Kitabı oku: «Festmahl der Drachen », sayfa 4

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Und dann trat sie heraus—und Erecs Herz blieb ihm in der Brust stehen.

Er konnte kaum atmen. Sie war es.

Sie trug eine Schürze, die mit Fettflecken übersät war, und hatte ihren Kopf tief gesenkt, zu beschämt, um hochzublicken. Ihr Haar war hochgebunden, von einem Tuch bedeckt, ihre Wangen klebten vor Dreck—und doch war Erec von ihr absolut hingerissen. Ihre Haut war so jung, so perfekt. Sie hatte hohe, feine Wangenknochen, eine kleine, sommersprossige Nase und volle Lippen. Sie hatte eine hohe, adelige Stirn, und ihr wunderschönes blondes Haar lugte unter der Haube hervor.

Sie blickte zu ihm hoch, nur einen kurzen Augenblick lang, und ihre großen, wunderschönen mandelgrünen Augen, die mit dem Licht die Farbe änderten, erst kristallblau und dann wieder zurück, fesselten ihn an Ort und Stelle. Er stellte überrascht fest, dass er jetzt sogar noch faszinierter von ihr war als zuvor, als er ihr zum ersten Mal begegnete.

Hinter ihr kam der Wirt hervor, mürrisch, immer noch Blut von seiner Nase wischend. Das Mädchen trat zaghaft vor, umringt von diesen älteren Damen, auf Erec zu und knickste, als sie nahe war. Erec erhob sich vor ihr, und einige Gefolgsleute des Herzogs taten es ihm nach.

„Mein Herr“, sagte sie mit sanfter, süßer Stimme, die Erecs Herz erfüllte. „Bitte sagt mir, was ich getan habe, um Euch zu kränken. Ich weiß nicht, was es ist, doch es tut mir leid; was immer ich getan habe, um das Erscheinen des Herzogshofs zu begründen.“

Erec lächelte. Ihre Worte, ihre Sprache, der Klang ihrer Stimme—all das erfrischte ihn. Er wollte nicht, dass sie je wieder zu sprechen aufhörte.

Erec hob seine Hand, um ihr Kinn zu berühren und es hochzuheben, bis ihre sanften Augen die seinen trafen. Sein Herz raste, als er ihr in die Augen blickte. Es war, als würde er im tiefblauen Meer versinken.

„Meine Dame, Ihr habt nichts Kränkendes getan. Ich glaube nicht, dass Ihr je in der Lage wärt, zu kränken. Ich komme nicht im Ärger—sondern aus Liebe. Seit ich Euch erblickte, konnte ich an nichts anderes mehr denken.“

Das Mädchen wirkte aus der Fassung gebracht, und sie ließ augenblicklich ihren Blick zu Boden sinken und blinzelte einige Male. Sie rang ihre Hände und sah nervös aus, überwältigt. Sie war eindeutig nicht an das hier gewöhnt.

„Ich bitte Euch, meine Dame. Verratet mir Euren Namen.“

„Alistair“, antwortete sie demütig.

„Alistair“, wiederholte Erec überwältigt. Es war der schönste Name, den er je vernommen hatte.

„Doch weiß ich nicht, was es Euch nützt, ihn zu kennen“, fügte sie leise hinzu, immer noch zu Boden blickend. „Ihr seid ein hoher Herr. Ich bin nichts als eine Dienstmagd.“

„Sie ist genauer gesagt meine Dienstmagd“, sagte der Wirt garstig, während er vortrat. „Sie steht in meiner Schuld. Sie hat vor Jahren den Vertrag unterschrieben. Für sieben Jahre hat sie sich verpflichtet. Im Gegenzug gebe ich ihr Kost und Logis. Sie ist im dritten Jahr. Ihr seht also, dies ist alles Zeitverschwendung. Sie gehört mir. Sie ist mein Eigentum. Die hier nehmt Ihr nicht mit. Sie gehört mir. Versteht Ihr das?“

Erec verspürte einen Hass auf diesen Wirten jenseits von allem, was er je für einen Menschen empfunden hatte. Er war beinahe geneigt, sein Schwert zu ziehen, ihn ins Herz zu stechen und es hinter sich zu bringen. Doch so sehr der Mann es auch vielleicht verdient hätte, wollte Erec nicht das Königliche Recht brechen. Immerhin sprachen seine Handlungen direkt für den König.

„Das Königliche Recht ist das Königliche Recht“, sagte Erec mit fester Stimme zu dem Mann. „Ich habe nicht vor, es zu brechen. Wie dem auch sei, morgen beginnen die Turniere. Und ich bin berechtigt, wie jeder Mann, mir eine Braut zu wählen. Und es soll hier und jetzt bekannt sein, dass ich Alistair wähle.“

Ein Raunen zog durch den Raum, während alle einander schockierte Blicke zuwarfen.

„Das heißt“, fügte Erec hinzu, „wenn sie zustimmt.“

Erec blickte mit pochendem Herzen zu Alistair, die ihr Gesicht weiter zu Boden gesenkt hielt. Er konnte sehen, wie sie errötete.

„Stimmt Ihr zu, meine Dame?“, fragte er.

Das Zimmer wurde still.

„Mein Herr“, sagte sie leise, „Ihr wisst nichts darüber, wer ich bin, woher ich komme, warum ich hier bin. Und ich fürchte, dies sind Dinge, die ich Euch nicht verraten kann.“

Erec starrte verwirrt zurück.

„Warum könnt Ihr mir das nicht sagen?“

„Ich habe niemandem davon erzählt, seit meiner Ankunft. Ich legte einen Eid ab.“

„Aber warum?“, drängte er, überaus neugierig.

Doch Alistair hielt nur ihr Gesicht gesenkt und schwieg.

„Es ist wahr“, fügte eine der Dienerinnen hinzu. „Die da hat uns nie erzählt, wer sie ist. Oder warum sie hier ist. Sie weigert sich. Wir versuchen es seit Jahren.“

Erec fand sie zutiefst rätselhaft—doch das machte sie nur umso geheimnisvoller.

„Wenn ich nicht wissen darf, wer Ihr seid, so sei es“, sagte Erec. „Ich respektiere Euren Eid. Doch das wird meine Zuneigung zu Euch nicht ändern. Meine Dame, wer immer Ihr seid, sollte ich dieses Turnier gewinnen, so werde ich Euch als meinen Preis wählen. Euch, aus allen Frauen in diesem gesamten Königreich. Ich frage Euch erneut: stimmt Ihr zu?“

Alistair hielt ihren Blick fest zu Boden gerichtet, und Erec sah, wie Tränen über ihre Wangen strömten.

Plötzlich kehrte sie um und rannte aus dem Zimmer hinaus, die Tür hinter sich zuziehend.

Erec stand mit den anderen in verdutztem Schweigen. Er wusste kaum, wie er ihre Reaktion messen sollte.

„Ihr seht also, Ihr verschwendet Eure Zeit, und meine“, sagte der Wirt. „Sie hat Nein gesagt. Also fort mit Euch.“

Erec verzog das Gesicht.

„Sie hat nicht Nein gesagt“, warf Brandt ein. „Sie hat gar nicht geantwortet.“

„Es steht ihr zu, sich Zeit zu nehmen“, sagte Erec zu ihrer Verteidigung. „Immerhin gibt es einiges zu überlegen. Sie kennt mich ebenso wenig.“

Erec stand da und überlegte hin und her, was er tun sollte.

„Ich werde die Nacht hier verbringen“, verkündete Erec schließlich. „Du wirst mir hier ein Zimmer geben, am anderen Ende von ihrem Flur. Am Morgen, bevor das Turnier beginnt, werde ich sie erneut fragen. Wenn sie zustimmt, und wenn ich gewinne, soll sie meine Braut sein. Wenn dies geschieht, werde ich sie aus ihrer Schuld bei dir freikaufen, und sie wird diesen Ort mit mir verlassen.“

Dem Wirten war es deutlich zuwider, Erec unter seinem Dach zu haben, doch er wagte nicht, zu widersprechen; so stürmte er aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.

„Seid Ihr sicher, dass Ihr hierzubleiben wünscht?“, fragte der Herzog. „Kommt doch mit uns zurück zur Burg.“

Erec nickte ernsthaft.

„Ich bin mir noch nie in meinem Leben einer Sache so sicher gewesen.“

KAPITEL ACHT

Thor stürzte durch die Luft und landete kopfüber in den stürmischen Fluten der Feuersee. Er tauchte ein und sank tiefer, und stellte überrascht fest, dass das Wasser heiß war.

Unter der Oberfläche öffnete Thor kurz die Augen—und wünschte, er hätte es nicht getan. Er bekam einen kurzen Blick auf alle Arten von fremden und hässlichen Meeresbewohnern, klein und groß, mit ungewöhnlichen und grotesken Gesichtern. Dieser Ozean wimmelte vor ihnen. Er betete, dass sie ihn nicht angreifen würden, bevor er sich auf das Ruderboot in Sicherheit bringen konnte.

Thor tauchte nach Luft schnappend auf und fing sofort an, nach dem ertrinkenden Jungen zu suchen. Er bemerkte ihn gerade rechtzeitig: er zappelte mit den Armen, ging unter, und in nur wenigen weiteren Sekunden würde er mit Sicherheit ertrunken sein.

Thor fasste um ihn herum, packte ihn am Schlüsselbein und fing an, mit ihm zu schwimmen, darauf achtend, ihrer beider Köpfe über dem Wasser zu halten. Thor hörte ein Jaulen und Winseln und sah schockiert Krohn hinter sich auf sie zukommen: er musste ihm ins Wasser nachgesprungen sein. Der Leopard paddelte auf Thor zu und winselte. Thor fühlte sich furchtbar, Krohn so in Gefahr zu sehen—doch seine Hände waren voll und es gab nicht viel, was er tun konnte.

Thor versuchte, sich nicht umzusehen, nicht auf das wallende rote Wasser zu achten oder auf die merkwürdigen Kreaturen, die um ihn herum auftauchten und wieder verschwanden. Eine hässlich aussehende Kreatur, violett mit vier Armen und zwei Köpfen, tauchte in der Nähe auf, fauchte ihn an und tauchte dann unter; Thor zuckte zusammen.

Er sah sich um und entdeckte das Ruderboot etwa zwanzig Schritt weit entfernt, und schwamm hektisch darauf zu, mit einem Arm und beiden Beinen, während er den Jungen mit sich zog. Der Junge zappelte und schrie, leistete Widerstand, und Thor fürchtete, er würde ihn mit sich mit in die Tiefe reißen.

„Halt still!“, schrie Thor unwirsch und hoffte, der Junge würde auf ihn hören.

Endlich tat er das auch. Thor war kurz erleichtert—bis er ein Platschen neben sich hörte und zur anderen Seite blickte: direkt neben ihm tauchte eine weitere Kreatur auf, klein mit gelbem Kopf und vier Tentakeln. Sie hatte einen kantigen Kopf und schwamm knurrend und zitternd auf ihn zu. Sie sah aus wie eine Klapperschlange, die im Meer lebt, nur dass ihr Kopf zu eckig war. Thor verkrampfte sich, als sie näherkam, und rechnete fest damit, gebissen zu werden—doch dann riss sie plötzlich ihr Maul weit auf und spuckte ihm Meerwasser entgegen. Thor blinzelte und versuchte, es aus den Augen zu bekommen.

Die Kreatur umkreiste sie schwimmend, wieder und wieder, und Thor verdoppelte seine Mühen, schwamm schneller, versuchte, zu entkommen.

Thor kam gut voran, war dem Boot schon näher, als plötzlich eine weitere Kreatur auf seiner anderen Seite auftauchte. Sie war lang, schmal und orange, mit zwei Klauen am Maul und dutzenden kleiner Beine. Sie hatte auch einen langen Schwanz, den sie in alle Richtungen peitschte. Sie ähnelte einem aufrecht stehenden Hummer. Sie flitzte wie ein Wasserläufer auf der Wasseroberfläche herum und summte immer näher auf Thor zu, drehte sich zur Seite und peitschte mit ihrem Schwanz. Der Schwanz traf Thor am Arm und der Stich ließ ihn vor Schmerz aufschreien.

Die Kreatur summte hin und her, griff wieder und wieder an. Thor wünschte, er könnte sein Schwert ziehen und sie angreifen—doch er hatte nur eine Hand frei, und die brauchte er zum Schwimmen.

Krohn, der neben ihm schwamm, drehte sich herum und knurrte die Kreatur an, ein haarsträubender Laut, und als Krohn furchtlos auf sie zuschwamm, bekam das Biest Angst und verschwand unter der Wasseroberfläche. Thor seufzte erleichtert auf—bis die Kreatur plötzlich auf seiner anderen Seite wieder auftauchte und erneut auf ihn losging. Krohn drehte sich nach ihr um und jagte sie herum, versuchte, sie zu fangen, schnappte mit seinen Kiefern nach ihr, und verfehlte sie immer wieder.

Thor schwamm um sein Leben, wohl wissend, dass der einzige Weg aus diesem Schlamassel war, diesem Meer zu entkommen. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der er fester schwamm als je zuvor in seinem Leben, war er dem Ruderboot nahe, das heftig zwischen den Wellen schaukelte. Als er ankam, erwarteten ihn dort zwei Legionäre, um ihm zu helfen; ältere Jungen, die sonst nie mit Thor und seinen Klassenkameraden sprachen. Immerhin lehnten sie sich nun herunter und streckten ihm eine helfende Hand aus.

Thor half zuerst, den Jungen aufs Boot zu hieven. Die älteren Jungen packten ihn an den Armen und zerrten ihn ins Boot.

Dann packte Thor Krohn um den Bauch und warf ihm aus dem Wasser hoch und in das Boot. Krohn rutschte und schabte auf allen vier Pfoten über die Holzplanken, klatschnass und zitternd. Er schlitterte über den nassen Boden quer durchs Boot. Dann sprang er sofort wieder hoch, kehrte um und rannte zurück an die Kante, auf der Suche nach Thor. Dort stand er, blickte suchend aufs Wasser hinunter und winselte.

Thor streckte die Hand aus und ergriff die Hand eines der Jungen, und zog sich gerade selbst aufs Boot, als er plötzlich spürte, wie sich etwas Starkes und Muskulöses um seinen Fuß und seine Schenkel wickelte. Er blickte nach unten, und sein Herz erstarrte, als er eine giftgrüne, tintenfischartige Kreatur sah, die einen Tentakel um sein Bein schlang.

Thor schrie vor Schmerz auf, als er Stacheln spürte, die sich in sein Fleisch bohrten.

Thor wurde klar, dass bald etwas geschehen musste, oder er war erledigt. Mit seiner freien Hand griff er an seinen Gürtel, zog einen kleinen Dolch, lehnte sich vor und schnitt nach dem Tentakel. Doch der Tentakel war so dick, dass der Dolch ihn nicht einmal durchstoßen konnte.

Es machte das Vieh wütend. Plötzlich kam der Kopf der Kreatur an die Oberfläche—grün, augenlos, mit zwei Kiefern übereinander an seinem langen Hals—riss Reihen an rasiermesserscharfen Zähnen auseinander und ging auf Thor los. Thor spürte, wie ihm das Blut im Bein abgeschnitten wurde, und wusste, er musste schnell handeln. Trotz der Bemühungen des älteren Jungen, ihn festzuhalten, rutschte Thors Griff und er sank zurück ins Wasser.

Krohn jaulte und jaulte, sein Fell sträubte sich, und er beugte sich vor, als würde er ins Wasser springen wollen. Doch sogar Krohn musste eingesehen haben, dass es zwecklos sein würde, dieses Ding anzugreifen.

Einer der älteren Jungen trat vor und schrie:

„DUCK DICH!“

Thor zog den Kopf ein, und der Junge warf einen Speer. Er zischte durch die Luft, doch verfehlte, flog harmlos vorbei und versank im Wasser. Die Kreatur war zu schmal und zu schnell.

Plötzlich sprang Krohn vom Boot und zurück ins Wasser, und landete mit offenem Maul und gefletschten scharfen Zähnen am Hals der Kreatur. Krohn packte zu und schwang die Kreatur von einer Seite auf die andere, ohne loszulassen.

Doch es war ein verlorener Kampf: die Haut der Kreatur war zu zäh, und sie war zu kräftig. Die Kreatur schleuderte Krohn von einer Seite zur anderen, bevor sie ihn schließlich ins Wasser beförderte. Inzwischen zog sich ihr Griff um Thors Bein fester; es war wie ein Schraubstock, und Thor fühlte, wie er an Sauerstoff verlor. Die Tentakel brannten so schlimm, dass es sich für Thor anfühlte, als würde sein Bein gleich vom Körper gerissen werden.

In einem letzten, verzweifelten Versuch ließ Thor die Hand des Jungen los und nutzte den Schwung, um nach dem Schwert an seinem Gürtel zu greifen.

Doch er bekam es nicht rechtzeitig zu fassen; er rutschte aus, wirbelte herum und fiel mit dem Gesicht voran ins Wasser.

Thor spürte, wie er davongeschleppt wurde, weg vom Boot, von der Kreatur ins Meer hinausgezogen. Sie schleppte ihn rückwärts, schneller und schneller, und während er hilflos um sich herum griff, musste er zusehen, wie das Ruderboot vor ihm verschwand. Das Nächste, was er mitbekam, war, dass er hinunter unter die Wasseroberfläche gezogen wurde, hinunter in die Tiefen der Feuersee.

KAPITEL NEUN

Gwendolyn rannte auf die offene Wiese, ihr Vater, König MacGil, neben ihr. Sie war klein, vielleicht zehn Jahre alt, und auch ihr Vater war viel jünger. Sein Bart war kurz, zeigte noch keine Anzeichen des Grau, das er später in seinem Leben tragen würde, und seine Haut war frei von Falten, jugendhaft, strahlend. Er war glücklich, sorglos, und lachte unbeschwert, während er sie an der Hand hielt und mit ihr durch die Wiese lief. Dies war der Vater, den sie in Erinnerung hatte; der Vater, den sie kannte.

Er hob sie hoch und warf sie sich über die Schulter, wirbelte sie herum, lachte immer lauter, und sie kicherte hysterisch. Sie fühlte sich in seinen Armen so sicher, und sie wollte, dass diese Zeit zusammen nie enden würde.

Doch als ihr Vater sie wieder absetzte, passierte etwas Seltsames. Urplötzlich legte sich die Dämmerung über den sonnigen Nachmittag. Als Gwens Füße den Boden berührten, standen sie nicht länger in Wiesenblumen, sondern steckten bis zu den Knöcheln in Schlamm. Ihr Vater lag nun ein paar Fuß von ihr entfernt auf seinem Rücken im Schlamm—und war älter, viel älter, zu alt—und er steckte fest. Noch weiter entfernt lag seine Krone im Schlamm und funkelte.

„Gwendolyn“, ächzte er. „Meine Tochter. Hilf mir.“

Er hob eine Hand aus dem Schlamm hoch und streckte sie verzweifelt nach ihr aus.

Sie wurde überwältigt von dem Drang, ihm zu helfen, und sie versuchte, zu ihm zu gelangen und seine Hand zu fassen. Doch ihre Füße rührten sich nicht. Sie blickte hinunter und sah, wie der Schlamm um sie herum fest wurde, trocknete, Risse bildete. Sie zappelte und strampelte und versuchte, freizukommen.

Gwen blinzelte und stand plötzlich auf der Brüstung der Burg, auf Königshof hinunterblickend. Etwas stimmte nicht: unter ihr sah sie nicht die übliche Pracht und Festlichkeit, sondern einen ausgedehnten Friedhof. Wo einst der strahlende Glanz von Königshof lag, erstreckten sich nun frische Gräber, so weit das Auge reichte.

Sie hörte das Schlurfen von Füßen, und ihr Herz blieb stehen, als sie sich umdrehte und einen Attentäter, in einen schwarzen Umhang mit Kapuze gehüllt, auf sie zukommen sah. Er lief auf sie zu, zog die Kapuze vom Kopf und enthüllte ein groteskes Gesicht mit einem fehlenden Auge, eine dicke, gezackte Narbe über der Augenhöhle. Er knurrte, hob die Hand und erhob einen glänzenden Dolch, dessen Griff rot leuchtete.

Er bewegte sich zu schnell, und sie konnte nicht rechtzeitig reagieren. Sie machte sich gefasst; wusste, dass sie sogleich getötet werden würde, wenn er den Dolch mit ganzer Kraft auf sie niedersausen ließ.

Er hielt plötzlich inne, nur wenige Fingerbreit von ihrem Gesicht entfernt, und sie öffnete die Augen und sah ihren Vater da stehen, als Leichnam, der den Arm des Mannes in der Luft gefangen hielt. Er drückte die Hand des Mannes zusammen, bis er den Dolch fallen ließ, dann hob er ihn über die Schultern und warf ihn von der Brüstung. Gwen hörte ihn schreien, als er über die Kante in die Tiefe stürzte.

Ihr Vater drehte sich zu ihr um und starrte sie an; er packte sie fest mit seinen verwesenden Händen an den Schultern und hatte einen gestrengen Ausdruck auf dem Gesicht.

„Es ist hier nicht sicher für dich“, warnte er. „Du bist nicht sicher!“, schrie er, und seine Finger gruben sich viel zu fest in ihre Schultern, und sie schrie auf.

Schreiend wachte Gwen auf. Sie saß schnurgerade im Bett und blickte sich in ihrem Gemach um, überall einen Angreifer vermutend.

Doch ihr begegnete nichts als Stille—die schwere, starre Stille vor dem Morgengrauen.

Schweißgebadet und keuchend sprang sie vom Bett, in ihr spitzenbesetztes Nachtgewand gehüllt, und schritt im Zimmer umher. Sie eilte zum kleinen Steinbecken hinüber und klatschte sich Wasser ins Gesicht, wieder und wieder. Sie lehnte sich gegen die Wand, spürte den kalten Stein unter ihren nackten Füßen an diesem warmen Sommermorgen, und versuchte, sich zusammenzunehmen.

Der Traum hatte sich allzu echt angefühlt. Sie spürte, dass es mehr war als nur ein Traum—eine aufrichtige Warnung ihres Vaters, eine Botschaft. Sie verspürte den Drang, Königshof zu verlassen, jetzt gleich, und niemals zurückzukehren.

Sie wusste, dass dies etwas war, was sie nicht tun konnte. Sie musste sich zusammenreißen, ihre Gedanken sammeln. Doch mit jedem Blinzeln sah sie das Gesicht ihres Vaters, spürte seine Warnung. Sie musste etwas unternehmen, um den Traum abzuschütteln.

Gwen blickte hinaus und sah gerade die erste Sonne aufsteigen, und dann fiel ihr der einzige Ort ein, der ihr helfen konnte, ihre Fassung zurückzuerlangen. Der Königsfluss. Ja, dort musste sie hin.

*

Gwendolyn tauchte wieder und wieder in die eiskalten Fluten des Königsflusses, hielt sich die Nase zu und duckte ihren Kopf unter Wasser. Sie saß in dem kleinen, natürlichen Becken, das sich in den Felsen geformt hatte und in den oberen Quellen versteckt lag, und das sie als Kind gefunden und seither oft besucht hatte. Sie hielt ihren Kopf unter Wasser und verweite dort, fühlte den kühlen Strom durch ihr Haar fließen, über ihre Kopfhaut, spürte, wie das Wasser ihren nackten Körper umspülte und reinigte.

Sie hatte diese verborgene Stelle eines Tages inmitten einer Ansammlung von Bäumen hoch oben am Berg versteckt gefunden; eine kleine Flachstelle, wo der Strom des Flusses sich verlangsamte und ein Becken gebildet hatte, das tief und still war. Über ihr rann der Fluss herein, und unter ihr rann er weiter hinunter—doch hier auf diesem Plateau war nur eine ganz schwache Strömung im Wasser. Das Becken war tief, die Felsen glatt, und der Ort so gut versteckt, dass sie unbeschwert nackt baden konnte. Sie kam im Sommer fast jeden Morgen hierher, wenn die Sonne aufging, um ihren Kopf freizubekommen. Besonders an Tagen wie heute, wenn sie wie so oft von Träumen geplagt war, war es ihr liebster Zufluchtsort.

Es war so schwer für Gwen, zu wissen, ob es nur ein Traum war oder etwas mehr. Woher konnte sie wissen, wann ein Traum eine Botschaft war, ein Omen? Woher wissen, ob es nur ihr Verstand war, der ihr einen Streich spielte, oder ob ihr eine Chance gegeben wurde, zu handeln?

Gwendolyn tauchte nach Luft auf, atmete den warmen Sommermorgen ein, hörte die Vögel um sie herum in den Bäumen zwitschern. Sie lehnte sich gegen den Felsen zurück, ihr Körper bis zum Hals eingetaucht, und saß auf einem natürlichen Vorsprung im Wasser und dachte nach. Sie hob die Hände und klatschte sich Wasser ins Gesicht, dann ließ sie die Finger durch ihr langes, rotblondes Haar gleiten. Sie blickte auf die kristallklare Wasseroberfläche hinunter, in der sich der Himmel spiegelte und die zweite Sonne, die bereits langsam aufstieg, die Bäume, die sich über das Becken bogen, sowie ihr eigenes Gesicht. Ihre mandelförmigen Augen, leuchtend blau, blickten sie aus ihrem von Wellen bewegten Spiegelbild heraus an. Sie konnte etwas von ihrem Vater in ihnen erkennen. Sie wandte sich ab und dachte weiter über ihren Traum nach.

Sie wusste, es war gefährlich für sie, nach der Ermordung ihres Vaters in Königshof zu bleiben, mit all den Spionen und Intrigen—und besonders mit Gareth als König. Ihr Bruder war unberechenbar. Rachsüchtig. Paranoid. Und sehr, sehr eifersüchtig. Er sah jeden als Bedrohung an—sie ganz besonders. Es konnte alles passieren. Sie wusste, dass sie hier nicht sicher war. Niemand war das.

Doch sie war nicht jemand, der davonlief. Sie brauchte Gewissheit darüber, wer der Mörder ihres Vaters war, und wenn es Gareth war, konnte sie nicht davonlaufen, bevor nicht der Gerechtigkeit Genüge getan war. Sie wusste, dass der Geist ihres Vaters nicht ruhen würde, bis derjenige erwischt war, der ihn ermordet hatte. Gerechtigkeit war sein Leben lang sein Motto gewesen, und gerade er hatte es verdient, sie selbst in seinem Tod zu erfahren.

Gwen dachte wieder an ihre und Godfreys Begegnung mit Steffen. Sie war sich sicher, dass Steffen etwas verbarg und fragte sich, was es war. Ein Teil von ihr fühlte, dass er sich mit der Zeit von selbst öffnen würde. Doch was, wenn er das nicht tat? Sie verspürte einen Drang, den Mörder ihres Vaters zu finden—doch sie wusste nicht, wo sie noch suchen sollte.

Schließlich erhob sich Gwendolyn von ihrem Sitz unter dem Wasser, kletterte nackt ans Ufer, zitterte in der Morgenluft, versteckte sich hinter einem dicken Baum und holte ihr Handtuch von einem Ast, wie sie es immer tat.

Doch als sie sich danach ausstreckte, stellte sie mit Schrecken fest, dass ihr Handtuch nicht da war. Nackt und nass stand sie da und verstand nicht, was vor sich ging. Sie war sich sicher, dass sie es dort aufgehängt hatte, so wie immer.

Als sie verdutzt und zitternd dastand und versuchte, zu begreifen, was passiert war, spürte sie eine Bewegung hinter sich. Es ging so schnell—ein Huschen—und einen Augenblick später stellte sie mit stockendem Herzen fest, dass ein Mann hinter ihr stand.

Alles ging zu schnell. In wenigen Sekunden war der Mann, der wie in ihrem Traum in einen schwarzen Umhang mit Kapuze gehüllt war, hinter ihr. Er packte sie von hinten, streckte eine knochige Hand aus und hielt ihr damit den Mund zu, ihre Schreie erstickend, während er sie festhielt. Mit der anderen Hand fasste er um ihre Mitte, zog sie an sich heran und hob sie vom Boden hoch.

Sie trat in die Luft und versuchte zu schreien, bis er sie absetzte, weiterhin fest in seinem Griff. Sie versuchte, aus seiner Umklammerung freizukommen, doch er war zu stark. Er holte aus und Gwen sah, dass er einen Dolch mit einem leuchtend roten Griff hielt—derselbe wie in ihrem Traum. Es war also doch eine Warnung gewesen.

Sie spürte, wie die Klinge gegen ihre Kehle gepresst wurde, und er hielt sie so fest, dass jede Bewegung in alle Richtungen einen Schnitt durch den Hals zur Folge haben würde. Tränen flossen über ihre Wangen, während ihr das Atmen schwer fiel. Sie war so wütend auf sich selbst. Sie war so dumm gewesen. Sie hätte achtsamer sein sollen.

„Erkennst du mein Gesicht?“, fragte er.

Er lehnte sich vorwärts, und sie konnte seinen heißen, schrecklichen Atem auf ihrer Wange spüren und sah sein Gesicht. Ihr Herz blieb stehen—es war der gleiche Mann wie in ihrem Traum, der Mann mit dem fehlenden Auge und der Narbe.

„Ja“, antwortete sie mit zitternder Stimme.

Es war ein Gesicht, das sie nur zu gut kannte. Sie kannte seinen Namen nicht, doch sie wusste, dass er ein Vollstrecker war. Ein niederträchtiger Kerl, einer von mehreren, die sich um Gareth herum scharten, seit er ein Kind war. Er war Gareths Bote. Gareth schickte ihn zu jedem, dem er einen Schrecken einjagen wollte—oder ihn foltern oder töten.

„Du bist der Köter meines Bruders“, zischte sie ihn trotzig an.

Er lächelte und entblößte seine Zahnlücken.

„Ich bin sein Bote“, sagte er. „Und meine Botschaft kommt mit einer besonderen Waffe, damit du dich leichter daran erinnerst. Seine Botschaft an dich heute ist, dass du aufhören sollst, Fragen zu stellen. Du wirst sie besonders gut lernen, denn wenn ich mit dir fertig bin, wird die Narbe, die ich auf deinem Gesicht hinterlasse, dich dein ganzes Leben lang daran erinnern.“

Er schnaubte, dann hob er das Messer hoch und begann, es auf ihr Gesicht zuzuführen.

„NEIN!“, kreischte Gwen.

Sie machte sich gefasst auf den lebensverändernden Schnitt.

Doch als die Klinge niederfuhr, passierte etwas. Plötzlich krächzte ein Vogel, stürzte vom Himmel herunter und flog direkt auf den Mann zu. Sie blickte hoch und erkannte ihn im letzten Augenblick.

Estopheles.

Sie schwang sich Krallen voran herunter und zerkratzte dem Mann das Gesicht, als er den Dolch abwärts zog.

Die Klinge hatte gerade begonnen, Gwens Wange mit einem schmerzhaften Stechen aufzuschlitzen, als sich plötzlich ihre Richtung änderte; der Mann schrie auf, ließ die Klinge fallen und hob die Arme. Gwen sah ein weißes Licht im Himmel aufblitzen, die Sonne hinter den Ästen hervorscheinen, und als Estopheles davonflog, wusste sie, wusste es einfach, dass ihr Vater den Falken geschickt hatte.

Sie verschwendete keine Zeit. Sie wirbelte herum, holte aus, und wie ihre Lehrer ihr beigebracht hatten, trat sie dem Mann kräftig in die Magengrube, mit ihrem nackten Fuß perfekt ins Ziel treffend. Er kippte um, erfuhr die Kraft ihrer Beine, als sie ihren Tritt direkt durch ihn sandte. Es war ihr von klein auf eingebläut worden, dass sie nicht stark sein musste, um einen Angreifer abzuwehren. Sie musste nur ihre stärksten Muskeln einsetzen—ihre Schenkel. Und genau zielen.

Als der Mann vornüber gebeugt dastand, trat sie vor, packte ihn an den Haaren und fuhr mit dem Knie hoch—wiederum mit höchster Präzision—und traf ihn perfekt am Nasenbein.

Sie hörte ein zufriedenstellendes Knacken und spürte, wie sein heißes Blut hervorquoll, auf ihr Bein floss und es befleckte; als er zu Boden sank, wusste sie, dass sie ihm die Nase gebrochen hatte.

Sie wusste, sie sollte ihn ein für alle Mal erledigen, diesen Dolch aufnehmen und ihm ins Herz stoßen.

Doch sie stand nackt da und ihr Instinkt war, sich anzuziehen und von hier zu verschwinden. Sie wollte sein Blut nicht an den Händen haben, so sehr er es auch verdient haben mag.

Also griff sie stattdessen hinunter, packte seine Klinge, warf sie in den Fluss und wickelte sich in ihre Kleider. Sie machte sich auf, zu fliehen, doch zuvor drehte sie sich noch herum, holte aus und trat ihn so fest sie konnte in den Schritt.

Er schrie vor Schmerz auf und rollte sich zu einem Ball zusammen wie ein verwundetes Tier.

Innerlich bebte sie, fühlte, wie knapp sie davor gewesen war, umgebracht zu werden, oder zumindest verstümmelt. Sie spürte den Schnitt auf ihrer Wange stechen und erkannte, dass sie wahrscheinlich eine Narbe davontragen würde, wenn auch eine leichte. Sie fühlte sich traumatisiert. Doch sie ließ es sich vor ihm nicht anmerken. Denn zugleich spürte sie auch eine neue Kraft in sich aufwallen, die Kraft ihres Vaters, von sieben Generationen von MacGil-Königen. Und zum ersten Mal war ihr klar, dass auch sie stark war. So stark wie ihre Brüder. So stark wie jeder von ihnen.

Bevor sie sich abwandte, lehnte sie sich zu ihm hinunter, nahe genug, dass er sie durch sein Stöhnen hindurch hören konnte.

„Komm mir noch einmal nahe“, knurrte sie den Mann an, „und ich werde dich eigenhändig umbringen.“

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Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
282 s. 4 illüstrasyon
ISBN:
9781939416940
İndirme biçimi:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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