Türen vor ihr begannen sich zu öffnen. Sie schwangen auf, begleitet vom Kampfschrie von vielen Tausend Empire-Kriegern, die aus der Stadt auf sie zugestürmt kamen.

Gleichzeitig setzte sich auch die riesige Armee am Horizont in Bewegung, spaltete sich, und griff sie von rechts und links neben der Stadt an.

Volusia blieb stehen, hob eine Faust in die Luft und senkte sie wieder.

Ihre Armee hinter ihr stieß lautes Kampfgeschrei aus und stürmte auf die Männer des Empire zu.

Volusia wusste, dass diese Schlacht das Schicksal der Hauptstadt entscheiden würde – nein, sogar das Schicksal des Empire. Ihre Zauberer hatten sie enttäuscht – doch ihre Soldaten würden sie nicht im Stich lassen. Schließlich konnte sie grausamer sein als jeder Mann, und dafür brauchte sie keine Zauberei.

Sie sah die Krieger, die auf sie zustürmten. Sie blieb regungslos stehen und freute sich auf die Chance, zu töten oder getötet zu werden.

KAPITEL SECHS

Gwendolyn öffnete ihre Augen als sie einen Ruck und einen Stoß an ihrem Kopf spürte. Desorientiert sah sie sich um. Sie sah, dass sie auf der Seite lag, auf einer harten hölzernen Plattform, und die Welt bewegte sich um sie herum. Sie hörte ein Winseln, spürte etwas an ihrer Wange und sah Krohn, der neben ihr zusammengerollt lag und sie leckte. Ihr Herz machte einen Sprung.

Kroh sah kränklich aus, ausgehungert, erschöpft, doch er war am Leben. Das war alles, was zählte. Auch er hatte überlebt.

Gwendolyn leckte sich die Lippen und bemerkte, dass sie nicht mehr ganz so trocken waren, wie zuvor. Sie konnte sie nun sogar benetzen, was sie vorher nicht einmal tun konnte, da ihre Zunge zu sehr geschwollen war. Sie spürte, wie kühles Wasser in ihren Mund geträufelt wurde, blickte auf und sah, wie einer der Wüstennomaden einen Wasserbeutel über sie hielt. Sie trank gierig daraus, bis er ihn wieder wegzog. Als er seine Hand wegzog, hielt Gwendolyn ihn am Arm fest und zog ihn zu Krohn. Zuerst schien der Nomade irritiert zu sein, doch als er begriff, was sie wollte, beugte er sich vor und ließ Krohn trinken. Gwendolyn war erleichtert, als sie sah, wie Krohn gierig aus seiner Hand trank.

Gwen spürte einen erneuten Ruck und einen Stoß als die Plattform schaukelte, und sie sah sich um, konnte jedoch vor sich nichts sehen als blauen Himmel und Wolken, die vorbeizogen. Sie spürte, wie sie auf der Plattform mit jedem Ruck weiter hochgezogen wurde. Sie verstand weder wo sie war, noch was vor sich ging. Sie war zu schwach, um sich aufzusetzen, doch sie konnte ihren Hals genug strecken, um zu sehen, dass sie sich auf einer hölzernen Plattform befand, die mit Seilen hochgezogen wurde. Irgendjemand hoch oben zog an den Seilen, und mit jedem Ruck bewegte sich die Plattform ein wenig höher. Sie wurde entlang der steilen, endlosen Klippen hochgezogen, die sie gesehen hatte, bevor sie das Bewusstsein verloren hatte. Die Klippen waren gekrönt von Zinnen auf denen Ritter in glänzenden Rüstungen Wache hielten.

Als sie den Hals reckte, um nach unten zu sehen, wurde ihr schwindelig. Ihre Plattform hing schon hoch oben über dem Wüstenboden und stieg ständig weiter. Sie blickte wieder nach oben und sah etwa dreißig Meter über sich die Zinnen die mit jedem Rucken am Seil näher kamen.

Gwendolyn drehte sich auf die andere Seite und sah sich auf der Plattform um. Sie war erleichtert zu sehen, dass ihre Freunde noch da waren: Kendrick, Sandara, Steffen, Arliss, Aberthol, Illepra, Krea – das Baby, Stara, Brandt, Atme und einige der Silver. Sie alle lagen auf der Plattform und wurden von den Nomaden mit Wasser versorgt. Gwendolyn spürte eine Welle der Dankbarkeit gegenüber diesen seltsamen Wesen, die ihnen das Leben gerettet hatten.

Gwendolyn schloss wieder die Augen und legte ihren Kopf auf dem harten Holzpodest ab, denn ihr Kopf fühlte sich unglaublich schwer an. Krohn rollte sich neben ihr zusammen und legte den Kopf auf ihren Arm. Alles war angenehm still hier oben, nichts war zu hören außer dem Rauschen des Windes und dem Quietschen der Seile. Sie war so lange und so weit gereist, und sie fragte sich, wann es endlich enden würde. Bald würden sie oben ankommen und sie betete nur, dass die Ritter, wer auch immer sie waren, so gastfreundlich waren, wie diese Nomaden aus der Wüste.

Mit jedem Ruck fühlten sich die Sonnen stärker an, heißer, und es gab nichts, was Schatten spendete. Gwendolyn hatte das Gefühl zu verbrennen, als ob sie direkt ins Zentrum der Sonne gezogen wurde.

Als sie einen letzten harten Ruck spürte, öffnete sie die Augen wieder und bemerkte, dass sie wieder eingeschlafen war. Sie spürte Bewegung, und sah, dass sie behutsam von den Wüstennomaden von der Plattform auf die Zinnen gehoben wurde. Sie fühlte, wie sie langsam auf den Steinboden abgelegt wurde und blinzelte ein paarmal in die Sonne. Sie war zu erschöpft, um ihren Kopf zu heben,  und war sich nicht sicher ob sie wach war oder träumte.

Sie sah, wie ein Dutzend Krieger auf sie zukamen, die in makellose glänzende Kettenhemden und Brustpanzer gekleidet waren und sich um sie versammelten und sie neugierig ansahen. Gwendolyn konnte nicht verstehen, wie Ritter so weit hier draußen in der Wüste sein konnten, in dieser riesigen Weite mitten im Nichts, wie sie auf diesem riesigen Bergrücken unter der sengenden Sonne Wache stehen konnten. Wie konnten sie hier draußen überleben? Was bewachten sie? Woher hatten sie diese majestätischen Rüstungen? War alles nur ein Traum?

Selbst im Ring mit seiner althergebrachten erhabenen Tradition gab es keine Rüstungen, die mit denen zu vergleichen waren, die diese Männer trugen. Es waren die komplexesten Rüstungen, die sie je gesehen hatte, aus Silber, Platin und einem dritten Metall geschmiedet, das sie nicht kannte, mit komplizierten Mustern graviert, und Waffen, die ihresgleichen suchten. Diese Männer mussten ausgebildete Krieger sein. Es erinnerte sie an jene Tage als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und ihren Vater ins Feld begleitet hatte; er hatte ihr die Kriege gezeigt und sie sah sie, wie sie so prachtvoll aufgereiht standen. Gwendolyn hatte sich damals gefragt, wie solche Schönheit existieren konnte, wie das nur möglich war. Vielleicht war sie gestorben und das war ihr persönlicher Himmel.

Doch sah sie, wie einer vortrat, seinen Helm abnahm und sie mit leuchtend blauen Augen voller Weisheit und Mitgefühl ansah. Er musste um die Dreißig gewesen sein, eindrucksvoll, mit glattrasiertem Schädel und hellblondem Bart. Er musste der verantwortliche Offizier gewesen sein.

Der Ritter wand seine Aufmerksamkeit den Nomaden zu.

„Sind sie am Leben“, fragte er.

Zur Antwort stieß einer der Nomaden Gwendolyn vorsichtig mit seinem Stab an, die sich daraufhin bewegte. Sie wollte schrecklich gerne aufstehen, herausfinden, wer diese Leute waren – doch sie war zu erschöpft und ihr Mund war zu trocken um zu antworten.

„Unglaublich“, sagte ein anderer Ritter, der mit klirrenden Sporen neben den ersten getreten war. Immer mehr folgten ihm und umringten Gwendolyn und ihre Freunde.

„Vollkommen unmöglich“, sagte ein anderer.  „Wie konnten sie in der Großen Wüste überleben?“

„Das konnten sie nicht“, sagte ein anderer. „Das müssen Deserteure sein. Sie müssen das Joch irgendwie verlassen haben. Dann haben sie sich in der Wüste verlaufen und die Entscheidung getroffen, zurückzukommen.“

Gwendolyn versuchte zu antworten, wollte ihnen erklären, was geschehen war, doch sie war zu erschöpft, auch nur ein Wort herauszubringen.

Nach einer kurzen Stille meldete sich ihr Anführer wieder zu Wort. „Nein“, sagte er überzeugt. „Schaut euch ihre Rüstungen an“, sagte er und stieß Kendrick mit seinem Fuß an. „Das sind nicht unsere, doch auch nicht die des Empire.“

Die anderen Ritter betrachteten sie erstaunt.

„Wo kommen sie dann her?“, fragte einer ratlos.

„Und woher haben sie gewusst, wo sie uns finden konnten?“, fragte ein andere.

Der Anführer wandte sich den Nomaden zu.

„Wo habt ihr sie gefunden?“, fragte er.

Die Nomaden quietschten eine Antwort, und Gwendolyn sah, wie sich die Augen des Mannes weiteten.

„Auf der anderen Seite der Sandwand?“, fragte er. „Bist du sicher?“

Der Nomade quietschte seine Antwort.

Der Kommandant wandte sich seinen Leuten zu.

„Ich glaube nicht, dass sie wussten, dass wir hier sind. Ich glaube, dass sie Glück hatten – die Nomaden haben sie im Sand gefunden und haben sie hierher gebracht um eine Belohnung zu kassieren, weil sie geglaubt hatten, dass sie zu uns gehören.“

Die Ritter sahen einander an, und es war klar, dass sie so etwas noch nie zuvor erlebt hatten.

„Wir können sie nicht aufnehmen“, sagte einer. „Du kennst die Regeln. Du lässt sie herein, und wir hinterlassen eine Spur. Keine Spuren. Auf  gar keinen Fall. Wir müssen sie zurück in die Große Wüste schicken.“

Eine lange Stille folgte, die nur vom Rauschen des Windes unterbrochen wurde, und Gwendolyn spürte, dass sie überlegten, was sie mit ihnen tun sollten. Sie konnte nicht sagen, wie lange es dauerte. Sie wollte sich protestierend aufsetzen, ihnen sagen, dass sie sie nicht wieder fortschicken konnten, das konnten sie einfach nicht tun! Nicht nach allem, was sie durchgemacht hatten.

„Wenn wir das täten, sagte ihr Anführer, würde das ihren Tot bedeuten. Unsere Ehre verlangt, dass wie den hilflosen helfen.“

„Und doch, könnten wir alle sterben“, sagte einer der Ritter, „wenn wir sie aufnehmen. Das Empire wird ihrer Spur folgen. Sie werden unser Versteck finden. Wir würden alle unsere Leute gefährden. Ist es dir nicht lieber, wenn ein paar Fremde sterben, als alle unsere Leute?“

Gwendolyn konnte sehen, wie der Anführer nachdachte, hin und hergerissen von der schweren Entscheidung, die er treffen musste. Sie verstand, wie es sich anfühlte, solche harten Entscheidungen zu treffen. Doch sie war zu schwach, konnte nicht mehr als sich der Barmherzigkeit dieser Leute ergeben.

„Das mag sein“, sagte der Anführer schließlich mit einer gewissen Resignation in der Stimme, „doch wir können diese unschuldigen Menschen nicht sterben lassen. Sie kommen mit uns.“

Er wandte sich seinen Männern zu.

„Bringt sie hinunter auf die andere Seite“, befahl er mit fester, autoritärer Stimme. „Wir bringen sie zum König, und er soll die Entscheidung selbst treffen.“

Die Männer folgten seinem Befehl und bereiteten eine Plattform auf der anderen Seite für den Abstieg vor. Doch einer der Männer starrte den Anführer unsicher an.

„Du verletzt das Gesetz des Königs“, sagte der Ritter. „Keine Außenseiter im Joch. Niemals.“

Der Anführer starrte ihn stur an.

„Kein Außenseiter hat je unsere Tore erreicht“, antwortete er.

„Der König kann dich dafür einsperren“, sagte der Ritter.

Doch der Anführer schwankte nicht.

„Dieses Risiko bin ich gerne bereit einzugehen.“

„Für Wildfremde? Wertlose Wüstenleute?“, fragte der Ritter überrascht. „Wer weiß schon, wer diese Leute sind.“

„Jedes Leben ist wertvoll“, gab der Anführer zurück. „Und meine Ehre ist mehr wert als tausend Leben im Kerker.“

Der Anführer nickte seinen  Männern zu, die ihn erwartungsvoll ansahen, und plötzlich spürte Gwen die kühle Rüstung des Kriegers, der sie hochhob an ihrem Rücken. Er hob sie mühelos hoch, als wäre sie eine Feder und trug sie, während seine Kameraden die anderen trugen. Gwendolyn sah, dass sie über eine Ebene aus Stein gingen, die vielleicht hundert Meter breit war. Sie gingen immer weiter, und sie fühlte sich sicher in den Armen des Ritters, so sicher wie schon lange Zeit nicht mehr. Sie wollte ihm von ganzen Herzen danken, doch sie war zu erschöpft, um auch nur ein Wort herauszubringen.

Sie erreichten die Zinnen auf der anderen Seite der Wehranlage und als die Ritter sich daran machten, sie auf die Plattform dort zu legen und auf der anderen Seite des Jochs herunterzulassen, erhaschte sie einen Blick auf ihr Ziel. Es war ein Anblick, den sie niemals vergessen würde, ein Anblick, der ihr den Atem nahm. Das Joch, das sich aus der Wüste wie eine Sphinx erhob, hatte die Form eines Rings, der so weit war, dass er sich in den Wolken verlor. Sie erkannte, dass es ein Schutzwall war, und auf seiner anderen Seite, weit unten, glitzerte ein blauer See, der ihr so groß wie das Meer erschien, unter den Wüstensonnen. Das reiche Blau und der Anblick all des Wassers nahm ihr den Atem. Und dahinter, am Horizont, sah sie ein weites Land, so weit, dass sie nicht sehen konnte, wo es endete; es war fruchtbar, grün und vibrierte vor Leben. Soweit sie sehen konnte erstreckten sich Farmen, Weinberge, Obstgärten und Wälder, ein Land das übersprudelte vor Leben. Es war der idyllischste und schönste Anblick, den sie je gesehen hatte.

„Herzlich willkommen, Mylady“, sagte der Anführer „im Land auf der anderen Seite des Jochs.“